Flora 168, 540-557 (1979)
Entwicklungsgeschichte und Ultrastruktur von Pollenkitt und Exine bei nahe verwandten entomo- und anemophilen Angiospermen: Salicaceae, Tiliaceae und Ericaceae MICHAEL HESSE
Institut fUr Botanik und Botanischer Garten der Universitiit vVien
Development and Ultrastructure of Pollenkitt and Exine in Closely Related Entomo- and Anemophilous Angiosperms: Salicaceae, Tiliaceae and Ericaceae Summary The characteristics of pollen cementing (stickiness; total amount, structure and distribution of the pollenkitt; fine structure of the exine) have been studied in Salix caprea, Populus nigra and P. tremula (Salicaceae), Tilia platyphyllos and T. tomentosa (Tiliaceae), and Erica herbacea, Calluna vulgaris and Andromeda japonica (Ericaceae). The homogeneous, electron-dense pollenkitt of S. caprea fills up the interbacular cayes completely and is also situated on the outside layer of the exine; so the pollen is sticky and insectpollination is dominating. In contrast the also homogeneous, mostly electron-dense pollenkitt of P. nigra and P. tremula re1llains largely in the loculus, while only a little moves to the exine caves; the tectum is free of pollenkitt; so the pollen is powdery and the result is pollination by wind. In T. tomentosa and T. platyphyllos the mostly electron-dense (in part also foamy) pollenkitt is located preferably in the caves, but also in small amounts on the outer layer of the exine; so the pollen is only of medium stickiness, and pollination by insects and by wind is possible. In E. herbacea, C. vulgaris and A. japonica there is no pollenkitt sensu stricto at all: in the loculus tapetum-borne irregular globuli do not adhere on the exine; their nature remains obscure; there are no viscin-threads at all. Because of the "Streukegel"-mechanism the powdery pollen of the described Ericaceae allows pollination by wind.
Einleitung In del' Regel ist del' Pollen von Insektenbliitlern klobrig, del' von Windbliitlern dagegen trocken. Die Ursachen fiir die Pollenkle brigkeit sind insbesondere die Pollenklebstoffe (Pollenkitt, Viscinfiiden), aber auch Skulptur und Struktur del' Exine. Die Pollenklebrigkeit stellt eine meBbare GroBe del Pollenverkittung dar, deren sonstige Merkmale die Menge, die Struktur und die Verteilung de,; Pollenkitts und andererfleits die Feinstruktur del Exine sind. Die Pollenverkittung beschreibt das AusmaB del' postgenitalen Verklumpung einzelner Pollenkorner zu verschieden groBen Aggregatenl); sie ist bei insekten- und windbliitigen Angiospermen unterschiedlich ausgepriigt. Neben entomophilen und 1) Diesc postgenitale Verkittung fUhrt zu "funktionellen" Polyaden (WALKER 1976); sie darf nicht verwcchselt werden mit del" kongenitalen Aggregierung einzelner Pollenkorner zu Polyadcn (Dyaden, Tetraden, Massulae).
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anemophilen Sippen gibt es aber noch eine weitere Kategorie, deren Bel3taubungseinrichtungen sowohl Insekten- als auch Windbestaubung ermoglichen: ihr Pollen muB durch Insekten und durch Luftstromungen transportierbar sein; daher ist seine Klebrigkeit in der Regel nur mittelmaBig oder nimmt wahrend der Anthese stark abo Man nennt solche in allen Unterklassen der Angiospermen auftretende Sippen nach GRONEMEYER (1968) "ambophil". Die Pollenverkittung solcher Angiospermen vermittelt zwischen der Entomo- und der Anemophilie. Die vorliegende Publikation untersucht so wie friihere Beitrage (HESSE 1978d, e, f), inwieweit die Merkmale der Pollenverkittung fiir entomo- und anemophile Angiospermen charakteristisch sind. Es wurden aus der Untorklasse der Dilleniidae (Gruppierung nach EHRENDORFER 1978) die folgenden Sippen miteinander verglichen: 1. Die weitgehend insektenbestaubte Salix caprea mit Populus nigra und P. trernula (beides Windbliitler) aus den Salicaceae, wobei speziell die Frage der "sekundaren" Entomophilie bei Salix behandelt wird, 2. Mehrere insekten- und windbestaubbare Vertreter der entomophilen Gattung Tilia aus den Tiliaceae, und 3. Vertreter der Gattungen Calluna, Erica und Androrneda aus den Ericaceae; ihnen ist eine Streukegeleinrichtung gemeinsam (nur trockener Pollen rieselt auf die Bliitenbesucher; dadurch ist trotz hoher Anpassung an die Insektenbestaubung zumindest fallweise Windbestaubung moglioh).
Material und Methode Das Material entstammt teils Freilandaufsammlungen aus Nieder·Osterreich, teils Bestanden des Botanischen Gartens der Universitat Wien (HBV). Die angewendete Methode (Messung der Pollenklebrigkeit, Licht- und Elektronenmikroskopie) wurde bereits von HESSE (1978 d, 1979) ausfiihrlich dargelegt; dem braucht hier nichts hinzugefiigt werden.
