Flora, Bd. 167, S. 41-56 (1978)
Entwicklungstendenzen bliitenokologischer Merkmale bei Plantago· KARL
HAMMER
Zentralinstitut fiir Genetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben der Akademie der Wissenschaften der DDR
Evolutionary Trends Concerning Pollination Ecology in Plantago Summary Adaptations concerning pollination ecology were studied in 5 European species (14 populations) of Plantago from 4 sections of the genus. The following quantitative characters were studied: anther length, anther width, pollen grains per anther, stigma length and pollen diameter. In Plantago these characters form a complex, which is typically for anemophily. This syndrom of anemophily (F AEGRL and VANDER PrJL 1971) allows to calculate the number of pollen grains per anther (difficult to determine) from anther length (AL), stigma length (GL) and pollen diameter (PD) by using the regression {equation: y = -34,925
+ 20,547 AL + 0,794GL + 0,353PD
(B = 0,914). Correlations between floral characters are given. The evolution within Plantago went from entomophily to anemophily, with the result of large anthers with many pollen grains, large stigmas and little pollen grains. P. media and to some extend P. maritima have maintained characters of entomophily and that's why they are often pollinated by insects. A striking evolution into the direction of anemophily show P. lanceolata and some populations of P. media (especially large anthers with many pollen grains). In the other species studied, P. major, P. coronopus, P. maritima and in some populations of P. media, a tendency to autogamy together with the reduction of characters of anemophily can be observed. These evolutionary trends of adaptations to pollination ecology and breeding system can be demonstrated with the above mentioned characters but best of all with the number of pollen grains per anther.
Einleitung W egen der starken Vernetzung der Merkmale ist es auBerordentlich schwierig, eindeutige Entwicklungstendenzen innerhalb der Gattung Plantago zu erkennen. Problematisch erscheint auch die Ableitung bliitenokologischer Merkmale. Zwar kann man+ alle Plantago-Bliitenstiinde den Biirstenblumen zuordnen und damit auch generell auf eine Evolution von der Entomophilie n Richtung der Anemophilie hinweisen, aber die Merkmalsauspriigung ist doch sehr varia bel. So treten z. B. noch entomophile Merkmale auf, und bei einigen Arten ist ein regelmaBiger Besuch pollensammelnder Insekten zu beobachten. Andere Arten sind ± autogam und gelegentlich besteht eine Tendenz zur Kleistogamie. Auf Grund der offenbar erst relativ kurz dauernden Entwicklungsgeschichte der Mannigfaltigkeit der Arten sowie ihrer einheitlichen Anemophilietendenz, sind zudem die Unterschiede der bliitenokologischen Merkmale oft nur quantitativer Natur. Nach PoHL (1937 a) miissen Spezialuntersu-
•
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K. HAl\I:MER
chungen, die sich mit der Bliitenokologie Anemophiler befassen, besonders die Merkmale N arbengroBe, Hohe der Bliitenstande, Pollenmenge und Sinkgeschwindigkeit des Pollens in den Mittelpunkt stellen. Hier spiegelt sich die Bedeutung quantitativer Merkmale bei dieser durch ein einziges Agens (im Gegensatz zur Vielzahl der moglichen Bestauber z. B. bei Entomophilie) bewirkten Bestaubungsweise wieder. In dieser Studie wurden deshalb die folgenden bliitenokologischen Merkmale besonders herangezogen: Pollenzahl je Anthere, Antherenlange,_ Antherenbreite, Narbenlange und Pollendurchmesser; er laBt Riickschliisse auf die nach PoHL (l937b) bedeutsame Sinkgeschwindigkeit des Pollens zu. Lediglich die auBerst variable Lange der Bliitenstande und einige der spezifischen fiir Plantago wichtigen anderen quantitativen (wie Lange der Filamente) und qualitativen l3liitenmerkmale blieben unberiicksichtigt.
