Ergebnisse eines Modellversuchs zur quantitativen Erfassung von Umweltänderungen mit Hilfe von Ökosystemen

Ergebnisse eines Modellversuchs zur quantitativen Erfassung von Umweltänderungen mit Hilfe von Ökosystemen

Flora, Bd. 164, S. 145-167 (1975) Ergebnisse eines Modellversuchs zur quantitativen Erfassung von U mweltanderungen mit Hilfe von Okosystemen I. Vers...

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Flora, Bd. 164, S. 145-167 (1975)

Ergebnisse eines Modellversuchs zur quantitativen Erfassung von U mweltanderungen mit Hilfe von Okosystemen I. Versuchsobjekt, Methodik, univariate Analyse GERHARD STOCKER und ACHIM BERGMANN Institut fiir Landschaftsforschung und Naturschutz der AdL Arbeitsgruppe Terrestrische Ukologie Organisations- und Rechenzentrum der Martin-Luther-Universitat Halle Abt. Problemanalyse und Programmierung

Results of a Model Experiment for Quantitative Comprehension of Environmental Changes by Use of Ecosystems

Summary A simple ecosystem was disturbed by 2,2-dichlorpropionic acid-Na and afterwards the response of single elements (plants, ecofactors) was analysed in comparison with control and reference plots. Design of experiment and results are interpreted as quantitative bioindication of an ecosystem for disturbance of the environment resp. environmental changes. General propositions on the indication of environmental influences by means of ecosystem elements are derived and it is tried to describe the indicator elements, their interactions and the indication sphere within the ecosystems by means of graphs theory methods. References to problems of research, control and protection of environment are pointed out.

Einfiihrung

Es liegen zahlreiche Untersuchungsergebnisse dariiber vor, wie Einzelorganismen in ihren okophysiologischen Leistungen oder Population en von Tier- und Pflanzenarten in ihrer Verbreitungsanderung, ihrer modifizierten Populationstruktur und -dynamik von Umwelteinfliissen abhiingig und damit zur Indikation von Umweltanderungen geeignet sind. Durch die Vergesellschaftung von Tier- und Pflanz.:lnpopulationen, die Wechselwirkungen untereinander und mit abiotischen Faktoren entstehen Okosysteme. Es ist zu erwarten - und praktische Erfahrungen lassen daran keinen Zweifel -, daB die Indikation von Umwelteinfliissen durch Organismen und Populationen sich im Okosystem fortsetzt. Bedingung und Voraussetzung hierfiir ist die Offenheit der Okosysteme. Die Populationen als Elemente von Okosystemen unterliegen nicht nur dem Stress von Einfliissen aus der Umgebung des Okosystems, sondern sind zusatzlich den Wirkungen innerhalb des Okosystems ausgesetzt. Dadurch kann die Indikation verstarkt oder abgeschwacht werden. Wenn zu den wichtigsten Aufgaben der Okologie zahlt, daB sie Grundlagen fUr ein biologisch-technisches Monitoringsystem zur Erfassung und Steuerung von Veranderungen der Biosphiire bereitstellen und damit zur Trendvoraussage und planmaBigen Gestaltung der Umwelt beitragen muB, so nehmen struktu-

146

G. STOCKER und A. BERGMANN

relle und funktionelle Anderungen von Okosystemen hierbei eine zentrale Stellung ein. Wie eine quantitative Erfassung von Umweltanderungen mit Hilfe von Okosystemen prinzipiell moglich ist, wurde an anderer Stelle dargelegt (STOCKER 1974). Mit dennachstehend erorterten Untersuchungsergebnissen solI am praktischen Beispiel gezeigt werden, wie an einem definiert gestorten Okosystem Strukturanderungen erfaBt werden konnen. Hierbei handelt es sich um einen Modellversuch. Natiirliche und anthropogen bedingte Veranderungen vollziehen sich standig in den Okosystemen, dem wichtigen Bereich der natiirlichen Umwelt des Menf:lchen. Eine Analyse dieser Veranderungen muB davon ausgehen, daB es sich um Veranderungen multivariater dynamischer Systeme handelt, deren Zustande von vorhergehenden Zustanden abhiingig sind, deren Variabilitat groB ist und zwischen deren Elementen Mufiger nichtlineare Beziehungen bestehen. Dieser Umstand und die Tatsache, daB als Kontrollzustande nur selten unbeeinfluBte Okosysteme verfiigbar sind, machen es erforderlich, daB durch geeignete Versuchsplanung definierte Kontrollzustande von Okof:lystemen festzulegen sind, die iiber die Zeit mitgefiihrt werden. In den Kontrollzustanden muB die Einwirkung von Stor- oder EinfluBgroBen ausgeschlossen werden konnen (vgl. Abb. 1), dabei muB der Kontrollzustand jedoch nicht iiber die Versuchszeit konstant sein, sondern kann Veranderungen, die nicht durch die StorgroBe bedingt sind, unterworfen sein. Von Interesse kann weiter ein zusatzliches Bezugssystem sein, besonders daIm, wenn bei planmaBiger Veranderung von Okosystemen (Landschaftspflege, Naturschutz, Landeskultur) ein bestimmter SollZustand zum Vergleich herangezogen wird. Es ist dann nicht nur die Abweichung vom Ausgangs- oder Kontrollzustand zu erfassen, sondern auch zu priifen, ob die Anderung auch in Richtung auf den anzustrebenden Soll-Zustand erfolgt. Ein solches Vorgehen kann auch vorteilhaft sein, wenn Veranderungen in einem stark belasteten Gebiet illteressieren, deren Storungen man nicht in der Hand hat, ein Kontrollzustand nicht verfiigbar ist. Nachstehend wird in einem allgemeinen Ablaufplan die Grundstruktur

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Abb.1. Schema fiir die Erfassung der durch Stor- oder Einfiu/;\gro/;\en aus der Umgebung ausgelosten Veranderungen eines Okosystems (Uj;) durch Vergleich iiber Differenz- oder Abstandsmethoden mit dem Kontroll-Okosystem (Ukj), des sen Zustande sich gegeniiber dem gemeinsamen Ausgangszustand (U 00) gleichfalls verandern konnen.

Modellversuch zur quantitativen Erfassung I.

147

_ _ Planung und Durchfuhrung von Mannahrnen ides Urnweltschutzes und der Landeskultur --~-

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Rechnen (}stdas Ergebnis ausreichend

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einer biologisch-technisch gesteuerten Uberwachung und Entwicklung der Umwelt veranschaulicht (nach STOCKER 1974). Es kann hier nur angedeutet werden, daD die Frage nach der Veranderung von Okosystem en weiter zu den schwierigen Problem en ihrer Stabilitat und Belastbarkeit, ihrer Steuerung und Optimierung fiihrt. Die vorliegenden Untersuchungen mogen in Ansatzen hierzu beitragen, in dem sie sich mit der Frage der Indikation und quantitativen Erfassung von Umweltveranderungen mit Hilfe von Okosystemen befassen. Die methodischen Losungswege weisen hierzu die experimentelle und mathematische Okologie. Flir die Versuchsanstellung waren somit folgende Bedingungen zu fordern: 1. Die StorgroDe (2,2-Dichlorpropionsaure-Na) muD klein sein, damit nur geringfligige Anderungen im Okosystem ausgelOst werden

2&!i1

148

G. STOCKER und A. BERGMANN

2. Das Okosystem mu./3 einfach strukturiert und in wichtigen biotischen und abiotischen Komponenten hinreichend bekannt sein 3. Es mu./3 ein 3. Bezugssystem gegeben sein, urn Tendenzen der Anderung erkennen zu konnen 4. Die Varianz der Merkmale mu./3 hoch sein, da auch bei Umweltveranderungen mit inhomogenen bzw. sehr variablen Test-Okosystemen gerechnet werden kann 5. Das Objekt mu.6 glinstige Voraussetzungen fUr die Fragestellung bieten und weitgehend ungestort sein bzw. fUr beliebige Teile gleiche Einfllisse erwarten lassen.

