Bereichskleidung und ihr Beitrag zur Partikelbelastung im OP

Bereichskleidung und ihr Beitrag zur Partikelbelastung im OP

ORIGINALIA M. Scherrer A. Dollinger J. Boehlke M. Ernst Bereichskleidung und ihr Beitrag zur Partikelbelastung im OP Scrub suit and their contributi...

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ORIGINALIA

M. Scherrer A. Dollinger J. Boehlke M. Ernst

Bereichskleidung und ihr Beitrag zur Partikelbelastung im OP Scrub suit and their contribution for particle load in the OR Summary There are different recommendations and opinions how to wear scrub suits. To become clarification if the different types of scrub suits and how to wear it influence the particle exposure and thereby the potential bacterial contamination in the OR different scrub suits and types how to wear it were studied. Scrub suits with cuffs and wearing the shirt in the trousers show considerable less particle exposure as those without cuffs and wearing the shirt out of the trousers. Wearing a sterile surgical gown increase the particle exposure. The level of this particle exposure thereby depends of the combination of materials. Keywords. scrub suit, particle load, OR.

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Zusammenfassung. Es gibt unterschiedliche Empfehlungen und Ansichten wie OP-Bereichskleidungen zu tragen sind. Um Klarheit zu erlangen ob die unterschiedlichen Arten von Bereichskleidung und ihre Tragweise einen Einfluss auf die Partikelbelastung und damit einer potentiellen Keimbelastung im OP haben wurden verschiedene Bereichsbekleidungen und Tragweisen in einem OP untersucht. €ndchen und mit dem Hemd in der Hose OP-Bereichsbekleidungen mit Bu zeigen eine deutlich geringere Partikelbelastung als diejenige ohne €ndchen und mit dem Hemd u €ber der Hose. Das Tragen eines sterilen Bu €ht die Partikelbelastung. Die Ho €he dieser Partikelbelastung OP-Mantels erho ist jedoch abh€angig von der Materialkombination. €rter. Bereichsbekleidung, Partikelbelastung, OP. €sselwo Schlu

Einleitung Die Hauptquelle f€ur postoperative Wundinfektionen im Operationssaal ist der Mensch. Ein gesunder Mensch kann beim Gehen etwa 5.000 mit Keimen behaftete Hautschuppen an die Umgebungsluft abgeben. Die in der Luft schwebenden Teilchen k€onnen die Wunde direkt durch Sedimentierung oder indirekt, indem sie sich zuerst an Instrumenten oder anderen Gegenst€anden absetzen, die dann mit der Wunde in Kontakt gebracht werden, kontaminieren [3]. OP-Textilien (Operationsm€antel und Abdeckt€ucher) wurden eingef€uhrt um eine sterile Barriere zwischen dem OP-Team einerseits und der Haut des Patienten andererseits zu schaffen. Entsprechende Normen geben Kriterien vor die von OPTextilien eingehalten werden m€ussen, damit sie diese Eigenschaft wirksam erf€ullen k€onnen. Diese Normen beinhalten jedoch keine Aussagen zur OP-Bereichskleidung wie sie in Deutschland €ublicherweise unter den sterilen OP-M€anteln getragen wird [3]. In der fr€uheren Leitlinie ,,OP-Kleidung und Patientenabdeckung‘‘ des Arbeitskreises ,,Krankenhaus- und

Praxishygiene‘‘ der AWMF wurde noch empfohlen, das Hemd der OPBereichskleidung in der Hose zu tragen und die Hosenbeine sollten am Kn€ochel geschlossen sein, die aktuelle Empfehlung fordert nur noch, dass das Hemd in der Hose getragen werden soll [1]. Dies entspricht allerdings nicht der in Deutschland g€angigen Praxis. Nach zahlreichen Diskussionen mit OP-Personal dar€uber, stellte sich die die Frage, ob die Art des Tragens der OP-Bereichskleidung einen Einfluss auf die Partikel, und damit der potentiellen Keimbelastung, des OP-Gebiets hat. Dies war der Anlass zu den im Folgenden dargestellten Untersuchungen, die Rahmen zweier Bachelorabschlussarbeiten erstellt wurden [2,4].

