Chronisches Seromucotympanon bei einem Dreijährigen

Chronisches Seromucotympanon bei einem Dreijährigen

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DZ A

Fallberichte | Case Reports

Akupunktur Deutsche Zeitschrift für

B. Rhemann-Röhrer

Chronisches Seromucotympanon bei einem Dreijährigen Behandlung mit Laserakupunktur und Ernährungsumstellung

Chronic hydromyrinx in a three-year-old boy Treatment with laser acupuncture and change of diet

Zusammenfassung

Abstract

Hintergrund: Ein dreijähriger Patient leidet unter starker Infektanfälligkeit mit chronisch rezidivierenden Otitiden links. Es besteht Z. n. bakterieller Meningitis vor einem Jahr ausgehend von einer nicht erkannten Otitis media. Eine chronifizierte Ergussbildung soll in etwa drei Monaten nach konservativem Therapieversuch operativ mittels Parazentese und der Einlage eines Paukenröhrchens behandelt werden. Das rechte Ohr ist vermutlich seit Geburt taub. Zielsetzung: Die Infektanfälligkeit zu mindern, insbesondere die des linken Ohres, und damit ggf. die OP zu vermeiden. Methodik: Laserakupunktur, zehn Sitzungen, Ernährungsumstellung, Symbioselenkung. Ergebnis: Besserung des Hörvermögens und Stabilität bezüglich der Infekthäufigkeit. Schlussfolgerung: Laserakupunktur mit Ernährungsberatung zeigt sich als effektive integrative Methode zur Behandlung eines chronischen Seromucotympanon.

Background: A 3-year old patient suffering from chronic otitis media of the left ear, and susceptibility to infections. A year ago, the boy suffered from bacterial meningitis due to inflammation of the middle ear. An operation (paracentesis) of the chronic hydromyrinx is scheduled to take place in about three months after a conservative therapeutic attempt. The patient is deaf on the right side, most probably since birth.

Conclusion: Laser acupuncture in combination with changing of diet habits has proven to be an effective integrative method to treat a chronic infection of the middle ear.

Schlüsselwörter

Keywords

Akupunktur, chronische Otitis media, Meningitis, Hörverlust

Acupuncture, otitis media with effusion, meningitis, hearing loss

Aim: Reducing the number of infections, especially of the left middle ear, and possibly to prevent the operation. Method: Ten sessions of laser acupuncture, dietary change, symbiosis control. Result: Improvement of hearing back to normal.

Vorgeschichte Pat. E. ist zum Zeitpunkt der Erstvorstellung drei Jahre und ein Monat alt. Mit zwei Jahren und zwei Monaten litt er unter einer schweren bakteriellen Meningitis ausgehend von einer Otitis media links mit langem Krankenhausaufenthalt, zwei Wochen davon im künstlichen Tiefschlaf. Daran anschließend folgte eine langsame Rekonvaleszenzphase unter ständiger antibiotischer Abschirmung. Nach der Entlassung war eine Rehabilitationsphase mit intensiver Physio- und Ergotherapie sowie regelmäßigen HNO-fachärztlichen Kontrollen notwendig. Mehrere Kontrolluntersuchungen (MRT, BERA [Hirnstammaudiometrie], EEGs) wurden unter jeweiliger Vollnarkose durchgeführt. Immer wieder kam es zu rezidivierenden Otitiden mit antibiotischer Behandlung. Im Zuge der BERAs wurde eine (offensichtlich von Geburt an) bestehende Taubheit des rechten Ohres diagnostiziert. Das linke Ohr ist aufgrund der rezidivierenden Otitiden mit Narbenbildung sowie zäher Ergussbildung im Hörvermögen eingeschränkt.

