Zbl. Bakt. Hyg., 1. Abt, Orig. A 253, 370-376 (1982)
Aus dem Institut fiir Hygiene und Laboratoriumsmedizin der Stadtischen Krankenanstalten Krefeld (Direktor: Prof. Dr. med. H.Finger)
Corynebakterien der JK-Gruppe aIs Krankheitserreger! Infections Caused by Corynebacterium Group JK
CARL HEINZ WIRSING v. KONIG, SIGRID WICHMANN und HORST FINGER
Mit 1 Abbildung . Eingegangen am 21. Mai 1982
Abstract Several infections due to Corynebacterium group JK are reported. The distinguishing feature of this recently characterized group of bacteria is its resistance to almost all antibiotics. Although Corynebacterium group JK seems to be non-pathogenic for immunocompetent individuals, severe and sometimes fatal infections can be observed in immunocompromised hosts. The bacteria are characterized in respect to their biochemical capacities and their resistance to many antibiotics. Experimental infection of mice revealed that the bacteria are not able to initiate a lethal infection in immunocompetent animals. After the rapid elimination of the bacteria, however, no specific immunity not increase in nonspecific resistance can be observed. Oncological and intensive-care units should be monitored for these bacteria. After the manifestation of an infection with Corynebacterium group JK, vancomycin (Vancocin, Lilly) seems to be the antibiotic of choice.
Zusammenfassung Es wird iiber die JK-Gruppe des Genus Corynebacterium berichtet, die sich gegeniiber anderen Spezies durch ihre extreme Antibiotikaresistenz auszeichnet. Diese kiirzlich in den USA charakterisierte Gruppe von Bakterien kann bei immundefekten Patienten schwere und mitunter lebensbedrohliche Infektionen verursachen. Neben der biochemischen Charakterisierung und der Untersuchung des Resistenzverhaltens gegen Antibiotika lieB sich im Tierversuch zeigen, daB die Bakterien bei immunkompetenten Tieren keine letalen Infektionen auslosen konnen, was das Ausbleiben einer Infektionsimmunitat zur Folge hat. In onkologischen Bereichen und Abteilungen fiir Intensivmedizin sollte gezielt nach diesen Bakterien gesucht werden. Bei einer klinisch manifesten Infektion ist Vancomycin das Mittel der Wahl. 1 Die Untersuchungen wurden durch die Schutzkommission des Bundesinnenministeriums gefordert.
Corynebakterien der JK-Gruppe
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Innerhalb des Genus Corynebacterium werden aus klinisehem Material haufig unterschiedliche Stamme isoliert, die in der Regel als harmlose Kommensalen innerhalb der iiblichen Hautflora angesehen werden. Von einigen Spezies, wie z. B. C. pyogenes, C. haemolyticum, C. xerosis und anderen ist jedoch bekannt, dag sie Ursache menschlieher Infektionen sein konnen, Allerdings wurde bereits seit jahren vermutet, dag nieht naher eharakterisierte Corynebakterien schwere Infektionen hervorrufen konnen, von denen die Endocarditis lenta die haufigste ist (Davis et al., 1963; Geraci et al., 1967; Gerry et al., 1976; Johnson et al., 1970; Kaplan et al., 1969; Muller et al., 1973; Reid et al., 1967; VanScoy et al., 1977). Wir beschreiben im folgenden eine Gruppe von Corynebakterien, die als JKGruppe bezeiehnet wird (Riley et al., 1979). Hervorsteehendes Merkmal dieser moglicherweise heterogenen Gruppe von Bakterien ist deren Resistenz gegen die meisten Antibiotika.