Ergebnisse Salicaceae (Salix und Populus) Diese kleine Angiospermenfamilie wird aus den windbliitigen Pappeln (Populus) und aus den insektenbliitigen Weiden (Salix) gebildet. So wie aIle anemophilen Angiospermen besitzt nach heutiger Ansicht auch Populus entomophile Vorfahren; daher ist die Anemophilie als abgeleitet anzusehen. Dagegen wird seit ARBER und PARKIN (1907) die Entomophilie von Salix vielfach nicht als urspriinglich angesehen: Indizien lassen annehmen, Salix sei im Verlauf der Angiospermenevolution nach Aufgabe der primaren Entomophilie ihrer Vorlaufer iiber ein anemophiles Zwischenstadium zu einer sekundaren Insektenbliitigkeit zuriickgekehrt. Salix caprea L.: Zumindest in Mitteleuropa werden die Weiden unbestritten iiberwiegend von Insekten bestaubt. Nach verschiedenen Autoren sind aber bei manchen Sippen auch abiotische Faktoren wirksam: Nach WODEHOUSE (1935) wird Pollen amerikanischer Weiden durch Luftstromungen transportiert. EISENHUT (1959) bezeichnet S. capTea als teilweise windbestaubt. GRONEMEYER (1967) und LEUSCHNER (1974) weisen darauf hin, daB im Gegensatz zu den mitteleuropaischen die nordeuro-
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paischen Sippen der Gattung Salix als ± windbllitig anzusehen sind, weil unter anderem der Pollen dieser Sippen nicht klebrig sei. Dagegen stellt KEVAN (1972) bei S. arctica PALL. auf Ellesmere Island nur Insektenbestaubung fest; auBerdem lehnt er die Meinung ab, in arktischen Klimaten trete generell die Insekten- zugunsten der Windbltitigkeit zuriick. Die Ansichten divergieren aber nicht nur in der Frage del' Dominanz del' Entomo- oder der An!}mophilie, sondern auch bezliglich del' "sekundaren" Entomophilie (TAKHTAJAN 1959 u. a. sind der Ansicht, Salix sei tiber ein anemophiles Zwischenstadium zur Insektenb1litigkeit zurlickgekehrt, wogegen etwa DAUMANN 1972 dies verneint). Bekanntlich werden mannliche und weibliche Pflanzen haufig von Insekten (beispielsweise von Honigbienen) besucht (KNUTH 1898). Abgesehen von den als Lockmittel wirkenden Nektarien fehlt del' mannlichen Einzelbllite jegliche Schauapparateinrichtung. Durch d8s Zusammenfassen der Einzelblliten zu den "Katzchen" mit hoher Schauwirkung wird dieser Mangel bei weitem wettgemacht. Nach eigenen Untersuchungen haftet del' Pollen von S. caprea ffir eine angeblich ausschlieBlich insektenbestaubte Pflanze nicht gut genug. Etwa ein Drittelder Pollenkorner ist abklopfbar, rund ein Viertel abblasbar. Der Rest - nicht ganz die Halfte del' ursprlinglichen Menge - verbleibt auf dem Objekttrager. Die Pollenklebrigkeit nimmt nach del' PollensackOffnung nicht wesentlich abo Bei S. caprea fehltein Tectum ganzlich (ist abel' bei anderen Arten, etwa S. humilis MARSHALL, vgl. ROWLEY und ERDTMAN 1967, sehr wohl vorhanden). Die Bacula sind stets relativ hoch und stehen weit auseinander. Zumindest bei S. caprea ist daher eine Skulpturierung deutlich ausgepragt. Die interbacularen Zwischenraume (= infrasexinosen Kavernen) sind dementsprechend voluminos. Das Tapetum produziert verhaltnismaBig viel Klebstoff. Ahnlich wie bei Populus (vgl. unten) verharrt der Pollenkitt lange Zeit an der Loculuswand (Abb. 1). Kurz. vor der Pollenf'ackoffnung wird davon das meiste "aktiv", und nur eine kleine Klebstoffmenge verbleibt an der Loculuswand. Der Pollenkitt flillt die interbacularen Zwischenraume vollstandig aus und ragt - da kein Tectum vorhanden ist - noch libel' die Baculaspitzen. Auf dieser Tatsache beruht im wesentlichen die im Vergleich zu Populus deutlich hoheIe Pollenklebrigkeit, obwohl yom Tapetum in beiden Fallen etwa gleich viel Klebstoff produziert wird (Abb. 2b). Der Pollenkitt ist sehr elektronendicht, aber nicht homogen, da er vielfach rissig und mit Hohlraumen versehen ist (Abb. 2a).
Populu8 nigra L. und P. tremula L.: Nach KNUTH (1898) werden die Pappeln zwar fallweise von Insekten besucht, allgemein gelten sie jedoch als rein windbllitig. Demnach sollten sie trockenen Pollen und keine oder nur geringfligige Klebstoffmengen aufweisen. POHL (1930) fand bei P. nigra keinerlei Pollenkitt; dagegen steUen ROWLEY und ERDTMAN (1967) auf Grund elektronenoptischer Untersuchungen in den Exinekavernen des Pollens von P. tremula relativ groBe Klebstoffmengen fest. Nach eigenen Untersuchungen unterscheiden sich die beiden Pappelarten in ihrer Pollenverkittung nur wenig. In beiden Fallen haftet der Pollen auBerst schlecht:
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Abb. 1. Salix caprea. Mit Hohlraumen versehene, homogene Pollenkittklumpen markieren den Standort der einstigen Tapetumzelle, von der nur noch eine Membran als Abgrenzung zum Loculus erhaJten ist. Erst nach ihrer Auflosung vermag sich der Pollenkitt von der Loculuswand (links unten) zu den Pollenkornern zu begeben (4700fach).
Nur rund 10 % der Pollenkorner bleiben nach dem Umdrehen des Glasobjokttragers liegen, lassen sich jodoch sohr leicht wegblasen. Die Exine besitzt in beiden Fallen ein gut ausgebildetes, aber nur unvollkommen geschlossenes Tectum mit vielen Perforationen. Dio Skulpturierung ist deutlich schwacher als bei S. caprea. Ebenso sind wogen der niedrigen und eng beieinander~ stehenden Bacula die Volumina der infrasexinosen Kavernen (= interbacularen Hohlraume) deutlich kleiner als bei S. caprea (Abb. 3). fiberraschenderwe ise produziert Populus eine fiir Windbl iitler g a n z bet r a c h t 1i c he Pollenkittmenge, deren Wirkungsgrad jedoch aus mehreron Griinden auBerst goring ist: 1. Der Pollenkitt bleibt in Gestalt voluminoser, homogoner und sehr elektronendichter Klumpen so gut wie bis zur 6ffnung des Pollensacks an der Loculuswand liegen. Diese auffallend groBen Pollenkitttropfen bleiben unter oiner membranosen
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Abb. 2. Salix caprea. a) Der Pollenkitt weist zum Zeitpunkt seines Flottierens im Loculus neb en verschiedenen granularen Einschliissen (Pfeile) vielfach geschiehtete Komponenten unterschiedlieher Elektronendichte auf (13 OOOfach). b) Der Pollenkitt bedeckt nach seinem Absetzen weitgehend die Bacula (im Vergleieh zum Pollenkitt elektronendiehtere, etwa kegelformige Gebilde, Pfeile) (15200faeh).