1. Versuchsobjekt uud Methodik 1.1. Vegetation und Standort

Als Versuchsobjekt wurde im Oberen Westerzgebirge (StFB Eibenstock, Revier Carlsfeld Abt. 275) ein typischer Bestand des Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwaldes ausgewahlt, dessen Bestockungsaufbau Abb. 2 veranschaulicht. Die Versuchsflache ist sehr schwach nach Sliden geneigt (S 2°) und durch bultiges Mikrorelief gekennzeichnet. In den flachen Mulden dominiert Calamagrostis villosa mit Deschampsia flexuosa, wahrend auf den Hligeln Vaccinium myrtillus vorherrscht, hier hat auch Vaccinium vitisidaea seinen Schwerpunkt zusammen mit einigen Beerstrauchbegleitern wie Rhytidiadelphus loreus, Bazzania trilobata, Pleurozium schreberi, Barbilophozia floerkei, Ptilidium ciliare (Abb. 3). Der Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald ist liber tiefem, stark ausgepragtem Eisenhumus-Podsol mit typischem Rohhumus entwickelt (Abb. 4). Wichtige Kennwerte von Okofaktoren der organischen Auflage (F + H-Lage) sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Tabelle 1

Parameter wichtiger Okofaktoren der organischen Auflage (F strauch-Fichtenwaldes im Oberen Westerzgebirge

(1) H 2 O (2) GV (3) pH (H2 O) pH (CaCI 2) NH4-Nex N0 2 -Nex N wa N wo N wt Nh (11) Nsh (12) Nt (13) reI Nt (14) Nr

(4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

%

Xi

dx i

Si

Si

79,0 90,4 3,19 2,60 222,6 21,8 473,9 1,351 1,816 14,23 12,41 16,26 18,00 14,0

-3,1 0,0 -0,06 -0,15 8,9 -2,0 -6,3 -0,266 -0,276 -0,51 -0,42 -0,68 -0,84 -0,4

3,3 2,4 0,12 0,10 97,6 18,5 87,4 0,266 0,321 1,08 1,10 0,96 1,07 2,5

4,2 2,6 3,7 3,7 43,8 84,9 18,4 19,7 17,7 7,6 8,9 5,9 6,0 17,6

+ H) ni

13 14 14 12 12 12 10 10 10 10 10 14 14 10

des Reitgras-Beer-

Modellversuch zur quantitativen Erfassung I.

149

20

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5

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Abb. 2. Bestockungsprofil des Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwaldes in Abt. 275 des NSG GroBer Kranichsee (Revier Carlsfeld, StFB Eibenstock), 925 m NN. Aufnahme: 15./16. 6. 1970 (SCHAUER, STOCKER)

Die dx entsprechen der Mittelwertdifferenz des jeweiligen Okofaktors zum Mittelwert tiber aIle wichtigen naturnahen Ausbildungen des Berg-Fichtenwaldes im Harz und oberen Westerzgebirge. Der Sorptionskomplex der organischen Substanz wird durch folgende Werte gekennzeichnet: S-Wert: 0,088 mval/1 g atro Boden H-Wert: 1,254 mval/1 g atro Boden T-Wert: 1,342 mval/l g atro Boden V-Wert: 6,6% Zur weiteren okologischen Charakteristik vgl. STOCKER 1973. 11

Flora, Bd. 164

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Calamagrostis

~ villosa

~


Vacc;nrum

Sphagnum specc.

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........ .

Abb.3. Schema des Mikroreliefs und Bodenprofils im Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald und seines Vegetationsmosaiks, bedingt durch kryoturbate Uberformllng des Untergrundes (U mlagerungsserie vom Gamma-Typ). 3 Vaeeinium vitis-idaea 1 Vaeeinium myrtillus 4 Sphagnum speee. 2 Calamagrostis villosa

myrtillus

Vaccinium

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:Modellversuch zur quantitativen Erfassung 1.

151

Abb.4. Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald (Optimalphase) im Bereich der Testflachen tiber tiefem, stark ausgepragtem Eisenhumus-Podsol (Ortsangaben wie in Abb. 2).

Die Vegetationszusammensetzul1g des Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwaldes im Bereich der Testflachen fUr den Modellversuch vermittelt nachstehende Dbersicht: Baumschicht: 80% Verjiingul1g: 5% Picea abies 0,8 Picea abies + 11*

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g _

152 Feldschicht: 85 % Calamagrostis villosa Vaccinium myrtillus Vaccinium vitis-idaea Moos- und Flechtenschicht: 70 % Barbilophozia lycopodioides Barbilophozia floerkei Rhytidiadelphus loreus Plagiothecium undulatum Calypogeja trichomanes Bazzania trilobata Sphagnum girgensohnii Sphagnum robustum Sphagnum nemoreum Dicranodontium denudatum Lophocolea heterophylla Barbilophozia barbata

G.

STOCKER

2.2 3.3 1

2 2 2

+ + 1 2

1 1

+ + 1

und A.

BERGMANN

Deschampsia flexuosa Galium harcynicum

2.2 1

Polytrichum formosum Dicranum scoparium Pleurozium schreberi Ptilidium ciliare Plagiothecium curvifolium Pohlia nutans Plagiothecium denticulatum Cephalozia bicuspidata Lophozia ventricosa Lepidozia reptans Cladonia spec. Cladonia spec.

1 3 2 2

+ + + + + + + +

Bemerkenswert ist, daJ3 Arten der gras- und krautreiehen Reitgras-Fiehtenwalder nur einen gering en Anteil haben, neben dem Grundstoek allgemeiner Arten der herzyniseh-sudetischen Berg-Fiehtenwalder aber verstarkt Elemente der beerstrauehreiehen Fiehtenwiilder auftreten. 1.2. TestfHtehen und Storung 1m Bestand des Reitgras-Beerstraueh-Fiehtenwaldes wurden zufallig 201 m2-Flaehen in den Reitgrasmulden und 10 1 m2-Flachen auf den Beerstrauehhtigeln (B, b) ausgewahlt. Von den 20 Flaehen der Reitgrasmulden wurden 10 in der ersten Maidekade 1972 und 1973 jeweils mit 0,20 g 2,2-Diehlorpropionsaure-Na in 250 ml H 20 besprtiht (H, h). Die Kontroll- und Vergleiehsflaehen (K, k) wurden nur mit 250 ml H 20 behandelt. Zu diesem Zeitpunkt war das Reitgras etwa 10 em lang ausgetrieben. Die Anwendungsbedingungen flir DCP-Na waren wegen der folgenden niedersehlagsreiehen und ktihlen Witterung ungtinstig. 75 Tage naeh der 2. Behandlung (16.7.1973) wurde der Freilandversuch mit der Vegetationsaufnahme der Testflachen und Probeentnahme (Pflanzen, Boden) beendet. DCP-Na ist demnaeh die aus der Umgebung des Okosystems stammende Storung. 1.3. Vegetations-, Pflanzen- und Bodenanalyse der Testflaehen Uber die K-, H- und B-Flaehen (1 m2 ) wurde beim Auswertetermin ein Fadenraster von 10 x10 em gelegt. Die Haufigkeit der Pflanzenarten wurde jeweils durch Auszahlen der 100 Kleinquadrate ermittelt. Dieser Wert ist der Phytomasse und Artmaehtigkeit proportional. Folgende Pflanzenarten wurden erfaJ3t: Calamagrostis villosa Vaccinium myrtillus Galium harcynicum Polytrichum formosum Pleurozium schreberi Plagiothecium undulatum

Deschampsia flexuosa Vaccinium vitis-idaea Sphagnum specc. Bazzania trilobata Rhytidiadelphus loreus Dicranum scoparium

Modellversuch zur quantitativen Erfassung I.

