Über die Blütenbiologie von Alyssum montanum und ihre Zweckmäßigkeitsdeutungen

Über die Blütenbiologie von Alyssum montanum und ihre Zweckmäßigkeitsdeutungen

Uber die BlUtenbiologie von Alyssum montanum und ihre ZweckmABigkeitsdeutungen. Von Ernst Bergdoll (Miinchen). Mit 6 Abbildungen im Text. Her man n M...

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Uber die BlUtenbiologie von Alyssum montanum und ihre ZweckmABigkeitsdeutungen. Von Ernst Bergdoll (Miinchen). Mit 6 Abbildungen im Text.

Her man n Mull e r stellte den Satz auf, daB viele Bluten anflingIich der Fremdbestiiubung angepaBt seien, sich am Schlusse der Blutezeit aber, wenn inzwischen keine Fremdbestiiubung erfolgt sein sollte, spontan selbst besmuben. Ais Beispiel fUr die Richtigkeit dieses Satzes wurden von den Blutenbiologen hiiufig die Bestiiubungseinrichtungen der Cruciferen und vorzugsweise die von Alyssum montanum L. angefUhrt. Besonders G ii nth a r tt) hat sich u. a. mit der Untersuchung des Bestiiubungsvorganges dieser Pflanze niiher befaBt. Genannter Autor bringt in Schroters "Pflanzenleben der Alpen"2) zwei Abbildungen, welche die StaubgefiiBe und den Stempel von Alyssum montanum am Anfang und am Ende der Blutezeit darstellen S) und nimmt auf Grund eigener Beobachtungen an, daB bei mangelnder Allogamie am SchluB der Anthese Staubblattbewegungen ausgefiihrt werden mit dem Ziele Autogamie herbeizufuhren. Er kommt zu folgendem SchluB: "Damit ist bewiesen, da8 die erst am Ende des Bluhens und nur ausnahmsweise eintretende Au togamie wirkIich eine direkte Folgeerschein ung de r au s g e b Ii e ben e n F rem d b e s iii u bun g is t". Wenn man die Abbildungen, die ubrigens im wesentlichen unverandert von Gun thart aus seiner fruheren Abhandlung (1) (dort Fig. 140 u. 141) ubernommen wurden, betrachtet, so fiillt folgendes auf: In dem Stadium, das die Verhiiltnisse am Ende der Blutezeit illustriert, haben nicht etwa nur die Staubbliitter und der Griffel sich verliingert, sondern der F r u c h t1) A. Giinthart, Beitriige zur Bliithenbiologie der Cruciferen, Cras8ulaceen und der Gattung Saxifraga. Bibliotheca Botanica. 1902. Bd. XI, Heft 58. 2) C. SchriSter, Das Pflanzenleben der Alpen. 1908. S. 714. 3) Die Angabe Alyssum saxatile L. unter der Figur bei S c h r is t e r diirfte irrtiimlich sein, da die Abbildungen im Text ausdriicklich als von Ai. montanum stammend bezeichnet werden, was sie auch tatsl1chlich sind. Nicht beriicksichtigt ist aber die Extrorsitat der Antheren im !llteren Stadium. Flora, Bd. 126. 15

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k not en selbst hat eine bedeutende VergroBerung erfahren. Da beide BIiiten voU entwickelt waren, kann die Fruchtknotenanschwellung und -verlangerung am Ende der. BIiitezeit nur eine Reifungserscheinung darstellen, die eben durch das Wachstum befruchteter Samenanlagen bedingt ist. DaB dies tatsachlich so ist, kann man leicht feststellen, wenn man die Samenanlagen zweier Fruchtknoten in dies en GroBenstadien vergleichend untersucht. In diesem Fall kann aber die Annaherung der Staubblatter an die Narbe nicht mehr als erstrebenswert gedeutet, s~ndern sie muB zum mindesten als iiberfliissig bezeichnet werden. Das Wachstum der Staubblatter und des Griffels erfolgt bei Alyssum montanum auf sehr mannigfaltige Art. So gibt es Formen, bei denen der Griffel anfangs kiirzer ist als die Staub blatter, allmahlich aber infolge langerdauernden Wachstums deren Hohe knapp erreicht. Der umgekehrte Fall kommt gleichfalls vor: Der Griffel ist anfanglich im Wachstum gefordert, wahrend die Staubblatter sich erstspater verlangern. Bei wieder anderen ist das Wachstum von Androeceum und Griffel von Anfang an ein ziemlich gleichmaBiges. AuBere Faktoren sind als Ursache fiir diese Verschiedenheiten nicht nachweisbar, da die Pflanzen aus der gleichen Kultur und von dem namlichen Standorte stammen Mnnen und mitunter selbst bei ein und derselben Pflanze in der Ausbildung ihrer BIiiten Verschiedenheiten vorkommen. Besonders Gun thar t hat den Versuch unternommen, jede einzelne der verschiedenen hier verwirklichten Ausbildungsmoglichkeiten und Wachstumsbewegungen als zweckmaBig zu deuten. Dies muBte zwangslaufig zu Widerspriichen in seiner eigenen Arbeit fiihren, und anstatt die Fragen zu losen, sie mit neuen Unklarheiten komplizieren. Gun thart geIangte zu folgender Ansicht: "Wir haben insbesondere in einigen Fallen die Warnehmung gemacht, daB besonders in den vier liingeren StaubbIattern die Tendenz, Autogamie herbeizufiihren, zu Hegen scheint, welcher Zweck von den genannten Staubblattern mit allen moglichen, und in derselben BIiithe oft nacheinander mit entgegengesetzten MitteIn fOrmlicb zielbewuBt verfolgt wird, wahrend sich die Narbe umgeIwhrt einer Beriihrung mit den Antheren mit derselben Zahigkeit, und ebenfalls oft fast gIeichzeitig mit ganz verschiedenen MitteIn zu entziehen sucht." Dazu ist zu bemerken: Der Umstand, daB in der gIeichen BIiite Vorgange auftreten, die teleologisch ganz entgegengesetzt erklart werden miiBten, ist gerade ein Beweis dafiir, daB diese Vorgange nicht durch ZweckmaBigkeitserwagungen bedingt sind. Es ist nicht moglich. daB die "entgegengesetzten" Mittel alle "zielbewuBt" sind; dies Mnnte hOchstens ein Teil sein, der andere Teil wiirde eben dem