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Abb.3. Populu8 nigra. a) Nach der Tapetumdegeneration liegen homogene Pollenkittklumpen der Loculuswand an; sie sind von den Pollenkornern durch eine Membran getrennt, die ebenso wie die der Membran auLlen anliegenden Ubisch-Korper (Asterisk) ein Tapetumderivat darstellt. Die Exine ist zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen frei von Pollenkitt (3800fach)_ b) In deninterbacularen Raumen befinden sich kleine, teilweise geschichtete, elektronendichte Pollenkitttropfen (Pfeile) (10 200fach). . unmi~telbar
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"Raut", die offensichtlich einen Uberrest der degenerierten Tapetumzellwand darstellt, eingeschlossen. Daher vermag er nicht, in den Loculus auszutreten (Abb. 3a); 2. Unmittelbar vor der Offnung des Pollensacks reiBt bei einzelnen Klumpen diese "Raut" auf und entlii,Bt eine kleine Klebstoffmenge in den Loculus; 3. Diese kleine Menge setzt sich n ur in d~n infrasexinosen Hohlraumen ab, wahrend die Oberflache der Exine (Bacula, Tectum) frei bleiben. Die in der Exine versenkten Klebstoffe sind zwar ebenso elektronendicht wie die am Loculusrand verbleibenden, doch wesentlich inhomogener: Sie bestehen oftmals aus Fasern oder aus Schichtungen (Abb. 3 b)1). SchluBfolgerung: Die beidon untersuchten Pappelarten sind als reine Windbltitler anzusehen. Vorausgesetzt, die Evolution der Bestaubung tendiert bei Populus, so wie bei vielen Angiospermen, von der Entomo- zur Anemophilie, liegt folgende Deutung nahe: Die Merkmale der Pollenverkittung (Menge, Struktur und Verteilung des Pollenkitts; Feinbau der Exine) lassen annehmen, daB Populus vor nicht allzu langer Zeit nochambophil2) gewesen ist. Darauf weist nicht nur der fallweise starke Insektenbesuch, sondern vor allem die unverhaltnismaBig groBe, homogene und elektronendichte Klebstoffmenge hin, die auf eine gleichsam "elegant" zu nennende Weise vollkommen inaktiviert wird. Andererseits laBt sich dadurch gleichsam eine gewisse "Praformierung" fiir die Insektenbestaubung erkennen, die gegebenenfalls realisiert werden konnte. Salix caprea kann nach den Merkmalen der Pollenverkittung nicht als rein entomophil, sondern nur als ambophil bezeichnet werden. Dafiir sprechen die Menge, die Struktur und die Verteilung des Pollenkitts, der Bau der Exine und besonders die aus den angefiihrten Faktoren resultierende eher maBige Pollenklebrigkeit. Die Pollenkittmenge, die im Tapetum produziert wird, ist bei Salix caprea und den beiden Pappelarten jeweils ungefahr gleich groB; bei S. caprea wird sie jedoch wesentlich zielfiihrender eingesetzt, woraus sich die deutlich bessere Pollenklebrigkeit im Vergleich zu den Pappeln erklart3 ). Die gleichen Merkmale, aber insbesondere der Feinbau der Exine (die Skulpturierung), sprechen in gewissem AusmaB fiir die These der sekundaren Anpassung an die Entomophilie der Gattung Salix (vgl. die Diskussion). Falls aber ein Ubergang von der (sekundaren) Anemophilie zur (sekundiiren) Entomophilie stattgefunden hat, ist er sicherlich noch nicht abgeschlossen. 1) Die nach ROWLEY und ERDTlI1AN (1967) urn nahe den Pollenkornern gelegenen membranosen Pollenkittklumpen konnten weder bei Populu8 noch sonst gefunden werden. 2) Diesen Ausdruck verwendet GRONEMEYER (1967, 1968) zur Kennzeichnung tier- und windbestaubter Sippen. Damit synonym sind die Bezeichnungen "amphiphily" (W ODE HOUSE 1911) und "Windblume" (KNUTH 1898). 3) Wie die Fotos in ROWLEY und ERDTMAN (1967) erkennen lassen, bedeckt bei S. humili8 der von den Autoren "tryphine" genannte Pollenkitt (vgl. dazu die Diskussion der Terminologie in HESSE 1978 b) weitgehend das gut ausgebildete Tectum, wandert aber ni ch t in die infrasexinosen Hohlraume ein. Der optimale Einsatz der produzierten Pollenkittmenge laJ3t auf eine gute Pollenklebrigkeit schlieJ3en; S. humili8 erscheint deswegen besser an die Entomophilie angepaJ3t als S. caprea.