153

Die Sphagnum-Arten konnten bei der Auszahlung nicht getrennt werden, es wurden Sph. robustum, Sph. girgensohnii und Sph. nemoreum in den Versuchsflachen festgestellt, vgl. Vegetationsaufnahme. Der Proteingehalt der Blatter wird naherungsweise bestimmt durch den Protein-N, zwischen beiden Werten besteht ein straffer linearer Zusammenhang (STOCKER 1973). Der Protein-N wird aus der Differenz von Gesamt-N und Nicht-Protein-N nach Proteinfallung mit Trichloressigsaure ennittelt. Das frische Blattmaterial wurde zu diesem Zweck 10 min bei 105°C erhitzt, dann bei 80° getrocknet und zur Analyse staubfein gemahlen. Die Angabe erfolgt in mg/1 g Blattrockensubstanz. Der Stickstoffgehalt in Blattern (oder Extrakten) wird ebenso wie der Gesamt-Stwkstoff des Bodens (Nt, mg/1 g Boden) im Standardverfahren nach KjeldahlaufschluB bestimmt. Die Wasserstoffionenaktivitat (pH-Wert) wird elektrometrisch (Glaselektrode, pH-MeBwertverstarker) in Bodensuspensionen 1: 12,5 in H 20 und 0,01 M CaCl2 gemessen. Der Humusgehalt wird durch Bestimmung der aschefreien organischen Substanz (GV, %) ennittelt. Absolut trockener Boden wird 2,5 h bei 550°C verascht. Der Stickstoffgehalt der aschefreien organischen Substanz (reI Nt, mg/g Boden) wird aus Nt und GV erre~hnet; es ist eine dem C/N-Verhaltnis adaquate okologische GroBe. Leicht mineralisierbarer, organisch gebundener Stickstoff sowie lOslicher anorganischer NH4-N werden nach KEENEY und BREMNER 1966 in einer flir humusreiche Bodenproben erforderlichen Modifikation bestimmt (STOCKER 1973). Der Boden wird mit H 20 im RtickfluBverfahren 1 h gekocht. Ein aliquoter Teil wird zur Bestimmung des anorganischen NH4-N verwendet (N wa, mg/g), der Gesamt-N dieses HeiBwasserauszuges (N wt, mg/g) wird nach KjeldahlaufschluB und Wasserdampfdestillation titrimetrisch ermittelt. Der organische N-Anteil (N wo, mg/g) ergibt sich aus der Differenz von N wt und N wa. Die Analysen erfolgen an Frischproben. Der aktuelle austauschbare und losliche Ammoniumstickstoff (NH4-Nex, ppm) wird nach Extraktion des Bodens mit 1 % KAI (S04)2 ebenso wie Nitritstickstoff (N02-Nex, ppm) im Mikrodestillationsverfahren bestimmt (STOCKER 1971). Die Analysen erfolgen an Frischmaterial. Der hydrolysierbare Stickstoff (Nh, mg/g Boden) wird durch Hydrolyse von 1 g Boden mit 6 N HCI ermittelt. Der saurehydrolysierbare Anteil (NSh, mg/g Boden) entspricht der Differenz N h - N wt. Der nichthydrolysierbare Reststickstoff (Nr, %) wird aus der Differenz Nt und N h ermittelt. Der Bodenwassergehalt (H20, %) wird gravimetrisch durch Trocknung des Bodens bei 105°C unter Bezug auf das Bodenfrischgewicht bestimmt. Die Analysen erfolgen je nach Methode in 2-4facher Wiederholung an homogenisierten Proben, weitere Einzelheiten der Methodik sind STOCKER 1973 zu entnehmen. Die Probenentnahme erfolgte in ca. 5 cm Tiefe aus der F + H-Lage des Ao-Horizontes.

154

G.

STOCKER

und A.

BERGMANN

104. Mathematisch-statistisc~e Methoden der :univariaten Analyse :Die angewandten mathematisch-statistischen Methodeil der Analyse des Datenmaterials beruhen auf Veriahren, wie sie beispielsweise in ,SACHS 1969, WEBER 1972 dargestellt sind, 'Mittelwertvergleiche werden mit' dem t-Test oder mIt dem approximativen i-Test (WELCH-Test) durchgeflihrt, wenn s~ =l= s~ ist, vgL SACHS 1969. Da eine Normalverteilung der Primardateri einzelner Merkinale nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann, kommt zusatzlich der U-Test nach MANN und WHiTNEY 1947 zu Anwendung. Bei diesen wie bei anderen Tests wird einB Irrtumswahrscheinlichkeit von lX < 0,05 bei der Hypothesenprtifung angenommen; der Test bei:einseitiger FragesteHung wird besonders gekennzeichnet. Varianzunterschiede werden mit dem F -Test geprtift. Es wird aHgemein eine Irrtumswahrscheinlichkeit von lX < 0,05 als untere Grenze der Signifikanz angenommen, die erreichte statistische Signifikanz wird wie bei den 'Mittelwertvergleichen in der tiblichen Weise gekennzeichnet.

2. Diskussion von Ergebnissen der univariaten Analyse

In TabeHe 2 sind die wichtigsten Parameter der untersuchten Elemente aus den 3 Testflachenserien zusammengesteHt. Die Variabilitat der Bauwerte der Bodenpflanzen istsehr hoch und wird vor aHem durch die geringe Testflachengro13e und die kleinflachig wechselnde Aggregation der Arten bedingt. Eine geringere Rolle spielt hierbei das sporadische Vorkommen von Arten, die im Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald seltener auftreten (Gulium hurcynicum) oder stetig sind, in den Reitgras-Flachen auf Grund ihrer Beerstrauch-Bindung aber nur sparlich erscheinen (Pleurozium schreberi). Bei den vorliegenden Untersuchungen geht es nicht um die Aufklarung von Vegetationsstrukturen und ihcen Beziehungen zu Okofaktoren, sondern um die Aufklarung der Indikation von Um~eltveranderungen und Umwelteinfltissen durch Elemente und Strukturen von Okosystemen. Einfltisse oder Storungen aus der Umgebung sind in ihrer Wirkung grundsatzlich nicht auf die biotischen Elemente des Okosystems beschrankt, sondern konnen, unmittelbar oder durch biotische Elemente (Pflanzen, Tiere) vermittelt, auch Veranderungen bei abiotischen Elementen hervorrufen. Bei einem mittelbaren Einflu13 sind Indikationen vorrangig bei sekundaren Okofaktoren zu erwarten. 2.1. Univariate Analyse Bei der univariaten Analyse werden die 3 Okosystembereiche K, H und B auf eine mogliche Differenzierung in ihren Elementen (Arten, Okofaktoren) untersucht. Das Interesse gilt hierbei besonders dem Unterschied zwischen K und H. Werden die MeJ3wertvektoren mit mI , m2 und ms bezeichnet, so sind flir die Mittelwerte und Standardabweichungen der einzelnen Komponenten (Tabelle 2) der genannten Vektoren allgemein folgende Beziehungen zu klaren:

Modellversueh zur quantitativen Erfassung 1.

°

D (~1' ~2) = D (~1' ~2) = D (~2' ~1) fiir ~1 = ~2 D (m1' m 2) > 0, D (m1' ms) > 0, D (m2' ms) D (~1' §2) + D (~~:-ms)> D (~1' ~-;) D ist ein AbstandsmaB im Vektorraum.