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Ziel entgegengesetzt wirken. Es ist auch nicht so, daB gerade der Griffel immer mit "Zahigkeit" der Autogamie zu entgehen sucht. In den Bliiten, deren Griffel anfangIich kurz ist, wii.chst er im weiteren Verlaufe der Anthesis den Antheren geradezu entgegen. Dies war auch Giinthart nicht unbekannt, wenn er schreibt: "Da der Griffel unterdessen oft doch noch bis zur Beriihrung der Narbe mit den vier oberen Antheren gewachsen ist, so ist spontane Autogamie in diesem Stadium, d. h. im letzten Augenblick der Empflingnisflihigkeit der Narbe, noch wohl moglich. .." Selbstbestaubung findet hier iibrigens nicht erst "im letzten Augenblicl{" statt, sondern sie kann schon bedeutend friiher erfolgt sein, wenn der Pollen aus den aufgesprungenen, schrumpfenden Antheren auf die Narbe herabfii.llt. Fig. 1 zeigt eine vollentwickelte Knospe der von Anfang an mit relativ langem Griffel ausgestatteten Form. Der obere Teil des Griffels mit der Narbe dringt an der Spitze der Knospe hervor; damit wird die Entfaltung, die nun ziemIich schnell verlauft, eingeleitet. Die Staubblatter vermogen nun ebenfalls sich zu strecken. G ii nth art gibt hier folgende bewegte Schilderung: "Sehr hliufig bemerkte ich folgende Erscheinung: Wenn die vier oben stehenden Antheren beinahe bis zur Rohe der Narben gelangt waren, so streckte sich plotzlich der Griffel von Fig. 1. Alyssum neuem, bis die Narbe wieder urn volle 2 mm von den montanum. LangForm. Antheren der vier langeren Staubbllitter entfernt war. griffelige Knospe kurz vor Oft streckten sich dann auch die Staubbllitter noch der Entfaltung. einmal, und es trat doch noch Beriihrung der Sexualorgane ein. Es glich der Vorgang einer fOrmlichen Verfolgung der Narbe durch die Antheren; die erstere strebte nach Fremdbestaubung und Vermeidung der Autogamie, die vier hOherstehenden Antberen dagegen nach Selbstbestaubung." Selbst die offensichtliche "Diskordanz des Strebens" in ein und derselben Bliite, vermochte nicht dem Schicksal, als zielbewuBtes Streben erkliirt zu werden, zue~tgehen. Wie kann so etwas "im Kampf urns Dasein" erworben worden sein? Was die spatere Rinaushebung des Griffels anbelangt, so hangt diese mit der Verllingerung des gesamten Gynaeceums infolge der Reifungserscheinungen zusammen. Das Gleiche scheint iibrigens der Fall :GU sein bei Alyssum saxatile, von der G ii nth art selbst folgende Beschreibung gibt: "Die oberen Staubbeutel iiberragen in der Knospe den Stempel noch nicbt, strecken sich aber bei beginnender Anthese sehr rasch iiber denselben hinaus. Letzterer erreicht die Lange des Androe15*

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ceums dann erst wieder am Ende der Anthese, geht aber infolge der Reifungserscheinungen (! B.) noch iiber dasselbe hinaus. Aus den genannten Griinden tritt in diesen Bliithen Selbstbestaubung erst am Ende der Anthese, dann aber mit groBerer Sicherheit ein ..." Wenn der Stempel infolge bereits eingetretener Reifungserscheinungen zu wachsen beginnt, dann ist eine BesUiubung gar nicht mehr notig. Man kann also unmoglich letztere als den Zweck dieses Wachstumsvorganges ansehen. Es handelt sich hier urn die gleiche Erscheinung, die den bereits genannten S c h rot e r -G ii nth art schen Abbildungen zugrunde lag. Ubrigens erfahrt die teleologische Deutung der von alteren Bliiten angegebenen Bewegungen der Staub blatter, denen die Absicht zugeschrieben wird die Narbe zu erreichen und dadurch Selbstbestaubung zu erzielen, eine neue Schwierigkeit dadurch, daB die urspriinglich introrsen Antheren der vier laugeren Staubblatter im Laufe des Streckungswachstums des Filamentes sich nach auBen drehen. Diese Drehung war auch den friiheren Autoren bekannt. Giinthartl) nimmt an, daB sich die Staubblatter selbst durchaus passiv verhalten und die drehende Kraft von der geschlossenen Bliitenhiille ausgehe. Die Zwangsdrehung faude also in diesem FaIle bereits in der Knospe statt. Dies trifft jedoch gewohnlich nicht zu, B A denn gerade im Knospenstadium und in einer Fig. 2. Alyssum montaunmittelbar vor der Entfaltung stehenden Bliite " num. Zwei Staubbli1tter (Unterseite); A vor, B nach stehen siimtliche Antheren intrors. Der Verlauf der Filamentdrehung. der Zellreihen im Filament ist ein gerader (Fig. 2 A) und parallel der Langsrichtung. 1m Laufe der Entfaltung findet nun die Drehung der langen Staubblatter statt" und zwar in der Weise, daB je zwei der nebeneinander befindlichen Antheren sich zuniichst die Riickenseite zuwenden und schlieBlich mehr oder weniger extrors stehen. Bei den gedrehten Staubblattern verlaufen die Zellreihen im unteren Teil des Filamentes ungefiihr bis zum oberen Ende des Filamentfliigelrandes noch parallel der Langsrichtung, im oberen kiirzeren Teil aber baben sie eine deutliche Drehung erfahren (Fig. 2 B). Diese kann auch bei solchen Staubblattern erfolgen, 1) Giin thart, A., Prinzipien der physikalisch-kausalen Bliitenbiologie in ihrer Anwendung auf Bau und Entstehung des Bliitenapparates der Cruciferen. 1910.

