DEVELOPMENTAL
Die
2, 501-515
BIOLOGY,
Entstehung
(1960)
der Scheckung mit weisser Blesse
bei
M6usen
HELGA SCHUMANN Zoologisches Angenommen
Institzct, urn
Bonn
18. Junt
1960
EINLEITUNC Die pigmentbildenden Zellen der Wirbeltiere, die “Melanoblasten,” stammen, wie wir jetzt w&en, aus der Neuralleiste, miissen also mehr oder weniger weite Strecken zuriicklegen, urn ihre Bestimmungsorte zu erreichen. Sie wandern bei Saugetieren und Vogeln wahrend der Embryonalzeit in dem noch undiff erenzierten subepidermalen Bindegewebe entlang und gelangen von dort aus in die Epidermis und in die Haarwurzeln (Willier und Rawles, 1940; Chase et al., 1951; Danneel und Cleffmann, 1954; Lubnow, 1957; Wendt, 1958). Damit taucht erneut die Frage auf, warum bei manchen Tieren nicht alle Kiirperregionen von Pigmentzellen besiedelt werden, wie also die Scheckungsmuster zustande kommen. Im vergangenen Jahr konnte nun zunachst Wagener (1959) den Nachweis erbringen, dass die Scheckung der Haubenratte durch Interferenz zweier Entwicklungsvorgange entsteht. Bei diesen Tieren gelangen namlich die vom Kopf und von der Schwanzwurzel her vordringenden Melanoblasten des Embryos an den Scheckungsgrenzen vorzeitig zum Stillstand, weil hier die Haut- und Haardifferenzierung inzwischen schon so weit fortgeschritten ist, dass den Pigmentzellen der Weiterweg versperrt ist. Ungeklart blieb dabei jedoch die Frage, welcher Vorgang bei den gescheckten Ratten anders verlauft als bei den einfarbigen Tieren, ob sich also die beiden Rassenhinsichtlich der Hautdifferenzierung oder der Melanob!astenwanderung unterscheiden. Diese Lticke war der Anlass zu der vorliegenden Arbeit, die sich indessen nicht auf Haubenratten, sondern auf gescheckte M&se bezieht, die sich leichter in grosseren Mengen ztichten lassen. Bei den 501
502 Haubenratten liegen ( Wagener, im Druck),
HELGA
SCHUMANN
aber, wie sich inzwischen herausgestellt grundsatzlich dieselben Verhaltnisse vor. MATERIAL
UND
hat
METHODEN
Als Versuchstiere dienten einfarbig schwarze Mause des Inzuchtstammes C 57 und Tiere mit weisser Blesse (white-face) aus einem Schwarzloh-Stamm (black-and-tan). Von beiden Rassen wurden Embryonen im Alter von 11-19 Tagen und neugeborene Tiere verwendet. Unser weisstirniger Stamm ist genetisch recht genau bekannt. Die Scheckung bleibt hier immer auf Stirn und Nasenriicken beschrankt und beruht nach Dunn und Charles ( 1937) ausschliesslich auf der Wirkung des rezessiven Erbfaktors s, wahrend bei den meisten anderen gescheckten Mausen zusatzliche Gene mitwirken. Schwarzloh-Mause, die anstelle des Gens a der einfarbig schwarzen Tiere das dominante Allel at besitzen, haben wir nur deshalb verwendet, weil hiervon zufallig ein Inzuchtstamm vorhanden war; auf die Blesse hat der Ersatz des Erbfaktors a durch af keinen Einfluss. Die Ausdehnung des weissen Bezirks variiert bei den einzelnen Individuen des white-face-Stammes etwas und reicht von einem kleinen Stern oberhalb der Augen bis zu einer breiten Blesse, die sich von der Stirn iiber den Nasenriicken bis zur Schnauze erstreckt. Die Scheckung bleibt aber immer auf diese Regionen beschrankt (Fig. 1, a und b). Die Blessenmause unterscheiden sich von den einfarbig schwarzen Tieren ausserdem dadurch, dass sie h&fig an der Schnauze nicht schwarze sondern weisse Tasthaare besitzen, eine Frage, auf die ich spater noch einmal zuruckkommen werde. Urn Embryonen bestimmten Alters zu erhalten, setzt man am besten jeweils 5 Mannchen und 20 Weibchen fur etwa 6 Stunden zusammen, wonach man je Versuch in der Regel l-3 tragende Weibchen erhalt. Am 11. Tage kann man dann diesen Weibchen schon mit grosser Sicherheit ansehen, ob sie trachtig sind oder nicht. Da ich fin meine histologischen Untersuchungen keine jiingeren Embryonen brauchte, reichte diese einfache Methode der Altersbestimmung aus. Zur Fixierung junger Embryonen eignet sich das Gemisch von Bouin, wahrend weil hierbei gleichzeitig eine sltere Embryonen besser nach Susa fixiert werden, Entkalkung erfolgt. Von den in Paraffin eingebetteten Praparaten fertigte ich Serienschnitte von 710 s Dicke an, die jeweils alternierend auf zwei verschiedene Objekttrlger aufgelegt wurden, so dass immer eine Serie gefarbt und die andere versilbert werden konnte. Gefarbt wurden die Schnitte nach den iiblichen Methoden. Zur Versilberung
ENTSTEHIJNG
mm
SCHE~UNG
1313 MXKSEN
(b) FIG.
