€ DIE KRANKENHAUSHYGIENE WICHTIGE ERREGER FUR
E. coli (Escherichia coli) Die Spezies Escherichia (E.) coli geh€ort in die Familie der Enterobacteriaceae, welche sich aus zahlreichen Gattungen gramnegativer St€abchenbakterien zusammensetzt. Sie k€onnen sich sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben Bedingungen gut in vitro vermehren lassen und spalten Glukose und andere Zucker unter Bildung von S€aure nicht nur oxidativ sondern auch fermentativ. Der €uberwiegende Teil der Enterobakterien-Gattungen, insbesondere Escherichia, geh€ort zur physiologischen Bakterienflora des Darmes von Warmbl€uterorganismen. Sofern sie von dort in andere K€orperregionen verschleppt werden (Translokation) oder von außen dorthin gelangen, k€onnen sie Krankheiten hervorrufen, sie sind also fakultativ pathogen oder Opportunisten. Escherichia coli wurde 1885 vom deutschen P€adiater Theodor Escherich aus dem Stuhl von Kleinkindern isoliert. Die Spezies Escherichia coli enth€alt sowohl fakultativ pathogene als auch obligat pathogene St€amme. Dabei unterscheiden sich Letztere durch den Besitz besonderer Virulenzfaktoren (siehe unten). E. coli sind mit bis zu €uber 30% die h€aufigsten Erreger von nosokomialen Infektionen. Sie k€onnen Harnwegsinfektionen, Pneumonien, postoperative Wundinfektionen (insbesondere nach darmchirurgischen Eingriffen), Sepsen, Meningitiden oder eitrige Lokalinfektionen hervorrufen.
Beschreibung und Aufbau F€ur das Verst€andnis der unterschiedlichen Virulenzeigenschaften sind Kenntnisse €uber den Aufbau von E. coli erforderlich. Bei allen gramnegativen Bakterien sind Lipropolysaccharide Strukturbestandteile der €außeren Membran, welche beim Zerfall der Bakterienzellen frei werden. Dieses sind Endotoxine. Dabei ist das Lipid A der Tr€ager der toxischen Wirkung.
Der bedeutendste Virulenzfaktor bei Infektionen durch Enterobakterien sind eben diese Endotoxine, welche Fieber, Komplementaktivierung, Induktion von Entz€undungsfaktoren, Verbrauchskoagulapathie und Schock hervorrufen. E. coli bildet im Weiteren sogenannte Kapsel-Antigene, welche aus sauren Polysacchariden bestehen. Einige St€amme bilden viel K-Substanz, welche als loser Schleim die Bakterienzelle umgeben. Die K-Antigene wirken anti-phagozyt€ar. Verschiedene K-Antigen-Typen werden bei Infektionen durch E. coli geh€auft isoliert, so z.B. Typ K1 bei der Neugeborenen-Sepsis und -Meningitis sowie Pyelonephritis. Der menschliche Organismus besitzt Toleranz gegen€uber diesem Antigen, d.h. es werden keine Antik€orper gebildet. Auf Grund seiner peritrichen Begeißelung ist E. coli beweglich. Die €uberwiegende Zahl von E. coliSt€ammen tr€agt Fimbrien (Pili), die in vitro eine H€amagglutination (HA) verursachen. Es lassen sich Fimbrien vom Typ 1 und Typ 2 unterscheiden. Dabei finden sich die Typ-1-Fimbrien €uberwiegend bei St€ammen aus der physiologischen Bakterienflora des Darmes. Die Typ-2-Fimbrien werden auch FAntigene oder Kolonisationsfaktoren genannt. Diese finden sich bei den obligat pathogenen E. coli-St€ammen, sowie bei opportunistischen E. coliSt€ammen aus extra-intestinal gelegenen Krankheitsherden. Die Fimbrien (Pili) werden in zwei Unterarten eingeteilt: die P-Pili spielen als Haftungsorganellen (Adh€asine) f€ur das Anheften an Zielzellen eine Rolle und kommen insbesondere bei solchen Colibakterien vor, welche Harnwegsinfektionen verursachen. Dagegen vermitteln die sogenannten € Sex-Pili die Ubertragung von Plasmiden (Konjugation), damit von Antibiotikaresistenzen auf andere E. coliSt€amme, jedoch auch andere Enterobakteriaceen.