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deren Filament mit dem des benachbarten Staubblattes etwa bis in die Hohe des oberen Endes des Flugels verwachsen ist, ein weiterer Beweis dafur, daB die Torsion im oberen ,freien Drittel des Filamentes stattfindet. Gun t h art gibt ferner an, daB nur dann starke Abdrehung stattfande, wenndie inneren Staubblatter im Knospenstadium die Narbe uberragen, daB aber andererseits bei einem Uberragen des Stempels vor Entfaltung der Knospe die Staubblatter uberhaupt keine Drehung ausfuhren wurden. Die angebIich durch den Knospendruck vtrursachten Filamentdrehungen nennt Gun t h art primiire. Drehungen, die er aber , doch auch bei voU geoffneten Bluten beobachtete, nennt er sekundare und nimmt an, daB auch diese Drehungen letzten Endes vom Knospendruck herruhren: "Infolge der primaren Drehung wird die innere Struktur des Filamentendes in spiraliggedrehtem Sinne abgeandert, so daB nun jedes weitere Liingenwachstum jenes Filamentendes zugleich weitere Drehung bewirken muJ3." Wie aus Fig. 2 hervorgeht, weist die Zellstruktur des Filamentes bei beginnender Entfaltung keine Spiraldrehung auf;, diese entsteht erst spiiter und zwar rein aktiv. Oft finden die Drehungen sogar erst statt, wenn die BIute bereits liingere Zeit entfaltet ist. Die Drehung erfolgt gewohnIich nicht in der Knospe, sondern in der geoffneten BIute, gleichgiiltig ob der Griffel Hinger ist als die Staubblatter oder umgekehrt. Eine Teilung in primare und sekundare Drehung ist zum mindesten nicht notwendig. Die Filamentdrehungen finden bei der Entfaltung auch dann statt, wenn man aus jungen Knospen die BIutenhfille und damit den angeblich von ihl' ausgehenden Druck beseitigt hat. Die Tatsache, daB die Antheren sich von der Narbe abwenden, steht im Wid e r s p r u c h mit der angeblichen Absicht der Staubbliitter durch gesteigertes Langenwachstum Bestaubung der Narbe zu erreichen. Es muBte nicht nur im Streb en von Griffel und Staub blatt Uneinigkeit bestehen, sondern selbst im Wachstum eines einzelnen Staubblattes, wenn man unter allen Umstanden annehmen wollte, daB die Filamentstreckun g zum Zwecke der Her be i f ii h run g von Autogamie erfolgt, die FiIamentdrehung aber zum Zwecke der Vermeidung der Autogamie. GuntharP) ist infolgedessen auch der Meinung, daB die Drehung der Staubbliitter sowohl der Verhinderung der Beriihrung von Narbe und Androeceum als auch der Auto'gamie am Schlusse der Anthese dienen miisse "und daher, zwischen diesen Bestimmungen schwankend, oft nur der einen 1) Giinthart, A., a. a. O. (Beitrl1ge) 1902.