1.
Blessenmaus
mit
grosser
(a)
bzw.
kleiner
(b ) Blesse.
503
504
HELGA
SCHUMANN
eignen sich die Verfahren von Masson und Lison, mit deren Hilfe man die Pigmentvorstufen schwiirzen und so die jungen Melanoblasten schon relativ friih sichtbar machen kann. Die versilberten Schnitte habe ich nicht nachgefirbt, weil die Melanoblasten in friihen Stadien oft nur schwach auf die Silberreaktion ansprechen und daher in gefgrbten PrLparaten leicht iibersehen werden kijnnen. Bei glteren Tiaren entnahm ich nur einzelne Hautstiicke, die dann mit ihrer bindegewebigen Seite auf Filtrierpapier aufgedriickt wurden, damit sie sich bei der Fixierung und Nachbehandlung in Alkohol nicht zusammenrollten. Insgesamt wurden so etwa 80 Embryonen und 20 Haut-Explantate von neugeborenen Mlusen untersucht.
DER
VERLAUF UND
Haut und Haarkleid
DER DER
HAUTDIFFERENZIERUNG HAARBILDUNG
der erwachsenen
Maus
Die Haut der erwachsenen Maus unterscheidet sich in ihrem Aufbau nicht wesentlich von dem Integument anderer Nagetiere, besteht also aus zwei Teilen, der Epidermis und dem darunter liegenden Bindegewebe. Die Epidermis setzt sich aus den bekannten vier Schichten zusammen, wghrend man beim Bindegewebe zwei Abschnitte unterscheiden kann, die Cutis (im engeren Sinne) und die Subcutis. Erstere, such Corium genannt, stellt ein faseriges, sehr engmaschiges Gewebe mit zahlreichen BlutgefPssen dar, wohingegen die Subcutis sehr locker gebaut ist und viele Interzellularr%ume mit zahlreichen Fettzellen aufweist. Gegen das Kiirperinnere hin wird die Subcutis von einer mehr oder weniger breiten Muskelschicht begrenzt. Im Fell der Maus lassen sich drei Haartypen unterscheiden: Leithaare, Grannenhaare und Wollhaare. Die besonders grossen Leithaare werden beim Embryo immer zuerst angelegt, dann folgen die Grannenhaare und zuletzt die Wollhaare, die bedeutend kiirzer und diinner sind als die anderen Haare. Im allgemeinen sieht die Haut der Maus am ganzen K&per gleich aus, doch fehlen in der Bauchregion die Leithaare nahezu ganz, wghrend sie am Riicken und an der Flanke zusammen mit den Grannenhaaren einen wesentlichen Teil des Haarkleides ausmachen. Einen etwas abweichenden Bau zeigt such das Integument der Ohren und des Schwanzes. Die Haut der Ohren ist besonders diinn, diejenige des Schwanzes nicht glatt sondern wellig und durch eine sehr dicke HornBeides zusammen verleiht dem Schwanz das schicht ausgezeichnet.