Als extrazellul€are Produkte k€onnen von einigen St€ammen H€amolysine gebildet werden, welche sich vorwiegend bei St€ammen aus Krankheitsherden außerhalb des Darmes finden. Diese sind mit dem Vorkommen andere Virulenzfaktoren assoziiert. Des Weiteren kann E. coli zahlreiche Beta-Laktamasen bilden, welche bei der Antibiotika-Resistenz eine Rolle spielen (s. u.).
Vorkommen und Resistenz €sse gegen Umgebungs-Einflu E. coli kommt regelm€aßig und in großen Mengen (106 – 108/g Stuhl) im Darm von Mensch und Tier vor. Der Nachweis von E. coli im Trinkwasser oder in Lebensmitteln gilt als Hinweis auf eine f€akale Kontamination (Indikatorkeim). Die im Darm als Standortflora befindlichen opportunistischen E. coli machen ca. 1% der gesamten Bakterienmasse dort aus. Ihre Wachstumsanspr€uche und Widerstandsf€ahigkeit gegen€uber Umwelteinfl€ussen, insbesondere Hitze, entsprechen denen der €ubrigen Enterobacteriaceen. Der Wachstumsbereich liegt bei einer Temperatur zwischen +4 und +46 8C, w€ahrend eine Abt€otung bei hoher Substratfeuchte bei Temperaturen €uber 60 8C innerhalb von Minuten und bei €uber 70 8C innerhalb von wenigen Sekunden erfolgt. Eine Ansiedlung auf der gesunden Haut findet auf Grund der dort f€ur E. coliBakterien unphysiologischen Bedingungen (pH-Wert, N€ahrstoffangebot, Temperatur) nicht statt, vielmehr sterben diese spontan innerhalb von ca. 45 – 60 Minuten ab, es sei denn sie befinden sich in Stuhl eingeh€ullt.
Bedeugung als Krankheitserreger Bekannt ist E. coli als h€aufigster Erreger von Harnwegsinfektionen, insbesondere
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bei jungen Frauen. Unterschiedliche Studien belegen einen Anteil von 60 bis 80% bei diesen Infektionen. Daneben ist E. coli ein h€aufiger Erreger von Sepsen durch gramnegative Bakterien, auch als Folge einer vorausgegangenen Harnwegsinfektion/Pyelonephritis. Bei Neugeborenen spielt E. coli eine wichtige Rolle als Erreger von Sepsen und Meningitiden. Ebenfalls als h€aufiger Erreger von nosokomialen Infektionen wird Coli bei beatmungsassoziierten Pneumonien und als Erreger von postoperativen Wundinfektionen, insbesondere nach abdominal-chirurgischen Eingriffen, beobachtet. Weitere h€aufige Infektionen durch E. coli sind: Peritonitis, Cholangitis, Cholezystitis und Appendizitis. Die bei den Neugeborenen-Sepsen und Meningitiden beteiligten E. coli werden in der Regel beim Durchtritt durch den Geburtskanal auf das Neugeborene €ubertragen. Der Infektionsmechanismus ist in der Regel eine endogene Infektion durch Verschleppung aus dem Darm in das jeweilige Zielgebiet (Translokation). Insbesondere Infektionen mit opportunistischen E. coli-St€ammen sind weit €uberwiegend endogen. Die bei Zystitiden und Pyelonephritiden beobachteten E. coli-St€amme tragen in der Regel P-Adh€asine oder P-Pili und heften sich damit an die Epithelzellen des Harntraktes an. Dagegen tragen Sepsis-verursachende St€amme h€aufig das Kapselantigen K1, welches antiphagozyt€ar wirkt. Eine Gewebeinvasion wird durch disponierende Faktoren gef€ordert, wobei die Beweglichkeit des Erregers durch seine Geißeln unterst€utzend wirken. Die durch E. coli hervorgerufene Gewebesch€adigung an den verschiedenen Infektionslokalisationen wird €uberwiegend durch eine durch Lipid-A induzierte eitrige Entz€undungsreaktion hervorgerufen. Ebenso k€onnen H€amolysine als zytotoxische Produkte zur Sch€adigung des Gewebes beitragen.
Diagnostik Als Untersuchungsmaterialien sind Proben aus dem jeweiligen lokalen Herd (Wundabstriche, Liquor, Urin, Blutkulturen) geeignet.