Material und Methoden Bakterien: Alle untersuchten Starnme von Corynebacterium Gruppe JK wurden zwischen Marz 1981 und April 1982 primar aus klinischem Material gezuchtet, Die Untersuchungsmaterialien, aus denen die Isolierung gelang, sind in Tab. 1 zusammengestellt". Tabelle 1. Untersuchungsmaterial aus dem Corynebakterien der JK-Gruppe isoliert wurden Material
n Isolate
% Isolate
Blutkultur Venenkatheter Absaugkatheter Drainagen Abstriche
7 5 4 4 3
30% 22% 17% 17% 14%
Biochemische Charakteristik: Aile Untersuchungen zum biochemischen Leistungsvermogen wurden mittels Anwendung von Standardmethoden der klinischen Mikrobiologie durchgefuhrt (d. Hallmann, 1972; d. Lenette et al., 1980). Zum Nachweis der betaGalactosidase wurden konfektionierte Plattchen mit o-Nitrophenyl-p-D-Galaktopyranosid (ONPG) verwendet (bio Merieux, Niirtingen). Empfindlichkeitspriifung gegen Antibiotika: Alle isolierten Stamme wurden in Mehrfachansatzen mit der Agardiffusionsmethode auf Muller-Hinton-Agar auf ihre Empfindlichkeit gegen die meisten im Handel befindlichen Antibiotika gepriift (DIN 58940). Infektionsversuche: Bakteriensuspensionen aus LeberagarbouiIlon (36 h, 37°C) wurden nach zweimaligem Waschen in phosphatgepufferter 0,9% NaCl (pH 7,2) aufgenommen und weiblichen NMRI (Han) Mausen (22-26 g, Zentralinstitut fiir Versuchstiere, Hannover) intraperitoneal (i.p.) in 0,2 ml injiziert. Die Anzahl der vermehrungsfahigen Bakterien betrug bei der Erstinfektion 1,2 x 10'/0,2 ml, bei der Zweitinfektion 1,0 x 10'/0,2 m!. Die Zweitinfektion wurde am 8. Tag nach der Erstinfektion durchgefiihrr. Der Verlauf von 2 Herrn Dr. Dr. Robert E. Weaver, Leiter der Special Bacteriology Section, Clinical Bacteriology Branch, Center for Disease Control, Atlanta, Ga., USA, sagen wir herzlichen Dank fiir die Typisierung und Identifizierung der iibersandten Stamme,
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Erst- und Zweitinfektion wurde nach der Methode von Mackaness (1962) iiberwacht. Hierzu wurden Leber und MHz der Ti ere in Tryptose-Bouillon (DIFCO) homogenisiert und d ie Anzahl der vermehru ngsfiihigen Bakterien mittels Verdiinnungsreihen auf T ryproseagar (DIFCO) errn irrelr .
Ergebnisse a) Bakteriologische Befunde
Bei allen isolierten Bakterien handelte es sich urn gram-positive kokkoide Stabchen, die auf Schafblutagar langsam unter aero ben Bedingungen wuchsen. Aile Sramme waren Katala se-positi v und Oxidase-negativ. Auf Bluragar zeigten die sporenlosen Bakterien keine Veranderung des Nahrbodens, waren unbeweglich und wuchsen nicht unter anaeroben Bedingungen. Die Kolonien waren nach 24stdg . Bebriitung bei 37 °C srecknadelkopfgrols, rund, grau-weif und zum Teil schimmernd. Nach langerer Bebrutung war nicht selten eine geringe Konvexitat der Kolonien festzustellen. Die Untersuchung weiterer differential-diagnostischer Merkmale erbrachte die in T ab. 2 aufgefiihrten Ergebnisse. Fast aile Isolate waren in der Lage, Glucose abzubauen, meist jedoch erst nach Zugabe von Serum und nach 72stdg. Bebrutung, Kein Stamm zeigte eine positive Indol-, Voges-Proskaueroder Nitratreaktion. UnterschiedIiche Befunde ergaben sich bezuglich der Hydrolyse von H arn stoff, wobei 18 Ofo der unter suchten Stamrne eine positive Reakrion zeigren. Zur Abgrenzung von anderen biochemisch ahnlichen Cor ynebakterien dient der fehlende Nachweis von fi-Galaktosidase mittels ONPG-Test.