ENTSTEHUNG
DEB
SCHECKUNG
BEI
MjiUSEN
505
bekannte schuppige Aussehen. An den Ohren und am Schwanz tritt ausserdem nur ein Haartyp auf, n$mIich kurze, borstenartige Haare. Di#erenzierung
der Haut urtd Haare bei Emb yonen
Die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf Embryonen der beiden von mir untersuchten Mtiuserassen, die sich hinsichtlich der Haut- und Haardifferenzierung, wie hier vorweggenommen sei, nicht un terscheiden. Die Haut 12 Tage alter Embryonen ist noch v6lIig undifferenziert und besteht am ganzen K&per aus einem einschichtigen Epithel, das von einem diinnen Periderm bedeckt ist, und aus dem darunter liegenden lockeren mesenchymalen Bindegewebe (Fig. 2).
FIG. 2. Noch undifferenzierte Haut eines 12-tPg. Embryos, bestehend aus der einschichtigen, vom Periderm bedeckten Epidermis und einem lockeren Bindegewebe. Bouin, Haemalaun-Eosin; 480 x .
Auch am 13. Tage der Embryonalentwicklung sind noch keine Anzeichen einer Haarbildung zu sehen, dagegen zeigen sich jetzt die ersten Vertinderungen der Haut, und zwar in der FZankenregion, wo sich die Zellen des Epithels inzwischen stgrker vermehrt haben; ihre bis dahin runden Kerne sind oval geworden und stehen nun meilerfiirmig nebeneinander und senkrecht zur Kiirperoberfl2che. Das Bin-
506
HELGA
SCHUMANN
degewebe ist aber zu dieser Zeit such in der Flankenregion noch viillig undiff erenziert. Beim 14-tagigen Embryo ist die Epidermis an den Flanken und such in der Region der Pusseren Ohranlage schon mehrschichtig und weist die ersten jungen Leithaaranlagen auf, wahrend die Haut am iibrigen Korper noch keine Veranderung zeigt (Fig. 3 und 4).
FIG. 3. Haaranlage.
Flankenhaut eines 14-tag. Embryos Bouin, Haematoxylin, 480 x .
mit
mehrschichtiger
Epidermis
und
Die Entwicklung schreitet dann beim 1Stagigen Embryo iiberall weiter fort. Am Kopf fallt jetzt schon bei beiden Rassen der Unterschied zwischen dem Epithel der Stirn und demjenigen der iibrigen Kopfregionen auf. An der Stirn ist namlich die Epidermis zu dieser Zeit noch immer einschichtig (wie in Fig. 4)) in der Entwicklung also deutlich zuruckgeblieben. Am Rumpf hat die Differenzierung der Haut die Bildung der Haaranlagen inzwischen von den Flanken her auf die dorsalen und ventralen Gebiete tibergegriffen, doch weist das Bindegewebe der Flankenregion schon eine deutliche Muskelschicht auf, deren Bildung am ubrigen Korper gerade erst beginnt. Die Epidermis des Riickens ist jetzt ebenfalls mehrschichtig, doch bleibt ein schmaler Streifen iiber dem Neuralrohr zunachst noch einschichtig. Auf diesem Differenzierungsgefalle beruht moglicherweise die aufftallige Flrbung des Alstriches mancher Tiere, die hier aber nicht zur Diskussion steht.
ENTSTEHUNG
DER
SCHECKUNG
507
BEI MXUSEN
Beim 18tlgigen Embryo beginnen die Unterschiede der einzelnen Regionen zu verschwinden. Die Entwicklung der Haut und Haare ist an den seitlichen Partien des Kopfes und an den Flanken zwar immer noch etwas voraus, doch holen jetzt die tibrigen Kiirperbereiche den zeithchen Riickstand rasch auf. Am 17. Embryonaltage ist dann der Differenzierungsausgleich vollends erreicht. Die Epidermis besteht jetzt uberall aus drei Schichten, dem stratum cylindricum, dem stratum intermedium und dem stratum granulosum. Auch das Bindegewebe hat sich inzwischen am ganzen Korper in die dichte Cutis und die weitmaschige Subcutis gegliedert.
FIG. 4. Undifferenzierte Kopfhaut des Epidermis. Bouin, Haematoxylin; 480 x .
14-tiig.