Materialen und Systeme Drei verschiedene Arten von OPBereichskleidungen, sowie eine eigene neu entwickelte innovative Bereichskleidung wurden untersucht: 1. Mehrweg-Bereichskleidung aus einem Baumwoll-Polyester-Mischgewebe

(50%/50%) aus dem OP-Betrieb eines Krankenhauses (Mischgewebe). Das Hemd ist mit einem V-Ausschnitt versehen, welcher mit einer 5 cm breiten Blende eingefasst ist. Die Seitenn€ahte enden in 11 cm langen Schlitzen. Die Hose ist gerade geschnitten und hat einen Tunnelzug am Bund, dieser dient mit einer Baumwollkordel als Verschluss. 2. Mehrweg-Bereichskleidung aus 100% Polyester Wirkware (Polyester). Bei der Wirkware sorgt die Kombination von Fasergarn auf der Innenseite und dem Micro-Polyester auf der Außenseite f€ur eine gute Atmungsaktivit€at und einen hervorragenden Feuchtigkeitstransport. Das Hemd hat einen V-Ausschnitt mit einer 13 cm breiten Blende. Die Seitenn€ahte enden in einen 12 cm langen Schlitz. Die Schlupfhose ist gerade geschnitten, besitzt einen 2,5 cm breiten Tunnelbund an dem ein 2 cm dickes Band als Verschluss der Hose dient (Material: Fa. Eschler, Konfektion: Fa. Dieckhoff). 3. Die Einweg-Bereichskleidung besteht aus einem SMMS-Vliesstoff (Spunbound-Meltblown- MeltblownSpunbound), das Material besteht aus vier Schichten Polypropylen und einer Mikrofaser Mittelschicht. Der VAusschnitt des Hemdes ist mit einer 1,2 cm breiten Blende eingefasst, welche an das Vorderteil gen€aht ist. An der Hose befindet sich am Bund

ein in den Tunnelzug eingearbeitetes Gummiband. Am Beinabschluss ist die Kante durch eine Naht mit einem zus€atzlich eingefassten Gummiband vers€aubert. (Foliodress Suit, Paul Hartmann AG). 4. Beim innovativen Ansatz einer neu entwickelten OP-Bereichskleidung besteht die OP-Hose (Abb. 1) aus einem Single Jersey Full Elastomeric Material mit der Zusammensetzung 91% Polyamid und 9% Lycra. Die OP-Hose ist weit geschnitten, sie hat eine eingearbeitete Kordel am Bund, die je an den Seitenn€ahten durch einen Kordelstopper befestigt wird. Des Weiteren ist im Hosenbein ein versteckter Hosensaum mit B€undchen eingearbeitet. Das OP-Shirt besteht aus einem Single Jersey Full Elastomeric aus 91% Polyester und 9% Elastan. Das kurz€armlige T-Shirt hat einen Polokragen mit Knopfleiste und eine aufgesetzte Brusttasche. Das Poloshirt ist weit geschnitten. An € den Armel wurden B€undchen € eingearbeitet, damit der Armel eng € anliegt (Material: Rokona Textilwerk GmbH). Die Bereichskleidungen wurden auf verschiedene Weise getragen: 1. die derzeit in Deutschland am weitesten verbreitete Tragweise: € ohne B€undchen an Armel und Hosenbeinen und das Hemd €uber der Hose. € und 2. Simulierte B€undchen an Armel Hosenbeinen (Hosenbeine in die Socken gesteckt, Gummizug um die Oberarme) und das Hemd in die Hose gesteckt. Die OP-Bereichskleidungen wurden außerdem in Kombination mit sterilen OP-M€antel untersucht. Dabei wurde sowohl ein Einweg-OP-Mantel, als auch ein Mehrweg-OP-Mantel verwendet:

Abbildung 1. OP-Bereichskleidung neu.