Material und Methoden Zur Untersuchung kamen vor aHem Plantago-Sippen aus dem Sortimentsanbau 1976 in Gatersleben (Sortimentsnummern in Tabelle 1). Ihre Herkunft beschrankt sich im wesent1ichen auf Gebiete Mitteleuropas und ist in jedem Fall bekannt (Tabelle 1). Bei einigen Sippen wurden die Bliitenorgane 1976 am spontanen Standort entnommen (Sippen ohne Sortimentsnummem). Die 5 untersuchten Arten gehoren 4 Sektionen (PILGER 1937, vgl. auch CASPER 1974) bzw. 5 Sektionen (DIETRICH 1975) an: sect. Plantago-P. major L.; sect. Coronopus DC.-P. coronopus L. (sect. Coronopus DC. emend DIETRICH 1975), P. maritima L. (sect. Maritima DIETRICH 1975); sect. Arnoglossum Decne. (sect. Lancijolia Barneod) - P. lanceolata L.; sect. Lamprosantha Decne. (sect. Lamprosantha Decne. emend. DIETRICH 1975) - P. mediaL.
Tabelle 1. Untersuchungsmaterial Art
Sortiments-Nr.
Herkunft
1 2
Plantago coronopus L.
St 4649 St 2814
Ostseekiiste, Wismar Nordfriesische Inseln, Insel Pellworm
3 4 5
Plantago lanceolata L.
St 2728 St 2820
Danemark, Elverdamskroen n. HarzvOf'land, Gatersleben Ostseekiiste, Zingst
6 7 8
Plantago maritima L.
St 2651 St 2815
Goldene Aue, Auleben Nordfriesische Ins., Hallig Hooge Ostseekiiste, Zingst
9
Plantago mediaL.
St 2544
Ostseekiiste, Beckerwitz bei Wismar Eichsfeld, Killlstedt n. Harzvorland, Gatersleben Leipzig
Lfd. Nr.
10 II 12 13 14
St 2545 St 2812
Plantago major L.
n. Harzvorland, Gatersleben Leipzig
Entwicklungstendenzen bluteni:ikologischer Merkmale
43
In der Regel wurden kraftige Blutenstande zur Zeit der Hauptblute im JunifJuli untersucht, nur bei den lfd. N ummern 5 und 8 handelt es sich urn in der 2. Septemberdekade gewonnenes Material. Die Ernte der Antheren erfolgte kurz vor der Dehiszenz. Die Bluten von Plantago sind in der Regel proterogyn. Manchmal entwickeln sich die Griffel bei nicht erfolgter Befruchtung nach dem mannlichen Stadium noch betrachtlich, nehmen stark an Lange zu (z. B. bei P. maritima) und zeigen ein sogenanntes zweites weibliches Stadium des Bluhens. Fur unsere Untersuchungen wurden Griffe! des ersten weiblichen Stadium herangezogen. Die Vermessung der Lange und Breite der Antheren, der Lange des Griffels und des Pollendurchmessers erfolgte unter einem Prapariermikroskop bzw. Mikroskop mittels eines Netzmikrometers. Es wurden jeweils 10 Messungen der verschiedenen Einzelmerkmale je Sippe vorgenommen. Wir schatzten die Anzahl der Pollen je Anthere in Anlehnung an die besonders bei Gramineen verwendeten Methoden von PoHL (1937a), JoPPA et al. (1968) und D'SouzA(1970) nach HAMMER (l976a), indem je Sippe 40 Antheren kurz vor der Reife in einem MeLlzylinder mit 2,5 ml einer 15prozentigen Natriumhydroxidlosung gebracht und allmahlich auf etwa 80 ° C erwarmt wurden. Es kam so zu einer teilweisen Mazerierung der Antherenwande, wahrend die Pollen vollstandig erhalten blieben. Nach etwa 15 Min. wurde der verschlossene MeLlzylinder kraftig geschuttelt. Dadurch losten sich alle Pollenki:irner von den verbliebenen Antherenresten. In 95 ml Wasser wurden 10 g Saccharose gelost und mit 5 ml Glycerin versetzt. Mit dieser Suspension wurde der Zylinder auf 10 ml aufgefiillt und anschlieLlend nochmals kraftig gcschuttelt, urn die Pollenkorner vollstandig zu suspcndieren. Dann wurdcn aus der Suspension in 20fachcr Wiederholung jc 1,6 mm3 auf ihren Gehalt an Pollen untersucht, die gcfundcnen Werte auf das Gesamtvolumcn bezogen und auf die Pollenmengc jc Anthere umgcrcchnet. Die Untersuchung der Einzelproben erfolgte in Zahlkammcrn unter dem Mikroskop bei 60facher VergroLlerung. Diesc Methode ist rclativ arbeitsaufwendig. Sie ist daher nur fUr die Untersuchung ciner bcgrcnzten Anzahl von Sippen geeignet. Die Korrclationen zwischen den verschiedcncn bliitenbiologischen Merkmalen wurden bcrcchnet und cine Regrcssionsanalysc mit dcr ZielgroLle Pollen je Antherc durchgcfiihrt.