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Tiliaceae (Tilia platyphyllos SCOP. und T. tomentosa MOENCH) Die heimischcn Linden werden haufig von Insekten (Nachtfalter, BieneIl) be:mcht und bestaubt; die altere Literatur (vgl. KNUTH.1898) sieh~ sie deswegen als ausschlieBlich insektenbestaubt an. Gegen eine solche Ansicht spricht bereits das haufige Auftreten des Lindenpollens in Pollendiagrammen; Transp()rt.ftber groBere_Entfernungen muB also moglich sein, und schon deswegen kann ..z ll mindest gelegentliche Windbestaubung nicht ausgeschlossen w\'lrden. Dementsprech~nd gelten in der jtingeren Literatur die verschiedenen Tilia-Arten als insekten- und windbestiiubt: EISENHUT (1959) bezeichnet T. platyphyllos ScOP. und T. corddtaMI:f-L. ,als in erster Linie windbestaubt und sieht die Rolle der Insekten als zweitrangigwa.1(ihm folgt auch KUGLER 1970). Dagegen steht ANDERSON (1976) auf dem entgegengesetzten Standpunkt: T. platyphyllos u. a. sind bevorzugt insektenbestaubt, die Windbestaubung spielt nur eine geringe Rolle. T. tomentosa MOENCH wurde von beiden nicht untersucht. Die Frage war nun, inwieweit bei den Linden Windbestaubung tatsachlich moglich ist, zumal auch die Kle brigkei t des Lindenpollens bislang noeh nie untersucht 1vorden ist. Die vorliegende Publikation zeigt im AnschluB an eine detaillierte Studie tiber die Entstehung des Pollenkitts bei Tilia (HESSE 1978a), daB nach den Merkmalen del' Pollenverkittung bei den Linden Windbestaubung sehr wohl moglich ist, und daB nicht a priori yom Bltitenbau auf die Bestaubungsart geschlossen werden darf. Tilia platyphyllos besitzt hangende, gelbliche, stark nach Honig duftende BWten ("nektarftihrende Scheibenblumen" KUGLER 1970) mit hohen Schauapparatqualitaten. Daher sollte auch derPollen gut an die Insektenbestaubung angepaBt sein. Nach der Klebrigkeit und mehr noch nach den Merkmalen del' Pollenverkittung ist dies jedoch nicht der Fall! Rund ein Drittel dES ausgebeutelten Pollens fallt beim Umdrehen des Glasobjekttragers ab, ein weiteres Drittel bietet den Scherungskriiften wenig Widerstand, und nur das restliche Drittel haftet gut. 1m Bau der Exine unterscheiden sich die Linden nur geringftigig. So gibt es nach STRAKA (1975) und GUGGENHEIM (1975) etwa zwischen T. platyphyllos und T. cordata so gut wie keine Unterschiede. Nach eigenen Untersuchungen differieren aber T. platyphyllos und T. tomentosa doch in einigen Punkten: Bei T. platyphyllos ist das Tectum etwas dtinner und VOl' aHem weniger geschlossen, da die Elemente del Sexine (die Bacula) distal weniger weitgehend verwachsen sind; daher finden sich vergleichsweise viele Tectumperforationen. Bei beiden Arten sind die Bacula gleich dick und gleich weit voneinander entfernt; die Bacula von T. platyphyllos sind aber etwas hoher als bei T. tomentosa, und deswegen sind auch ihre infrasexinosen (= interbacularen) Hohlraume etwas groBer. SchlieBlich ist bei T. platyphyllos die Skulpturierung starker als bei der Vergleichsart (Abb. 4a, b). Das Antherentapetum produziert eine verhaltnismaBig sehr groBe Klebstoffmenge (vgl. HESSE 1978a). Der Pollenkitt ist kurz vor dem Absetzen auf der Exine keineswegs homogen, sondern auffallend schau mig (Abb. 4a). Er wird weitgehend in den interbacularen Raumen abgesetzt, die er als hochviskose, kompakte, sehr elektronendichte Masse meist vollstandig ausfilllt. Dagegen wird auf dem Tectum nur eine geringftigige 36'
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Abb. 4. a) Tilia platyphyllos. Der Pollenkitt driftet in Gestalt kleiner, kompakter oder hohler, aber stets elektronendichter Globuli im Loculus und setzt sich nach Passieren der Tectumperlorationen in den interbacularen Raumen ab (10500fach). b) Tilia tomentosa. Der homogene, sehr elektronendichte Pollenkitt flillt die interbacularen Raume weitgehend aus, setzt sich jedoch in geringem Umfang auch auf dem Tectum ab (Pfeil). 1m Loculus verbleiben Starkekorner, elektronentransparente Plastoglobuli und granulares, nicht lipides Material (10500fach).
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Menge inhomogenen und viel£ach elektronentransparenten Pollenkitts abgelagert. SchlieBlich verbleibt eine Menge lipider Substanzen dauernd an der Loculuswand und wird nicht zu den Pollenkornern transportiert. Die Pollenkittmengo wird also weitgehend inaktiviert, so daB eino nur mittelmaBige Pollenklebrigkoit das Resultat ist. Tilia tomentosa MOENCH: Die wiirmere sudosteuropaische Heimat lieB erwarten, daB diese Art besser an die Insektenblutigkeit angepaBt ist alf. die in kuhleren, vielleicht windreicheren Regionen beheimatete T. cordata1 ). Das Merkmalsyndrom der Entomophilie ist also bei T. tomentosa starker ausgepriigt als bei T. platyphyllos: Die hiingenden Eluten tendieren noch starker ins Gelbliche, wodurch eine noch ausgepragtere Insektenanlockung zu erwarten ist. Die Pollenklebrigkeit ist aber nur geringfugig besser als bei der Vergleichsart; fUr eine entomophilo Sippe haftet der Pollen ungewohnlich schlecht. Auffallenderweise produziert das Antherentapetum von T. tomentosa weniger Pollenkitt als das von T. platyphyllos (vgl. HESSE 1978a). Da der Pollen aber etwas besser klebt, muB die geringere Klebstoffmenge einen vergleichsweiso hoheren Grad an Effektivitat besitzen. Diese Ansicht wird durch folgende Punkte unterstutzt: 1. Es fehlen die schaumigen Pollenkittstrukturen, der Klebstoff iRt wesentlich homogener; 2. Von den produzierten lipiden Stoffen verbleibt kaum etwas am Loculusrand, der Klebstoff wird praktisch zur Ganze auf den Pollenkornern abgesetzt; 3. Wegen ihres geringeren VolumenR konnen die interbaculiiren Kavernen weniger Pollenkitt aufnehmen, so daB 4. trotz der geringeren absoluten Menge auf dem Tectum von T. tomentosa mehr Pollenkitt liegt als bei T. platyphyllos (Abb. 4b). Offensichtlich ist besonders dieser letzte Punkt fUr die Pollenklebrigkeit der Linden entscheidend und nicht die yom Tapetum produzierte absolute Klebstoffmenge allein. SchluBfolgerung: Der Pollen beider Tilia-Arten wird wegen der mangelhaften Klebrigkeit verhaltnismaBig leicht durch Luftstromungen verfrachtet. Die nach den Blutenmerkmalen rein entomophilen Linden sind nach den Merkmalen der Pollenverkittung insekten- und windbestaubbar. Ob aber auch bei den heimischen Linden Windbestaubung in so geringem Umfang eintritt, wie es ANDERSON (1976) fUr T. americana L. angibt, ware experimentell zu uberprufen. Dabei ist nach den Merkmalen der Pollenverkittung, aber auch nach dem Bliitenbau Windbestaubung in nennenswerten Umfang bei T. platyphyllos wohl eher zu erwarten als bei T. tomentosa.