1. Der Mehrweg-OP-Mantel ist aus 2 € verschiedenen Materialien: die Armel und der Brustbereich bestehen aus einem feuchtigkeitsdichten Gore 3Lagenlaminat. Die N€ahte sind aus wasserresistentem, atmungsaktivem Material und auf der linken Warenseite an den N€ahten durch ein Tape versiegelt. Der untere Teil des Mantels besteht aus einem Mikrofasergewebe der Firma

ROTECNO und Toray. Der Mantel wird am r€uckw€artigen Halsausschnitt mit Druckkn€opfen und R€uckenbereich mit Hilfe von B€andern geschlossen. € €aume schließen mit Die Armels B€undchen ab (Konfektion: Fa. Dieckhoff, Mietw€asche: Fa. OPalys). 2. Der Einweg-OP-Mantel, ist ein Wickelmantel aus mehrschichtigen SMMS-Vliesstoff. Raglan€armel sorgen f€ur mehr Bewegungsfreiheit und ein Klettverschluss tr€agt zur individuellen Anpassung des Halsausschnitts bei. Der Mantel wird mit insgesamt vier stabilen B€andern im R€ucken und an der Seite und einem Klettverschluss im Halsbereich am R€uckteil geschlossen. (Foliodress Comfort Perfect, Paul Hartmann AG).

Bei allen Versuchen wurden außerdem Standard-OP-Hauben (Foliodress Cap Astro, Paul Hartmann AG), -Masken (Foliodress mask comfort, Paul Hartmann AG) und -Schuhe (Chiroclogs special, Firma Sch€urr) getragen, bei den Versuchen mit den OP-M€antel zus€atzlich sterile OP-Handschuhe (Peha-taft plus powderfree, Paul Hartmann AG). Außerdem wurde eine auf dem deutschen Markt neue OP-Haube untersucht. Die Foliodress Cap Helmet (Paul Hartmann AG) besteht aus Viskose-Vliesstoff. Die Haube deckt den gesamten Kopf und Halsbereich ab und reicht bis zu den Schultern. Im Stirnbereich ist ein Schweißband eingen€aht. Die Haube h€alt durch ein, darin eingefasstes, um den gesamten Kopf reichendes Gummiband am Kopf fest. Die Kopfhaube Helmet wird unter dem Kasack getragen, dadurch wird der Dekolletebereich abgedeckt. Untersuchungsprogramm /Methode Um gleich bleibende Voraussetzungen w€ahrend der Messungen an verschiedenen Tagen zu schaffen, wurde der Versuchsaufbau standardisiert. Die Tischh€ohe betrug 80 cm von der Oberkante des Fußbodens und wurde mit einem Vlies-Abdecktuch bedeckt. Die Sonde des Messger€ats wurde dauerhaft links neben der Versuchsperson neben dem ,,Bauchbereich‘‘ auf dem OP-Tisch platziert. Das Partikelmessger€at wurde neben dem sterilen Bereich aufgestellt, dessen Position und die Position der Leuchten sowie der gesamten Krh.-Hyg. + Inf.verh. 34 Heft 1 (2012): 4–9 http://www.elsevier.de/khinf

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Abbildung 2. Versuchsaufbau.

Gegenst€ande, ist aus Abbildung 2 ersichtlich. Die Messungen werden unter Bewegung durchgef€uhrt. Um eine Operationsbewegung zu imitieren wurden Muttern der Gr€oßen M10 auf den OP-Tisch gelegt und w€ahrend der

Messung in den Beh€alter nach Rechts zur€uckgelegt. Hierbei wird darauf geachtet, dass bei der Messung eine konstante Bewegung im gleichen Rhythmus durchgef€uhrt wird. Der Bewegungsablauf wird in Abbildung 3 bildlich dargestellt.

