Buchbesprechungen | Book and Media Reviews
Dr. med. Manfred Angermaier
Leitfaden Ohrakupunktur – Mit allen französischen und chinesischen Punkten München, Elsevier, 6. Auflage 2017, 512 S., ISBN 978-3-437-55425-4
Es hat mich gereizt, ein Lehrbuch wie dieses zu rezensieren, das sich die Aufgabe stellt, die Ohrakupunktur „schulenübergreifend“ darzustellen. Da ich selbst Mitglied in zwei Gesellschaften verschiedener Schulen bin, der DÄGfA und der DAA, war ich neugierig auf dieses Buch und was ich darin wiederfinden kann. Eine Rezension muss sich wegen des Umfanges eines Lehrbuches dennoch auf Grundlinien begrenzen und einen gewissen Reduktionismus in Kauf nehmen. Der Autor, Manfred Angermaier, ist Privatarzt für TCM in Bayern, gibt als Dozent Kurse für Ohrakupunktur und bekennt sich zur SMS, der „Societas Medicinae Sinensis“. Sein Lehrbuch erschien in der 6. Auflage und stellt sich der Aufgabe, schul-übergreifend „alle französischen und chinesischen Punkte“ zu behandeln. Es enthält auf 512 Seiten reichliche Abbildungen in Graustufen, schwarz und weinrot. Es ist sehr übersichtlich gegliedert in 13 Grundkapitel (beginnend mit Einleitung, Praxisausstattung und -organisation, Arbeitstechniken, Lasertherapie am Ohr, Diagnose- und Therapieprinzipien usw. bis zu einem übersichtlichen Anhang mit Register. Auch das Schriftbild der einzelnen Kapitel ist übersichtlich gegliedert mit schwarzem Text, weinroten Hervorhebungen, Tabellen und Zusammenfassungen wichtiger Grundinformationen. Jedes Kapitel untergliedert sich in mehrere Unterkapitel. In den Ohrabbildungen sind zur Unterscheidung französische Punkte weinrot, chinesische in Schwarz dargestellt, sodass der Leser problemlos die Schulen unterscheiden kann. Der Autor präferiert den Nogier-Reflex – respektive RAC – als Suchmethode aktivierter Punkte. Viele spezielle Punkte wie zum Beispiel der „Lateralitätssteuerpunkt“ bei Lateralitätsinstabilität sind mit den anderen Suchmethoden wie Drucktaster, elektrisches Punktsuchgerät und Very-Point-Methode, die er im Kapitel 3 auch darstellt, nicht gut oder gar nicht zu detektieren. An speziellen Methoden geht er in Kapitel 4 auch auf die verschiedenen beschriebenen, auf den Laser modulierbaren diagnostischen und therapeutischen Frequenzen ein, weiter auf die energetische Auswirkung von Störherden (bekannt aus Neuraltherapie, Kinesiologie und Nogier-Reflex). In Kapitel 6 werden die Punktlokalisationen der chinesischen und französischen Schule auf 82 Seiten nebeneinander verschiedenfarbig dargestellt, dabei in übersichtlicher Weise auf jeder Doppelseite ein dazugehöriges Ohrschema. Gleiches gilt für die Kapitel 7 und 8 mit nach Indikationen sortierten Therapievorschlägen über 254 weitere Seiten. Beispiel-Abbildung Dr. med. Gerhard Riehl Arzt für Allgemeinmedizin Naturheilverfahren, Akupunktur Rathausstr. 11 D-57234 Wilnsdorf
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Die Punktlokalisationen sind sehr umfangreich, von Lokalisation und Bezeichnung stimmen sie mit den Schulen von DÄGfA und DAA im Wesentlichen überein, auch wenn es einzelne leichte Abweichungen gibt, wie zum Beispiel beim Punkt Begierde/29c (S. 116) und dem Punkt Hüfte (S. 182). Da der Autor in den einleitenden Kapiteln ausführlich auf die bekannte interindividuelle Variabilität von aktivierten therapeutischen Punkten eingeht [1–3], können solche leichten Abweichungen der Darstellung darunter problemlos subsumiert werden. Er beschreibt auch sogenannte „neue Punktlokalisationen“ nach „Angermaier“, nach „Rubach“ und nach „Bahr“, einzelne weitere nach „Bucek“ und nach „Werth“. In Kapitel 9 werden einige Unterschiede verschiedener Schulen zusammengestellt, danach aber auch die vielen Übereinstimmungen. Kapitel 10 stellt auf 59 Seiten eine Reihe von Fallbeispielen dar, Kapitel 11 zitiert aktuelle Studienergebnisse, z. B. aus „Aku Med Wiss“, aus „Complement Med“, „Anesthesiology“, „American Journal of Medicine“, „Shanghai University of TCM and Anhui University of TCM“ sowie andere. Leider habe ich in dem Kapitel kein Zitat aus der DZA gefunden. Im Anhang findet sich ein Sachregister, eine alphabetische und eine numerische Auflistung von Punkten mit Seitennachweis.