Ericaceae (Erica, Calluna und Andromeda) Manche Vertreter der Ericaceae bcsitzen Glockenblumen mit einer Pollen-Streuvorrichtung, einem "Streukegel": Aus den hangenden Bluten rieselt der weitgehend trockene Pollen auf die Blutenbesucher. Der Typus der Glockenblume zeigt, daB Insektenbestaubung zweifellos die Regel ist. Nach KERNER (1891) kommt es jedoch 1) Nach stichprobenartigen Untersuchungen untcrscheidet sich T. cordnta in den ::\I[erkmalen der Pollenverkittung tatsi:i,chlich nur unwesentlich von T. platyphyllos.
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bei Er!:ca und Calluna (Ericoideae) gegen Ende der Anthese zur Windbestaubung, und nach KUGLER (1970) wird der "mehlige" Pollen durch Insekten, aber auch durch den Wind tibertragen. DAUMANN (1972) sieht deswegen insbesondere Calluna als Ubergangsform von der Insekten- zur Windbltitigkeit an. Andromeda (Andromedoideae; STEVENS 1970) gilt als entomophil und teilweise autogam (KUGLER 1970); iiber die Pollenverkittung ist jedoch nichts bekannt. Es war die Frage, ob und inwieweit die bltitenbiologischen Besonderheiten dieser gut an die Entomophilie angepaBten Sippen (insbesondere der Streukegel) sich auf die Pollenverkittung auswirken.
Erica herbacea L. [syn.: E. carnea L.] wird nach KNUTH (1898) und KUGLER (1970) von verschiedenen Insektengruppen besucht. Der Pollen haftet nach eigenen Untersuchungen stets sehr schlecht: Unmittelbar nach dem Umdrehen des Glasobjekttragers fallt mehr als die Halfte der Pollentetraden ab; fast der gesamte Rest laBt sich leicht abblasen, nur sehr wenig bleibt haften. Die Exine weist ein gut ausgebildetes, weitgehend geschlossenes Tectum auf, da die Elemente der Sexine (die Bacula) distal weitgehend verwachsen sind. Das Tectum enthiilt nur wenige schmale Perforationen. Die Bacula sind niedrig und die FuBschicht dick: daher sind die infrasexinosen Ka vernen sehr klein. ]\fit dem Liehtmikroskop sind auf den Pollentetraden vereinzelt kleine, mit SUDAN III farbbare Tropfen zu sehen; ohne Hilfe des EM wtirde man sic ohne weiteres als Pollenkitt bezeiehnen. Elektronenmikroskopisch sind niimlieh auff2Jlenderweise naeh der Tapetumdegeneration zwischen und auf den Pollentetraden keine Substanzen zu finden, die man ohne Bedenken als "Pollenkitt" anspreehen konnte. Dagegen treten neben Ubiseh-Korpern vGreinzelt zwischen den Pollontetraden bzw. auf der Exine elektronendiehte, annahernd kugeIige, homogene, aber skulpturierte Gebilde auf. Sie unterseheiden sieh von Ubiseh-Korpern insofern, als sie deutlieh groBer und regelmaBiger sind, nicht der Wand der ehemaIigen Tapetumzellen anIlegen und vor allem nieht die fUr Ubiseh-Korper typische zentrale, untersehiedlich elektronendiehte Struktur aufweisen (Abb.5b). Diese Gebilde sind ohne Zweifel mit den liehtoptisch erkennbaren "fettigen" (da mit SUDAN III farbbaren) Tropfen gleiehzusetzen. Urn "Pollenkitt" im tibliehen Sinn (d. h. hoehviskose glatte Gebilde untersehiedIieher GroBe, meist untersehiedIieher Dichte) handelt es sich dabei aber zWE'ifellos nicht.
Calluna vulgaris (L.) HULL weist nach KNU'l'H (1898) haufigen Insektenbesuch auf. Die Einzelbltite ahnelt in Bau und Attraktivitat sehr der von E. herbacea. Der Pollen haftet au Berst schlecht und tibertrifft diesbeztiglieh den Pollen von E. herbacea bei weitem: Beim Umdrehen des Objekttragers oder auch nur bei seinem Kippen fallt fast die gesamte ausgebeutelte Pollenmenge ab, wahrend der geringfUgige Rest leicht weggeblasen werden kann. Die Elemente der Sexine (die Bacula) sind wie bei E. herbacea weitgehend verwachsen, das gut ausgebildete Tectum weist kaum Perforationen auf. Das Tectum und auch die FuBschicht sind noch dicker als bei E. herbacea, und da die Bacula selbst ungemein niedrig sind, sind die interbacularen t = intrasexinosen) Riiume winzig klein.
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Abb. 5. a) Galluna vulgari8. Das degenerierende Tapetum enthiilt neben Ubisch·Kornern (Doppel. pfeil) mehrere elektronendichte Gebilde (Kreuze), die nur bedingt als Pollenkitt zu bezeichnen sind (9800fach). b) Erica herbacea. In Wlmittelbarer Nachbarschaft der Pollentetraden liegen verein· zeIt anniihernd kugelige skulpturierte Gebilde; sie sind nicht ohne weiteres mit "Pollenkitt" gieichzusetzen (4200fach). c) Andromeda·japonica. Die Plastiden des Antherentapetums produzie. ren osmiophile GlobuIi, aus denen jedoch spiiterhin kein Pollenkitt iiblicher Art wird (13 50Ofach).