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E. coli ist mit den bekannten mikrobiologischen Untersuchungsmethoden leicht anzuz€uchten und zu differenzieren. Eine Typisierung €uber die verschiedenen O-, H- und Kapsel-Antigene kann im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen sinnvoll sein und wird in Speziallaboratorien durchgef€uhrt.
Antibiotika-Therapie Die antibiotische Empfindlichkeit von Colibakterien hat in den letzten Jahren gegen€uber einer Vielzahl von Substanzen nachgelassen. Dieses ist u.a. damit begr€undet, dass die Substanzen bei E. coli-bedingten Infektionen h€aufig eingesetzt wurden. Es handelt sich dabei um ein weltweites Ph€anomen. Aminopenicilline wirken nur noch bedingt, deutlich besser jedoch im Zusammenwirken mit Beta-LaktamaseInhibitoren. ESBL-bildende (extended-spektrum-betaLactamase) E. coli-St€amme sind nicht mehr empfindlich gegen€uber Zweit- und Drittgenerations-Cephalosporinen. Auch hat die Wirksamkeit von Cotrimoxazol deutlich abgenommen (regional zwischen 20 und 40% resistente € St€amme). Ahnliches gilt f€ur die Gyrasehemmer. Nach wie vor eine sehr gute Wirksamkeit zeigen Carbapeneme, welche jedoch weiterhin als Reserveantibiotika gelten. Vor Beginn einer eventuell notwendigen kalkulierten Antibiotikatherapie sollte unbedingt Untersuchungsmaterial entnommen werden, um die AntibiotikaEmpfindlichkeit des jeweiligen Stammes austesten zu k€onnen. Bei den obligat pathogenen E. coli werden folgende Gruppen unterschieden: Enteropathogene E. coli (EPEC) Enteroagregative E. coli (EAggEC) Enterotoxinogene E. coli (ETEC) Enteroh€amorrhagische E. coli (EHEC) Alle diese zeigen morphologisch und in den Wachstumsanspr€uchen keinen Unterschied zu den weiter oben genannten fakultativ pathogenen E. coliSt€ammen. Sie geh€oren jedoch nicht zur physiologischen Darmflora von Menschen und sind weltweit verbreitet, EAggEC und ETEC vorwiegend in Entwicklungsl€andern. Hauptreservoir sind
dennoch Menschen, f€ur EHEC Rinder und andere Wiederk€auer.
EPEC F€ur diese St€amme ist der Mensch das € einzig bekannte Erregerreservoir. Uber lange Zeit wurden EPEC bestimmten serologischen O-Gruppen zugeordnet. Sp€atere Untersuchungen zeigten jedoch ein unterschiedliches Adh€arenzverhalten und erlaubten eine Unterscheidung in verschiedene St€amme mit lokalisierter Adh€arenz (Klasse-I-EPEC) und solche, die diffus an der Oberfl€ache von Epithelzellen anheften (Klasse-II-EPEC). Die pathogene Bedeutung letzterer ist nicht eindeutig gesichert. Von EPEC abgesonderte Enterotoxine sind nicht bekannt. Als Krankheitserreger sind EPEC weltweit verbreitet. Sie waren in Deutschland bis in die 60er Jahre gef€urchtete Erreger von Ausbr€uchen in S€auglingsstationen und in Kinderkrippen. Diese sind selten geworden und Erkrankungen treten nur noch sporadisch auf. Allerdings sind EPEC in L€andern der Dritten Welt weiterhin von großer Bedeutung, sie werden dort in mehr als 10% der F€alle von S€auglingsenteritiden nachgewiesen. So verursachen EPEC-St€amme bei S€auglingen unter 1 Jahr breiige bis profus-w€assrige Durchf€alle, welche zur Exsikkose f€uhren. In Entwicklungsl€andern sind Mangelern€ahrung und Begleitinfektionen, wie Malaria oder Darmparasitosen disponierende Faktoren. Erwachsene erkranken nicht an EPEC. Die Verbreitung von EPEC-Infektionen kann durch Verbesserung der Lebensmittelhygiene bzw. bei der Nahrungsmittelzubereitung von S€auglingen minimiert werden.
Enteroaggregative E. coliSt€ amme Auch diese k€onnen bei S€auglingen und Kleinkindern eine h€aufig persistierende Enteritis verursachen. Sie sind mit den EPEC verwandt und produzieren ein auch bei EHEC vorkommendes stabiles und fl€ussigkeitssezernierendes Enterotoxin (EAST), welches Plasmidkodiert ist. Des Weiteren wurde ein dem Alpha-H€amolysin verwandtes Toxin nachgewiesen.
