Acinetobacter spp.

Acinetobacter spp.

KHINF 11276 No. of Pages 2 € DIE KRANKENHAUSHYGIENE WICHTIGE ERREGER FUR Acinetobacter spp. Das Genus Acinetobacter umfasst sporenlose, aerobe, unbe...

37KB Sizes 5 Downloads 458 Views

KHINF 11276 No. of Pages 2

€ DIE KRANKENHAUSHYGIENE WICHTIGE ERREGER FUR

Acinetobacter spp. Das Genus Acinetobacter umfasst sporenlose, aerobe, unbewegliche, nicht fermentierende, gramnegative kokkoide St€abchenbakterien. Fr€uher erfolgte eine Unterscheidung nur in A. calcoaceticus var. anitratus und A. calcoaceticus var. lwoffii. Mit der Anwendung moderner taxonomischer Methoden in den letzten 20 Jahren wurde eine weitergehende Unterteilung erm€oglicht. So sind derzeit etwa 32 Genospezies oder DNA-Gruppen beschrieben, darunter die im klinischen Untersuchungsmaterial nachweisbaren Spezies A. baumanii, A. calcoaceticus, A. haemolyticus, A. johnsonii, A. junii, A. lwoffii, A. parvus, A. radioresistens, A. schindleri u.a.. Andere Spezies wie A. gerneri, A. owneri und andere wurden dagegen bisher nur aus Umweltproben nachgewiesen. Da die Spezies A. calcoaceticus, A. baumanii, Acinetobacter Genospezies 3 und Genospezies 13TU (neu: A. nosocomialis) genetisch eng verwandt sind und sich mit ph€anotypischen Methoden nur schwer voneinander abgrenzen lassen, wurde vorgeschlagen, diese Spezies zu einem A. calcoaceticusA. baumanii-Komplex zusammen zu fassen.

Verbreitung und klinisch bedeutsame Spezies Acinetobacter spp. sind in der Umwelt weit verbreitet und in fast 100% aller Boden- und Wasserproben feststellbar. Am h€aufigsten sind A. calcoaceticus, A. haemolyticus, A. johnsonii und Acinetobacter Genospezies 3. Viele Isolate von Acinetobacter spp. haben eine ausgepr€agte F€ahigkeit zur Ausbildung von Biofilmen. Auch in Nahrungsmitteln wie Fleischund Milchprodukten sowie aus tierischen Untersuchungsmaterialien k€onnen Acinetobacter spp. angez€uchtet werden.

Dagegen sind die klinisch bedeutsamen Spezies A. baumanii und A. nosocomialis (ehemals Genospezies 13TU) keineswegs ubiquit€ar verbreitet. Vielmehr findet man diese bei Gesunden sehr selten auf Haut und Schleimh€auten und fast nie in Umweltproben. Ihr nat€urliches Reservoir ist bislang unklar. Die ubiquit€are Verbreitung vieler St€amme beruht darauf, dass diese Bakterienart grunds€atzlich sehr anspruchslos ist und viele kohlenstoffhaltige Substrate als alleinige Kohlenstoffquelle sowie anorganische Stickstoffquellen verwerten k€onnen. Sie wachsen in einem weiten Temperaturund pH-Bereich. Das nat€urliche Habitat der verschiedenen Subspezies ist stark Spezies-abh€angig. Acinetobacter spp. findet sich bei 25 bis 40% der gesunden Bev€olkerung und bei bis zu 75% der hospitalisierten Patienten als Teil der normalen Hautflora, insbesondere im Bereich der Stirn, des Geh€organgs, der Achseln, der Leiste, der H€ande und der Zehenzwischenr€aume. Gelegentlich werden sie auch in der Rachenflora gesunder Personen nachgewiesen. Aus dem Intestinaltrakt lassen sie sich nur selten isolieren (Hintergrund: A. spp. vermehren sich in der Regel nur aerob!). Am h€aufigsten auf der menschlichen Haut und Schleimhaut nachgewiesen werden A. lwoffii, A. johnsonii, A. radioresistens und Acinetobacter Genospezies 3.