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oder der anderen gerecht werden kann." Schwankend ist dabei nur diese Definition! Eine Tendenz zur Herbeiffihrung von Autogamie wird namlich auch darin gesehen, daB die Antheren bei der Reife und Entleerung sich so weit zurfickbiegen, daB sie schlieBlich nach hinten umkippen und dabei Pollenkorner, die noch nicht ausgefaUen sein solIten, doch noch auf die blfiteneigene Narbe gelangen konnen. Dieser "Beweis" ffir die Zielstrebigkeit ware aber doch zu gewunden, als daB er fiberzeugend erscheinen Mnnte. Andererseits sieht H il deb ran d 1) in diesen Staubblattdrehungen eine willkommene Stfitze fUr das "Knight-Darwinsche Gesetz". Unter dem Eindruck dieser Theorie sieht er in der Blfitenbiologie der Cruciferen hauptsachlich die Tendenz zur Fremdbestaubung. Er schreibt: "Ferner sind die Cruciferen (ob aIle?) dadurch interessant, daB die Antheren zur Zeit, wo sie, auch in der geoffneten Blfithe, noch n!cht aufgerissen sind, ihre Vorderseite, an welcher die Risse spater auftreten, der Narbe zukehren; sobald sie aufreiBen macht jedoch das Filament eine solche Wendung, daB nun die aufgerissenen Seiten gerade von der Narbe abgewandt und der poUenlose Rficken dieser zusteht -ein merkwfirdig er Ausdruck des Widerwillen s gegen die S e 1b s t be s tau bun g - ganz verhindert ist dieselbe allerdings nicht, indem beim nachtlichen SchlieBen der Blfithen die Antheren der Narbe nahergerfickt werden und von dem Staub, wenn anders dieser nicht schon durch Insecten abgewischt, etwas Pollen auf die Narbe gelangen kann - immerhin ist aber die Selbstbestiiubung durch diese Drehung der Antheren erschwert." Niiher kommt K nut h 2) der Wahrheit, wenn er von Alyssum montanum einfach sagt: "Bei heiterer Witterung spreizen die Kron- und StaubbUitter etwas, so daB alsdann bei Insektenbesuch Fremdbestiiubung bevorzugt ist; bei trfibem Wetter und in der Nacht _liegen sie dem Fruchtblatte dicht an, so daB spontane Selbstbestaubung eintreten muJ3." Hier sei nun naher eingegangen auf die angeblichen , Selbstbestaubung bezweckend en Staubblattbe wegungen am Ende de r B I fi t e z e it, von denen die alteren Blfitenbiologen annahmen, daB sie eine Folge von ausgebUebener Fremdbestaubung seien, und darzulegen versucht, warum diese Annahme nicht haltbar ist. Wie K nut h bereits hervorgehoben hat, Uegen die K ron - un d S tau b b 1a t t e r dem Fruchtblatte in der Nacht dicht an. Man kann leicht beobachten, daB sich die Blfite gegen Abend bis zu einem gewissen Grade schlieBt, wobei 1) Hildebrand, F., Geschlechterverteilung bei den Pflanzen. 1867. 2) Knuth, Paul, Handbuch der Bliitenbiologie, II. Bd. S.107.

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auch die Antheren der Narbe genahert werden. Autogamie kann dabei sehr wohl stattfinden. Es handelt sich also hier um nastische Bewegungen, die taglich zustandekommen und nicht erst am Ende der Bliitezeit. Diese Einwartsbewegung ist aber keineswegs nur auf das Androeceum beschrankt, sondern geht hauptsiichlich von den Kronblattern aus. Dies laBt sich experimentell nachweisen. 1m Laufe der EntfaItung findet eine Auswiirtsbewegung der Staubblatter statt (das Spreizen). Die BUitenblatter stehen ebenfalls ausgebreitet. WenD man die Staubblatter entfernt, schlieBen sich die Petalen jedoch sehr rasch. Beim abendlichen BliitenschluB ist der Druck der sich schlieBenden Kronblatter starker, als der Widerstand der sechs auseinandergespreizten Staub blatter, weshalb es zu der Einwartsbewegung kommt. Entfernt man an einer geoffneten Bliite die Kelch- und Kronblatter, so fiihren die Staubblatter nachts keinerlei SchlieBbewegungen aus. Entfernt man dagegen nur die Staubblatter, so schIieBt sich die Krone bis zum Griffel. Die aktiven Annaherungs'bewegungen der Staubblatter bis zur Narbe, die die Pflanze bei ausbleibender Fremdbestliubung angeblich ausfiihrt, finden iiberhaupt nicht statt. Was so aussieht, ist ein rein passives Zusammengeschobenwerden der Staubblatter gegen die Mitte der Bliite hin vor Eintritt des Verbliihens. Die SchlieBbewegung der Kronblatter ist eine aktive und nicht etwa ihrerseits durch das SchlieBen der Kelchblatter bedingt; denn Fig. 3. Alyssum sie findet anch dann statt, wenn man die Kelchblatter montanum. Offene und geschlossene zuvor entfernt hat. Wenn infolge bereits eintreten- Bliiten der gleichen Infloreszl;lnz. der Welkung die Bliitenteile nach der Bliitenmitte hin zusammenneigen, hat eine ausreichende Bestaubung hier gewohnlich schon stattgefunden und die extrorsen Antheren sind langst entleert und geschrumpft. Bei den S c h rot e r - G ii nth art schen Zeichnungen sind die Bliitenblatter weggelassen; diese Abbildungen sind deshalb nicht geeignet, den Vorgang der Staubblattanniiherung am Schlusse der Anthesis zu veranschaulichen. Denn die Staubblattbewegungen sind untrennbar verbunden mit der SchlieBbewegung der Kronblatter. Fig. 3 zeigt diesen Vorgang. Dargestellt sind drei Bliiten von demselben Bliitenstand, die zur gleichen Tagesstunde photographiert wurden. Die obere ist eine voll entfaltete Bliite, deren Kron- und Staubblatter noch deutIich voneinander abstehen. Die mittlere, an der Infloreszenz etwas weiter unten