>

°

Es werden alle Differenzen (Xh - Xk, Xh - Xb, Xk - Xb) beriicksichtigt, fiir die die Irrtumswahrscheinlichkeit der Ablehnung der Ho-Hypothese (1-'1 = 1-'2) IX <0,05 ist. Wenn es sachlich gerechtfertigt ist, werden Mittelwertunterschiede auch bei einseitiger Fragestellung akzeptiert. In den Tabellen 3 und 4 sind die Testergebnisse auf Mittelwertund Varianzunterschiede zusammengestellt, wobei materialbedingt verschiedene Testmiiglichkeiten zu beriicksichtigen sind. Die mit DCP behandelten Flachen lassen gegeniiber den Kontrollflach:~n nur bei wenigen Elementen signifikante Differenzen erkennen. Vorbehalte bei der 'h'uswertung der Ergebnisse sind angebracht, da die Stichprobenzahl klein ist und groBe Varianzunterschiede auftreten. Daher ist es notwendig, eventuelle Mittelwertdifferenzen mit dem approximativen t-Test (WELcH-Test) fiir S12 =t=- S22 zu iiberpriifen und zusatzlich die Priifung mit dem parameterfreien U-Test (MANN-WHITNEY-Test) durchzufiihren. Vergleiche Tabelle 4. Die Kombination dieser 3 Auswertemiiglichkeiten erst bietet eine hinreichend sichere Grundlage fiir die Interpretation der Ergebnisse. Die Differenzierungsmuster sind aus Tabelle 3 und 4 ersichtlich. Die Elemente mit signifikanten Mittelwertdifferenzen zwischen den mit DCP behandelten TeE:1tflachen (H) und den Kontrollflachen (K) seien noch einmal zusammengestellt:

Calamagrostis villosa Polytrichum formosum Protein-N C. v. Galium harcynicum kann in

Vaccinium myrtillus (Deschampsia flexuosa) wasserliislicher N-Pool

diesem Zusammenhang wegen des sporadischen Vorkommens keine wesentliche iikologische Bedeutung beigemessen werden. Gleiches gilt fiir den geringfiigigen Unterschied, den Pleurozium schreberi zwischen H und K aufweist, gegeniiber B diirften dagegen echte Mengenunterschiede gegeben sein. Die mit DCP erzielte Wirkung ist relativ gering. Das entspricht der beabsichtigten Zielstellung des Versuchs. Auch von MULLER 1974 wird auf die ZweckmaBigkeit kleiner Einfliisse und Anderungen bei experiment ellen iikologischen Untersuchungen hingewiesen. So ist der Bauwert von Calamagrostis villosa, Vaccinium myrtillus und Polytrichum formosum durch DCP herabgesetzt worden. Signifikant emiedrigt ist auch der gesamte wasserliisliche Stickstoff, wahrend der anorganische Anteil dieser Fraktion hiiher als in den Kontrollflachen ist. Ferner hat Calamagrostis villosa in den H-Flachen einen geringeren Blatt-Proteingehalt als in den K-Flachen. In Tabelle 2 sind fiir Proteinstickstoff von Calamagrostis villosa in B die flachenbezogenen Werte angegeben. Diese fallen zu niedrig aus bzw. geben nicht den effektiven Blattspiegelwert wieder, da Calamagrostis villosa nur in 6 von 19 Testflachen vorkommt. Die auf n = 6 bezogenen Werte lauten: x = 29,00, s = 3,58, s% = 12,4. Damit entfallt auch die Signifikanz der Mittelwertunterschiede zwischen K und B (Tabelle 3, 4). Der U-Test - in Tab. 4 ebenfalls fiir

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Calama vill Desch flex Vacci myr Vacci vitis Galium hare Sphag specc Polytri form Bazz tri Pleuro schreb Rhyti lor Plagio und Dicra scop Protein-N C. v. Nt pH (CaCl2 ) pH (H 2 O) GV reI Nt Nwt N W8 23,1 74,1 4,6 0,0 0,3 10,7 1,9 0,6 0,1 1,5 0,0 4,7 25,38 17,05 2,71 3,53 90,7 18,82 860,9 324,7

H K

-

41,6 86,6 21,1 3,4 0,0 11,1 7,3 0,1 0,0 8,9 0,3 1,9 28,36 17,85 2,72 3,50 90,4 19,77 980,1 294,0

Mittelwert

16,4 31,8 4,1 0,0 0,9 13,5 2,0 1,6 0,3 2,0 0,0 7,3 4,38 1,56 0,06 0,08 1,1 1,88 187,2 40,5

H 25,6 30,9 20,6 7,7 0,0 18,6 7,6 0,3 0,0 19,3 0,7 2,8 2,78 1,48 0,08 0,07 1,8 1,87 99,5 21,9

K

~~-'-~~"~-'~~--.~'-'-~--~--------~~---

37,9 9,9 96,4 42,4 0,0 7,8 4,7 1,5 2,2 12,4 0,6 30,3 17,40 16,94 2,57 3,47 91,4 18,53 849,0 286,8

B 6,4 14,1 5,8 33,6 0,0 10,2 8,7 3,4 5,6 17,0 1,9 31,3 15,20 1,84 0,09 0,07 4,0 1,86 170,9 41,0

B

Standardabweichung

60,1 35,7 97,8 227,1 0,0 167,5 104,3 316,2 0,0 216,5 224,9 145,6 9,8 8,3 2,8 2,0 2,0 9,5 10,2 7,5

K

'~'~~~----'--'

71,0 43,0 88,9 0,0 316,2 126,0 103,6 262,9 316,2 130,5 0,0 156,4 17,5 9,1 2,1 2,2 1,2 10,0 21,7 12,5

H

168,2 142,2 6,1 79,4 0,0 131,0 185,0 229,3 254,2 137,3 316,2 103,3 87,4 10,9 3,4 2,0 4,3 10,0 20,1 14,3

B

Variationskoeffizient

Mittelwerte, Standardabweichungen und Variationskoeffizienten der Mel3werte von Pflanzenarten und Okofaktoren aus je 10 Testflachen (1 m2 ) im Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald. H - mit 2,2-Dichlorpropionsaure behandelte Flachen, K - Kontrollflachen mit Calamagrostis villosa-Fazies der Mulden, B - Beerstrauch-Fazies der Hugel.

X J Elemente

Tabelle 2

z>z

i:I:

0

t>J i:O

I:d

~

~

1=1

=

t>J i:O

~

O. r:>

>-3

00

P

~

C1

......

*

17

* *** ***

3

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4

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*** ***

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H-K H-B K-B

Okofaktoren 14

H-K H-B K-B

(X

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0,01, * (X

15

* *

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18

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11

0,05 Irrtumswahrscheinlichkeit, • keine Signifikanz, *. einseitiger Test bei (X < 0,05, inf

*** *

17

***

***

16

4 inf inf

***

3

Vergleich der Standard-A bwei ch ungen (F-Test) Vegeta tionsmerkmale

*** ***

H-K H-B K-B

*** ***

2

15

* ** ***

1

Okofaktoren 14

H-K H-B K-B

Vergleich der Mittelwerte (t-Test) Vegetationsmerkmale

Tabelle 3

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*** ***

13

*

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13

unendlich (saa = 0).

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11

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12

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16

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3

1

2

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3

16

** *** ***

8ignifikanzgrenzen wie in Tabelle 3.

15

* *** ***

H-K H-B K-B

* *** ***

Okofaktoren 14

H-K H-B K-B

Vergleich der Mittelwerte (U-Test) Vegetationsmerkmale

** ***

H-K H-B K-B

*** ***

2

15

* ** ***

1

Okofaktoren 14

H-K H-B K-B

*

17

* *** **

4

17

* *** **

4

Vergleich der Mittel werte (approxim. t-Test) Vegetationsmerkmale

Tabelle 4.