Aus der Anamnese: bis zum zweiten Geburtstag gesund, gelegentliche Infekte. Auffallend ist die für einen Dreijährigen weit fortgeschrittene Sprachentwicklung (dies besteht laut Mutter schon seit etwa dem achten Lebensmonat). Schwangerschaft: latente Hypothyreose (Versorgung mit SDHormonen nach Blutbefund) , sowie Schwangerschaftsdiabetes der Mutter, der diätetisch eingestellt werden konnte. Geburt: Spontangeburt, PDA, Apgar 9/10/10, anamnestisch normaler Geburtsverlauf und -dauer. Status: LK submandibulär und nuchal geschwollen, ca. zwei Zentimeter Durchmesser, druckdolent, verschieblich, Rachen gering gerötet, vorgewölbtes linkes TF mit Flüssigkeitsspiegel ohne Rötung oder Gefäßinjektion, das Gehör derzeit anamnestisch (lt. Mutter) im Alltag eingeschränkt mit Phasen der Besserung und Verschlechterung. Wirbelsäule gerade, Hyperlordose im LWS-Bereich. Haut rosig, mit an Oberschenkeln und im Gesicht rauen Arealen (ein bis zwei Zentimeter groß), nicht jukkend, aber gelegentlich schuppend.

Zielsetzung Untersuchung Zur Vorstellung gelangt ein dem Alter entsprechend großer und schwerer, auffallend offener und gesprächiger Dreijähriger. Dr. Barbara Rhemann-Röhrer Ärztin für Allgemeinmedizin ÖÄK-Diplom für Akupunktur

Co-Lektorin und Dozentin ÖWÄA Tel.: +43 (0) 6 99 10 06 71 07 [email protected]

Aufgrund der immer wiederkehrenden Ergussbildung des linken Ohres wird von der HNO-Universitätsklinik eine Parazentese, der Einsatz eines Paukenröhrchens und die Adenotomie er-

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wogen. Ferner ist eine Hörgerätversorgung des linken Ohres geplant, dies aber nur bei weitgehender Infektfreiheit mit Ergussrückbildung. Um die Operation zu vermeiden bzw. die Zahl der Infekte bis dahin zu verringern, und um damit das Hörvermögen zu stabilisieren, wendet sich die Mutter an mich. Für die Versorgung des rechten Ohres wird die Implantation eines Cochleaimplantats angedacht, dafür sind aber noch weiterführende Untersuchungen notwendig. So steht die Behandlung der Infektanfälligkeit im Allgemeinen, im Besonderen die des linken Ohres, im Vordergrund. TCM-Diagnostik Ich gehe in diesem Fall von einer chronischen Otitis media bei Seromucotympanon aus und einem pathogenen Restfaktor nach Julian Scott [3] mit viel Schleimproduktion: Der ursprüngliche pathogene Faktor wurde nicht vollständig beseitigt, die immer wiederkehrende antibiotische Therapie hält diesen im Inneren und führt zu Feuchtigkeit, Kältestörung und Schleimbildung. Auch Narkotika wirken stark auskühlend, und die zusätzliche „gesunde“ Ernährung mit viel Rohkost und Milchprodukten, die die Mutter besonders forciert hatte, unterstützt dieses. Dadurch wurde der Fluss des Qi im Ohr behindert und macht es nun anfällig für akute Schübe. Die rauen Hautstellen sind nach Scott [3] Zeichen für einen pathogenen Restfaktor und Schleim in den Leitbahnen, ein Befund, der mir schon zuvor bei mehreren Kindern aufgefallen war. Ich dachte – in Anbetracht der angeborenen Taubheit des rechten Ohres und der Hohlkreuz-Haltung – auch an einen konstitutionellen Nieren-Yang-Mangel. Mein Behandlungsprinzip lautet: Pathogenen Restfaktor beseitigen, Qi-Fluss im Ohr wiederherstellen, Schleim beseitigen, Nieren-Yin stärken.