Ergebnisse und Diskussion Merkmalsaus pragung Eine beachtliche Pollenproduktion wurde fiir die untersuchten Plantago-Arten gefunden (Tabelle 2). Sie kommt dem Pollenbildungsvermogen der in Richtung auf die Anemophilie besonders fortgeschrittenen Gramineen nahe und kann sogar bei manchen Arten hoher sein. Bei allen Arten wird das von F AEGRI und vAN DER PrJL (1971) geforderte Syndrom der Anemophilie deutlich, wie an folgenden Merkmalen gezeigt werden kann: Die Bliiten befinden sich auBerhalb der Blattmasse, Antheren und Griffel sind exponiert, die Struktur der Pseudogriffel gewahrt eine groBe Auffangflache fiir den Pollen, meist ist eine Reduktion der Anzahl der Ovarien eingetreten, die Pollenkorner sind klein und glatt und werden in groBer Menge produziert. Dieses Merkmalssyndrom trifft in starkem MaBe fiir alle untersuchten Sippen zu. Eigenschaften zum Anlocken von bestaubenden Insekten sind aber noch vorhanden. Hier sind es besonders der Bliitenduft (P. media, P. maritima), die Farbung der Bliitenstande und der Pollen selbst, die den Insektenbesuch hervorrufen. Besonders groBe Unterschiede sind in der Pollenproduktion zu beobachten (Tabelle 2). Sippen mit einer sehr hohen Pollenproduktion ( P. lanceolata) stehen solchen mit einer geringen Anzahl von Pollen je Anthere gegeniiber (P. coronopus). Aber auch die Variabilitat dieses Merkmals ist recht hoch. Zur Kontrolle wurde je eine Sippe von P. lanceolata und P. maritima im September untersucht. In den Merkmalen Antheren-
+
14203 14000 8250 8421
7984 ± 198 4719 ± 84
P. media
P. major
9 10 11 12
13 14
221 241 122 113
10969 ± 131 10312 ± 398
P. maritima
6 7
± ± ± ±
22734 ± 589 18079 ± 116
P. lanceolata
2
3 4
Pollen je Anthere
4234 ± 117 6111± 95
Art
P. coronopus
Lfd. Nr.
± ± ± ±
0,1644 0,185 0,154 0,1439
0,80 ± 0,0822 0,88 ± 0,0925
1,60 1,79 1,52 1,42
1,52 ± 0,1541 1,40 ± 0,1439
1,93 ± 0,1992 1,96 ± 0,2055
1,10 ± 0,113 1,28 ± 0,1336
Antherenlange (mm)
± ± ± ±
0,0719 0,0719 0,0667 0,0637
0,77 ± 0,0791 0,58 ± 0,0596
0,69 0,70 0,65 0,62
0,87 ± 0,0894 0,74 ± 0,0760
0,78 ± 0,4624 0,76 ± 0,0822
0,82 ± 0,08426 0,79 ± 0,0811
Antherenbreite (mm)
± ± ± ±
0,421 0,421 0,273 0,308 2,64 ± 0,271 1,56 ± 0,160
4,12 4,14 2,66 2,98
3,38 ± 0,347 3,80 ± 0,390
4,50 ± 0,462 5,00 ± 0,513
3,92 ± 0,402 3,14 ± 0,322
Griffellange (mm)
Tabelle 2. Durchschnittliche Auspragung bliitenbiologischer Merkmale bei einzelnen Plantago.Sippen
± ± ± ±
3,607 3,319 3,083 3,391 22,5 ± 2,312 27,0 ± 2,774
35,5 32,3 20,0 33,0
30,0 ± 3,083 34,5 ± 3,545
32,3 ± 3,319 30,0 ± 3,083
39,0 ± 4,007 37,5 ± 3,853
Pollendurchmesser (fHn)
~
~ i'J
:;:;