18

5

18

**

5

19

6

*

19

6

* *

20

*

7

* *

20

*

7

8

8

*

9

* * *

9

10

*

10

11

11

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12

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12

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13

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Modellversuch zur ,quantitativen Erfassung I.

159

n ~ 10 durchgefUhrt, ,~ ergibt fUr n = 6, also flir die auf reale Vorkommen von Calamagrostis villosa, nicht auf Testflachenzahl bez'Ogenen Blattspiegelwerte, auch keinen Anhaltspunkt ~ wie aus den MeBwerten zu erwarten ~ fiir Mittelwertunterschiede. Der signifikante Unterschied im Protein-N zwischen H und K wird verstandlicherweise hiervon nicht beeintrachtigt. Untersuchungen iiber den Stickstoffhaushalt von Berg-Fichtenwaldern (STOCKER 1973) ergaben, daB eine hohe Konzentration von aktuellem austauschbarem Mineralstickstoff aus einer gehemmten Immobilisation bzw. Assimilation von N min resultieren kann. Die GroBe des N wt-Pools (Menge der leicht mineralisierbaren organischen N-Verbindungen) beSltimmt wesentlich die Nmin-Nachlieferung. Der anorganische Anteil dieser Fraktion (N wa) ist mit dem aktuellen bzw. angereicherten austauschbaren N min eng korreliert. Der EinfluB von Herbiziden auf Ammonifikations- und Nitrifikationsprozesse im Boden ist durch eine Reihe von Untersuchungsergebnissen belegt worden, z. B. CORKE und THOMPSON 1970, CUNDEROVA und ZUBEC 1970, DUBEY 1969. Aus den genannten Beziehungen wird verstandlich, daB sich als Folge eines niedrigeren Bauwerts und geringeren Proteingehalts von Calamagrostis villosa der N wa-Anteil im Boden erhOhen muB. Der ebenfalls kleinere Bauwert von Vaccinium myrtillus in den DCP-Flachen diirfte wegen des allgemein schwachen Anteils in den H- und K"Flachen nur wenig ins Gewicht fallen. Bei einem Vergleich der H- und K-Flachen mit den B-Flachen fallt sofort del' durch Mikrorelief und geringfUgig edaphische Verschiedenheiten bedingte Unterschied in der Vegetationsstruktur auf. Die Beerstrauch-Hiigel (B) sind durch die Dominanz von Vaccinium myrtillus, durch hohe Bauwerte von Vaccinium vilis-idaea, Pleurozium schreberi, Rhytidiadelphus loreus und Dicranum scoparium charakterisiert (Tabelle 2). Die Humusauflage ist im Vergleich zu den Reitgras-Flachen (K) stickstoffarmer, starker versauert und weist in del' wasserloslichen Fraktion weniger Stickstoff auf. Aus Tabelle 3 und 4 ist weiter zu entnehmen, daB in der Differenzierung von K und H zu B einige Unterschiede bestehen, eine geringere Differenzierung zwischen H und B ist jedoch nicht eindeutig erkennbar. Es sei jedoch auf den geringen Anteil von Rhytidiadelphus loreus in den H-Flachen gegeniiber K und B ebenso wie auf die etwas erhOhte aktuelle Aziditat pH (H 20) der Humusauflage verwiesen. Mit letzterem Befund steht auch die hOhere Akkumulation von NH4 + in Einklang. Del' Test auf Varianzunterschiede liefert eine Vielzahl signifikanter Differenzen, die in den H-Flachen bei den Arten 3 ... 12 liegen. Eine eindeutige Aussage dariiber, ob der HerbizideinfluB sich auf die Variabilitat del' Arten auswirkt, kann wegen del' ohnehin vorhandenen hohen Variabilitat (mosaikartige Struktur der Feldschicht) nicht getroffen werden. Bemerkenswert ist, daB die zwischen H und K beobachteten Unterschiede bei Nwt und Nwa zwischen H und B nicht mehr gesichert sind. Mit der,univariaten Analyse des Herbizideinflusses auf ein einfaches Okosystem kann gezeigt werden, daB sich selbst bei niedrigen Dosen und ungiinstigen Wirkungsbedingungen Anderungen in den MeBwerten von Okofaktoren und Pflanzenarten nachweisen lassen. Pflanzenarten wie Okofaktoren konnen als Elemente des Okosystems aufgefaBt werdell'. Bgi derOkosystemanalyse sind sie im Grunde nicht selbst, sondern ihre Zustande

160

G.

STOCKER

und A.

BERGMANN

meBbar. Das ist formal schon daran zu erkennen, daB sie durch andere Symbole (XH X 2 ••• Xm) ersetzt werden konnen. Fiir die Elemente Calamagrostis villosa und Bodenaziditat wurden jeweils 2 Zustande erfaJ3t, Bauwert und Proteingehalt bzw. pH (H2 0) und pH (CaC12), flir alle iibrigen Elemente jeweils nur ein Zustand. Das einfache Okosystem entsteht durch die Kopplung dieser (und anderer im Modell nicht beriicksichtigter) Elemente. Das Okosystem wurde nun durch DCP einer Storung ausgesetzt, durch die Reaktion einzelner Elemente des Okosystems entstehen Anderungen in der Struktur des Okosystems, wie spater noch in der multivariaten Analyse zu zeigen sein wird. Anderungen sind aber auch in der einfachen univariaten Analyse nachweisbar, denn die Vergleiche von Mittelwerten und Varianzen ergaben bei einigen Pflanzenarten und Okofaktoren signifikante Unterschiede zwischen den Kontrollflachen und den mit DCP behandelten Flachen. Jene Pflanzenarten, Tierarten (biotische Elemente) oder Okofaktoren (abiotische Elemente) eines Okosystems, die auf Einwirkungen oder StorgroJ3en - im BeispielDCP - aus der Umgebung (Umwelt) reagieren, Mnnen als aktive Elemente (im Sinne von LANGE 1966) bezeichnet werden, sie sind gleichbedeutend mit Indikatorelementen oder kurz Indikatoren. Die auf die aktiven Elemente E wirken den Einfliisse der Umgebung konnen formal als Inputs aufgefaJ3t werden, die die Zustande von E andern, diese Zustande sind wieder Outputs von E und konnen auf andere Elemente des Okosystems, mit denen sie gekoppelt sind, wirken. Die Outputs von E sind mit anderen Worten die Zustande, die es als Element eines oUenen Systems durch Umgebungseinfliisse angenommen hat. Aus der univariaten Analyse lassen sich ableiten: a) mittelwert-aktive Elemente (z. B. Calamagrostis villosa), die sich im Betrag des MeJ3wertes unterscheiden, b) varianz-aktive Elemente (z. B. Rhytidiadelphus loreus), die sich in der Variabilitat der MeBwerte unterscheiden, c) mittelwert- und varianz-aktive Elemente (z. B. Vaccinium myrtillus), die signifikante Anderung in beiden Parametern aufweisen. Unter dem EinfluB von DCP (als StOrgroJ3e aus der Umgebung des Okosystems Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald) erweisen sich Calamagrostis villosa und deren Proteingehalt, Vaccinium myrtillus und Polytrichum formosum von den Pflanzen, N wt und N wa von den Okofaktoren als mittelwertaktiv (klein ere Werte unter DCP). Bis auf Calamagrostis villosa, Deschampsia flexuosa und Sphagnum spec. sind alle Pflanzenarten varianzaktiv, von den Okofaktoren nur N wt und N wa. Die Einflihrung von aktiven Elementen als Indikatorarten oder Indikatorfaktoren flir Umwelteinfliisse und Umweltanderungen hat den Vorteil, daJ3 der Angriffspunkt von StorgroJ3en auf das Okosystem und die iiber die aktiven Elemente vermittelte Wirkung auf das Okosystem erkannt werden. Durch weiterfiihrende Untersuchungen ist zu klaren, ob der Eingriff mit biologisch aktiven Substanzen in Okosysteme auch als methodisches Hilfsmittel dienen kann, um die Stellung einzelner Elemente sowie ihre Kopplung mit anderen zu analysieren und stabile bis ultrastabile Teilbereiche des Okosystems zu erkennen und abzugrenzen. Die Kopplung der Elemente im Okosystem und die davon ableitbare Beriihrungs- oder

ModeUversuch zur quantitativen Erfassung I.