Methodik Die Therapie erfolgt mittels 20-mW-Laser mit Leistungsreduzierspitze, die Punkte sind wechselnd v. a. Gb 20, Gb 2, SJ 17, Di  11, Lu  7, Ex-KH  15 (Jing Bai Lao) und gelegentlich Ni  3, Bl 20 und Bl 23. Außerdem erfolgt die Bestrahlung des Trommelfells des linken Ohres mit dem Laser für eine Minute nach Frau Dr. Kiesel, die in einer von R. Pothmann durchgeführten Expertenbefragung zu der lohnenswerten Indikation „Seromucotympanon“ Stellung genommen hat [1]. Des Weiteren verschreibe ich zur Symbioselenkung Kapseln mit Enterococcus faecalis (Bioflorin®), fußend einerseits auf der engen Verbindung von Lunge und Dickdarm (Infekthäufigkeit!) andererseits auf einer Studie von Dr. Stockert (allerdings bei Kindern mit Asthma bronchiale) [4]. Die Ernährungsberatung, die ich dem Patienten und seiner Mutter mitgebe, enthält die Hinweise, vor allem Kuhmilch und Kuhmilchprodukte, Zucker und ein Zuviel an Rohkost (v. a. Tomate und Gurke, die im Speiseplan sehr weit oben standen) zu vermeiden. Auch von starkem Würzen, Grillen und Gebratenem wird abgeraten. Dies soll die Schleim- und Kälteproduktion im Körper hintanhalten. Warmen, gekochten, und das Nieren-Yang stärkenden Nahrungsmitteln (E. liebt Maroni/Esskastanien!) wird der Vorzug gegeben. Ferner mache ich die Mutter darauf aufmerksam, dass die Behandlung eventuell Schübe hervorrufen kann, da die Auslei-

tung von Schleim und pathogenem Faktor dies gelegentlich nach sich zieht. Verlauf Nach dreimaliger, im Zwei-Wochen-Abstand erfolgter Therapie leidet E. an einer akuten Otitis media und wird vom HNO-Arzt mit einem Antibiotikum versorgt. Zwischenzeitlich wurde ein MRT – wieder mit gleichzeitiger BERA – in Vollnarkose durchgeführt,. Das Hörvermögen des linken Ohres war gleichgeblieben. Eine Hörgerätversorgung wurde veranlasst. Zur fünften Behandlung erscheint E. mit seinem neuen Hörgerät, das am nächsten Tag angepasst werden soll. Nach der Behandlung äußert E. dieses Mal ein auffallend starkes Druckgefühl, und bei Verlassen der Ordination entlädt sich plötzlich massiv seröse Flüssigkeit aus seinem linken Ohr. Bei der nochmaligen Inspektion findet sich ein perforiertes Trommelfell links, ohne jegliche Rötung. Lege artis wird E. mit einem Antibiotikum (Amoxicillin und Clavulansäure) versorgt und am nächsten Tag zur HNO-Kontrolle geschickt. In der Nacht fiebert er hoch und am nächsten Tag wird bei der HNO-ärztlichen Untersuchung wieder eine akut exacerbierte Otitis festgestellt. Die Hörgerätanpassung muss auf die Zeit nach der Antibiotikatherapie verschoben werden. Die Mutter gibt an, dass sich das Hörvermögen nach der Perforation, aber auch anhaltend nach Ausheilung dieser Otitis, erheblich gesteigert hat. Auch das Allgemeinbefinden habe sich gebessert. Wir werten dies gemeinsam als Zeichen einer beginnenden Heilung. Die nächsten zwei Behandlungen werden in Drei-Wochen-Abständen durchgeführt, diesmal sehen wir von einer Bestrahlung des Trommelfells ab, einerseits um nicht eine schlummernde Infektion zu aktivieren, andererseits geben der Lokalbefund sowie auch die Schilderungen der Mutter bezüglich Gehör keinen Anlass mehr dazu. Feiertage sowie eine schwere Pneumonie von E.s Schwester führen in der folgenden Zeit zu größeren Behandlungsabständen mit zwei Terminen im Abstand von ca. eineinhalb Monaten. In diesem Zeitraum treten keine weitere Otitiden mehr auf, und so vereinbaren wir nur mehr bei Bedarf zu behandeln. HNO-fachärztlich kann derzeit von einer OP Abstand genommen werden. Das Hörvermögen wird laufend mithilfe einer Spiel-Audiometrie überwacht. Bei der abschließenden Untersuchung kann ich deutlich verkleinerte Lymphknoten tasten, die nicht mehr druckdolent sind. Das Seromucotympanon ist nicht mehr nachweisbar. Laut Mutter haben sich Infektanfälligkeit und Hörvermögen stabilisiert, die rauen Hautstellen sind verschwunden. E. ist mit seinem Hörgerät gut versorgt und scheint voller Energie und Tatendrang.