Embryos
mit
einschichtiger
Zu dieser Zeit treten such die ersten Anlagen der Grannenhaare auf, und zwar am ganzen Kiirper gleichzeitig, da ja die Ham jetzt an allen Stellen gleich weit differenziert ist. Dasselbe gilt fur die WoZZhaare, die aber erst 2 Tage spater erscheinen. Die DifJerenzierung der Haut und der Haare ist somit am 19. Embryonaltage abgeschlossen. Von nun an erfolgen in der Haut keine Neubildungen mehr, w&rend die Wachstumsprozesse natiirlich weiter gehen. Alle diese DifferenzierungsvorgPnge, die in Fig. 5 (unten) noch einmal schematisch zusammengestelIt sind, verlaufen offenbar bei allen Mauserassen in gleicher Weise, denn such bei Albinos fand ich dieselben Verhaltnisse. Die Entstehung des weissen Stirnfleckes bei
508
HELGA
SCHUMANN
PlfLANOBLASTfNWANDfRUNG
gescheckt
sch warz
HAUTOIFFfRfNZIfRUNG Oben: Die Melanoblastenwanderung ten (II) MBusen. IJnten: Die Hautdifferenzierung Zahlen bedeuten das Embryonalalter in Tagen.
bei einfarbigen bei beiden
den Blessenmiiusen beruht also nicht der Haut- oder Haardiflerenxierung.
auf Abweichungen
FIG.
5.
DIE
Bei einfarbig
AUSBREITUNG
schwarxen
DER
(I) und gescheckM%userassen. Die
im Verluuf
PIGMENTZELLEN
Miiusen
Die Pigmente der gefarbten Mause, die “Melanine,” entstehen durch fermentative Oxydation aus Tyrosin, und zwar in besonderen Zellen, den Melanoblasten, die, wie gesagt, aus der Neuralleiste stammen, wahrend der Embryonalzeit das noch undifferenzierte Bindegewebe der Haut durchwandern und von da aus in die Epidermis und in die Haarwurzeln gelangen ( Fig. 6). Die Melanoblasten beginnen w&end ihrer Wanderung oder sogar erst an ihrem Ankunftsort mit der Pig mentbildung und werden dann gewijhnlich “Melanocyten” genannt. Bei erwachsenen Mlusen enthalten nur noch die Haarwurzeln tatige Pigmentzellen. Dies gilt allerdings nicht fur die Ohren, die Schnauze
ENTSTEHUNG
DER
SC~HECKUNG
BEI
M;~USEN
509
und den Schwanz, wo sowohl in der Haut als such in den Haarwurzeln zeitlebens aktive Melanocyten nachweisbar sind. Die ersten durch Versilberung nachweisbaren Melunoblasten werden bei einfarbig schwarzen Miiusen in der Kopfhaut 13-tiigiger Embryonen sichtbar, und zwar in der Region der Ohranlagen. Die Pigmentbildungszellen liegen zu dieser Zeit noch im subepidermalen Bindegewebe und weisen noch keine oder nur kurze Auslaufer auf. Einen Tag spater, also beim I$-tagigen Embryo, tauchen dann weitere Melanoblasten entlang der Riickenmitte auf ( Alstrich). Auch sie haben zunachst noch kugelige Gestalt, wahrend die Pigmentzellen des Kopfes nun schon lange Auslgufer besitzen. Wanderweye
mis
FIG. 6. Wanderweg der Melanoblasten Links schematischer Querschnitt durch die Haut.
einen
(nach Danneel und Cleffmann, Embryo; rechts LHngsschnitt
1954). durch
Am 15. Embryonaltage breiten sich die jungen Melanoblasten vom Kopf und von der Rtickenmitte her weiter aus. Am Kopf, der uns in diesem Zusammenhang besonders interessiert, ist nur noch die Stirnregion frei von Pigmentzellen, wird aber bei den einfarbig schwarzen Mausen am 16. Tage ebenfalls besiedelt. Am Rumpf gibt es jetzt iiberall Pigmentzellen, wohingegen die Vorderextremitaten erst zwei MelanoTage spater erreicht werden. Alle bis dahin vorhandenen blasten liegen nach wie vor im Bindegewebe (Fig. 7). Die Einwanderung der Pigmentzetlen in die Epidermis und in die Haarwurzeln beginnt erst beim 17-tagigen Embryo, vollzieht sich dann aber sehr schnell. Schon beim 18tlgigen Mauseembryo ist die Epider-
510
HELGA
SCHUMANN
llen I PIG. 7. Schnitt durch die Haut eines 15-tiig. Mkuseembryos. Die Pigmentzel VergrSsserung ca 650 X, versilbert. Nach Dam ieel liegl en noch im Bindegewebe. und Cleffmann ( 1954).