>
iii
~
:f:
45
Entwicklungstendenzen b1iitenoko1ogischer Merkma1e Tabelle 3. Durchschnitt1iche Auspragung b1iitenbio1ogischer Merkma1e bei Plantago-Arten Art
Pollen je Anthere
Antheren1ange (mm)
Antherenbreite (mm)
Griffellange (mm)
Pollendurchmesser (,um)
P. coronopus
5172
1,19
0,81
3,53
38,3
P. lanceolata
20406
1,93
0,85
4,57
31,03
P. maritima
10640
1,51
0,84
3,66
34,00
P. media {pollenreich)
14101
1,69
0,70
4,13
33,8
P. media (pollenarm)
8335
1,47
0,63
2,82
31,50
P. major
6351
0,84
0,68
2,10
24,75
liinge, Antherenbreite, Griffelliinge und Pollendurchmesser lagen sie in der fiir die ent- · sprechende Art typischen Variationsbreite. Die Pollenanzahl je Anthere war jedoch deutlich reduziert (P. lanceolata 6078 172, P. maritima 5812 85) und kam in den Bereich der Arten mit geringer Pollenproduktion. PoHL (1927 a) fand iibrigens iihnlich niedrige Werte fUr P. lanceolata (7743 294) und P. media (6027 183), die sich nicht auf die etwas unterschiedliche V ersuchsmethodik zuriickfiihren lassen, sondern dem EinfluB der Umwelt auf die Merkmalsauspriigung zuzuschreiben sein diirften. Eine deutliche Rangordnung zwischen den Arten mit den Extremen P. lanceolata und P. coronopus und einer Mittelstellung der Arten P. media und P. maritima fiir die Pollenanzahl je Anthere aber auch fiir Antherenlange, Antherenbreite und Griffelliinge zeigt sich in Tabelle 3. Aus ihr geht auch hervor, daB bei P. media 2 verschiedene bliitenokologische Sippen auftreten. Diese Sippen werden im folgenden getrennt behandelt. Die lfd. Nummern 9 und 10 zeichnen sich durch besonderen Pollenreichtum aus, wiihrend Nr. 11 und 12 deutlich weniger Pollen produzieren. Hier scheint sich eine Ubereinstimmung mit Befunden KNUTHS (1899 : 335) anzudeuten. Er unterscheidet bei P. media die bliitenokologischen Formen:
+
+
+
+
forma anemophila KNUTH, mit weit a us den Bliiten herausragenden, weiBen Filamenten und langen Narben, forma entornophila KNUTH, mit kiirzeren, rotlichen Filamenten. P. media bezeichnet er aJs ,Windblume", die den Ubergang von Anemophilen zu Entomophilen bildet. Dem konnen wir nach unseren Ergebnissen nicht zustimmen, denn es existiert keine vollstiindige Gemeinsamkeit beider Befunde. Eine unserer pollenarmen Formen hat weiBe Filamente, wiihrend die 3 anderen deutlich gefiirbte Filamente besitzen. Jedenfalls ist aber ein Trend innerhalb der Art zu Formen, die besser an die Anemophilie angepaBt sind (pollenreich) und zu anderen, die sich in ihrer Pollenzahl den heiden Arten P. major und P. cororwpus anniihern, zu beobachten; diese Erscheinung wird spater noch diskutiert.