Ergebnis In der Behandlung des Patienten mussten zwar noch einige Infekte bis hin zur Genesung überstanden werden. Von der angedachten Operation konnte jedoch abgesehen werden. Da E. in der Sprachentwicklung und den Spiel-Audiometrien keinerlei Probleme zeigt, bleibt ein Cochleaimplantat auf der rechten Seite zwar weiterhin im Gespräch, ist aber derzeit nicht mehr spruchreif. Ganz im Gegenteil: Die Sprachentwicklung

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von E. liegt noch immer weit über dem altersentsprechenden Durchschnitt, ein Umstand, der aufgrund seiner Vorgeschichte und Befunde nicht zu erwarten war.

Diskussion Meiner Meinung nach führte die direkte Laser-Bestrahlung des Trommelfells in diesem Zusammenhang nicht zu einer Perforation. Diese Aussage beruht auf meinen bisherigen Erfahrungen und auch auf jenen meiner Kollegen (Mündliche Mitteilung von Dr. Kiesel, 2012, Dr. Lazar, 2012 und Expertenmeinung Dr. Pothmann, 2012, welcher ebenfalls davon ausgeht, dass eine Laserbestrahlung mit den üblichen Intensitäten von 50 mW nicht mit einer Ruptur des Trommelfells in Zusammenhang gebracht werden kann.) In keinem Fall kam es nach einer Laser-Bestrahlung des Trommelfells in unmittelbarem Zusammenhang zu einer Perforation. Infolgedessen sehe ich diesen Prozess eher als Teil eines Selbstheilungsprozesses, in dem pathologische Faktoren sich in Form einer Entlastung (Perforation) entladen. Die Spontanruptur des Trommelfells führt somit zur Besserung der Symptomatik. In diesem Fall halte ich unterstützend auch die Laser-Behandlung des Punktes Ex-KH 15 (Jing Bai Lao) für sinnvoll. So verweist Julian Scott sowohl in seinen Vorträgen als auch in seinem Buch wiederholt auf die herausragende Bedeutung des Punktes zur Beseitigung pathogener Restfaktoren [3].

Schlussfolgerung Insgesamt erscheint mir die direkte Laser-Behandlung des Seromucotympanons in Kombination mit Laser-Akupunktur der generalisierten Infektanfälligkeit eines Kindes lohnenswert. Die begleitende probiotische Ernährungsumstellung bildet dabei die Basis. Zwei Expertenbefragungen [1, 2] zu diesem Thema und meine positiven persönlichen Erfahrungen bestärken mich in diesem therapeutischen Konzept.

Literatur 1. Pothmann R. Was ist möglich mit Akupunktur und Related Techniques sowie Diätetik und chinesischer Arzneitherapie bei Kindern? Dt Ztschr f Akup. 2008;51,1:32–43 2. Ots T. Bewertung der Tauglichkeit von Akupunktur bei 62 Indikationen. Dt Ztschr f Akup. 2010;53,1:34–40 3. Scott J, Barlow T. Akupunktur in der Behandlung von Kindern. Kötzing/Bayer. Wald: Verlag für ganzheitliche Medizin, 2003: 342 4. Stockert K et al. Laser Acupuncture and Probiotics in Schoolage Children with Asthma. Pediatr Allergy Immunol. 2007;18,2:160–6

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