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inserierte Bliite zeigt das sogenannte Endstadium der Anthese, oder rich tiger, das erste Stadium des Verbliihens. Die "Nagel" der Bliitenblatter haben sich bereits einander stark geniihert und nur die "Platten" stehen noch ziemlich flach, sternformig ausgebreitet. Sie lassen in ihrer Mitte die Antheren der Staubbliitter erkennen, die in eine Linie oder meist gegen die Bliitenmitte um die Narbe herum zusammengeschoben sind. Die untere BIiite, die auch an der lnfloreszenz am weitesten un ten sich befand, zeigt den gewohnlichen Endverlauf der SchlieBbewegung, das Einkriimmen auch der oberen Teile der Kronbliitter und den Verlust der bisher noch regelmiiBigen Gestalt infolge vorgeschrittenen Weikens. Ein Schema (Fig. 4) moge die ersten beiden Stadien dieses Vorganges noch verdeutlichen. Auffallend ausgebildet ist bei Alyssum montanum die Fliigelung der Fila men teo Christian,Kon rad Spren geP) schreibt gelegentlich der Betrachtung eines Alyssum uber die hiiutigen Lappen der Staubbliitter: "Diese sechs Fortsiitze scheinen n bloB deswegen vorhanden zu sein, damit die lnsekten desto bequemer zum Saft gelangen Mnnen. Denn sie bilden gieichsam vier kleine Rohren, welche zu den Safttropfchen fiihren, und welche Fig. 4. Alyssum montanum. I geijffnete Bliite, II die Antheren werden zwar fiir den Saugeriissel des lnsekts von den schlieBenden Blumenbllittern weit genug, fiir Regentropfen abel' zu zum Griffel gedrllngt. enge sind. Die Blume wird von demjenigen Insekt, dessen ich bey dem Tropaeolum gedacht habe 2), besucht. Den Saft derselben kann es ungeachtet seiner Dummheit leicht finden; denn es dad nur den Saugeriissel in die Blume hineinstecken." Die Annahme, daB die durch die Filamentanhiingsel zustandegekommene Zerteilung und Verengerung des Bliiteninnern das Eindringen von Regentropfen unmoglich mache, ist nicht aufrechtzuerhalten, denn ein Versuch zeigt, daB das Eindringen von Regenwasser durch die Filamentfliigelung nicht ausgeschaltet wird. Die Verhinderung des Eindringensvon Wasser in 1) Christian Konrad Sprengel, Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. 1793. S. 331. 2) Sprengel scbreibt dort (S. 217): "Auch das abgebildete dumme und trRge Insekt fand ich auf der Blume, welches ich sonst auf anderen BIumen, besonders der Sonnenblume angetroffen habe. DaB es zur Befruchtung derselben nicht bestimmt sey, gab es durch sein Verhalten zu erkennen. Denn es hielt die Saftdecke fiir den Safthalter, steckte seinen Saugeriissel hinein, und fand, weil es vorher geregnet batte, Regentropfen in demselben."

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die geoffneten BIuten ist nur schein bar bei fluchtiger Betrachtung, denn groBere Tropfen stehen hii.ufig - anscheinend ohne tiefer eingedrungen zu sein und wie eine isolierte Kugel - auf BIutenbliittern und Antheren ruhend. Schuttelt man den Tropfen weg, so fallt der kugelige Teil ab und es bleibt in der BIute nur noch der in die "Rohren" eingesogene Teil des Wassers zuruck. Vermoge der erhOhten Kapillaritiit del' .,Rohren" wird das Wasser dort fester zuruckgehalten. Kleinere Tropfen konnen sofort so weit in die BIute eindringen, daB der obere Spiegel des Wassertropfens etwa in der Rohe der Abzweigungsstelle der Filamentflugel sich befindet. Die Flugel vermogen demnach keinen Schutz gegen das Eindringen zu bieten, da sie von dem einfallenden Tropfen uberrannt und hinter ihm zuruckgelassen werden. Priipariert man die Flugel heraus und laBt dann Tropfen auf die BIute fallen, so gibt der Versuch das gleiche Bild: Kleine Tropfen dringen bis zum Grund ein nnd schlieBen unterhalb der Antheren nach oben ab, wiihrend groBere Tropfen noch daruber hinaus als schein bar isolierter Wassertropfen stehen. .Beim Abschiitteln gelingt die Entfernung des Wassers aus der BIute ziemlich leicht. Die Meinung, ein Zweck der Fliigelung sei es, das Eindringen von Wasser in die BIiite zu verhindern, ist, wie das Experiment zeigt, nieht richtig. Das Wasser kann trotz der Filamentanhangsel in das Innere der BIiite gelangen und ist uberdies - bedingt durch die ErhOhung der Kapillaritiit - durch Schiitteln schwerer wieder aus intakten BIuten zu entfernen, als aus solchen, deren Filamentfliigel zuvor entfernt waren. Fiir das Vorhandensein bzw. die En t s t f:l hun g der Filamentleisten gibt Gun thart folgende Erkliirung: "Ich denke, daB man sich ... der Auffassung nicht wird erwehren konnen, daB aIle jene in so eminent zweckmiiBiger Weise fiir den Insektenriissel ausgebildeten Kaniile direkte Reizwirkungen darstellen, hervorgebracht durch das bestiindig an der gleichen Stelle zu dem in seiner Lage relativ konstanten Nektarium vordringende Saugorgan." Dieser Auffassung ka~n man sich sahr leicht erwehren. Wenn der Insektenriissel urspriinglich bereits ohne die "Leitungsrohren" stiindig an der gleichen Stelle zurn Nektarium vordringt, ist damit nur bewiesen, daB die "Rohren" fiir die Sicherung der Bestiiubung uberfliissig sind. DaB sie durch Reizwirkung entstanden seien, ist nicht anzunehmen, da sie sonst bei allen Alyssumarten und den iibrigen Cruciferen und vielen anderen Pflanzen, denen Filamentleisten fehlen, aufgetreten sein muBten. Denn auch andere Arten werden durch die Insekten auf die gleiche Weise "gereizt". Spiiterl) hat 1) Giinthart, A., a. a. O. (Prinzipien) 1910.