?IG. 8. Schnitt durch die Haut einer neugeborenen Pigr nentzellen aus der Epidermis in die Haaranlagen. verr Gilbert. Nach Danneel und Cleffmann ( 1954).
Hatte. Einwanderung der Vergrkerung ca 650 X,
ENTSTEHUNG
DER
SCHECKUNG
BE1
MhJSEN
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mis sowohl am Kopf als such am Rumpf von zahlreichen pigmentierten Melanocyten durchsetzt, und an vielen Stellen sieht man nun such schon erste Pigmentzellen in den Wurzeln der jungen Haare. Das hier wiedergegebene Bild (Fig. 8) stammt aus einer friiheren Arbeit und bezieht sich auf Ratten, zeigt die Verhaltnisse aber besonders klar (vergl. Chase et al., 1951). Im Laufe des 19. Embryonaltages kommt dann die Melanocytenwanderung zum Abschluss. Nachziigler, die zu dieser Zeit noch in der Epidermis liegen, kugeln sich ab und stellen die Pigmentbildung ein, gehen also in einen inaktiven Zustand uber (Billingham und Medawar, 1948; Meng, 1955), konnen jedoch durch Hautreize zu erneuter Pigmentproduktion angeregt werden ( Cleffmann-Brenner, 1959). Bei Mtiusen mit weisser
Blesse
Hinsichtlich der Hautdifferenzierung und der ersten Haarentwicklung besteht, wie wir sahen, zwischen den einfarbig schwarzen Mausen und den Tieren mit weisser Blesse kein Unterschied. Anders liegen die Verhaltnisse bei der Melanoblastenwanderung. Bei den Mausen mit weisser Blesse erscheinen namlich die ersten Propigmentxellen zwar such im Bereich der Ohranlagen, aber nicht am 13. sondern erst am 15. Tage der Embryonalentwicklung, also zwei Tage spiiter als bei den einfarbigen Tieren (Fig. 5, oben rechts ). Ihre Anzahl ist ausserdem geringer, und sie enthalten, wie die Silberreaktion zeigt, such weniger Propigment. Am 16. Tage der Embryonalentwicklung erweitert sich die melanoblastenhaltige Zone bei den Blessenmausen nur unwesentlich und erst beim 17-18 Tage alten Embryo, also weiterhin mit 2-3 tlgiger Verspatung, setzt eine rasche Ausbreitung der inzwischen vermehrten Melanoblasten iiber den Korper ein, die im iibrigen genau so verlluft wie bei den einfarbig schwarzen Tieren. Die zeitliche Differenz wird dabei allmahlich aufgeholt, so dass am 19. Tage der Entwicklung such bei den gescheckten Tieren die Melanoblastenwanderung iiberall so gut wie abgeschlossen ist. Der Stirnstreifen, der ja such bei den einfarbig schwarzen Mausen zuletzt besiedelt wird, bleibt aber bei den Blessenmlusen zeitlebens Weiss, weil die Pigmentzellen hier zu spat eintreffen und daher in das schon sehr weit differenzierte Bindegewebe nicht mehr eindringen konnen. Von frtiheren Untersuchungen her ist jedenfalls bekannt, dass die besiedelt werden Haarwurzeln nur solange von den Melanocyten
512
HELCA
SCHUMANN
konnen, als sie noch relativ undifferenziert sind (Meng, 1955; Wagener, 1959), eine Erscheinung, die sich such bei den Blessenmausen nachweisen l&t. Die besonders friih angelegten und daher vorzeitig ausentwickelten Tasthaare an der Schnauze und uber den Augen bleiben bei diesen Tieren namlich Weiss (Fig. 1 und 9), w&rend sich die spater auftretenden Grannen- und Wollhaare an denselben Stellen ganz normal pigmentieren. Bei den einfarbigen Mausen werden such die Tasthaare schwarz, weil hier die Melanoblasten friiher eintreffen und daher such in die Wurzeln dieser Haare noch rechtzeitig einwandern konnen.
