Flora, Bd. 154, S. 507-510 (1964)
Kurze Mitteilung Aus dem Botanischen Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule Brno (i~SSR)
Uber Wachstumskorrelationen beim Zustandekommen monopodialer und sympodialer Verzweigung der Laubholzer Von R. DOSTAL (Eingegangen am 8. Februar 1964)
I 1
I
I
1
Die monopodiale Verzweigung der Holzgewachse kommt dadurch zustande, daB sich die letzten Laubblattanlagen der Jahrestriebe knospenschuppenartig umbilden, wahrend sie bei der sympodialen Verzweigung ihre Laubblattgestalt beibehalten und dann zugrunde gehen (SEREBRJAKOV 1950). Zur experimentellen Feststellung der diesen Unterschied bedingenden Wachstumskorrelationen wurden vor allem folgende Laubholzer beniitzt: die RoBkastanie (Aesculus hippocastanum), der Flieder (Syringa vulgaris) und die Linde (Tilia cordata u. a.). In den Terminalknospen der vegetativen RoBkastaniezweige ist es bereits das erste, starkst angelegte Blattpaar, das bei ihrem Austreiben die Entfaltung der darauf folgenden hoheren Blatter hemmt. Diese korrelativen Hemmungen nehmen apikalwarts zu, so daB die letzten Laubblatter nur klein bleiben und die darauffolgenden nur ihre Basalteile seitlich stark ausbreiten, wahrend ihr Blattstiel kurz bleibt und samt der Spreite vertrocknet. Dann kommt es in dies en Terminalknospen zur Bildung wirklicher Knospenschuppen und neuer Blattanlagen. Werden diese Knospenschuppen noch vor volliger Anlage der Laubblatter abgerissen, bilden sich zunachst neue Knospenschuppen aus, und erst dann, also viel spiiter, legen sich auch die Laubblatter an (DOSTAL 1952). Ebenso bilden generative Knospen, wenn sie noch vor der Anlage der iiblichen 2 Paar Laubblatter und des Bliitenstandes ahnlich aller Knospenschuppen beraubt werden, zunachst neue Knospenschuppen und nachher ausschlie13lich Laubblattanlagen. Sie werden also vegetativ statt generativ, und dadurch wird an dem sonst sympodialen generativen Zweigsystem lokal monopodiale Wuchsform eingeleitet. 1m Gegensatz dazu kam auch an vegetativen Jahrestrieben eine sympodiale Verzweigung zustande, wenn ihre noch junge Terminalknospe vorsichtig so abgeschnitten wurde, daB dadurch zwar die Knospenschuppen, jedoch nicht der Vegetationskegel mit winzigen Laubblattanlagen entfernt wurden. Wurde dazu noch eins der beiden obersten Laubblatter entspreitet, wahrend aIle anderen Blatter am Jahrestrieb unversehrt blieben, entwickelte sich der entschuppte Apex nicht weiter, und die Ersatzwinterknospe entstand auf der Seite ohne Stiitzblatt.
508
R.
DOSTAL
Bei Abwesenheit der Knospenschuppen an der Spitze wirkte sich das korrelative tJbergewicht aller belassenen LaubbHitter demnach in dem Zustandekommen sympo, dialer Fortsetzung der Jahrestriebe aus. Wurden jedoch ahnlich operierte Jahrestriebe bis auf eins der obersten Laubblatter entlaubt, bildete der entschuppte Apex einen Laubtriebzuwachs, der, wie ublich, mit einer terminalen Winterknospe endigte. Hervorzuheben ist, daB bei der RoBkastanie die Laubblatter ihre eigenen Achselknospen sowohl in ihrem Streckungswachstum als auch in ihrer embryonal en Ausbildung zu Winterknospen korrelativ hemmen, da die Dekapitation der Jahrestriebe und Amputation eines der beiden obersten Gegenblatter, falls im Fruhjahr vorgenommen, zu einem langeren Seitentrieb, und falls im Sommer durchgefiihrt, zu einer kraftigeren Winterknospe auf der Seite ohne Stutzblatt fiihrt. Darin unterscheidet sich die in vegetativem Zustand monopodiale RoBkastanie grundsatzlich von dem dichasial sympodialen Flieder, dessen Laubblatter bei derselben Versuchsanordnung