Abbildung 3. Darstellung des standardisierten Bewegungsablaufs.

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Um die Messungen weiter zu standardisieren, wurden in beiden Messreihen die Untersuchungen von der jeweils gleichen Person durchgef€uhrt. Die Maske sowie die Kopfhaube wurden bei jeder Messeinheit gewechselt. Die Versuche wurden unter gleichbleibenden Klimabedingungen, wie sie €ublicherweise in einem Operationssaal herrschen, durchgef€uhrt. Installiert ist eine Umluft-Zuluftdecke mit einer turbulenzarmen Verdr€angungsl€uftung (TAV) der Abmessungen 3,20 m x 3,20 m mit Luftleitsch€urzen von 20 cm ringsum das Zuluftdeckenfeld. Die Zuluftmenge betr€agt ca. 9.000 m3/h wovon 2.800m3/h Frischluft und 6.200m3/h Umluft sind. Die Zuluftgeschwindigkeit innerhalb des Deckenfelds betr€agt ca. 0,2 m/s und die Zulufttemperatur lag zwischen 19 8C und 20 8C. Das Zuluftdeckenfeld ist mit endst€andigen Filtern der Klasse H13 best€uckt. Der OP-Tisch und dadurch das Versuchsfeld wurden mittig unter dem Zuluftdeckenfeld angeordnet. Gemessen wurden die Partikelzahlen mit einem Laserpartikelz€ahler (CI-500, Firma Climet Instruments Co.) mit einer Durchflussrate von 1 ft3/Minute (= 28,3 l/Minute), die Messzeit betrug jeweils 1 Minute, es wurde je Versuchsdurchgang 40 Messungen durchgef€uhrt und f€ur die Darstellung der Ergebnisse der Mittelwert gebildet und zur besseren Darstellung die Werte auf einen m3 umgerechnet. Es wurden die Partikel in sechs Kan€alen (Partikeldurchmesser: 0,3 mm, 0,5 mm, 1 mm, 5 mm, 10 mm, 25 mm) der Gr€oße nach sortiert und

Partikel/m³

40.000 0,3µm 0,5µm 1µm

30.000 20.000 10.000

ge sc hl os se n s

we g, Ei n

Po l

ye st

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al

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hg ew M isc

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0

hg ew

Als erstes sollte gekl€art werden, ob das Verschließen der Kleidungsabschl€usse einen Einfluss auf die Partikelkonzentration im OP-Gebiet hat. Die Ergebnisse, die in Abbildung 4 dargestellt sind, zeigen zun€achst keinen deutlichen Unterschied, mit Ausnahme der Bereichskleidung aus reinem Polyester. Dieser Unterschied erkl€art sich aus der besonderen Konstruktion dieser Kleidung, deren Innenseite aufgeraut ist, um einen besseren Tragekomfort zu gew€ahrleisten. Dies f€uhrt wahrscheinlich zu mehr Faserbruch bei Bewegungen, der wiederum zu einer h€oheren Partikelbelastung f€uhrt. Verschließt man alle Kleidungsabschl€usse bleibt, dieser Faserbruch innerhalb der Kleidung und wird nicht abgegeben. Um die Ergebnisse der anderen Bekleidungsarten besser darstellen zu k€onnen wurden die Ergebnisse in Abbildung 5 noch einmal ohne die Polyesterkleidung dargestellt. In diesem Maßstab zeigt sich auch bei den Bereichskleidungen aus Mischgeweben bzw. aus Einwegmaterial eine Reduzierung der Partikelkonzentration beim Verschließen der Kleidungsabschl€usse. In der Praxis wird vom OP-Team nie alleine die Bereichskleidung ohne sterilen OP-Mantel und sterile OPHandschuhe getragen. Deswegen wurden in einem weiteren Schritt die Untersuchungen mit steriler OP-Kleidung wiederholt, diese Versuche wurden zun€achst nur mit der Polyesterkleidung durchgef€uhrt. Auch hier zeigte sich, dass das Verschließen der Kleidungsabschl€usse zu einer Partikelreduktion im OP-Gebiet f€uhrt (Abb. 6). Interessanterweise sind die Partikelzahlen mit sterilem OP-Mantel und sterilen OP-Handschuhen um ein vielfaches h€oher als wenn die sterile Kleidung nicht getragen wird. Eine m€ogliche Erkl€arung daf€ur k€onnte sein, dass es bei Bewegungen zu Reibung zwischen den verschiedenen Materialien/ Bekleidungssystemen kommt und dadurch Abrieb entsteht, der in der Form von Partikeln abgegeben wird.

