Botanisches Institut der Universität zu Köln
Der Einfluß von Glutathion auf den Wachstumsverlauf Cytokinin-bedürftiger Sojagewebe Influence of Glutathione on Duration of Growth of Cytokinin-Dependent Soybean Callus Tissues HEINZ RENNENBERG Mit 3 Abbildungen Eingegangen am 23. Januar 1978· Angenommen am 16. Februar 1978
Summary Cytokinin-dependent growth of soybean callus tissues, measured as increase in dry weight, is inhibited by glutathione. This inhibition is not caused by affecting the growth rate of the tissues but by retarding the start of exponential growth. The prolonged lag-period of soybean cells in glutathione containing growth media is showed not to be due to a selection of glutathione-compatible cells but to the removal of glutathione from the culture media.
Key words: Glutathione; growth-inhibition; tissue culture; soybean.
Einleitung Glutathion, ein Bestandteil pflanzlicher Gewebe (JOCELYN, 1972) und konditionierter Medien von Suspensionskulturen (RENNENBERG, 1976), stellt' eine Substanz dar, die mit der wachstumsfördernden Wirkung von Cytokininen interferiert, und damit den Aussagewert des weit verbreiteten Sojagewebetestes zur quantitativen Bestimmung von Cytokininen (MILLER, 1963) beeinträchtigen kann (BERGMANN und RENNENBERG, 1975). Diese Hemmung des Wachstums der Sojagewebe durch Glutathion steht in keinem Zusammennhang mit der Wuchsstoff-Bedürftigkeit der Zellen und ist somit nicht zu dem im Kulturmedium angebotenen Auxin oder Cytokinin antagonistisch; andererseits handelt es sich um einen für das Peptid spezifischen Effekt, der nicht durch die in Glutathion enthaltenen Aminosäuren kopiert werden kann (BERGMANN und RENNENBERG, 1975). In der vorliegenden Arbeit wird die Hemmung des Wachstums der Sojagewebe durch Glutathion näher untersucht, und nachgewiesen, daß nicht die Wachstumsrate sondern der Beginn des Wachstums der Kulturen durch Glutathion beeinflußt wird.
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Material und Methoden Die Versuche wurden mit einem Wundkallusgewebe von Glycine max (L.) var. CORSOY durchgeführt, das von LOGEMANN (1973) aus den Kotyledonen isoliert und seitdem im 14Tage-Rhythmus fortlaufend vermehrt wurde. Die Kulturen wurden auf einem Nähragar nach MILLER (1963) pH 5,6-5,8 bei einer Temperatur von 25 ±2°C und einer Luftfeuchtigkeit von 60-70 Ofo im Dunkeln gezogen. Die Zugabe von Glutathion erfolgte nach Sterilfiltration der Testlösungen zu dem noch flüssigen Agar bei 40 oe. Suspensionen wurden durch Übertragen des auf Nähragar angezogenen Gewebes in flüssiges Medium nach MILLER (1963) hergestellt und auf einer Schüttelmaschine wie oben bei 100 r.p.m. kultiviert. Für die Trockengewichts- und Glutathion-Bestimmungen wurden jeweils 5 Kulturen aus einer Versuchsserie genommen und aufgearbeitet. Die angegebenen Werte sind Mittelwerte aus 3 unabhängig voneinander durchgeführten Versuchsserien. Das Trockengewicht der Gewebe wurde wie bei BERGMANN et a1. (1976) angegeben bestimmt; der Glutathiongehalt des Mediums der Suspensionen wurde nach BERGMANN und RENNENBERG (im Druck) gemessen.
Ergebnisse und Diskussion
Kultiviert man Sojagewebe auf einem Glutathion-haltigen Nähragar und verfolgt die Zunahme des Trockengewichtes der Kulturen, so zeigt sich, daß die Zugabe von Glutathion ohne Einfluß auf die Wachstumsrate der Gewebe ist; dennoch beobachtet man bei den auf Glutathion-haltigem Nähragar gezogenen Zellen ein gegenüber den Kontrollen reduziertes Trockengewicht, das auf eine Verlängerung der lag-Phase der Kulturen durch Glutathion zurückzuführen ist: Während die lag-Phase der Kontrollen weniger als eine Woche andauert, verbleiben Kulturen mit 5 X 10- 5 M GSH (5 X 10- 4 M GSSG) mehr als eine Woche, Kulturen mit 10-4 M GSH (10- 3 M GSSG) mehr als 2 Wochen in der lag-Phase (Abb. 1). Kultiviert man Sojagewebe vier Wochen auf einem Nährmedium mit 5 X 10- 5 M GSH (5 X 10-4 M GSSG) und überträgt die Gewebe anschließend auf frisches Nähr300 200 100
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Fig. 1: Influence of glutathione on duration of growth of soybean callus tissues.