Pneumonie in eine sekund€are Sepsis €uber, bedeutet dieses eine besonders ung€unstige Prognose. Seltener werden Acinetobacter spp. bei Harnwegsinfektionen und intrakraniellen Infektionen beobachtet, wobei Harnwegkatheter und Ventrikeldrainagen oder urologische bzw. neurochirurgische Eingriffe in der Regel die Ursache sind. In wenigen Einzelf€allen werden Acinetobacter-Infektionen ambulant erworben. So wurden Berichte €uber Endokarditis, Peritonitis, Osteomyelitis, Endopthalmitis und Otitis media bekannt. Andere als A. baumanii sind als Erreger nosokomialer Infektionen sehr viel seltener. Meist handelt es sich dabei um katheterassoziierte Bakteri€amien mit nur geringer Letalit€at. Ambulant werden Infektionen durch andere als A. baumanii extrem selten erworben. F€ur die Entstehung einer A. baumaniiInfektion sind Immunsuppression, schwere Grunderkrankung, chirurgische Eingriffe, k€unstliche Beatmung oder Verbrennungstrauma sowie antibiotische Vorbehandlung pr€adisponierende Faktoren. Zu beachten ist allerdings, dass eine Isolation von A. baumanii aus klinischem Probenmaterial nicht selten als Kolonisation anzusehen ist und eine Notwendigkeit zur antibiotischen Therapie nicht grunds€atzlich besteht.

Acinetobacter als Erreger nosokomialer Infektionen

A. baumanii und A. nosocomialis sind besonders in der Lage, sich im Krankenhaus epidemisch auszubreiten. So wurde eine Vielzahl von Ausbr€uchen nosokomialer Infektionen beschrieben, wobei meist die Intensivstation einer Klinik betroffen war. Selten kam es auch zu Ausbr€uchen in mehreren Krankenh€auser einer Region, wobei bislang ungekl€art ist, ob es A. baumaniiSt€amme mit besonderer Epidemizit€at gibt. Bei Ausbruchsituationen ist A. baumanii fast €uberall nachweisbar, so in

Die gr€oßte humanmedizinische Bedeutung haben die Spezies A. baumanii und A. nosocomialis, eingeschr€ankt auch Acinetobacter Genospezies 3. Diese werden bei verschiedenen nosokomialen Infektionserkrankungen nachgewiesen, wobei Atemwegsinfektionen vor allem bei beatmeten Patienten und katheterassoziierte Bakteri€amien im Vordergrund stehen. Geht eine

Epidemiologie

Krh.-Hyg. + Inf.verh. xx Heft xx (2016): 1–2 http://www.elsevier.com/locate/khinf

1

KHINF 11276 No. of Pages 2

Feuchtzonen wie Beatmungsger€aten, Luftbefeuchter, Waschbecken, Wasserb€adern, Absaugvorrichtungen, Ambubeuteln, arteriellen Druckmessger€aten, Temperatur- und Sauerstofff€uhlern von Beatmungsger€aten, aber auch in feuchten Kissen und sogar Matratzen. In den meisten F€allen ist ein besiedelter oder infizierter Patient Ausgangspunkt f€ur die nosokomialen € Ubertragungen. Beg€unstigend f€ur eine epidemische Ausbreitung von Acinetobacter spp. ist deren besonders lange € €ahigkeit auf trockenen Uberlebensf Oberfl€achen und ein Selektionsvorteil auf Grund der Resistenz gegen€uber zahlreichen Antibiotika. W€ahrend f€ur die genannten Ausbruchssituationen ungen€ugende Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen, sind andersherum zur Beendigung einer solchen Ausbruchssituation sehr intensive und umf€angliche Maßnahmen erforderlich. Nicht nur eine strikte Isolierung derartiger Patienten, sondern auch eine m€oglichst eingegrenzte Zahl von € Pflegepersonal, Arzten und anderem Personal sind von großer Bedeutung, um Weiterverbreitungen effektiv zu verhindern. Pr€ avalenz und Resistenz Weltweit werden ca. 9% aller bakteriell bedingten nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen mit Acinetobacter spp. in Zusammenhang gebracht (ca. 4% in Nordamerika, €uber 19% in Asien). F€ur Westeuropa betr€agt die Pr€avalenz nach einer internationalen Studie aus dem Jahr 2009 5,6%, in Osteuropa dagegen ca. 17%. Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2012 liegt die Pr€avalenz f€ur