161

Wechselwirkungsmatrix ist ein wichtiger Ausgangspunkt ftir die Stabilitatsanalyse, vgl. BAUER et al. 1973, MAY 1973. Die aktiven Elemente sind noch in einer weiteren Hinsicht zu prazisieren, was gegenwartig nur in ersten Ansatzen moglich ist.. Wird in einem Okosystem eine Anderung an mehreren Elementen festgestellt, so ist zunachst nicht erkennbar, welche aktiven Elemente unmittelbar von der StorgroJ3e beeinfluJ3t werden, welche erst durch Nach- oder Folgewirkungen infolge einer Kopplung mit dem direkt beeinfluJ3ten Element Umgebungseinfltisse auf das Okosystem widerspiegeln. Wir konnen theoretisch also zwischen direkt aktiven und indirekt oder konsekutiv aktiven Elementen unterscheiden, vgl. Abb. 5. Letztere haben Zeigerwert fUr Umweltanderungen insofern, als der neue Zustand des direkt aktiven Elements El auf das gekoppelte Element E2 einen veranderten Eingang erzeugt. 1m praktischen Fall wird es meist schwierig sein, eine so klare Unterscheidung durchzuftihren. Wird durch ein spezifisches Herbizid, dem keine wesentlichen Nebenwirkungen eigen sind, eine Pflanze geschiidigt und davon eine abhiingige monophage 1nsektenart betroffen, so liegt die einfache Abhiingigkeit direkt und indirekt aktiver Elemente gemaJ3 Abb. 5A vor. Aus Abb. 5B kann entnommen werden, daJ3 direkt aktive Elemente durch Einwirkung einer zweiten StorgroJ3e auf ein anderes Element (z. B. E 3 ) auch den Charakter eines indirekt aktiven Elements annehmen

Tabelle 5

1

2,60 • 5,21. 33,47 • 3,10. 0,22 0,03 0,35 0,23 0,33 0,31 0,15 1,57 • 0,81 • 0,20 2,55 • 0,36 0,09 0,27 0,47 0,71

2

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

1-20 •

Normierte TrennmaBe der Vegetationsmerkmale und Okofaktoren fiir aUe und je 2 Okosystemzustande

192,5



0,65 • 0,12 0,95. 0,02 0,17 0,00 0,35 0,03 0,00 0,14 0,04 0,01 0,Q7

0,13 0,02 0,05 0,01 0,14 0,32 0,41 22,7

0,64. 3,17 • 29,44 • 2,51 • 0,17 0,02 0,10 0,09 0,23 0,30 0,15 1,05 • 0,38 0,00 1,71 • 0,35 0,04 0,01 0,00 0,63 •

2,60. 4,52 • 19,81 • 2,13 • 0,00 0,03 0,08 0,23 0,26 0,03 0,04 1,29 •

137,1.

129,0.

Signifikant von Null verschiedene TrennmaBe

0,77 •

0,17 2,09 • 0,14 0,09 0,24 0,39 0,02

162

G.

8TOCKER

und A.

BERGMANN

konnen (E2). 1m untersuchten Beispiel dtirfte es sich bei dem erhOhten HN4-Anteil in der organischen Auflage der H -Flachen wahrscheinlich um ein indirekt aktives Verhalten handeln, bedingt durch dieunter EinfluB von DCP verringerte N-Assimilation. Angedeutet ist eine weitere indirekte Wirkung auf die aktuelle Aziditat. Es ist nicht sinnvoll, weitere sich anschlieBende theoretische Uberlegungen anzustellen, so lange nur wenige konkrete Ergebnisse tiber eine quantitative Bestimmung der in. Okosystemen ausgelosten Veranderungen durch Umgebungseinfltisse vorliegen. Es muBhier noch einmalbetont werden, daB es sich hierbei um einen Versuch handelt, die Indikatfon von Umweltanderungen durch Okosysteme ebenso wie die Okosysteme selbst auf der Grundlage einer allgemeinen System- und Modelltheorie zu entwickeln. Die Veranderungen der Umwelt bzw. der Umgebung des Okosytems werden als StOrungen aufgefaBt, die auf das Okosystem wirken und Veranderungen im Zustand der Elemente und cler Struktur des Okosystems auslosen. Mit dem Begriff Storung ist ---'- im G;egensatz zur Umgangssprache - keine Bewertung, etwa im negativen Sinne, verbunden. Die StorgroBe ist der Parameter oder MeBwert der Storung, im untersuchten

A

Es

~

f3 e3 51

6

3 0 4 0 5 0

; 1

E4 2

--

3

4 5 0 0 1 0 1 0 0 1 0 0

-----------.-~

1

1

0 0

0 0

1

1

1

1

5 6 Abb.5. Vereinfachtes 8chema der Indikation von Umweltanderungen durch Elemente von Okosystemen (weitere Erlauterungen im Text). A Einfachste Beziehung von 8torgroBen (8), direkt (E1 ) und indirekt aktiven (E 2 ) Elementen (Indikatoren) B El inaktives oder stabiles Element, Ea direkt aktives Element bezuglich 81' E4 indirekt aktives Element bezuglich 81 , E2 direkt aktives Element bezuglich 82, indirekt aktives Element bezuglich 81 , Es indirekt aktives Element bezuglich 81' 82. Abb.6. Graph und Beruhrungsmatrix als einfaches Modell des Indikatorbereichs im Okosystem Reitgras- Beerstrauch-Fichtenwald nach 8torung mit 2,2- Dichlorpropionsaure (weitere Erla uterungen im Text).

Modellversuch zur quautitativen Erfassung I.