Auch diese Erreger sind €uberwiegend in den warmen L€andern verbreitet, seltenr ist hierzulande mit ihnen zu rechnen. € Die Ubertragung erfolgt haupts€achlich €uber Lebensmittel und Schmierinfektionen. Sie verursachen w€assrige, gelegentlich blutige Durchf€alle bei S€auglingen und Kleinkindern und das Krankheitsbild ist durch einen sich €uber Wochen hinziehenden Verlauf mit Gewichtsabnahme und Entwicklungsst€orungen gekennzeichnet. Eine Erkrankung bei Erwachsenen ist unwahrscheinlich.
Enterotoxinogene E. coli (ETEC) ETEC sind die typischen Erreger der Reisediarrh€oe‘‘ in vielen s€udlichen ’’L€andern. Sie sind dort auch die h€aufigsten bakteriellen Erreger der S€auglingsdiarrh€oe. ETEC-St€amme besitzen meist Fimbrien als Adh€arenzfaktoren, wobei verschiedene Fimbren-Antigene bekannt sind und die CFA1 und CFA2 (Colonisation factor antigens) die wichtigsten sind. ETEC bilden zwei Exotoxine. Das hitzelabile Exotoxin (LT) ist mit dem Choleratoxin sehr eng verwandt, aber biologisch weniger aktiv. Dagegen ist das hitzestabile Exotoxin (ST), welches 100 8C bis 30 Minuten €ubersteht, ein Peptid von 17 bis 19 Aminos€auren. In beiden F€allen bewirken die Toxine Diarrh€oe mit Fl€ussigkeits- und Elektrolytverlust. Auch ETEC kommt vorwiegend in warmen L€andern vor und ist dort bis zu 25% bei der Enteritis im S€auglings- und Kleinkindesalter beteiligt. In Mittel- und Nordeuropa sind sie auf Grund der besseren hygienischen Verh€altnisse selten. Touristen in warmen L€ andern € €dostasien) (Agypten, Mexiko, Su erwerben in einem nicht geringen Anteil diese Erreger und erkranken €e. dann an einer Reisediarrho € Die Ubertragung erfolgt durch kontaminierte Lebensmittel und durch Wasser auf f€ akal-oralem Wege. Es resultieren Cholera€ahnliche Diarrho €ren mit Symptomen in der Regel bis zu 5 Tagen, welche jedoch selbstlimitierend sind. Die wichtigste Pr€aventionsmaßnahme in warmen L€andern ist daher die
Einhaltung hygienischer Grundregeln sowohl bei Speisen als auch insbesondere bei Getr€anken (Wasser, Eisw€urfel).
Enteroinvasive E. coli (EIEC) Bei diesen handelt es sich meist um bestimmte O-Serogruppen und die plasmid-kodierten Proteine haben eine € funktionelle Ahnlichkeit mit dem Shigella- Enterotoxin‘‘. ’’ St€amme kommen Auch diese €uberwiegend in warmen L€andern vor, konkrete Zahlen €uber die Verbreitung € sind nicht bekannt. Die Ubertragung erfolgt gleichermaßen in der Regel €uber kontaminierte Lebensmittel. Befallen werden vor allem die Epithelzellen des Colon, wo sich die EIEC nach oraler Aufnahme vermehren. Nach Zerst€orung der Enterozyten mit entz€undlicher Reaktion werden Ulzerationen mit Absonderung von Blut, Schleim und Granulozyten gebildet. Daher €ahnelt das klinische Bild dem der bakteriellen Ruhr mit Fieber, w€assrigen und blutig-schleimigen Durchf€allen. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass EIEC in der Regel unbeweglich sind und leicht mit Shigellen verwechselt werden k€onnen.