Wissenschaftliche Recherche Der Autor hat viel Wissen aus verschiedenen Schulen und Autoren zusammengetragen. Dennoch gibt es – wie bei anderen Autoren auch – bei der dargestellten Lokalisation einiger Punkte leichte Abweichungen von anderen Autoren, die man vermutlich unter interindividuelle Variabilität [1–3] verbuchen kann. Zum Unterkapitel „geschichtlicher Überblick“ (in Kapitel „Einleitung“) habe ich die Hilfe versierter Kollegen mit chinesischen Sprach- und Literaturkenntnissen in Anspruch nehmen müssen. Die Behauptung des Autors über „Kenntnisse über die Beziehung zwischen Ohrmuschel und einzelnen Körperregionen“ im frühen China wird sowohl von Prof. Dr. P.U. Unschuld wie auch von DDr. T. Ots inhaltlich und bezüglich der angegebenen unscharf bezeichneten Quellen zurückgewiesen. Eine Abbildung des Körpers in der Ohrmuschel gehe nicht auf chinesische Ursprünge, sondern auf P. Nogier zurück. Ebenfalls zu bemängeln ist die Äußerung, P. Nogier habe die Narben im Ohr zunächst bei arabischen Patienten beobachtet. P. Nogier schreibt in seinem Buch von 1969 [4] von seinen Beobachtungen und Recherchen, aber nichts über die eigene Behandlung von Arabern. Die historischen Recherchen des Autors müssen wohl mit Zurückhaltung betrachtet werden, zumal er keine bzw. eine nicht nachvollziehbare Quellenangabe macht. Das ändert jedoch nichts am Wert der zusammengetragenen therapeutischen Punkte am Ohr.
Meine Meinung Zur Frage, ob dieses sehr übersichtliche und inhaltsreiche Buch in der DZA empfohlen werden kann, halte ich es einerseits für Anfänger für empfehlenswert, sich erst einmal nach einer „Schule“ zu orientieren, auch wenn die ersten fünf Kapitel für jeden eine wertvolle Übersicht darstellen. Der ambitionierte und bereits erfahrene Ohrakupunkteur andererseits wird ohne Probleme in diesem Buch in übersichtlicher Weise viele Anregungen zur erweiterten Therapie finden und seine
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Deutsche Zeitschrift für
DZA
Akupunktur
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German Journal of Acupuncture & Related Techniques
Arbeit und Effektivität erweitern können. Tatsächlich werden hier Punkte verschiedener Folgeschulen der von P. Nogier initiierten Ohrakupunktur mit unterschiedlicher Verbandsgeschichte zusammengeführt. Allerdings ist die volle Breite der Lehrbuchempfehlungen erst mit dem „Nogier-Reflex“ (RAC) nutzbar. Dieser kann nicht nur in den Kursen von Angermaier in der SMS der DAA und anderen Gesellschaften, sondern inzwischen auch über die DÄGfA erlernt und trainiert werden (z. B. 2017, 30.09. „Aurikulotherapie“ in Freudenstadt).
Literarischer Querverweis 1. Romoli M. Auricular Acupuncture Diagnosis. Elsevier, 2010, ISBN 978-0-443-06866-9 2. Ots T. Zu klärende Fragen in der Ohrakupunktur (Teil 1). Dt Ztschr f Akup. 2013;56,1:18–22, 3. Riehl G. Vergleich verschiedener Repräsentationspunkte der großen Beingelenke in der Ohrakupunktur. Dt Ztschr f Akup. 2013;56,4:6–8 4. Nogier P. Lehrbuch der Auriculotherapie, Maison neuve. Saint Ruffine. 1969
schließlich ein Kapitel eigens zur „Koordination“. Im fünften und letzten Kapitel werden 19 Übungen für den Alltag vorgestellt, entwickelt unter der Mitarbeit der im Kur- und Rehabilitationsbereich erfahrenen Sportwissenschaftlerin Maria Stoiber. Alle Kapitel sind reichlich und anschaulich bebildert, die die Übernahme des Inhaltes erleichtern. Fazit: Selbst an Multipler Sklerose erkrankt und immer wieder mit mehr oder minder starken Gleichgewichts- und Koordinationsproblemen „beschäftigt“, finde ich die einfach durchzuführenden Übungen für den Alltag durchaus brauchbar. Das Buch wurde zwar nicht speziell für Erkrankte oder Verletzte in der Rehabilitationsphase geschrieben, ist jedoch für diese geeignet. Auch ein Buch, das Sie gut und gerne Ihren PatientInnen in die Hand geben können.