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Giinthart selbst beobachten konnen, daB die Insekten keineswegs nur die "Fiihrungskanale" beniitzen, sondern auch oft andere Wege zum Bliitengrund einschlagen und glaubt in diesem Zusammenhang in den FiIamentieisten Schutzdecken gegen Verletzungen des Fruchtknotens durch Insekten sehen zu diirfen, fiigt aber selbst bei, keine diese Vermutung beweisende Tatsachen beobachtet zu haben. 1m iibrigen ist die Unmoglichkeit der "Reizwirkungserklarung" bereits rein gedanklich nachzuweisen. Der Reiz des Insektenriissels, der eine Bliite trifft, vermag in dieser gar keine Wirkung mehr auszuiiben, durch die ihre Geschlechtszellen, bzw. ihre Erbmasse in irgendeiner Weise beeinfluBt werden konnten. Denn wenn die Insekten in die Bliite gelangen, ist sie schon voll entwickelt und entfaltet. Die Reduktionsteilung in den Pollenmutterzellen und in den Makrosporenmutterzellen hat bereits stattgefunden. Die Chromosomen, die ganze Erbmasse der Geschlechtszellen sind fertig ausgebildet. Wenn eine solche Bliite ein Reiz trifft und sie wu.rde durch irgendeine Gewebeveranderung darauf reagieren, so ware dieser Vorgang eine rein vegetative Modifikation, die nicht erblich sein kann, selbst wenn in anderen FaIlen die Erblichkeit von Modifikationen erwiesen ware. Die Filamentleisten konnen somit nich t d urch auBere Reiz e, die erst die voll entwickelte Bliite treffen, im Laufe von Generationen a n g e z ii c h t e t s e i n. Dies ist au chi n vie 1e nan d ere n F a II e n zu beriicksichtigen, bei denen fiir z weckm aB ig erschein ende A usgestaltungen der Bliite eine positive Heranziichtung (nicht Auslese) d u r c h 1 n s e k ten angenommen worden ist. Auch wenn Giinthart spater unter seiner Bezeichnung "direkte Anpassung" nicht eine im Verlaufe von Generationen geziichtete Umwandlung versteht, sondern eine sofortige zweckmaBige Veranderung, ist eine Erklarung der Entstehung der Filamentleisten durch Reizwirkung nicht moglich. Denn im ontogenetischen Entwicklungsgang von Alyssum montanum sind die Staubblattanhangsel bereits in sehr jungen Knospen nachweisbar, bei denen yon einer stattgehabten Reizwirkung durch Insekten keine Rede sein kann. Auch eine weitere Vermutung G ii nth art s 1), die Filamentleisten seien infolge eines mechanischen Druckes, den das geschlossene Knospendach auf das Filament ausiibe, hervorgerufen, erscheint nicht iiberzeugend. Wenn ein solcher Druck tatsachlich in der vermuteten Richtung wirken 1) Giinthart, A., fiber die Entwiekhmg und Entwicklungsmechanik der Cruciferenbliite. Beih. z. Bot. CentralWatt, Abt. I, Bd. XXXV, 1918, S. 135-36.

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wiirde, miiBten aueh in den Knospen der meisten anderen Pflanzen Filamentleisten entstanden sein . G I ii e k 1) erwahnt beziiglich der Filamentleisten, die vier langen Staubbllttter von Alyssum montanum seien "mit je einem einseitigen und naeh oben zu oft unregelmiiBig ausgezaekten Stipularzahn versehen." Diese Angabe ist dahin zu erg1inzen, daB die Fliigelung keineswegs immer einseitig entwiekelt ist, sondern Mufig beidseitig, wenn aueh meist stark assymetriseh. Ihrer Entstehung naeh ist die Fliigelung im ersten Stadium immer beidseitig und erst spater findet eine mehr oder weniger starke Waehstumsforderung auf einer Seite oder auf der Oberseite statt, wahrend die Anlage auf der anderen Seite nur schwaeh oder iiberhaupt nieht weiterentwiekelt wird. G 1ii e k sieht in den Filamentverbreiterungen Stipulargebilde. Diese Auffassung steht im Widersprueh zu der Ansieht De Candolles 2), wonaeh die BIumenbllitter sieh aus Staubblattern herleiten. Die Annahme, daB die BIumenblatter der Angiospermen steril gewordene MikrosporophyJIe seien, wird aueh von Nit gel iB), Go e b e 14), T r 0 11 5) u. a. vertreten und kann als siehergestellt gelten. In diesem FaIle hatte man also in den Filamentverbreiterungen bei Alyssum montanum keine Nebenblatter vor sieh, sondern Ubergange zu petaJoiden Bildungen. Die Art zeigt aueh das Sterilwerden von Mikrosporophyllen und ihre Annaherung an Blumenblatter. Es werden oftmals Infloreszenzen entwiekelt, deren Bliiten mehr oder weniger weitgehend riiekgebildet sind. Es ist kein Anhaltspunkt dafiir vorhanden, daB es sich etwa urn pathologische Erseheinungen handelt. Weder Gallentiere noeh parasitisehe Pilze, die die Ver1inderung bedingt haben konnten, waren naehweisbar. Auch traten die Riiekbildungserscheinungen nicht nur einmal, sondern ziemlieh Mufig auf und zwar an gesunden, normal entwiekelten Pflanzen. Es kommen dabei Formen zustande, die ahnlieh wie kleistogame Bliiten dauernd geschlossen bleiben, jedoch verhiiIt sich der Griffel entgegengesetzt wie in kleistogamen Bliiten, indem er meistens aus der BIiite herausragt, so daB nieht Allogamie unmoglieh gemacht ist, sondern sogar die einzige 1) Gliick, H., Blatt- und bliitenmorphologische Studien, S. 648. 2) De Candolle, A. P., Theorie eIementaire de la botanique. II. Edition, 1819, S. 504-5 . 3) N Ii g e Ii, C., Mechanisch - physiologische Theorie der Abstammung, 1884, S.509. 4) Goebel, K., Organographie der Pflanzen, 1923, III. Bd. 5) Troll, W., Zur Frage nach der Herkunft der Blumenbllittel'. Flora N. F .• 22. Bd., 1927.