Enteroh€ amorrhagische E. coli (EHEC) Auf Grund des deutschlandweiten EHECAusbruches im Jahr 2011 sind diese E. coli wieder ins Bewusstsein gedrungen. Enteroh€amorrhagische E. coli-St€amme sind Ursache einer h€amorrhagischen Colitis, wobei zus€atzlich – insbesondere bei Kindern – das h€amorrhagischur€amische Syndrom (HUS) und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) sowie neurologische Symptome verursacht werden k€onnen. Es sind mehr als 160 unterschiedliche Serovare mit EHEC-Eigenschaften beim Menschen nachgewiesen worden. Dabei ist das Adh€arenz-Protein Intimin chromosomal auf einer Pathogenit€atsinsel lokalisiert und Plasmid-kodierte Strukturbestandteile beinhalten ein Peroxidase-KatalaseSystem, eine Serinprotease und ein EHEC-spezifisches H€amolysin. EHEC-St€amme produzieren Zytotoxine, welche wegen ihrer Verwandtschaft mit dem Exotoxin von Shigella dysenteriae
Typ 1 auch als Shiga-Toxin (STX) bezeichnet werden. Dagegen ist das Plasmid-kodierte EHECH€amolysin ein porenbildendes Zytotoxin, welches von ca. 75% der EHEC-St€amme gebildet wird. Im Weiteren wird von vielen EHEC, insbesondere von der Gruppe O157, das auch bei EAggEC vorkommende hitzestabile, sekretorisch wirksame Enterotoxin EAST gebildet. Im Gegensatz zu vielen fakultativ pathogenen E. coli besitzen EHEC eine ausgepr€agte, stammabh€angige S€auretoleranz. Die Erreger €uberstehen einen pH-Wert von 2,5 €uber 5 Stunden. Die Hitzeresistenz ist allerdings vergleichbar mit denen der fakultativ pathogenen E. coli-St€amme. Das wichtigste Reservoir f€ur EHEC sind Wiederk€auer, insbesondere Rinder. Dagegen scheinen die bei Schweinen vorkommenden EHEC-St€amme f€ur Menschen keine Bedeutung zu haben. € Die Ubertragung erfolgt haupts€achlich €uber kontaminierte Lebensmittel, vor allem Rohmilch und Rohmilchprodukte und unzureichend gegartes Rindfleisch (Buletten, Burger etc.). Eine Direkt€ubertragung von Mensch zu Mensch ist nicht selten. Durch die sehr enge Haftung der Erreger an Darmenterozyten mit lokaler Ver€anderung der Struktur und nachfolgender toxinbedingter Sekretion von Fl€ussigkeit und Elektrolyten ist das Krankheitsbild gepr€agt. Die von EHEC gebildeten Shiga-Toxine STX1, STX 2 und STX2c wirken zytotoxisch auf Darmepithel, Nieren- und Endothelzellen. Dar€uber hinaus bewirken sie eine Fl€ussigkeits- und Elektrolyt-Sekretion, welchen durch die toxische Wirkung auf Darm und Endothelzellen Blut beigemischt sein kann. Bei der Entstehung des h€amolytisch-ur€amischen Syndroms (HUS) f€uhrt der Kontakt mit Erythrozyten zur Porenbildung und H€amolyse. Das Krankheitsbild ist dadurch gepr€agt, dass ca. 2 bis 5 Tage nach oraler Aufnahme w€assrige Durchf€alle mit schmerzhaften Darmkoliken mit oder ohne Fieber und Erbrechen auftreten. Bei ca. 20% der Erkrankten geht der Durchfall in eine h€amorrhagische Diarrh€oe €uber, die ein Risikofaktor f€ur anschließende Komplikationen ist. Bei Kindern unter 6 Jahren, vereinzelt auch bei Erwachsenen, kann sich etwa 1 Woche nach Erkrankungsbeginn und R€uckgang der Darmsymptome in ca. 5 bis 10% ein h€amolytisch-ur€amisches Krh.-Hyg. + Inf.verh. 39 Heft 2 (2017): 63–66 http://www.elsevier.com/locate/khinf
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Syndrom (HUS) entwickeln. Dieses ist gekennzeichnet durch eine h€amolytische An€amie, Fragmentation der Erythrozyten und Thrombozytenabfall. Die Sch€adigung kapill€arer Epithelzellen mit Bildung intravaskul€arer Mikrothromben kann auch in anderen Organen auftreten und zur thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura des Erwachsenen, zu zerebralen Krampfanf€allen mit bleibenden neurologischen Sch€adigungen, zur Pankreatitis und mit Ausbildung eines Diabetes mellitus oder zu toxischem Myokard-Schaden f€uhren. Etwa 10% dieser akuten Komplikationen f€uhren zum