Paul Crichton, Steven Greer
Danksagung Zu danken habe ich Prof. Dr. P.U. Unschuld und DDr. T. Ots für ihre Recherchen und kritischen Hinweise zu historischen Äußerungen des Autors bezüglich Ohrmuschelbehandlung in China.
When Patient and Doctor Disagree Autonomous Patient versus Paternalistic Doctor
Klaus Engelke, Michael Hlatky
Kiener Verlag München. 132 S. ISBN: 978-3-943324-60-0. Taschenbuch. 28,00 €
Koordination beginnt im Kopf – Bewegung macht’s perfekt Wien: Verlagshaus der Ärzte, 2010, 143 S., Flexcover. ISBN: 9783902552792. 14,90 €
Der Koordination als Teil der Bewegung wurde lange Zeit nicht die Bedeutung beigemessen, wie vergleichsweise der Kraft, der Ausdauer oder der Beweglichkeit. In diesem Buch steht die Koordination als zentrale Steuerung der Bewegungsabläufe im Mittelpunkt der Betrachtung, nicht nur für Sportler, sondern für die Bewegung im Alltag. Die Autoren, Klaus Engelke, Sportwissenschaftler und ärztlicher Leiter für Orthopädie und Orthopädische Rehabilitation im Klinikum Theresienhof in Frohnleiten, und Michael Hlatky, passionierter Wanderer und Inhaber einer Verlagsagentur in Vasoldsberg bei Graz, werden nicht müde, auf die Bedeutung der Koordinationsfähigkeit als untrennbaren Teil der Bewegung hinzuweisen. Bereits in der Einleitung erfährt man von Zeitfenstern zur Erlernung der Koordinationsabläufe im Kindesalter, außerhalb derer diese Fähigkeiten nur mehr mangelhaft oder sehr schwer zu erlernen seien. Aber eben doch erlernbar und trainierbar. Und das gilt für jedes Alter. So können einfache Übungen bis ins hohe Alter helfen, den natürlichen körperlichen und geistigen Alterungsprozess hinauszuzögern. Die ersten Kapitel beinhalten in einer leicht verständlichen Sprache den theoretischen Teil. Hier werden Begriffe wie Kraft, Ausdauer, Koordination etc. als Teil der Bewegung kurz erläutert. Es folgt ein kurzer Abriss über das menschliche Gehirn, hier vor allem im Hinblick auf körperliche Bewegung, gefolgt von gesellschaftlichen Überlegungen wie „Schule und Bewegung“,
Der Titel suggeriert so etwas wie einen Kampf des um seine Rechte kämpfenden Patienten versus „Halbgott in Weiß“. Eigentlich aber ist dies ein Buch, das aufzeigt, was ÄrztInnen machen können, damit es nicht zu diesem Kampf kommt (der Titel ist mehr ein Aufhänger, man muss nur die zahlreichen Einträge zu diesem Topos auf Google verfolgen). Die beiden Londoner Autoren sind gestandene Ärzte mit multiplen Spezialausbildungen. Crichton erhielt seinen Dr. med. in München, wurde Psychiater mit Betonung auf Liaison Psychiatrie, studierte außerdem Philosophie und hat reichlich veröffentlicht. 2013 erschien von ihm im selben Verlag „SelfRealization and Inner Necessity –Thinking About how to Live“. Greer, ursprünglich aus Australien, ist Mitbegründer der British Psycho-Oncological Society und wurde mehrfach für seine zahlreichen Arbeiten in Psycho-Onkologie ausgezeichnet. Wer des Englischen nicht so recht mächtig ist, sei beruhigt bzw. gar ermuntert: Das Buch ist in so einem klaren und einfachen Englisch geschrieben – wohl auch der Gedanken-Klarheit der Autoren geschuldet –, dass es geradezu als Englisch-Lerntext benutzt werden könnte. Die Argumentation gliedert sich in zwei Teile: 1. How to understand and improve the Patient-Doctor Relationship 2. How this understanding of the Patient-Doctor relationship throws light on some ethical dilemmas in medicine and psychiatry Innerhalb dieses Rahmens werden alle Anteile der Patient-ArztKommunikation ausführlich beschrieben: der Wunsch nach Autonomie seitens der PatientInnen, die Wichtigkeit für ÄrztInnen, der Darstellung der PatientInnen Zeit zu geben und Glauben zu schenken, die Vor- und Nachteile eines paterna-
Gertrude Moser, MSc
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Thomas Ots
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