50.000

M isc

Ergebnisse

60.000

Abbildung 4. Vergleich verschiedener Bereichskleidungen mit offenen und geschlossenen Kleidungsabschl€ussen (ohne OP-M€antel).

500 450 400

Partikel/m³

gez€ahlt. Da bei den gr€oßeren Partikeldurchmessern nur sehr geringe Zahlen gemessen wurden, wurde bei den Ergebnissen nur die Kan€ale 0,3 mm, 0,5 mm und 1 mm dargestellt.

350 300

0,3µm 0,5µm 1µm

250 200 150 100 50 0 Mischgewebe, alles offen

Einweg, alles offen

Mischgewebe, alles geschlossen

Einweg, alles geschlossen

Abbildung 5. Vergleich verschiedener Bereichskleidungen mit offenen und geschlossenen Kleidungsabschl€ussen (ohne OP-M€antel) ohne die Polyesterkleidung.

Diese Annahme ließe sich nur durch aufw€andige Fasersammlung und mikroskopische Analysen best€atigen. Auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse wurde eine eigene Bereichskleidung entwickelt, die nicht nur das Verschließen der Kleidungsabschl€usse sicherstellt sondern auch optisch/ €asthetischen Anspr€uchen gen€ugt (Abb. 1). Mit dieser Kleidung sowie den schon untersuchten Kleidungsvarianten wurden weitere Untersuchungen durchgef€uhrt. Die Ergebnisse (Abb. 7) zeigen nicht nur, dass tats€achlich Kleidungskombinationen eine Rolle spielen. So bewirkt das Tragen von Mischgewebe als OP-Bereichskleidung sowohl in Kombination mit Mehrweg- als auch Einweg-OP-M€antel – die h€ochste Partikelbelastung im

OP-Gebiet – auch wenn alle Kleidungs€offnungen verschlossen waren. Die Bereichskleidung aus Polyester hatte schon deutlich weniger Partikelabgabe, w€ahrend die neue OP-Bereichskleidung auch in Kombination mit der sterilen OP-Kleidung am wenigsten Partikel abgibt und schon in den Bereich der Partikelbelastung kommt, der festgestellt wurde, wenn die Bereichskleidung alleine getragen wird.

Diskussion Die Hauptquellen postoperativer Wundinfektionen sind endogene, d.h. der Patient selbst, und in zweiter Linie exogene und dabei wiederum das OPPersonal [14]. Diese Quellen lassen sich Krh.-Hyg. + Inf.verh. 34 Heft 1 (2012): 4–9 http://www.elsevier.de/khinf

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2.500

Partikel/m³

2.000 1.500

0,3µm 0,5µm 1µm

1.000 500 0 OP-Mantel Mehrweg, OP-Mantel Einweg, Bereichskleidung alles offen mit Bereichskleidung alles offen mit Astrohaube Astrohaube

OP-Mantel Mehrweg, Bereichskleidung alles geschlossen mit Helmethaube

OP-Mantel Einweg, Bereichskleidung alles geschlossen mit Helmethaube

Abbildung 6. Vergleich verschiedener OP-M€antel mit offenen und geschlossenen Kleidungsabschl€ussen der OP-Bereichskleidung (Polyester).