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Lichtoptisch ist wedel' im Loculus noch auf dem Sporoderm Pollenkitt zu finden. Elektronenoptisch erkennt man zwar im Tapetum eine geringftigige Menge offensichtlich in den Plastiden hergestellter lipider Substanz, die in dies em Stadium als "Pollenkittvorstufe" deutbar isp (Plastiden pflegen jedoch haufig lipide Globuli, die keineswegs immer Pollenkitt' darstellen, zu produzieren). Diese Substanzen verbleiben anscheinend weitgehend zeitlebens an der Loculuswand und werden sichtlich weder in den Loculus noch gar auf die Exine gebracht. Pollenkitt, so wie er tiblicherweise auftritt (vgl. eine Definition in HESSE 1978b), findet sich wedel' im Loculus noch auf odeI' in der Exine. Wie bei E. herbacea finden sich wiederum nur vereinzelt Gebilde, die von Ubisch-Korpern klar zu unterscheiden sind, aber ebenso weder Viscinfaden noch "Pollenkitt" im eigentlichen Sinn darstellen (Abb. 5a). Sie sind anniihernd kugelig, ihre Oberflache ist stets skulpturiert (kleine Protuberanzen); ihr Inneres ist vollstandig homogen, es fehlen die fUr Ubisch-Korper und Viscinfaden typischen Zonen unterschiedlicher Elektronendichte. Andromeda japonica THUNB. entspricht im Bltitenbau und in der Struktur der Exine den beiden anderen Ericaceen. Der Pollen haftet etwa so schlecht wie del' von C. vulgaris. Auch bei A. japonica findet sich kein Pollenkitt. Zwar findet man in den Tapetumplastiden nach der Meiose Lipidtropfen, aus denen ansonsten der Pollenkitt zu entstehen pflegt (vgl. HESSE 1978b), in alteren Stadien findet man aber davon nichts mehr (Abb. 5c). Nach der Tapetumdegcneration treten dagegen im Loculus so wie bei C. vulgaris und E. herbacea kugelige, sehr elektronendichte Korper mit gezacktem Rand auf, die sich auch nicht auf den Pollenkornern absetzen; die Exine bleibt vollstandig klebstofffrei. SchluBfolgerung: Die 3 untersuchten Vertreter der Ericaceae (C. vulgaris und E. herbacea aus den Ericoideae, A. japonica aus den Andromedoideae) produzieren Stoffe, die weder mit den Viscinfaden noch mit einer der sonst tiblichen Erscheinungsformen des Pollenkitts zu vergleichen, aber auch nicht mit Ubisch-Korpern zu verwechseln sind!). Ftir das Fehlen von "Pollenkitt" (zumindest in seiner tiblichen Gestalt) ist nul' eine Erklarung moglich: Der Pollen muB aus den Bltiten ungehindert auf die Besucher rieseln. Jegliches "Kleben"kann die Bestaubung nurerschweren, da der trockene herabrieselnde Pollen ohnehin im Haarkleid der Bltitenbesucher haften bleibt. Verstandlicherweise kann der schlecht haftende Pollen gleichsam nebenbei noch durch Luftstromungen verfrachtet werden. Damit ist eine zusatzliche Bestaubungschance gegeben, die in Anbetracht der sehr schlechten Pollenklebrigkeit bei C. vulgaris groBer ist als bei E. herbacea und A. japonica. Dartiber hinaus kann man im Fehlen einer relevanten Pollenkittmenge (die beschriebenen Globuli konnen bestenfalls wohl nur als "inaktive" Derivate lipider Substanzen betrachtet werden) eine "Priiformierung" fUr eine Dominanz del' Windbestaubung erblicken. 1) Nach eigenen unverOffentlichten Untersuchungen bildet Rhododendron fortunei LrxDL (Ericaceae-Rhododendroideae) ebenso wie die Onagraceae Viscinfaden, aber - als einzige unter rund 80 untersuchten Angiospermensippen - ii berhaupt keinen Pollenki tt, auch nicht solche ausgefallenen Gebilde wie die 3 anderen untersuchten Ericaceae! Merkwiirdigerweise produzieren die Onagraceae aber neben den Viscinfaden sehr wohllipiden Pollenkitt (vgl. HESSE 1978f)!
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Diskussion 1. Zur Frage der "sekundaren Entomophilie" der Gattung Salix Nach heutiger Ansicht sind die Angiospermen urspriinglich zoophil, und die in verschiedenen Gruppen auftretenden Windbliitler sind danach als abgeleitet anzusehen (vgl. CRONQUIST 1968; EHRENDORFER 1978 u. a.); die gegenteilige Meinung wird nur selten vertreten (z. B. MEEUSE 1973). Es gibt aUerdings nur wenige Argumente, die eindeutig fUr oder gegen die genannten Lehrmeinungen sprechen. In diesem Zusammenhang steUt das offensichtlich ubiquitare Auftreten des PoUenkitts bei insekten- und windbliitigen Angiospermen ein noch unbekanntes Argument dar. Nach eigenen Untersuchungen (HEssE 1978a, b, c) wird Pollenkitt stets auf ghiche Weise, am gleichen Ort und im Prinzip in gleicher Form produziert1 ). Dies spricht fUr die Ansicht, aUe angiospermen Windbliitler seien von tier- (wahrscheinlich insekten-)bliitigen Vorfahren abzuleiten. 1m Zuge der Angiospermenovolution scheint eine Riickkehr windbliitiger Sippen zur Tier- (Insekten-) Bestaubung moglioh zu sein. Das Zusammentreten eingeschlechtiger, schauapparatloser, oft nackter Einzelbliiten zu auffaUenden, faUweise zwittrigen, stets aber fiir Bliitenbesucher attraktiven Bliitenstanden legt eine solche Deutung jedenfalls nahe (z. B. Euphorbia-Cyathien, "Katzchen" von Salix; vgl. etwa TAKHTAJAN 1959). DAuMANN (1972) und andere Autoren lehnen jedoch diese "sekundare" Entomophilie als unbeweisbar abo Ob die Entomophilie der Gattung Salix primar oder sekundar ist, ist bislang nicht entschieden. Der sicherlich nur geringe Anteil der Windbestaubung laBt sich danach auf zweierlei Art deuten: Entweder beginnt Salix erst zurWindbliitigkeit iiberzugehen, oder ist iiber ein anemophiles Zwischenstadium weitgehend zur Insektenbestaubung zuriickgekehrt. Die letztere Annahme (ARBER und PARKIN 1907, TAKHTAJAN 1959) stiitzt sich hauptsachlich auf das (bei dieser Deutung erneu te) Auftreten von Nektarien in beiden Geschlechtern bei einem ansonsten total reduzierten Schauapparat der Einzelbliite 2 ). Dagegen nimmt DAuMANN (1972) an, daB es sich bei den Nektarien um Reste einer primaren Entomophilie handelt. Fiir manche Autoren, etwa CRON-
1) Ein reprasentativer Querschnitt durch aile Unterklassen der Angiospermen - 80 Arten aus 29 Familien - laEt diese Aussage zu. Neben vie len rein entomophilen und ambophilen Sippen wurden auch extreme Windbliitler aus den BetuIaceen, Fagaceen, Cyperaceen, Poaceen u. a. FamiIien untersucht. Mit einer einzigen Ausnahme werden zumindest in Spuren Pollenkitt oder pollenkittartige Substanzen produziert. Der einzige negative Fall ist Rhododendron fortunei: als pollenverkittendes Agens dieser zweifellos entomophilen Sippe dienen Viscinfaden, es fehIen jedoch Pollenkitt bzw. pollenkittahnliche Substanzen (vgl. die Ericaceen der vorliegenden Publikation) zur Ganze. 2) Den windbliitigen Pappeln fehlen die Nektarien; es isn jedoch noch ein winziger Perianthrest vorhanden, der nach heutiger Ansicht nur aus einem Evolutionsstadium stammen kann, in dem die Vorlaufer von Populu8 entomophil waren.
