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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 105 (2011) 404–407
Schwerpunkt III
Benchmarking in der ambulanten Versorgung am Beispiel des Europäischen Praxisassessments (EPA) Joachim Szecsenyi1,2,∗ , Björn Broge2 , Sara Willms2 , Marc Brodowski2 , Katja Götz1 1 Abteilung 2 Institut
Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut), Göttingen
Zusammenfassung Das Europäische Praxisassessment (EPA) stellt ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement dar, welches aus 220 Indikatoren aufgeteilt in fünf Domänen (Infrastruktur, Menschen, Information, Finanzen und Qualität und Sicherheit) besteht. Das Ziel des vorliegenden Projektes war es, das Qualitätsmanagementsystem EPA als ein Instrument für Benchmarking in der ambulanten Versorgung zu evaluieren. Bei dem vorgestellten Projekt handelt es sich um eine Prä-Poststudie mit Vergleichsgruppe. Insgesamt haben 102 Praxen das komplette EPA-Verfahren in der Prä-Poststudie zweimal (Erst- und Re-Assessment) im Abstand von drei Jahren durchlaufen. Die Vergleichsgruppe besteht aus 209 Praxen, die im Zeitraum des Re-Assessment erstmalig das komplette EPA-Verfahren durchlaufen haben. Aufgrund von Unterschieden in der Praxischarakteristika (Alter der Ärzte, Art der Pra-
xis, Praxislage) der Prä-Postgruppe und der Vergleichsgruppe wurden mittels Propensity Score ,,matched pairs‘‘ gebildet. Damit konnte eine vergleichbare Subgruppe von 102 Praxen aus den 209 Praxen bestimmt werden. Die Berechnung der Ergebnisse erfolgt mittels z-Transformationen für prozentuale Anteile. Es konnten statistisch signifikante Verbesserungen in den einzelnen Domänen sowohl zwischen dem Erst- und Re-Assessment als auch bezüglich der Vergleichsgruppe und dem Re-Assessment ermittelt werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Umsetzung eines praxisinternen QM und damit einhergehend das zweimalige Durchführen des EPA-Verfahrens zu signifikanten Verbesserungen in fast allen Domänen führt.
Schlüsselwörter: Ambulante Versorgung, Benchmarking, EPA, Qualitätsmanagement (Wie vom Gastherausgeber eingereicht)
Benchmarking in ambulatory care practices – The European Practice Assessment (EPA) Summary The European Practice Assessment (EPA) is a comprehensive quality management which consists of 220 indicators covering 5 domains (infrastruc-
ture, people, information, finance, and quality and safety). The aim of the project presented was to evaluate EPA as an instrument for benchmarking
∗ Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Joachim Szecsenyi, Dipl. Soz., Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung/Voßstraße 2, Geb. 37, D-69115 Heidelberg, Tel.: +49 (0)6221-56-4745; Fax: +49 (0)6221-56-1972. E-Mail:
[email protected] (J. Szecsenyi).
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in ambulatory care practices. A before-and-after design with a comparison group was chosen. One hundred and two practices conducted EPA at baseline (t1) and at the 3-year follow-up (t2). A further 209 practices began EPA at t2 (comparison group). Since both practice groups differed in several variables (age of GP, location and size of practice), a matched-pair design based on propensity scores was applied leading to a subgroup of
102 comparable practices (out of the 209 practices). Data analysis was carried out using Z scores of the EPA domains. The results showed significant improvements in all domains between t1 and t2 as well as between the comparison group and t2. Furthermore, the results demonstrate that the implementation of total quality management and the re-assessment of the EPA procedure can lead to significant improvements in almost all domains.