163

Beispiel 2malige Anwendung von DCPjm 2 • Ebenso wie die Stiirung selbst ist ailch !die im Okosystem ausgeloste Anderung me.6bar, vgl. STOCKER 1974. Es geht dabei urn eine in okologischer Sicht wertungsfreie, objektive Erfassung der Veranderungen. Quantitative und prtifbare Parameter fiir die Anderung des Okosystems unter Storungseinfliisseribieten u. a. Abstandsma.6e fUr die einzelnen Elemente wie auch fUr das gesamte untersuchte System. In Tabelle 5 sind die normierten Abstandsma.6e zwischen H und K angegeben. Urn die Anderungstendenz des Systems zu veranschaulichen wird erganzend auch der Abstand zu den Beerstrauchbulten (B) aufgefUhrt. Signifikant von Null verschiedene Abstandsma.6e sind durch. gekennzeichnet. Zum Formelapparat vgl. AHRENS und LAUTER 1974. Es sollnoch der Versuch unternommen werden, die Beziehung zwischen der Storung und den Indikatorelementen (direkt wie indirekt aktiven) darzustellen. Geeignet hierzu ist die relationale Betrachtungsweise der Graphentheorie, Abb. 6. Die Storung El (DCP) wird als neues Element des Okosystems aufgefa.6t, da es infolge der Offenheit in das Okosystem eingebracht werden konnte. Von El gehen Einfliisse auf Pflanzen E2 (z. B. Calamagrostis villosa) und auf den Poolleicht mineralisierbarer organischer N-Verbindungen Es aus. Inwiefem der Einflu.6 auf N wt durch die Storung mikrobieller oder enzymatischer Vorgange vermittelt wird, kann mangels detaillierterer Untersuchungen nicht geklart werden. 1m Graph wird nur eine einfache direkte Beziehung unterstellt. Hingegen kann· als gesichert gelten, vgl. STOCKER 1973, da.6 Wechselbeziehungen zwischen dem N wt-Pool und dem anorganischen Anteil E4 bzw. dem Hislichen und austauschbarem NH4-N bestehen. Es kann weiter angenommen werden, da.6 eine Aureicherung von NH~ im Boden die Aziditat (E5) beeinflu.6t, plausibel ist wieder die Wirkung des pH- Wertes auf die Pflanze. Aus den Untersuchungenzum Stickstoffhaushalt in Berg-Fichtenwaldem und iiber die N-Mineralisation kann weiter ein Einflu.6 der Wasserstoffionenaktivitat auf den N wt-Pool abgeleitet werden. Schlie.6lich bestehen noch Beziehungen zwische~l dem NH4 +-Angebot, der Aufnahme durch die Pflanze und Riickwirkungen bei verminderter N-Assimilation durch die Pflanze (gem essen am niedrigeren N-Blattspiegelwert bzw. Proteingehalt) auf die NH4+-Akkumulation im Boden. Aus diesen Beziehungen kann der Graph in Abb. 6 und die dazu gehorende Beriihrungsmatrix abgeleitet werden. Die Einsen in den Zeilen der Beriihrungsmatrix entsprechen den von den Elementen ausgehenden Einfliissen (Ausgange, Austrittsgrad), die Einsen der Spalten den von den anderen Elementenherstammenden Einfliissen (Eingange, Eintrittsgrad). Auch in dieser Variante der Modellbildung erweist es sich fUr Indikationsprobleme und Strukturfragen als zweckma.6ig und sinnvoll, nach der Kopplung mit der Storgro.6e zwischen direkt und indirekt aktiven Elementen zu unterscheiden, letztere konnen weiter in solche 1. und 2. Ordnung differenziert werden. Aus der Gruppierung der Elemente nach der Zahl der Ein- und Ausgange und der Stellung zu benachbarten Elementen geht hervor, da.6 sie sich 4 Klassen zuordnen lassen, vgl. Zahl der verschiedenartigen Zeilen und Spalten der Beriihrungsmatrix. Der Graph bzw. die Beriihrungsmatrix reprasentiert den Ausschnitt des Okosystems, der mit den direkt und indirekt aktiven Elementen die Indikation fUr Storungen aus der Umgebung des Okosystems bzw. fiir Umweltanderungen liefert.

I

M

164

G.

STOCKER

und A.

BERGMANN

Es kann nun nach der Komplexitiit der Storwirkung gefragt werden. Da diese am Verhalten der Elemente des Okosystems gemessen wird, ist es die Frage nach der Kom·plexitiit des Stor- und Indikatorbereichs im Okosystem. Fur die Komplexitiit sollen folgende Eigenschaften gefordert werden: 1. Die Komplexitiit solI mit der Zahl der Elemente und deren Beziehungen monoton wachsen. 2. Die Komplexitiit solI mit abnehmender relativer Hiiufigkeit der Elemente ansteigen. 3. Die Komplexitiit solI durch eine positive, eindeutige, monoton wachsende Funktion bei wachsendem Argument charakterisiert sein. 4. Die Komplexitiit solI ein Maximum erreichen, wenn aIle Elemente gleiche relative Hiiufigkeit oder Wahrscheinlichkeit haben. Diese Bedingungen erfullt das InformationsmaB von SHANNON und WEAVER, das in der von MOLES 1960 modifizierten Form zur Erfassung der Komplexitiit von Graphen (vgl. auch LAUE 1970) geeignet ist: 1 H = - P Z Pi . In Pi = P L Pi . In -, i=l

j=l

Pi

mit P = Anzahl der Elemente (Punkte des Graphen), r = Anzahl der Klassen und Pi = die den Klassen zugeordnete relative Hiiufigkeit. Die Eignung des InformationsmaBes von SHANNON und WEAVER zur Beschreibung der Komplexitiit (Diversitiit) okologischer Sachverhalte ist in einer Reihe von Untersuchungen belegt. Fur den in Abb. 6 dargestellten Graphen ergibt sich H

=

~ + 04' ·In ~ + 0' 2ln ~ + 0 ' 2ln~) 0,4 0,2 0,2

5 (02 ·In , 0,2

3 In 5 + 2 In 2,5 = 6,66 Da die MaBzahl H fUr die Komplexitiit von qualitativen Beziehungen der von der Storung betroffenen Elemente des Okosystems abgeleitet wurde, kann von einer qualitativen Komplexitiit des Storungs- bzw. Indikatorbereichs gesprochen werden, fur die H = 6,66 ein quantitativer Ausdruck, eine quantitative Beschreibung ist. Durch weitere Untersuchungen ist zu kliiren, ob auf diesem Wege auch eine Erfassung des Stabilitiitsverhaltens von Okosystemen gegenuber StorgroBen moglich ist. Auf andere Moglichkeiten ist von BAUER et al. 1973, MAY 1973 und STOCKER 1974 hingewiesen worden. Am Rande sei nur vermerkt, daB noch andere Ansiitze zur Erfassung der Komplexitiit moglich sind, vgl. SIMON 1962, MOWSHOWITZ 1968. H H

=

AbschlieBend soB noch zur Diskussion gesteBt werden, ob die Komplexitat des Stiir- bzw. Indikatorbereichs in Relation zum untersuchten Okosystem angegeben werden kann. Die maximale Komplexitat des Okosystems mit 20 natiirlichen Elementen und 1 Stiirelement ist - in analoger Formulierung zur maximalen Information - fiir m = 20 + 1: Hmax = 21ln 21 = 63,93 Daraus folgt fiir die relative qualitative Komplexitat des Indikatorbereichs HjHmax = 6,6609: 63,935 = 0,104

T ·.Ii 'I

~i

Modellversuch zur quantitativen Erfassung 1.

il

~.I,!

!I

165

Die Annahme der maximalen Komplexitat als BezugsgriiBe ist noch zu stark vereinfacht und zu unbefriedigend. Die Angabe, daB etwa 10 % der Komplexitat des untersuchten Okosystems (in der gewahlten Begrenzung) in den Stiirungs- bzw. Indikatorbereich fallt, ist jedoch plausibel und schaUt eine erste grobe Orientierung, mit der gearbeitet werden kann.