Tode, weitere 10 bis 30% zu dauerhaften Nierensch€aden mit Hypertonie, Niereninsuffizienz oder Dialyse- bzw. Transplantationspflicht. Nach Abheilen einer klinischen EHECInfektion werden die Erreger noch f€ur ca. 3 Wochen mit dem Stuhl ausgeschieden, in seltenen F€allen wurde eine verl€angerte Ausscheidung bis zu mehreren Monaten beobachtet. Bei der Therapie einer EHEC-Infektion ist zu beachten, dass unter Antibiotika-Gabe teilweise eine Verschlechterung des klinischen Bildes mit Entwicklung eines HUS beschrieben wurde. Die Behandlung beschr€ankt sich deshalb in der Regel auf einen Fl€ussigkeits- und Elektrolytersatz sowie bei Nierenbeteiligung auf Dialyse und Korrektur von Blutelektrolyten und harnpflichtigen Substanzen. Der große EHEC-Ausbruch in Deutschland im Fr€uhsommer 2011 mit €uber 3.800 teils schwersten Erkrankungen f€uhrte innerhalb von wenigen Wochen zum letalen Ausgang bei 53 Erkrankten. Er gilt als der gr€oßte Ausbruch, welcher je in Deutschland
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beschrieben wurde. Trotz vieler Recherchen ist nie eindeutig gekl€art worden, woher der Erreger stammte. Vermutet wurde die Einfuhr €uber aus € Agypten importierten Bockshornkleesamen, in denen der Erreger quasi schlief‘‘ und vor allem in einem nieders€’’achsischen Sprossenbetrieb aktiviert wurde. Unklar ist auch, warum sich im Gegensatz zu anderen EHECAusbr€uchen vor allem erwachsene Frauen infiziert haben. Gleichermaßen auff€allig ist, dass bei diesem Ausbruch der vorher kaum auff€allige Serotyp 0104: H4 eindeutig als Krankheitsursache identifiziert wurde. Vermutlich handelte es sich dabei um eine Kreuzung aus anderen Colibaktieren. Anders als bei anderen EHEC ist bei diesem Stamm der Wirt insbesondere der Mensch und kann direkt auf andere Menschen verbreitet werden, jedoch auch indirekt €uber Lebensmittel oder Wasser. Er wurde erstmals im Jahr 2001 isoliert, Ausbr€uche waren jedoch vor 2011 weltweit nicht bekannt. Weiteres besonderes Merkmal ist, dass EHEC 0104: H4 weitgehend gegen€uber Antibiotika resistent ist. In dem genannten Ausbruch wurden gem€aß Angaben des RKI 3.842 F€alle gemeldet, davon 2.987 F€alle von EHECGastroenteritis ohne Entwicklung von HUS und 855 HUS-Erkrankungen bei insgesamt 53 Todesf€allen. Bez€uglich der Quelle f€ur die bei diesem Ausbruch beteiligten EHEC-Erreger wurde eine kontaminierte Bockshornkleesamen-Charge vom Dezember 2009 als am wahrscheinlichsten vermutet. Es handelte sich dabei um die gleiche Charge, welche auch in Frankreich
verwendet wurde und dort zu einem etwas kleineren Ausbruch f€uhrte. Bis heute k€onnen keine der verschiedenen ge€außerten Thesen zur Entstehung dieses Ausbruches als widerspruchsfrei und €uberzeugend angesehen werden.
Zusammenfassung E. coli spielt eine herausragende Rolle als wichtigster Erreger nosokomialer Infektionen in Deutschland. Es handelt sich hierbei um St€amme, welche als fakultativ pathogen bezeichnet werden und welche sich bei den sp€ater Erkrankten bereits vorher im Darm physiologisch befanden. Durch den Mechanismus der Translokation aus dem Darm in Harnwege, Wunden, Lunge oder andere Organe wird das Infektionsgeschehen als endogene Infektion bezeichnet. Dieses ist durch die €ublichen umgebungsprophylaktischen krankenhaushygienischen Maßnahmen eher nicht vermeidbar. Vielmehr kann eine Reduzierung nur durch strenge Indikationsstellung bei der Anwendung von Devices und deren Anwendungsdauer erreicht werden. Die antibiotische Resistenz dieser E. coliSt€amme nimmt weiterhin zu und zwischenzeitlich sind ca. 10 bis 15% aller an nosokomialen Infektionen beteiligten E. coli sogenannte 3MRGN. Es ist daher neben dem sensiblen Umgang mit Devices erforderlich, im Bereich der Antibiotikatherapie sowohl in Praxis als auch im Krankenhaus restriktiver vorzugehen. (BW)