7.000 6.000

Partikel/m³

5.000 4.000 0,3µm 0,5µm 1µm

3.000 2.000

OP-Mantel-Mehrweg + Bereichkleidung neu

OP-Mantel-Mehrweg + Bereichkleidung Polyester

OP-Mantel-Mehrweg + Bereichkleidung Mischgewebe

OP-Mantel-Einweg + Bereichbekleidung neu

OP-Mantel_Einweg + Bereichkleidung Polyester

0

OP-Mantel Einweg + Bereichskleidung Mischgewebe

1.000

Abbildung 7. Vergleich verschiedener OP-M€antel mit verschiedenen OP-Bereichskleidungen und geschlossenen Kleidungsabschl€ussen.

unm€oglich beseitigen. Jedoch k€onnen die Kontaminationen, welche aufgrund der genannten Hauptquellen entstehen, reduziert werden [13]. Resultierend aus den Erkenntnissen unserer Untersuchungen, dass durch € das Schließen der Offnungen an der OP-Bereichsbekleidung die Anzahl der Partikel reduziert werden kann und dadurch die Wahrscheinlichkeit der Reduzierung von Kontaminationen steigt, sollte eine eventuelle Optimierung der OP-Bereichsbekleidung weiterhin thematisiert werden. Allerdings muss anhand der Erkenntnis der h€oheren Partikelabgabe bei einer offenen OP-Bereichsbekleidung beachtet werden, dass die genaue Quelle der Partikel aufgrund der angewendeten Messtechnik der vorliegenden Arbeit, nicht bestimmt werden konnte. Die Partikel k€onnen von der Haut, wie auch von der Bekleidung stammen.

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Nach Whyte betr€agt der Durchmesser von bakterientragenden Hautschuppen ca. 20 mm [12]. Nach Noble et al. betr€agt der Durchmesser von bakterientragenden Hautschuppen ca.12 mm–14 mm [10], Eine Abgabe von Partikeln dieser Gr€oße, ist in den vorliegenden Arbeiten kaum aufgetreten. Folglich wird vermutet, dass wenige bis keine bakterientragenden Hautschuppen abgegeben wurden. Trotz dieser Annahme sollte dies nicht als harmlos angesehen werden, denn auch, wenn die Mikroorganismen €uber die Hautpartikel in die Wunde des Patienten gelangen, ist die Abgabe von Partikeln durch die Bekleidung nicht ungef€ahrlich f€ur den Patienten. Nach Rudolph kann durch die als Fremdk€orper angesehenen Fasern in der Wunde mit einer geringeren Anzahl an Infektionsserregern eine Wundinfektion ausgel€ost werden, als bei Erregern,