Die Aussagen uber die Komplexitat des Indikatorbereichs gelten nur ftir die gewahlte Begrenzung des untersuchten Okosystems, die im Beispiel mit 20 Elementen erfolgte. Es ist denkbar, daB noch andere, nicht untersuchte Elemente (mikrobielle und enzymatische Aktivitat im Boden, Mikroarthropoden u. a.) gleichfalls Indikatorelemente ftir die Fremdstoffwirkung aufweisen konnen. Damit wtirde der Graph der Wechselbeziehungen im Indikatorbereich und die Ausasge tiber Umgebungseinfltisse selbst an Prazision und Komplexitat gewinnen. Selbstverstandlich wurde auch die Komplexitat des untersuchten Okosystems wachsen. Auf weitere Vorbehalte solI hier nicht eingegangen werden. Denn Hauptanliegen des Modellversuchs, der Datenerfassung und -verarbeitung sowie der Interpretation und Darstellung der Ergebnisse ist es, yom Prinzip her aufzuzeigen, daB bereits mit den Methoden der univariaten Analyse, d. h. mit Hilfe einer quantitativen Bestimmung der Zustandsanderungen biotischer und abiotischer Elemente eines Okosystems, Umwelteinfltisse und Umweltanderungen auch in kleinen Dimensionen nachweisbar und gleichfalls quantitativ erfaBbar sind. Damit ist am Beispiel erwiesen, daB Okosysteme grundsatzlich zur Indikation von Umwelteinfltissen und Umweltanderungen geeignet sind. Einflusse aus der Umgebung wirken uber die Elemente auf das Okosystem. Unter der Umgebung eines Okosystems werden aIle die benachbarten Systeme verstanden, die auf das gegebene Okosystem Wirkungen von der Art ausuben, wie sie auch zwischen den Elementen bzw. Teilsystemen des Okosystems bestehen. Der experimentelle Eingriff mit DCP ist nicht nur formal eine stoffliche Wirkung eines umgebenden Systems auf stoffliche Beziehungen zwischen Pflanzenarten und Okofaktore,1 des Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwaldes. Betrachtet man eine das Okosystem beeinflussende Storung aus der Umgebung, so hangt die Reaktion des Okosystems - gem essen am Verhalten seiner Elemente - wesentlich davon ab, wie das Element oder die Gruppe von Elementen, die den primaren Angriffspunkt der Storung bildet, mit anderen gekoppelt ist. Darin liegt die groBe Bedeutung und hohe Empfindlichkeit des Zeigerwertes von Okosystemen fUr Umwelteinfltisse und Umweltanderungen. Ftir den Reitgras-Beerstrauch-Fichtenwald hat sich im Experiment die Umgebung geandert, da zu den Einfltissen, mit denen er sich im Gleichgewicht befand, ein neuer (Herbizid) hinzugefUgt wurde. Jene Pflanzen -oder Tierarten sollen ebenso wie Okofaktoren, die auf Fremdwirkungen einer veranderten Umgebung reagieren, als Bioindikatoren bezeichnet werden. Die Art und Weise, wie Bioindikatoren reagieren (Proteinsenkung, Proteolysen, Dominanzabnahme u. a.), kann dementsperchend als Bioindikation bezeichnet werden. Okofaktoren liefern entsprechend Okoindikatoren bzw. Okoindikationen. Aus dieser Darstellung geht hervor, wie die Okosystemforschung u. a. zur Klarung von Problemen der Umweltforschung und des Umweltschutzes beitragen kann. Es wird auch deutlich, wie die Bioindikation von Umweltanderungen mit Hilfe von Okosystemen in ein Umwelttiberwachungssystem (vgl. Schema) einzubauen ist. Ihre Bedeutung liegt dabei nicht nur in der Bereitstellung okologischer Entscheidungsgrundlagen zur Pla12 Flora, Bd. 164

; g

166

G. STOCKER und A. BERGMANN

nung und Durchflihrung von Ma13nahmen des Umweltschutzes und der Landeskultur, sondern auch in den Moglichkeiten einer "Gtite- und Zuverlassigkeitskontrolle" der Wirksamkeit der Ma13nahmen (STOCKER 1974). In biologischer Hinsicht sind Okosysteme unterschiedlicher hierarchischer Ordnung und Komplexitat Gegenstand von Landeskultur und Umweltschutz, deren Ma13nahmen einem tibergeordneten Steuerungssystem zuzuordnen sind. Damit diese Steuerungsfunktion ausgetibt werden kann, werden Modelle der zu steuernden Systeme (Okosysteme) benotigt. Okosystemstrukturen und ihre Beziehungen zur Umgebung sowie deren Veranderungen lassen sich nur auf der Basis von Me13werten oder Beobachtungsdaten ermitteln. Es stellt sich daher mit Notwendigkeit die Frage, ob nicht mit mathematischen Strukturen den Okosystemen, ihren Strukturen, Beziehungen und Veranderungen adaquate mathematische Modelle geschaffen werden konnen, die nicht nur eine weitgehende Widerspiegelung der Wirklichkeit, sondern vielfach erst die Moglichkeit der Erfassung, Interpretation und letztlich auch der Beherrschung von Okosystemen bieten. Die experimentelle und mathematische Okologie steht hier am Anfang einer aussichtsreichen Entwicklung, deren Konsequenzen und Schwierigkeiten gegenwartig schwer abzuschittzen sind.

3. Literatur AHRENS, H., LAUTER, J.: Mehrdimensionale Varianzanalyse und Diskriminanzanalyse. Berlin 1974 BAUER, H. J., FEGERS, R, TRIPPEL, R: Die mathematisch-kybernetische Beschreibung von Okosystemen. Landschaft + Stadt 2, 75-88 (1973). CORKE, C. T., THOMPSON, F. R: Effects of some phenylamide herbicides and their degradation products on soil nitrification. Canad. J. Microbiol. 16, 567-571 (1970). CUNDEROV A, A. I., ZUBEC, T. P.: Vlijanie gerbicidov na nitrificirujujuscie bakterii dernovo-pouzolistych pocy. Mikrobiologija 39, 887-891 (1970). DUBEY, H. D.: Effect of picloram, diuron, ametryne and prometryne on nitrification in some tropical soils. Proc. Soil. Sci. Soc. Amer. 33, 893-896 (1969). KEENEY, D. R, BREMNER, J. M.: Characterisation of mineralizable nitrogen in soils. Proc. Soil Sci. Soc. Amer. 30, 714-719 (1966). - - A Chemical Index of Soil Nitrogen Availability. Nature 211, 892-893 (1966). LANGE, 0.: Ganzheit und Entwicklung in kybernetischer Sicht. Berlin 1966. LAUE, R: Elemente der Graphentheorie und ihre Anwendung in den biologischen Wissenschaften. Leipzig 1970. MANN, H. B., WHITNEY, D. R: On a test of wehter one of two random variables is stochastically larger than the other. Ann. Mathern. Statistics 18, 50-60 (1947). MAY, R M.: Qualitative stability in model ecosystems. Ecology 04, 638-641 (1973). :\iOLES, A. A.: Uber konstruktionelle und instrumentelle Komplexitat. Grundlagenstudien aus Kybernetik u. Geisteswiss. 1, 33 (1966). MOWSHOWITZ, A.: Entropy and the Complexity of Graphs. I. An Index of the Relative Complexity of a Graph. Bull. Mathern. Biophysics 30, 175-204 (1968). II. The Information Content of Digraphs and Infinite Graphs. Ebenda 30, 225-240 (1968). IV. Entropy Measures and Graphical Structure. Ebenda 30,533-546 (1968). MULLER, H. J.: Entwicklung der Okologie. BioI. Rdsch. 12, 30-38 (1974). SACHS, L.: Statistische Auswertungsmethoden. Berlin,. Heidelberg 1969. SIMON, H. A.: The Architecture of Complexity. Proc. Amer. Philos. Soc. 106, 467-482 (1962).

Modellversuch zur quantitativen Erfassung I.

167

STOCKER, G.: Die Bestimmung von Ammonium-, Nitrit- und Nitrat-Stickstoff mit einer Mikrodestillationsmethode bei iikologischen Untersuchungen. Arch. Naturschutz Landschaftsforsch. 11, 183-192 (1971). -

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- Nachweis von Umweltiinderungen mit Hilfe multivariater mathematischer Methoden. messen, steuern, regeln 17, 192-193 (1974).

-

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Eingegangen 9. Oktober 1974. Anschrift der Verfasser: Dr. G. STOCKE R und A. BERGMANN, Institut fiir Landschaftsforschung und Naturschutz der AdL, Arbeitsgruppe Terrestrische Okologie, DDR - 402 Halle, Neuwerk 4.

12*