Key words: ambulatory care, benchmarking, EPA, total quality management (As supplied by publisher)
Hintergrund Vertragsärzte sind nach Paragraph 135a Sozialgesetzbuch V dazu verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement (QM) einzuführen. Das Europäische Praxisassessment (EPA) ist ein QM, welches ausgehend von einer systematischen Bestandsaufnahme, Verbesserungspotentiale im Praxismanagement aufzeigen und Praxen dabei unterstützen soll, diese möglichst effizient nach dem ,,Pareto-Prinzip‘‘ (dort verändern, wo die größte Wirkung erzielt werden kann und wo der größte Änderungsbedarf identifiziert ist), zu nutzen [1]. EPA ist in internationaler Zusammenarbeit von Forschern und Ärzten aus neun Ländern entwickelt worden [2,3]. Es besteht aus einer Reihe validierter Indikatoren, welche sich u.a. aus den Selbstangaben, den Angaben aus einer Visitation, den Daten aus Patienten- und Mitarbeiterbefragungen sowie den Teambesprechungen innerhalb der Praxis zusammensetzen. Praxen, die das Assessment erfolgreich durchlaufen und weitere Kriterien erfüllt haben, können auf Antrag ein Zertifikat der Stiftung Praxissiegel e.V. erhalten (www.praxissiegel.de). EPA ist in folgende fünf Themenfelder bzw. Domänen unterteilt, denen 28 Dimensionen und 220 Indikatoren zugeordnet werden: - Infrastruktur (u.a. Erreichbarkeit und Ausstattung der Praxis, Arzneimittelmanagement) - Menschen (u.a. Mitarbeiterorientierung, Patientenbefragung, Personalmanagement) - Information (u.a. Patienteninformationen, Kommunikation nach innen und außen, Datenschutz) - Finanzen (u.a. Verwaltung der Praxisfinanzen, Verantwortung und Planung)
- Qualität und Sicherheit (u.a. Vereinbarung von Qualitätszielen, Teambesprechungen, Hygiene, Fehler-, Notfall- und Labormanagement, Patientensicherheit). Eine weitere Besonderheit stellt das direkte Feedback nach der Visitation an die Praxisinhaber und –mitarbeiter dar. In Form einer visuellen Aufbereitung über die Datenbank Visotool® werden die Ergebnisse aus den erfassten Indikatoren für die Praxis im anonymisierten Vergleich zu allen anderen teilnehmenden Praxen dargestellt. Die Abfrage geschieht dynamisch über ein passwortgeschütztes / verschlüsseltes Webportal. Die Benchmarkgruppe kann nach verschiedenen Merkmalen (z.B. Praxisgröße, Stadtpraxis, Landpraxis) vom Nutzer gewählt werden. Aufgrund der Ergebnisse aus der Indikatorenerhebung und dem Benchmarking erhalten die Praxen konkrete Anhaltspunkte zur Umsetzung des praxisinternen QM und zur Verbesserung der Praxisorganisation. Das Ziel des vorliegenden Projektes war es, das Qualitätsmanagementsystem EPA als ein Instrument für Benchmarking in der ambulanten Versorgung zu evaluieren.
Methodische Vorgehensweise Bei dem vorgestellten Projekt handelt es sich um eine Prä-Poststudie mit Vergleichsgruppe. Insgesamt haben 102 Praxen das komplette EPA-Verfahren mit allen 220 EPA-Indikatoren in der Prä-Poststudie zweimal durchlaufen. Im Zeitraum von Mai 2004 bis November 2007 fand das Erst-Assessment und nach drei Jahren zwischen Juni 2007 und Januar 2009 das Re-Assessment statt. Die Vergleichsgruppe setzt sich
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aus Praxen zusammen, die zwischen Juni 2007 und Januar 2009 erstmalig das komplette EPA-Verfahren durchlaufen haben. Ingesamt standen 209 Praxen in dieser Gruppe zur Verfügung. Die 102 Praxen der Prä-Poststudie und die 209 Vergleichspraxen unterschieden sich zunächst allerdings in wesentlichen Praxischarakteristika, so dass unter Verwendung des Propensity Scores sog. ,,matched pairs‘‘ gebildet wurden. Diese Methode ermöglicht eine vergleichbare Gruppe für die Datenanalyse zu bekommen [4]. Die Kriterien für das Matching waren die Art der Praxis (Einzelvs. Gemeinschaftspraxis), die Praxislage (Stadt oder Land), die Anzahl der Ärzte und Praxismitarbeiter pro Praxis sowie die durchschnittliche Fahlzahl im Quartal (Praxisangabe). Nach der Verwendung dieses Verfahrens konnte eine vergleichbare Gruppe von 102 Praxen für die weitere Analyse bestimmt werden. Die Berechnung der Ergebnisse erfolgt mittels z-Transformationen für prozentuale Anteile, ein gängiges Verfahren, um Praxen zu vergleichen [5].
Ergebnisse Tabelle 1 zeigt die Charakteristika der Praxen auf. Die Praxen aus dem Re-Assessment und die nach dem Matching Verfahren gebildete Vergleichsgruppe unterschieden sich in keinem der aufgeführten Charakteristika statistisch signifikant voneinander. Die teilnehmenden Ärzte sind im Mittel 50 Jahre alt. Über die Hälfte der teilnehmenden Arztpraxen befinden sich im ländlichen Gebiet. Des Weiteren stellt in der vorliegenden Stichprobe etwa die Hälfte der Praxen eine Einzelpraxis dar. Wir konnten statistisch signifikante Veränderungen in den einzelnen Domä-
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Tabelle 1. Charakteristika der Praxen.
Anzahl der teilnehmenden Ärzte Alter der Ärzte (MW, min-max) Einzelpraxis (%) Praxis im ländlichen Gebiet (%) Durchschnittliche Fallzahl im Quartal
Re-Assessment (n= 102)
Vergleichsgruppe (n= 102)
p-Werte*
174 50,6 (35-65) 49,0 57,8 1775
167 50,5 (34-67) 52,9 59,8 1704
0,63 0,94 0,62 0,77 0,48
MW Mittelwert. Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 wird akzeptiert.