T abell e 2. Mikrobiologische Ch ar akrerisrika von Corynebakterien der JK-Gruppe Wachstum bei 25 °C Wachstum bei 37 DC Wa chstum bei 42 °C Karala se Oxidase H arnol yse Anaer obes Wachstum Sporenbildung Wac hstum auf Clauberg II
+ ++ + + o o o o +
Nitrat Harnstoff Gelatine Beweglichkeit Glucose Xylose Mannit ONPG
o v (18% + )
o o + o o o
+ = o =
po sitive Reaktion bzw. Wachstum negative Reaktion bzw. kein Wachstum v = unterschiedliche Reaktion der Isolate
b) Antibiotikaempfindlichkeit
Ais besonderes Merkmal fiir alle unter suchten Stamme war deren Resistenz in vitro gegen die meisten der unt ersuchten Antibiotika anzusehen. Diese Eigenschafl isr sonst bei Stammen des Genus Corynebacterium selten zu beobachten. Die Ergebnisse der entsprechenden Agardiffusion steste sind in Tab. 3 zusarnmengestellt. Hierbei Wit auf, daf alle Starnme gegen Vancom ycin ernpfindlich waren,
Corynebakterien der ]K-Gruppe
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Tabelle 3. Antibiotikaempfindlichkeit von Corynebakterien der ]K-Gruppe (Agardiffusionstest) Antibiotikum
Sensible Isolate
Resistente Isolate
Penicillin G Oxacillin Ampicillin Azylureidopenicillin Cephalosporine (einschl. 3. Generation) Fosfomicin Dibekacin Aminoglycoside Trimethoprim-Sulfonamid Lincomycin Fusidinsaure Erythromycin Tetracykline Vancomycin
0% 0% 0% 18% 8%
100% 100% 100% 82% 92%
0% 18%
100% 82% 86% 100% 73% 64% 34% 27% 0%
14%
0% 27% 36% 66% 73% 100%
wahrend sich die Empfindlichkeit gegen Erythromycin und Tetrazykline unterschiedlich darstellte. Eine bei zwei Patienten eingeleitete Behandlung mit Erythromycin hatte sehr schnell eine Resistenzentwicklung gegen diese Antibiotikum zur Folge. Fast alle Stamme erwiesen sich in vitro als resistent gegen die untersuchten Penicilline einschlielslich der Acylureidopenicilline, gegen die meisten Cephalosporine einschlielslich der sog. Cephalosporine der dritten Generation sowie gegen Fosfomycin und gegen Netilmicin. Auch andere Aminoglycoside, wie Gentamicin, Amikacin, Sisomicin und Tobramycin erwiesen sich in vitro als wirkungslos. Uneinheitlich erwies sich das Resistenzverhalten in Bezug auf Fusidinsaure und Lincomycin, wo sich 270/0 bzw. 36 % der Starnme als ernpfindlich gegen entweder Fusidinsaure oder Lincomycin zeigten. c) Klinische Wertigkeit
Die Patienten, bei denen Corynebakterien der ]K-Gruppe zu einer zum Teil lebensbedrohlichen Infektion fiihrten, zeichneten sich alle durch eine mehr oder minder ausgepragte Einschrankung der immunologischen Reaktionsfahigkeit aus, Infektionen wurden beobachtet bei einem Patienten mit Polytrauma und Nierenversagen nach langerer Antibiotika-Therapie, bei Patienten mit Malignomen nach operativen Eingriffen und postoperativen Komplikationen, bei einem Patienten mit einer Leukose, bei einer Patientin mit Osteomyelofibrose und bei einem Patienten mit einer Unterschenkelosteomyelitis, bei dem eine langere antihiotische Behandlung vorausgegangen war. Eine klinisch manifeste Infektion durch Corynebakterien der Gruppe ]K wurde immer dann angenommen, wenn bei einem Patienten neben den klinischen Befunden einer bakteriellen Infektion kontinuierlich aus sukzessiv entnommenen klinischen Materialien Bakterien der ]K-Gruppe isoliert werden konnten. Diese jeweils von einem Patienten stammenden Bakterien ver-
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hielten sich beziiglich ihrer Empfindlichkeit in vitro gegen die untersuchten Antibiotika identisch. In einem Fall wurde trotz eines nur einmalig positiven Befundes aus einer Blutkultur eine Infektion angenommen, da sich die klinische Symptomatik nach vorheriger Therapieresistenz im Anschluf an die Gabe von Vancomycin relativ schnell besserte. Parallel zu diesen klinisch manifesten Infektionen wurden mehrfach bei anderen Patienten gleicher pflegeeinheiten wahrend des gleichen Zeitraums Corynebakterien der ]K-Gruppe isoliert, denen jedoch auf Grund der klinischen Symptomatik kein Krankheitswert zuzumessen war. Bei keinem dieser Patienten konnte als Folge der Grunderkrankung eine Abweichung von einer normalen immunologischen Reaktivitat angenommen werden. d) lnfektionsversuche Bei intraperitonealer Infektion von