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QUIST (1968) ist diese Frage unentscheidbar. pie Untersuchung der Merkmale der Pollenverkittung bei den Salicaceae e'rbrachte nun ein Indiz fiir die Annahme einer sekundaren Entomophilie bei Salix. Nach eigenen Untersuchungen an nahe verwandten insektfn- und windbliitigen Vertretern der Ranunculaceae, Hamamelidaceae, Fagaceae, Polygonaceae, Plantaginaceae, Scrophulariaceae (HESSE 1978d, e, 1979) und anderer Familien (z. B. Tiliaceae, vorliegende Veroffentlichung) besitzen Insektenbliitler meistens Bacula mit einem hohen distalen Verschmelzungsgrad (also ein weitgehend geschlossenes Tectum) und kleinvolumige infrasexinose Hohlraumsysteme. Dagegen zeigen die entsprechenden naheverwandten Windbliitler eine geringere distale Baculaverschmelzung (ein allenfalls vorhandenes Tectum ist weniger geschlossen) und pan-dIe I dazu groBe infrasexinose Hohlraume. Die untersuchten Vertreter der Salicaceae durchbrechen diese Regel: Die zweifellos anemophiIen Pappeln besitzen starker distal verwachsene Bacula, ein besser ausgebildetes Tectum und kleinere infrasexinose Raume als die entomophile Salix caprea. Diese Ausnahme von der obigen Regel laBt sich unterschiedlich deuten: 1. In den verschiedenen Verwandtschaftskreisen diver gieren die Evolutionstendenzen. Eine funktionelle Interpretation der Merkmale "distale V erschmelzung der Bacula" und "Volumen der infrasexinosen Hohlraumsysteme" spricht jedoch gegen diese Ansicht: Um klebrigen Pollen zu erhalten, muB der meist reichliche Pollenkitt auf dem womoglich gut ausgebildeten Tectum abgcsetzt werden, nachdem die womoglich kleinen infrasexinosen Raume aufgefiillt sind. Dagegen wird die in aller Regel geringere Klebstoffmenge der Windbliitler "inaktiviert", indem sie beispielsweise zur Ganze in den womoglich voluminosen infrasexinosen Raumen verschwindet, und auf dem allenfalls vorhandenen Tectum kein oder nur wenig Pollenkitt abgelagert wird; nur so entsteht trockener Pollen, selbst wenn viel Pollenkitt produziert wird. 2. Die Evolutionstendenzen verlaufen immer und iiberall gleic hsinnig. Die Schwierigkeiten bei der Interpretation der erwahnten Merkmale werden dabei vermieden. Nach dieser These sind die Exinen der nach EISENHUT (1959) insekten- und windbestaubten S. cap rea und der nach den Merkmalen der Pollenverkittung besser als S. caprea an die Entomophilie angepaBten S. humilis (ROWLEY and ERDTMAN 1967) weiter evoluiert als die der windbestaubten Pappeln. Eine Weiterentwicklung kann aber dann nur eine Riickkehr zur Entomophilie, aber keine Abkehr bedeuten. Weitere Untersuchungen sind als Belege fiir diese Ansicht allerdings wiinschenswert. 2. "EntomophiIie" versus "Entomogamie": Trotz unterschiedlicher Bedeutung der Suffixe ,,-phil" und ,,-gam" werden die beiden Bezeichnungen vielfach, meines Erachtens aber zu Unrecht, synonym verwendet1 ). Unabhangig davon ob und inwieweit Insektenbestaubung auch eintritt, setzt die Insektenbliitigkeit (= Entomophilie) die Ausbildung bestimmter bliitenbiologischer Merkmale, wie etwa Farbe, Form und Geruch der Bliite, voraus. Neben diesen und 1) "Entomophilie" kennzeichnet einen Zustand, "Entomogamie" dagegen einen Vorgang: der Pollen wird also durch Entomogamie auf die Narbe einer entomophilen Pflanze gebracht.