welche nicht an Partikel gebunden sind [11]. Durch die Adh€asionen/Verwachsungen von Fremdk€orpern in einer Wunde und die daraus folgenden Infektionen entsteht auch ein Kostennachteil. Allein im Jahr 1994 gab es 303.836 Krankenhausaufnahmen, in deren Folge es zu Adh€asiolysen kam, welche auch durch den Abrieb der Fasern an den Abdeckt€uchern aus Baumwolle entstanden [5]. Dadurch verl€angert sich die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus und der damit verbundenen Behandlung und Verpflegung. Das heißt, dass die zus€atzlichen Kosten, welche f€ur eine bessere Bekleidung ausgegeben werden m€ussten, durch die Kosten, die durch die Reduzierung der Verweilung bei Vermeidung von Adh€asionen eingespart werden, ausgeglichen werden und die Patienten außerdem vor weiteren Schmerzen gesch€utzt werden k€onnten. Um die Akzeptanz einer ge€anderten OP-Bereichsbekleidung zu gew€ahrleisten, muss der Erhalt des Tragekomforts und die Gestaltung ber€ucksichtigt werden. Bereits auf dem Markt befindliche OP-Bereichsbekleidungen mit B€undchen (Rein-Luft-Kleidung/Clean-Air-Suits) finden in Deutschland kaum Anwendung, vermutlich aufgrund der Gestaltung. Die Messungen der vorliegenden Arbeit zur Partikelabgabe beim Tragen von OP-M€anteln haben aufgedeckt, dass sich die Anzahl an Partikel durch das zus€atzliche Tragen der Schutzbekleidung nicht reduziert. Eine Studie, welche das Ergebnis dieser Arbeit, dass die Anzahl an Partikel durch das zus€atzliche Tragen des OP-Mantels €uber der OP-Bereichsbekleidung ansteigt, belegt, wurde 1985 publiziert. Bei dieser Studie wurde der Unterschied in der Bakteriendurchl€assigkeit von verschiedenen Bekleidungssystemen in der Body-Box erforscht. Die Ergebnisse dieser Studie haben gezeigt, dass durch das alleinige Tragen der OPBereichsbekleidung weniger Bakterien abgegeben werden als durch das zus€atzliche Tragen des OP-Mantels aus Baumwolle. Durch den Overall aus Goretex Laminat ist die geringste Bakterienemission von statten gegangen [9]. Bei dieser Studie wird ebenfalls vermutet, dass die Bakterien durch die Feuchtigkeit, welche w€ahrend der Bewegung entsteht, das Baumwollgewebe problemlos aufgrund

der großen Poren und der besseren Bakterienemission bei Feuchtigkeit durchdringen k€onnen [8]. Es kann jedoch aufgrund der Messungen zur Bakterienabgabe kein direkter Vergleich dieser Studien mit unseren Ergebnissen gemacht werden. Allerdings wird trotzdem vermutet, dass ein großer Teil der zus€atzlichen Partikel durch die Reibung der Kleidungsst€ucke aneinander entstehen. Horn und Machmerth haben 1987 verschiedene Arten der Bekleidung hinsichtlich der Keimabgabe untersucht. Die Ergebnisse korrelieren mit unseren Untersuchungen und zeigen, dass bei B€undchen an den Hosenbeinen und € Armel von bzw. bei einem Overall deutlich weniger Keime an die Raumluft abgegeben werden. Ein weiterer Aspekt, der gefunden wurde, war die Hautpflege: frisch geduscht wurden mehr Keime abgegeben als bei sogenannter ,,Tageshaut‘‘, am geringsten waren die Bakterienemissionen nach duschen und eincremen [7]. Diese Studien k€onnen jedoch nicht mit den Messungen dieser Arbeit verglichen werden, da bei keiner Studie dieselbe Messtechnik verwendet wurde und – wie schon erw€ahnt – nur die Abgabe an Bakterien erforscht wurde. Laut Hill, Howell und Blowers, steigt die Schuppung von der Haut durch die Reibung an der Bekleidung [6]. Dies l€asst sich zugleich auf die Abreibung von Partikel an der Bekleidung €ubertragen. Durch Reibung von einem Kleidungsst€uck, an einem anderen Kleidungsst€uck, werden mehr Partikel abgegeben. Es wird angenommen, dass diese Vermutung die hohe Anzahl der Partikel bei den Messungen unserer Arbeit mit den OP-M€anteln erkl€art. Es wird vermutet, dass ein großer Teil der Partikel, von der Reibung des Mantels an der OP-Bereichsbekleidung stammt. Aufgrund dessen sollte nicht nur am Schnitt der OP-Bereichsbekleidung gearbeitet werden, sondern auch an der Materialauswahl, um die Partikelzahl zu minimieren. Ein weiterer Aspekt der Partikelzahl in den Messungen der vorliegenden Arbeit

wird in der antistatischen Aufladung der Bekleidung gesehen, welche das Anziehen der Partikel an das Material f€ordert. Die anf€anglich hohe Partikelzahl der Messungen mit der OPBereichsbekleidung aus 100% Polyester und der stetige Abfall im Verlauf der Messungen, l€asst vermuten, dass sich die auf der Oberfl€ache angesiedelten Partikel, durch Bewegungen am Anfang von der Bekleidung ,,abgesch€uttelt’’ werden.