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medium mit und ohne Glutathion, so weisen die Kulturen auf Glutathion-haltigem Nähragar erneut eine gegenüber den Kontrollen verlängerte lag-Phase auf. Abb. 2 zeigt, daß die Dauer der lag-Phase in dieser zweiten Wachstumspassage in gleicher Weise durch Glutathion verlängert wird wie in der ersten Passage. Dieses Ergebnis macht deutlich, daß die durch Glutathion hervorgerufene Verlängerung der lagPhase Cytokinin-bedürftiger Sojagewebe nicht auf eine Selektion mutierter Zellen zurückzuführen ist, und damit auf einer Verarbeitung des Glutathions beruhen muß. 300 200
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Fig. 2: Influence of pre-cultivation on glutathione-containing growth media on duration of growth of soybean callus tissues. 0-0-0 Control; 0--0-0 Pre-cultivation on 5 X 10-5 M GSH (5 X 10-4 M GSSG); Growth on GSH-free medium after pre-cultivation on 5 X 10-5 M GSH (5 X 10-4 M GSSG); . - _ - . Growth on 5 X 10-5 M GSH (5 X 10-4 M GSSG) after pre-cultivation on 5 X 10-5 M GSH (5 X 10-4 M GSSG).
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Der Nachweis einer solchen Verarbeitung des den Sojageweben im Kulturmedium angebotenen Glutathions erforderte die übertragung der Zellen in flüssiges Nährmedium, da eine Messung des Glutathiongehaltes im Agar nicht möglich war. Auch untier diesen Kulturbedingungen konnte eine Reduktion des Trockengewichtes der Gewebe durch Zugabe von Glutathion beobachtet werden, die nicht durch eine Beeinträchtigung der Wachstumsrate sondern durch eine Verlängerung der lag-Phase hervorgerufen wurde (Abb. 3). Die Untersuchung der Veränderung des Glutathiongehaltes im Medium solcher Suspensionen zeigte, daß bei einer Zugabe von 5 X 10-5 M GSH bereits nach 2 Tagen Kulturdauer nur noch 27 % des angebotenen Glutathions im Medium wiedergefunden werden können, aber erst nach 10 Tagen Kulturdauer kein GSH mehr nachweisbar ist. Aus Abb. 3 geht hervor, daß exponentielles Wachstum in den GSH-behandelten Suspensionen erst zu dem Zeitpunkt einsetzt,
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Fig. 3: Changes in glutathione content during growth of soybean tissue cultures growth media.
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zu dem nur noch ca. 4 % des angebotenen Glutathions im Medium wiedergefunden werden können. Diese Ergebnisse zeigen, daß Cytokinin-bedürftige Sojagewebe, deren Kulturmedium Glutathion enthält, erst dann in der Lage sind exponentiell zu wachsen, wenn der GSH-Spiegel im Kulturmedium unter einen kritischen Schwellenwert gefallen ist; sie legen gleichzeitig die Vermutung nahe, daß die Zellep in der Lage sind, Glutathion aus dem Kulturmedium aufzunehmen, schließen aber einen Abbau des Peptids im Kulturmedium nicht aus. Eine Aufnahme von Glutathion könnte aber zu einer Veränderung der GSH und GSSG Konzentrationen in den Sojageweben führen, die in tierischen Zellen als Ursache sowohl einer Beeinträchtigung mitotischer Prozesse (NATH und REBHUHN, 1976) als auch einer Hemmung der Proteinsynthese (ZEHAVI-WILLNER et al., 1971) nachgewiesen werden konnte. Fütterungsversuche mit 3sS-markiertem Glutathion sollen zeigen, wieweit Sojagewebe zu einer Aufnahme und Verarbeitung von Glutathion in der Lage sind.
Literatur L., W. GROSSE und P. KOTH: Z. Pflanzenphysiol. Ba, 60-70 (1976). L. und H. RENNENBERG: Naturwiss. 62, 349 (1975). - - Z. Pflanzenphysiol. (im Druck). BERGMANN,
BERGMANN,
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JOCELYN, P. C.: Biochemistry of the SH Group, 1-46, Academic Press, London, 1972. LOGEMANN, H.: Dissertation, Köln, 1973. MILLER, C. 0.: In: Modern Methods of Plant Analysis, Vo!. 6. LINSKENS, H. F. und M. V. TRACEY (Eds.), 194-202, Springer, Berlin, 1963. NATH, J. und L. 1. REBHUHN: J. Cell Bio!. 68,440-450 (1976). RENNENBERG, H.: Phytochemistry 15, 1433-1434 (1976). ZEHAVI-WILLNER, T., E. M. KosowER, T. HUNT und N. S. KOSOWER: Biochim. Biophys. Acta 228,245-251 (1971). Dr. HEINZ RENNENBERG, Botanisches Institut der Universität zu Köln, Gyrhofstraße 15, D-5000 Köln 41, Bundesrepublik Deutschland.
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