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anderen Merkmalen ist aber auch die Pollenverkittung (Klebrigkeit; Menge, Struktur und Verteilung des Pollenkitts; Feinbau der Exine) von groBer Bedeutung. So besitzen entomophile Sippen in der Regel hochentwickelte Einrichtungen zur Insektenanlockung und klebrigen Pollen, anemophile Sip pen dagegen keine solchen Einrichtungen und ± trockenen Pollen. In der Regel sind aIle Merkmale eines solchen Merkmalsyndroms "gleichsinnig" ausgebildet; daher ist eine bestaubungsokologische Eim;tufung nur auf Grund einiger weniger Merkmale meist gerechtfertigt. In manchen Fallen jedoch sind "entomophile" Eigenschaften mit "anemophilen" gepaart; eine korrekte Einstufung ist nur unter Beachtung aller Merkmale moglich, da es ansonsten zu Fehlschliissen kommt, wie es etwa die bestaubungsokologische Einstufung von Tilia in der alteren Literatur zeigt. Ein solches "anemophiles" Merkmal ist der weitgehend klebstoffarme, trockene Pollen mancher Insektenbliitler: nur fiir sich genommen, ist er kein Indiz fUr Anemophilie, erst im Zusammenhang mit anderen Merkmalen gewinnt er an Bedeutung. So setzt der Streukegelmechanismus bei den sicher entomophilen Gattungen Erica, Calluna und Andromeda "mehligen" Pollen voraus. Bei Tilia ist jedoch eine derartige Bedingung nicht gegeben. Eine "nektarfiihrende Scheibenblume" wiirde in der Regel klebrigen Pollen bedingen, wie dies etwa bei Cornus (unveroff.) der Fall ist. Es ist jedoch zu vermuten, daB der nur maBig klebrige Pollen aus den hangenden Lindenbliiten auf die Besucher ± gut rieselt, so wie es bei Aquilegia (HESSE 1978d) und bei manchen Acer-Arten (unveroff.) der Fall ist. Offenkundig sind beide Lindenarten wegen des nur schlecht klebenden, leicht yom Wind verfrachtbaren Pollens nicht nur durch Insekten, sondern in gewissem Umfang auch durch den Wind bestaubbar. Die Insektenanlockung durch den Bliitenbau (Entomophilie s. str.) und haufiger Insektenbesuch ist sicher noch keine Garantie fUr eine ausschlieBliche Insektenbestaubung (Entomogamie s. str.): insektenbliitige Sippen konnen also auch windbestaubt sein. Insektenbliitigkeit (Entomophilie) sollte daher nicht mit Insektenbestaubung (Entomogamie) gleichgesetzt werden. 3. Zur Frage des Pollenkitts bei denEricaceae: NachKuGLER (1970) schwinden die Kittstoffe bei geoffnetem Pollemack so stark, daB der Pollen trocken erscheint. Nach eigenen Untersuchungen fehlt aber den Ericaceae Pollenkitt im iiblichen Sinn (nach aller Erfahrung kommt ein praparationsbedingtes spurloses Verschwinden nicht in Betracht, vgl. HESSE 1978a). Rhododendron fortunei produziert zwar Viscinfaden, die denen der Onagraceae gleichen, aber keinerlei Pollenkitt. Erica herbacea, Calluna vulgaris und Andromeda japonica fehlen solche Viscinfaden; dafUr besitzen sie Globuli, die zwar wie Pollenkittvorstufen entstehen, deren Struktur und Verteilung jedoch auBerst ungewohnlich sind: Nach der Tapetumdegeneration flottieren vereinzelt homogene, annahernd kugelige, skulpturierte Gebilde im Loculus, setzen sich aber nicht auf die Exine abo Mit Ubisch-Korpern konnen sie nicht verwechselt werden. Obwohl ihr Chemismus unbekannt ist, stellen diese lichtoptisch ohne weiteres als "Pollenkitt" diagnostizierbare Gebilde wohl einen aberranten Sonderfall eines "inaktivierten" Pollenkitts dar.
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Zusammenfassung Die Kriterien der Pollenverkittung (Pollenklebrigkeit; Menge, Struktur und Verteilung des: Pollenkitts; Feinbau der Exine) wurden bei den folgenden entomo- bzw. anemophilen Sippen im Hinblick auf kausale Zusammenhange vergleichend untersucht: Salix caprea, Populu8 nigra und P. tremula (Salicaceae), Tilia platyphyllo8 und T. tomento8a (Tiliaceae), Calluna vulgari8, Erica herbacea und Andromeda japonica (Ericaceae). Der Pollenkitt flillt bei S. caprea als groBe, weitgehend homogene, sehr e1ektronendichte Masse die interbacularen Zwischenraume restlos aus und ragt uber die Baculaspitzcn; deswegen k1ebt der Pollen gut. Dagegen verbleibt bei beiden Pappelarten die im Verg1eich zu S. caprea kaum geringere, ebenso dichte und homogene Klebstoffmenge fast zur Ganze an der Loculuswand; in die interbacularen Zwischenraume wandern nur sehr geringe Pollenkittmengen ein, wahrend das Tectum uberhaupt frei von Pollenkitt bleibt; deswegen klebt der Pappelpollen nicht. Bei Tilia tomento8a wird der zumeist homogene, sehr elektronendichte K1ebstoff bevorzugt in den infrasexinosen Hoh1raumsystemen, ingewissem Umfang aber auch auf dem Tectum abgelagert." Dagegon wird bei T. platyphyllo8 die vergleichsweise groBere, aber auffallend schaumige Pollenkittmenge nur zu einem kleinen Teil auf dem Tectum, ganz uberwiegend jedoch in den infrasexinosen Kavernen deponiert. Die Pollenklebrigkeit ist bei beiden Arten nur mittelmaBig. Aile 3 untersuchten Ericaceen produzieren Substanzen, die nur mit groBen Vorbehalten als pollenkittahnliche Stoffe zu bezeichnen sind und die sich auch nicht auf dem Sporoderm absetzen; da im Gegensatz zur nahe verwandten Gattung Rhododendron auch Viscinfaden fehlen, haftet del' Pollen sehr schlecht. Die Merkmale der Pollenverkittung sind in allen Fallen Ursache fUr die unterschiedliche Pollenklebrigkeit. Die Pollenklebrigkeit steht aber mit der jewei1igen Bestaubungsart bzw. mit speziellen blutenokologischen Einrichtungen in enger Beziehung. Bei den untersuchten Vertretern der Ericaceen und Salicaceen entspricht die Klebrigkeit den ubrigen blutenokologischen Merkmalen: Die Ericaceen weisen hochspezialisierte Streukegeleinrichtungen und offensichtlich dam it korreliert sehr schlech~e Pollenk1ebrigkeit auf; der durch Luftstromungen leicht verfrachtbare Pollen ermoglicht deswegen allen 3 untersuchten Ericaceen, aber insbesonders Calluna vulgari8, in gewissem Umfang Windbestaubung. Die windblutigen Pappeln besitzen trockenen, die weitgehend insektenbestaubte Salix caprea klebrigen Pollen; daruber hinaus deuten bei S. caprea gewisse Merkmale der Pollenverkittung darauf hin, daB die genannte Art (und wahrscheinlich die gesamte Gattung) im Zuge der Evolution nach einem anemophilen Zwischenstadium sekundar insektenb1utig geworden ist. Die Pollenklebrigkeit beider Tilia-Arten widerspricht jedoch den ubrigen blutenokologischen Eigenschaften: Der BlUtenbau lieBe eine wesentlich hohere Pollenklebrigkeit erwarten; wegen der schlechten Klebrigkeit des Pollens ist bei den ansonsten gut an die Entomophilie angepaBten Linden in gewissem Umfang Windbestaubung zu erwarten.
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