* Eine
Tabelle 2. Veränderungen im Zeitraum von drei Jahren und bei der Vergleichsgruppe in allen Domänen. Domäne
Infrastruktur Menschen Information Finanzen Qualität und Sicherheit
Anzahl der Indikatoren 38 62 45 6 41
Prä-Postgruppe (n= 102) T1 (%)
T2 (%)
74,9 73,9 80,1 82,8 72,3
84,9 79,0 85,8 86,9 82,4
Veränderungen (T1 zu T2 (%)); p-Wert* 10,0; 0,01 5,1; 0,12 5,8; 0,08 4,1; 0,14 10,1; 0,01
Vergleichsgruppe (n= 102)
Veränderungen (T2 zu Vergleichsgruppe (%)); p-Wert*
77,8 66,5 81,1 79,1 73,9
7,1; 0,05 12,5; 0,01 4,7; 0,11 7,8; 0,03 8,5; 0,02
T1 Erst-Assessment, T2 Re-Assessment. Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≤ 0,05 wird akzeptiert.
* Eine
nen sowohl zwischen dem Erst- und Re-Assessment als auch bezüglich der Vergleichsgruppe ermitteln, welche in Tabelle 2 dargestellt sind. Die Domänen Infrastruktur und Qualität und Sicherheit zeigten die größten Verbesserungen zwischen Erst- und Re-Assessment auf. Eine prozentuale Veränderung von 10,0% bzw. 10,1%. Hingegen waren die Domänen Menschen gefolgt von Qualität und Sicherheit, die Domänen, die die größten Verbesserungen zwischen Vergleichsgruppe und Re-Assessment (12,5% bzw. 8,5%) zeigten. Auch die anderen Domänen (Infrastruktur, Information und Finanzen) in diesem Vergleich zeigten statistisch signifikante Veränderungen auf.
Diskussion Für die vorliegende Evaluation des Europäischen Praxisassessment wurden 102 Praxen, die EPA bereits zweimal durchlaufen haben, mit einer Gruppe von Praxen verglichen, die sich in dem Zeitraum sich für EPA eingeschrieben haben, in dem die anderen Praxen EPA das zweite Mal durchführten. Um eine ver-
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gleichbare Gruppe für die Analyse herzustellen, wurde der Propensity Score verwendet. Daran anschließend wurden die statistischen Zusammenhänge sowohl für die Domänen als auch die Dimensionen und Indikatoren mittels der z-Transformation überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den Praxen, die bereits das EPA-Verfahren zweimalig durchlaufen haben, relevante Verbesserungen vor allem innerhalb der Domänen Infrastruktur, Information und Qualität und Sicherheit zu verzeichnen sind. Durch die Erhebung der Indikatoren, das Benchmarking und die moderierte Teambesprechung mit einem Visitor wurde die Umsetzung des praxisinternen QM gefördert, sowie die Praxisorganisation in diesen Bereichen optimiert. Demgegenüber zeigen die Ergebnisse der Vergleichsgruppe immer noch prozentual niedrigere Anfangswerte gegenüber der Gruppe der EPA-Praxen zum Zeitpunkt des Re-Assessments. Die Vergleichsgruppe zeigt allerdings etwas höhere Ausgangswerte in der Domäne Infrastruktur, als die Prä-Postgruppe zum Zeitpunkt des Erstassessments. Dies mag als Hinweis dafür gelten, dass die mehrjährige Diskussion um Qualitätsmanagement auch generali-
sierbare Effekte haben kann, indem Praxen einzelne Aspekte von QM aufgreifen (z.B. im Bereich Hygiene oder Lagerung von Impfstoffen), ohne sich schon einem QM-System zugewandt zu haben. Näher untersucht werden muss noch, warum Praxen der Vergleichsgruppe deutlich niedrigere Ausgangswerte in der Domäne Menschen (u.a. Arzt- Mitarbeiter,- und Patientenzufriedenheit) zeigen, als sie die Prä-Postgruppe zu T1 hatte. Hierbei sind säkuläre Effekte aus der Reformdebatte im Gesundheitswesen nicht auszuschließen. Das Qualitätsmanagementsystem EPA mit integriertem Benchmarking in der ambulanten Versorgung verdeutlicht an diesem Projektbeispiel, dass innerhalb der drei Jahre zwischen Erst- und Re-Assessment wesentliche Optimierungspotentiale innerhalb der Praxen erkannt und diese gezielt in Verbesserungen umgesetzt worden sind.
Danksagung Wir danken allen teilnehmenden Praxen und Visitoren für Ihre Unterstützung.
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Literatur [1] http://www.europaeischespraxisassessment.de [Zugriff am 12.01.2011]. [2] Engels Y, Dautzenberg M, Campbell S, Broge B, Boffin N, Marshall M, et al. Testing a European set of indicators for the evaluation of
the management of primary care practices. Fam Pract 2006;23:137–47. [3] Grol R, Dautzenberg M, Brinkmann H, editors. Quality management in primary care. Guetersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung; 2004. [4] Rosenbaum PR, Rubin DB. The Central Role of the Propensity Score in Observatio-
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nal Studies for Causal Effects. Biometrika 1983;70:41–55. [5] Goderis G, Borgermans L, Heyrman J, van den Broeke C, Carbonez A, Mathieu C, et al. Monitoring modifiable cardiovascular risk in type 2 diabetes care in general practice. The use of an aggregated z-score. Med Care 2010;48:589–95.
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