2

Krh.-Hyg. + Inf.verh. xx Heft xx (2016): 1–2 http://www.elsevier.com/locate/khinf

Acinetobacter bei Pneumonien auf Intensivstationen bei etwa 2%. In tropischen und subtropischen sowie Trocken- und Warmgebieten ist A. baumanii dagegen einer der wichtigsten Keime auf Intensivstationen. Bekannt wurde A. baumanii auch als h€aufiger Verursacher von Wundinfektionen (>30%) bei USSoldaten, welche bei Eins€atzen im Irak oder Afghanistan verletzt wurden. Die Resistenzraten von A. baumanii steigen in den letzten Jahren deutlich an. Dieses betrifft insbesondere die Carbapenem-Resistenz, welche von 4,8% im Jahr 2008 auf 9,3% im Jahr 2012 anstieg. Auf Intensivstationen betr€agt sie zwischenzeitlich 15%, im ambulanten Bereich nur 3%. In einigen L€andern, wie z.B. Griechenland oder Mexiko, sind bereits Resistenzraten von €uber 50% gegen€uber Carbapenemen berichtet worden. Wegen der weiteren Resistenz gegen€uber Penicillinen, Cephalosporinen und Fluorchinolonen kommen somit bei A. baumanii-bedingten nosokomialen Infektionen nur noch wenige Substanzen f€ur die Therapie in Frage, z.B. Tigezyklin oder Colistin. Die Ursache der Carbapenem-Resistenz ist bei >95% der betroffenen A. baumanii-St€ammen die Bildung von Carbapenemasen. Diese in vielen Varianten vorkommenden bakteriellen Enzyme hydrolisieren Carbapeneme sowie die meisten anderen BetalaktamAntibiotika wie Penicilline, Cephalosporine und Aztreonam. Die €uberwiegende Zahl der A. baumaniiSt€amme bildet verschiedene OXACarbapenemasen (OXA-58-Typ, OXA-24Typ, OXA-23-Typ), welche chromosomal codiert vorkommen oder plasmid-codiert innerhalb der Spezies oder zwischen verschiedenen Acinetobacter-Spezies ausgetauscht werden k€onnen.

Die in allen A. baumanii-St€ammen vorkommenden chromosomal-codierten Carbapenemasen vom OXA-51-Typ k€onnen ebenfalls zur CarbapenemResistenz beitragen, wenn ein entsprechendes Gen in gen€ugend hohem Maße exprimiert wird. In Deutschland, aber auch weltweit am h€aufigsten sind A. baumanii-St€amme, die die OXA-23-Carbapenemase bilden (ca. 80% der multiresistenten A. baumanii). Der horizontale Gentransfer, z.B. €uber konjugative Plasmide oder die nat€urliche Kompetenz von Acinetobacter spp. erm€oglicht die Aufnahme weiterer Carbapenemase-Gene von anderen gramnegativen Bakterien. Dabei spielen die in Enterobacteriaceen oder Pseudomonas aeruginosa verbreiteten Resistenzgene vom KPC-Typ und GESTyp sowie Metallo-Beta-Lactamasen vom VIM-Typ, IMP-Typ, GIM-Typ eine große Rolle. Seltener sind dagegen die in Enterobacteriaceen h€aufig vorkommenden Extended-Spectrum-BetaLactamasen. A. baumanii ist aber nicht nur als zunehmend multiresistenter Erreger problematisch, vielmehr scheint er auch ein wichtiger ,,genetischer Schmelztiegel‘‘ f€ur die Aufnahme und Rekombination von Resistenzgenen zu sein, welche dann €uber einen horizontalen Gentransfer an weitere Erreger abgegeben werden k€onnen. Dabei kann die Verbreitung solcher Resistenzgene in verschiedenen Lebensr€aumen (z.B. Klinikabw€asser, Gefl€ugelfleisch) vonstatten gehen. Aus neueren Arbeiten ist bekannt, dass Resistenzgene aus A. baumanii, Pseudomonaden oder verschiedenen Enterobakterien in identischer oder nahezu identischer Form aus Bodenbakterien gewonnen wurden. (BW)