das Streckungswachstum eigener Axillare hemmen, ihre embryonale Entwicklung zu Winterknospen hingegen fordern. Dementsprechend entfaltet sich beim Flieder im Fruhjahr aus allen groBeren Knospen eine bedeutende Anzahl von Blattpaaren, ohne auf den ersten Blick bemerkbare gegenseitige Hemmung, Trotzdem steUt sich dabei das Wachstum der oberst en Blattanlagen fruhzeitig ein. Allerdings konnen auch hier an fortgesetzt aller Blatter und nachher aller austreibenden Seitenknospen beraubten Jahrestrieben statt ublicher 5-8 Laubblattpaare der intakten Kontrolltriebe mehr als 30 SproBglieder zur Streckung gebracht werden. Die Terminalknospe wird auch hier nicht gerettet, weil die Entblatterung die dazu benotigten korrelativen Hemmungen seitens der oberst en Blatter herabgesetzt hat. Hierzu mussen, wie bei der RoBkastanie, die obersten Laubblatter der Jahrestriebe selbst in ihrer eigenen Entfaltung gehemmt werden, und diese Voraussetzung laBt sich auch beim Flieder verwirklichen, wenn an gewohnlichen Jahrestrieben mit nicht mehr wachsender, aber noch gruner Gipfelknospe 1-2 obersten erhaltenen Blattpaare entspreitet werden. Falls der entblatterte noch junge Oberteil diesen Eingriff ertragt, entfalten sich aus der Gipfelknospe 1-2 schwache Internodien mit erheblich kleineren, sichtbar gehemmten Laubblattern, den en dann knospenschuppenartig gestaltete Blattanlagen und weiter echte Knospenschuppen und Laubblattanlagen folgen. Mit volliger Sicherheit erhalt man dieselbe monopodiale Wuchsform, die sonst beim Flieder ziemlich selten, und zwar unter denselben inneren Bedingungen vorkommt, wenn man die Jahrestriebe nach AbschluB ihres Streckungswachstums entblattert oder auBerdem noch dekapitiert. Die viel kurzeren und oft rosettenartig gestalteten Ersatztriebe, die sich aus den noch nicht vollig ausgebildeten Winterknospen sowie aus den vorjahrigen "schlafenden" Knospen entfalten, verraten bereits durch die akropetale GroBenabnahme ihrer Laubblatter die zum Monopodium benotigten Hemmungen. Selbst ohne jegliche Versuchsanstellung kann man dasselbe an den in gewohnter Weise beschnittenen Fliederhecken beobachten, da sie
Uber Wachstumskorrelationen usw.
509
doch einigerma.J3en austreiben, allerdings unter den im ganzen Strauch dureh die Frilhjahrsblatter ·nduzierten Hemmungen. In den normal im Friihjahr austreibenden unversehrten Strauehern entspringen derartige knospensehuppenbildenden Hemmungen erst den ausgewaehsenen Blattern, und da die Terminalknospen bereits abgestorben sind, bleiben zu dieser Zeit nur die Aehselknospen iibrig, urn sie zu realisieren. Aber auch diese eigenartige Korrelation laBt sich wie andere Wachstumskorrelationen (DOSTAL 1959) durch Gibberellin ausschalten. Auf die sogar kraftigsten Jahrestriebe mit noeh griiner Gipfelknospe wurde 1 % GA 3-Lanolinpaste unterhalb der Ansatzstelle des obersten Blattpaares aufgetragen. Die Gipfelstreckung wurde dadurch gegen Erwartung nieht angeregt. im Gegensatz zu den ahnlich behandelten Gipfelknospen an heranwachsenden Trieben. J edoeh auch die nachst gelegenen, noch nicht differenzierten Axillarknospen zeigten aus Mangel der korrelativen Hemmungen eine starke Reduktion der Knospenschuppenbildung, und deswegen kam es darin auch zur Bildung der Laubblattanlagen oder des Bliitenstandes iiberhaupt nicht. An derartigen sieh apikalwarts stark verdickenden J ahrestrieben entstanden unter GA 3-Wirkung nur auffallend kurze Winterknospen, die sich in folgenden Jahren nur durch Abschneiden aller benaehbarten, mit GA3 nicht direkt beeinfluBten und ziemlich normal