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generative Form der Fortpflanzung in solchen Bluten ist. In Bluten, deren Griffel nicht uber die Kelchbliitter hinausreicht, kann jedoch nur Autogamie stattfinden wie in kleistogamen Bluten. Fig. 5 zeigt drei verschiedene Blutenstiinde von ein und derselben Pllanze. Die Infloreszenz rechts weist voll entwickelte Bluten mit normal gebauten Blumenbliittern auf. Die mittlere Infloreszenz triigt Bluten, die gewissermaBen auf dem Knospenstadium stehen geblieben sind. Die Blumenbliitter sind hier stark reduziert und ragen meist nicht mehr uber die Kelchbliitter hinaus, die geschlossen bleiben. Fremdbestiiubung ist m{)glich, da der Griffel mit der Narbe an der Spitze der Blute ein Stuck hervorragt, iihnlich wie bei dem in Fig. 1 dargestellten Knospenstadium. Tatsiichlich haben auch mehrere BIuten Fruchte angesetzt.

Fig. 5. AlysRum montanum. Rechte Infloreszenz mit normalen, mittlere Infloreszenz mit riickgebildeten, linke Infloreszenz mit s tar k reduzierten Bliiten.

Die infolge schlechter Witterung auftretende ganz iihnliche Erscheinung der Praeanthese 1) ist ubrigens ein fur die Bestiiubung der Pflanze sogar sehr. unzweckmiiBiger Vorgang, denn die aus den Knospen herausragenden Narben haben gerade bei Regenwetter am wenigsten Aussicht, durch Insekten bestiiubt zu werden. ZweckmiiBiger ware doch in diesem Falle das Verbleiben in del' Knospe, was mit Sicherheit zur Bestiiubung und Kleistogamie fuhren wurde. In S c h r () t e r s "Pflanzenleben der Alpen" (2. Aufl. 1926, S. 1066) ist ebenfalls auf die von vielen Cruciferen bekannte Erscheinung, daB bei langedauernd regnerischem Wetter die BIumenbliitter nur unvollkommen entwickelt werden, 1) Giinthart, A., a. a. O. (Entwicklungsmechanik) 1918, S.128.

fiber die Bliitenbiologie von Alyssum montanum usw.

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verwiesen und zusammenfassend hervorgehoben: "Die ganze starke Veranderung des BIuhbildes beruht jedoch, wenigstens bei den Cruciferen, nicht auf einer Beeinflussung der Fortpflanzungsorgane selbst, sondern eben lediglich auf der beschriebenen Hemmung der Krone". Bei Alyssum montanum ist der groBte Teil der BIuten normal entwickelt, wahrend nur ein kleinerer Teil (im vorgelegenen Fall ca. 15 % der Infloreszenzen) reduziert ist. Wenn ungunstige auBere Bedingungen die Ausgestaltung der Blumenblatter nicht zulassen, so gilt das. fur die ganze Pflanze. DaB die Verhiiltnisse bei Alyssum montanum von den bisher bekannten Erscheinungen abweichen, geht auch daraus hervor, daB sich die Reduktion auch mehr oder weniger weitgehend auf die Fortpflanz u n g s 0 r g a n e erstrecken kann. Auf die Ruckbildung der BIumenblatter folgt die Reduktion der Staubblatter und schlieBlich kann die Ruckbildung so weit gehen, daB auch der Fruchtknoten steril, der b a Griffel verkurzt und die Narbe funktionsunflihig wird. Die c d verkleinerten, fast kapuzen- Fig. 6. Alyssum montanum. a, b riickgebildete formigen Kelchblatter bleiben Staubblll.tter, c, d reduzierte Biumenblll.tter. geschlossen. In diesem Stadium befinden sich die meisten BIuten der auf Fig. 5 links dargestellten Infloreszenz. In vielen reduzierten Bluten werden, wie erwahnt, auch die Mikrosporophylle steril. Bei diesem Vorgang erfahren die FilamentIeisten eine relative VergroBerung, wahrend der fertile Teil des Staubblattes weitgehend ruckgebildet wird. Fig. f> zeigt einige Stadien, deren Antheren aIlmahlich schwinden, wahrend die seitlichen Flugel wohlentwickelt sind. Hervorzuheben ist auch die deutlich be ids e i t i g e Entwicklung der "Flu gel". Auch kommen Formen vor, bei denen die Flugelung nicht mehr deutlich abgesetzt ist, wahrend der Rest eines Pollenfaches noch an der BIattspitze vorhanden ist. In Fig. 6 sind auch einige BIumenblatter aus reduzierten BIuten dargestellt. - Eine ziemlich gleichmiiBige, wenn auch nur schwache Flugelung auf be ide n Beiten des Staubblattes kommt bei einigen anderen Cruciferen, z. B. bei Cardamine trifolia normal vor und bei Aubrietia deltoidea D. C. und Aubrietia Leichtlini