Schlussfolgerung Die Art und Weise wie eine OP-Bereichskleidung getragen wird und wie sie gestaltet ist tr€agt zur Partikelbelastung in einem OP bei. B€undchen an den Armen und Hosenbeinen, sowie das Tragen des Hemds in der Hose f€uhren eindeutig zu geringeren Partikelemissionen. Jedoch muss nicht nur die Gestaltung und die Tragweise der Bekleidung beachtet werden auch die Materialkombinationen in Zusammenhang mit der dar€uber getragenen sterilen Kleidung spielt bei der Partikelemission eine wesentliche Rolle.

Literatur [1] Arbeitskreis ‘‘Krankenhaus- & Praxishygiene’’ der AWMF. OP-Kleidung und Patientenabdeckung. HygMed 2010; 35: 367ff. [2] J. Boehlke, Optimierung der OP-Bereichskleidung in Hinblick auf Design und Hygiene, Bachelorthesis, Hochschule Albstadt-Sigmaringen (2010). [3] DIN 13795-1: Operationsabdeckt€ucher, -m€antel und Rein-Luft-Kleidung zur Verwendung als Medizinprodukte f€ur Patienten, Klinikpersonal und Ger€ate – Teil 1: Allgemeine Anforderungen f€ur Hersteller, Aufbereiter und Produkte. Beuth Verlag Berlin 2003. [4] A. Dollinger, OP-Bereichskleidung – Partikelmessungen von verschiedenen Bekleidungssystemen, Bachelorthesis, Hochschule Albstadt-Sigmaringen (2010).

[5] D. Grund, Neue M€oglichkeiten zur Reduzierung von postoperativen Adh€asionen, Dissertation an der Medizinischen Fakult€at Charite Berlin (2004). [6] J. Hill, A. Howell, R. Blowers, Effect of clothing on dispersal of Staphylococcus aureus by Male and Females, Lancet 2 (7889) (1974 Nov 9) 1131–1133. [7] H. Horn, R. Machmerth, Verminderung der Keimabgabe des menschlichen K€orpers durch Kleidungszuschnitt und K€orperpflege des Chirurgen und seiner Helfer, HygMed 12 (1987) 205–210. [8] C.A. Mackintosh, O.M. Lidwell, The evaluation of fabrics in relation to their use as protective garments in nursing and surgery III. Wet penetration and contact transfer of particles through clothing, Journal of Hygiene 85 (1980) 393–403. [9] J. Matthews, K. Slater, S.W.B. Newssom, The effect of surgical gowns made with barrier cloth on bacterial disppersal, J Hyg Lond 95 (1985) 123–130. [10] W.C. Noble, O.M. Lidwell, D. Kingston, The size distribution of airborne particles carrying micro-organism, J Hyg Camb 61 (1963) 385–391. [11] H. Rudolph, OR clothing and patient draping, European Journal of Trauma. 19 (1993) 186–189. [12] W. Whyte, D. Vesley, R. Hodgons, Bacterial dispersions in relation to operating room clothing, J Hyg Camb 76 (1976) 367–378. [13] W. Whyte, The role of clothing and drapes in the operating room, J Hosp Infect 11 (1988) 2–17. [14] A.F. Widmer, P. Francioli, Postoperative € Wundinfektionen: eine Ubersicht, SwissNOSO 3 (1) (1996).

Korrespondenzautoren Dipl-Ing.(FH) Martin Scherrer Anjuli Dollinger, B. Eng Jolyn Boehlke, B. Eng wwH-c GmbH Rossbergstr. 10 72379 Hechingen E-Mail: [email protected] Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Ing.(FH) Michael Ernst Hochschule Niederrhein Textile Produktentwicklung Webschulstraße 31 41065 M€onchengladbach.

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