FIG. 9. Querschnitt durch die Haut der Maus. Grosse, unpigmentierte Tasthaanvurzeh wurzeln. Bouin, ungefkbt; 60 x
Schnauzenregion einer neugebo?enen zwischen pigmentierten Leithaar-
Ahnliche Verhaltnisse findet man such in der schwarzen Umgebung des hellen Stirnfleckes der Blessenmause, wo man stets einzelne weisse Haare antrifft. In diesem Falle handelt es sich allerdings urn Leithaare, die ja aber such friiher angelegt und daher friiher ausdifferenzier: werden als die benachbarten Grannen- und Wollhaare. ZUSAMMENFASSUNG
UND
DISKUSSION
Die weisse Blesse bei Miiusen kommt, wie wir sahen, ebenso wie die kiirzlich von Wagener (1959) beschriebene Scheckung der Hauben-
ENTSTEHUNG
DER
SCHECKUNG
BE1
M;iUSEN
513
dadurch xustande, dass die fiir die Scheckung verantwortlichen Erbfaktoren die Auswanderung der Melanoblasten aus der Neuralleiste verziigern und ihre Wandergeschwindigkeit herabsetzen. Die Folge davon ist in beiden Fallen, dass die nunmehr verspiitet in den verschiedenen Regionen des Kiirpers eintreenden Pigmentnellen diejenigen Stellen des Integuments nicht mehr besiedeln konnen, wo sich die Haut inzwischen schon soweit diflerenxiert hat, dass sie fiir die Melanoblasten unpassierbar geworden ist. Diese Stellen bleiben daher bei den gescheckten Tieren Weiss. Welcher Zusammenhang zwischen dem Differenzierungszustand der Haut und ihrer Permeabilitat fur Melanoblasten besteht, wissen wir allerdings vorerst nicht und konnen uns such noch kein Bild davon machen, auf welchem Wege die Scheckungsgene ihren Einfluss auf die Wandergeschwindigkeit der Pigmentzellen geltend machen. Ungeklart ist ferner die Frage, warum bei Hiihnerembryonen (Lubnow, 1957), bei Ratten (Wagener, 1959) und, wie wir sahen, such bei Mausen, alle histologisch nachweisbaren Melanoblasten aus der Region des Nackens oder der Schwanzwurzel stammen, warum also die dazwischen liegende Neuralleiste in situ keine Melanoblasten liefert, obwohl sie durchaus die Fahigkeit dazu hat, wie entsprechende Versuche mit Gewebekulturen und Transplantaten eindeutig erwiesen haben (Rawles, 1947; Koecke, 1960). Das Hauptresultat der vorliegenden Untersuchungen sehe ich in der Erkenntnis, dass manche Farbmuster bei Saugetieren auf iiberraschend einfache Weise zustande kommen konnen, namlich allein schon dadurch, dass die Melanoblastenwanderung durch Genwirkung verlangsamt wird. Die im subepidermalen Bindegewebe vordringenden Pigmentzellen geraten so in Kollision mit einem anderen Entwicklungsvorgang, namlich der Differenzierung der Haut, die such nicht am ganzen Korper gleichzeitig erfolgt, sondern, von bestimmten Zentren ausgehend, allmahlich auf die Umgebung iibergreift. Bei den Schecken wird also ein Differenzierungsgefalle als Farbmuster sichtbar, dass zwar such bei den einfarbigen Tieren vorhanden ist, dort aber infolge der rascheren Melanoblastenausbreitung nicht ausserlich zur Geltung kommt. ratte
SUMMARY
The white blaze in mice (Fig, 1) arises when the mutant genes responsible for the coloring delay the migration of the melanoblasts
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HELGA
SCHUMANN
from the neural crest and reduce the rapidity of their distribution. As a result of this delay, the pigment cells do not reach some parts of the integument until after the skin has already reached such a stage of development that it is impervious to the melanoblasts. In spotted animals therefore these regions remain white (Fig. 5). Mice become self-colored, on the other hand, when pigment cells are produced comparatively early and thus manage to get distributed evenly. Die Anregung zu diesen Untersuchungen stammt von Herm Danneel, dem ich, ebenso wie such Herrn Dr. N. Weissenfels, und Unterstiitzung verdanke. Die erforderlichen Mittel stellte Forschungsgemeinschaft zur Verfiigung.
Professor Dr. R. manche Beratung uns die Deutsche
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guinea
ENTSTEHUNG
DER
SCHECKUNG
BE1
M;iU.SEN
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