NMRI-Miiusen konnte keine letal verIaufende Infektion mit Corynebakterien der Gruppe ]K erzeugt werden. Die Untersuchung von Leber und Milz auf das Vorhandensein vermehrungsfahiger Bakterien ergab fur die Milz ausschliefslich negative Befunde. Abb. 1 zeigt die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (CFU) von Corynebakterien der Gruppe ]K in der Leber nach Infektion mit 1,2 X 107 Bakterien. Es ist offensichtlich, daB die Bakterien sehr rasch aus dem Organismus eliminiert werden, so daf am dritten Tag nach Infektion keine vermehrungsfahigen Bakterien nachweisbar waren. Wurde 8 Tage nach der Erstinfektion eine erneute Injektion von 1,0 X 107 lebenden Corynebakterien der Gruppe ]K verabreicht, zeigte sich, daB im Vergleich mit der Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt einer Erstinfektion unterzogen wurde, kein Unterschied feststellbar war. Diese Befunde deuten darauf hin, daB bei immunkompetenten NMRI-Miiusen keine manifeste Infektion durch Corynebakterien
o
3
8
1
3
(9)
(111
Tage nach Infeklion
Abb.1. Verlauf einer i.p, Infektion mit Corynebakterien der JK-Gruppe bei NMRIMausen, Tiere der Gruppe 1 (0) wurden am Tag 0 und am Tag 8 (Zweitinfektion) infiziert, wahrend die Tiere der Gruppe 2 (.) nur am Tag 8 infiziert wurden und als Kontrolle fur den Veriauf einer Erstinfektion dienten. Jeder Punkt entspricht dem Mittelwert und der Standardabweichung der Ergebnisse bei 4-5 Tieren.
Corynebakterien der JK-Gruppe
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der JK-Gruppe ausgelost werden kann, und daIS nach Infektion keine spezifische Irnmunitat oder Steigerung der unspezifischen Resistenz gegen diese Bakterien entsteht.
Diskussion Die in der angloamerikanischen Literatur als "diphtheroids" bezeichneten Corynebakterien sind in den vergangenen Jahren mehrfach als Erreger schwerer Infektionskrankheiten beschrieben worden, wobei der antibiotikaresistenten JK-Gruppe ein immer breiterer Raum zukommt (Davis et al., 1963; Gerry et al., 1976; Hande et al., 1976; Johnson et al., 1970; Reid et al., 1967; Van Scoy et al., 1977). Alle Infektionen traten jedoch nur bei solchen Patienten auf, bei denen die Funktion des Immunsystems durch Grundkrankheiten oder ausgedehnte operative Eingriffe eingeschrankt oder vorgeschadigt war. Da Infektionen durch diese Bakterien bisher in Mitteleuropa unseres Wissens nicht beobachtet wurden, erschien es sinnvoll, im AnschlulS an die erstmals beobachtete Infektion eines polytraumatisierten Patienten (Wirsing v. Konig et al., 1982), gezielt nach diesen Bakterien zu suchen. Die dabei erhobenen Befunde decken sich mit den in der Literatur angegebenen Daten sowohl in Bezug auf das gefahrdete Patientenkollektiv als auch in Bezug auf die biochemische Charakterisierung der Bakterien (Riley et al., 1979). Auch die ausgepragte Antibiotikaresistenz dieser Gruppe stimmt fur die von uns isolierten Stamme gut mit den Angaben von Riley (1979) und Gill (1981) iiberein, Weitere Untersuchungen, die zur Aufklarung der Natur der hochgradigen Antibiotikaresistenz beitragen sollen, werden zur Zeit durchgefiihrt, Das ausschlielsliche Auftreten dieser Bakterien als Infektionserreger immundefekter Patienten erscheint durch die Ergebnisse der Infektionsversuche plausibel. Bei einem intakten Immunsystem sind Corynebakterien der Gruppe ]K offenbar nicht in der Lage, todliche oder bedrohliche Infektionen auszulosen, Die rasche Eliminierung der Bakterien hat allerdings keine mefbare Gedachtnisreaktion zur Folge, was am Ausbleiben einer Infektionsimmunitat gezeigt werden konnte. Pathogen sind diese Bakterien daher vor allem fiir solche Patienten, deren Grundkrankheit ohnehin in den meisten Fallen eine Lebensbedrohung darstellt. Trager der Bakterien konnen aber auch Gesunde oder Krankenhauspersonal sein (Gill et al., 1981). Da die schwer therapierbare Infektion mit Corynebakterien der ]K-Gruppe als lebensbedrohlich anzusehen ist, sollte in onkologischen und intensivmedizinischen Bereichen gezielt auf das Auftreten derartiger Bakterien geachtet werden, urn friihzeitig eine optimale antibiotische Therapie einleiten zu konnen,
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