sieh entfaltenden Knospen zu strecken begannen, jedoeh mit einer erheblichen Verspatung und abnormaler Phyllotaxie, da sich die Laubblattanlagen erst in nachfolgenden Jahren differenzieren muBten. Zur Entfaltung von Bliiten kam es an diesen Trieben nicht, obwohl sie die hoehste Lage an den Strauchern einnahmen. Die Aussehaltung der zul' richtigen Bildung der Knospensehuppen in der kritischen Entwicklungsperiode del' Pflanze benotigten korrelativen Hemmungen durch Zufuhr GA3 hat die iibliche Rhythmik hoehgradig gestort. Auch die Linde, ahnlieh wie der Flieder, entfaltet aus den Winterknospen normal nur gewisse Laubblattanlagen, und die ii.brigen werden samt dem Gipfel ebenso abgelost wie auch ganze basale Jahrestriebe oberhalb der "sehlafenden" Knospen des Vorjahrestriebes (MOGK 1914). DaB die Anzahl der jeweils erhaltenen SproBglieder und Blatter bereits in der Winterknospe pradeterminiert ist, erhellt aus den Versuchen, in denen im Spatsommer an sonst intakten Baumen die bereits vollkommen ausgebildeten Winterknospen zu Beginn ihrer physiologisehen Ruhe mit 1 % GA 3 -Lanolinpaste nach AbreiBen der ersten Knospenschuppe bestrichen wurden. Besonders an kraftigen Zweigen entfalteten sieh diese Pseudoterminalknospen zu neuen Langtrieben, die 2 deutl ch voneinander unterschiedliche Regionen aufwiesen. Die starkere proximale Region mit langeren Internodien und groBeren Blattern entsprach zweifelsohne dem zu erhaltenden kiinftigen Jahrestrieb, die distale schwachere Region mit kiirzerell Internodien und kleineren, an GroBe apikalwarts abnehmenden Blattern hingegen seinem normal zum AbfaH pradeterminierten Gipfelteil, der hier jedoch ebenso erhalten blieb wie an allen im Herbst durch GA3 hervor-
510
R. DOSTAL
gerufenen Neuaustrieben. Dadurch wird in dieser vorgeschrittenen Jahreszeit auch bei der Linde die monopodiale Wuchsform wenigstens angedeutet, bei welcher sie sogar den einjahrigen Samlingen fremd ist. Zusammenfassend laBt sich sagen, daf3 es auch bei diesen Wachstumskorrelationen mit veralteten trophischen Erklarungen nicht auszukommen ist, da insbesondere die sympodiale Verzweigung bereits in der Winterknospe pradeterminiert erscheint. Vielmehr gilt es hierbei, die Ganzheit der Pflanze zu berticksichtigen, vor aHem die fordernde Wirkung des Wurzelsystems, die bei dieser progressiveren Verzweigungsart die Oberhand gewinnt tiber der wachstumshemmenden Wirkung der Laubblatter, die umgekehrt die monopodiale Verzweigung einleitet. Literatur DOSTAL, R., 1952. Experimental morphogenesis of buds in the horsechestnut (Aesculus hippocastanum). Acta. Ac. sc. nat. mor.-siles. 24,109-146 (tschech.). - Ders., 1959. Gibberellic acid and growth correlations. Nature (Lond.) 183, 1338. - MOGK, W., 1914. Untersuchungen iiber Korrelationen von Knospen und Sprossen. Roux' Arch. Entw.-mech. d. Organismen 38, 584--681. - SEREBRJAKOV, 1. G., 1950. Einige Daten iiber die sympodiale \Terzweigung unserer Biiume und Striiucher. Bjnl. Mosk. obsc. isp. prir. 55 No 3 (russisch). Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. R. DOSTAL, Landwirtschaftliche Hochschnle, Brno, Zemedelska 1.
Verantwortl:ch flir die Redaktion: fro!' Dr. K. Mot he s, Halle/Saale; flir den Anzeigenteil : DEW AG-Werbring, Filiale Leipzig Leipzig C 1, Fried rich-Ebert-Stralle 110, Ruf 7851; zur Zeit gilt Anzeigen-Preisliste Nr. 3. Verlag VEB Gustav Fischer Verlag Jena, Villengang 2. Ruf: 4141,4142. Satz und Druck: Druckerei "Magnus Poser" Jena. Printed in the German Democratic Republic. Lizenz-Nr.1067 Textkarte Vervielfaltigungsgenehmigung 740/64