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Ernst Bergdolt,

h. weist sogar der untere Teil des Kronblattes eine Fliigelung in Form von hiiutigen Randern des Nagels auf. Die Bestaubung der Bliiten von Alyssum montanum kann auf verschiedene Weise stattfinden. Abgesehen von Insekten.bestaubung kann leicht Autogamie erfolgen, wenn sich die BIiiten in der Nacht schlieBen. Aber auch in geoffneten Bliiten und bei Abwesenheit von Insekten (in einem Gewachshaus oder unter GazeabschluB) kann Befruchtung stattfinden. Pollen fiiIlt auf die Narbe, wenn sie unterhalb der Antheren sich befindet, bereits bei aufrechtem Wuchs (Autogamie); sonst erst nach Verschiebung der BIiiten gegen die Horizontallage durch das Weiterwachsen des BIiitenstandes (es wird Geitonogamie ermoglicht). So haben z. B. bei der langgriffeligen Form (Fig. 1) in einer gebeutelten Infloreszenz im Freiland fast samtliche BIiiten gut entwickelte Friichte angesetzt, ein Beweis dafiir, daB selbst bei dieser an schein end mehr fiir Insektenbestaubung eingerichteten BIiitenform Autogamie und Geitonogamie vorkommen und zu reichlicher Samenbildung fiihren. Auch in Wassertropfen, die auf die BIiite fallen, gelangt Pollen aus geoffneten Pollenfachern, der beim Eintrocknen des Wassers zum Teil an die Narbe kommt. Die Versuche, die BIiitenbiologie von Alyssum montanum teleologisch zu erklaren, fiihrten - je nach den wohl unbewuBt vorgefaBten Meinungen der Autoren - zu weitgehenden Abweichungen und offensichtlichen Widerspriichen. So liegt hier, urn nur an ein Beispiel zu erinnern, der Fall vor, daB der eine Autor im Wachstum der Antheren, bzw. der Staubblattfilamente eine Verfolgungsabsicht zur Erreichung der Narbe und Erzie\ung von Selbstbestaubung zu entdecken glaubt, wahrend der andere Schriftsteller im Staubblattwachstum der namlichen Art einen "merkwiirdigen Ausdruck des Wid e rwi II en s ge ge n die S el b s t b e s ta u bun g" findet. Diese Tatsache hnn wohl als weiterer Beweis gelten dafiir, daB in der Biologie Anschauungsergebnisse, die gefordert werden von Theorien, sehr hiiufig nicht aquivalent sind, Beobachtungen, die --:- ohne im Dienste einer Theorie zu stehen - auf das Experiment begriindet sind. G ii nth art selbst sieht sich veranlaBt, spater 1), wohl hauptsachlich unter dem Eindruck der G 0 e bel schen Werke, die er nun erstmals zitiert, darauf hinzuweisen, daB durch die olwlogische Beschreibung "der Forscher so sehr in den Bann des Zweckbegriffes" verfallt, "daB er andere als zweckmaBige Merkmale iiberhaupt nicht mehr sehen kann." 1) Giin thart, A., a. a O. (Prinzipien) 1910, S. 5.

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Uber die Bliitenbiologie von Alyssum montanum usw.

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Das "Knight-Darwinsche Gesetz" trifft bekanntlich in sehr vielen Flillen zu. Aber auch das Gegenteil; namlich die Tendenz, sich nnr autogam fortzupflanzen, wird in vielen Fallen angetroffen. Diese verwirklichte Moglichkeit wurde von Bur c kl) an zahlreichen Beispielen naher geschildert und fand ihre einseitige Oberscbatzung durch A x e 11 2) • Ch. K. SprengeP) sagte einst: "Hat die Natur bey Entwerfung des Ideals irgend einer Blume einen glucklichen Einfall gebabt, wenn icb mich dieses Allsdrucks bedienen darf: so findet sie an demselben ein zu groBes Woblgefallen, als daB sie denselben nicht auch bei anderen Blumen, nur unter ganz anderen Umstanden, wieder anbringen sollte." Fur diesen Satz lassen sich in der Tat bestatigende Beispiele anfuhren, besonders in der Morphologie 4 u. 5). Hermann Muller 6) hat jedoch an solchen Gedanken Sprengels AnstoS genommen. Was Sprengel noch als "Idee" erschien, die die Natur in vielen Fallen "nach Belieben" verwirklicht bat, ist bei vielen spateren Botanikern bereits verknochert zum "Gesetz", das der Natur eine Zeit lang auferlegt wird. 1) Burck, W., Uber Kleistogamie im weiteren Sinne und das KnightDarwinsche Gesetz .. Annales du jardin botanique de Buitenzorg. 1890. 2) A x e II, S., Om anordningarna fOr de fanerogama viixternas befruktning. 1869. 3) Sprengel, Ch. K., a. a. O. S.96. 4) Goebel, K., Organographie der Pflanzen, I, Einleitung. III. Auf!. 1928. 5) Troll, W., Organisation und Gestalt im Bereich der Bliite. 1928. 6) Miiller, H., Die Befruchtung der Blumen durch Insekten. 1873. (Goschichtliche Einleitung.l