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K. HAMMER
Im Komplex der Anemophiliemerkmale ist eine Abnahme der Anzahl der Samenanlagen im Laufe der Evolution typisch (POHL 1930, FAEGRI und VAN DER PIJL 1971). Auch bei den hier untersuchten Plantago-Arten laBt sich eine entsprechende Entwicklungsreihe nachweisen (Tabelle 4), obzwar, wie schon PILGER (1937) bemerkte, diese Abnahme nicht als generelle Tendenz angesehen werden kann. Einer Verringerung bei einigen Sippen steht eine Vermehrung in anderen (z. B. sect. Plantago) gegeniiber. Moglicherweise deutet sich bei den letztgenannten Gruppen eine mit der Autogamic einhergehende Tendenz an. Die Sippen mit den hochsten Pollenkornzahlen je Anthere verfiigen auch tiber die geringste Anzahl an Samenanlagen. Urn windbestaubte Pflanzen bestaubungsokologisch besser zu charakterisieren, wurde vorgeschlagen, die Menge des produzierten Pollens auf die Anzahl der entwicklungsfahigen Samenanlagen zu beziehen (PoHL 1937 a, KuGLER 1970: 45). Fiir unsere Untersuchungen ergeben sich dadurch deutlichere Unterschiede zwischen den einzelnen Sippen (Tabelle 4). Tabelle 4. Durchschnittlich produzierter Pollen je entwicklungsfiihige Samenanlage bei einzelnen
Plantago-Sippen Lfd. Nr.
Art
durchschnittliche Samenanlagenzahl
P. coronopus
4 4
3 4
P. lanceolata
2 2
6 7
P. maritima
3,5 3,5
9 10 11 12
P. media
3 3 3 3
18936 18664 11000 11228
13 14
P. major
8 8
3992 2356
I
2
Pollenanzahl je entwicklungs· fahige Samenanlage 4236 6112
1 ) Gelegentlich auftretende Gynodiozie (vgl. auch BARTLETT 1911 und 1913, TURRILL 1919, Ross 1969) fand bei der Berechnung dieser Werte keine Beriicksichtigung
Tabelle 5. Durchschnittliche Auspragung bliitenbiologischer Merkmale fiir 4 Plantago-Arton (P.
major ist nicht beriicksichtigt) Merkmal
x
s
V ariatioilskoeffizient
Antherenlange (mm) Antherenbreite (mm) Griffelliinge (mm) Pollendurchmesser (pm) Pollen je Anthere
1,552 0,742 3,764 33,39 11731
± 0,277 ± 0,0774 ± 0,721 ± 3,16 ± 5650
17,8 10,4 19,1 9,4 48,1
47
Entwicklungstendenzen bliitenokologischer Merkmale
Im AnschluB an eine Varianzanalyse wurden die Variationskoeffizienten der Merkmale fiir die Arten P. lanceolata, P. maritima, P. media und P. coronopus errechnet (Tabelle 5). Die Pollenzahl je Anthere hat einen sehr hohen Variationskoeffizienten. Dieser Befund deckt sich mit der schon vermerkten Variabilitat des Merkmals. Es handelt sich urn ein phylogenetisch sehr junges Merkmal, das noch wenig manifest ist. Dagegen sind die Variationskoeffizienten der PollengroBe und auch der Antherenbreite recht niedrig. Das deutet auf phylogenetisch altere Merkmale hin. Antherenlange und Griffellange nehmen eine Mittelstellung ein.
Korrelationen Der enge korrelative Zusammenhang zwischen verschiedenen bliitenbiologischen Merkmalen, der schon verschiedentlich angedeutet wurde, geht aus Abb. l fiir den Zusammenhang zwischen Pollen je Anthere und Antherenlange bzw. Griffellange hervor. Eine Berechnung der Korrelationskoeffizienten legt die Verhaltnisse dar (Tabelle 6). Enge korrelative Beziehungen bestehen zwischen den Merkmalen, denen bei der Evolution zur Anemophilie eine besondere Bedeutung zukommt - Pollen je Anthere, Antheren- und Griffellange. Hier zeigt sich die Komplexitat bliitenokologischer Anpassungen. Die jeweils ersten Werte in Tabelle 6 beziehen sich auf alle untersuchten Plantago-Arten. Aus Abb. list ersichtlich, daB die Werte bei P. major einen deutlich groBeren Abstand von einer gedachten Regressionsgeraden haben als bei den iibrigen Arten. P. major paBt deshalb wenig in das allgemeine Regressionsmodell der anderen Plantago-Arten. Wenn die Korrelationskoeffizienten ohne P. major berechnet werden (Tabelle 6, jeweils zweiter Wert), verandern sich besonders Korrelationen, die mit der PollengroBe in Zusammenhang stehen. So zeigt sich eine signifikant negative Korrelation zwischen Antherenlange und Pollendurchmesser.
Pollen je Ant here
Pollen je Ant here
X
X
20000
20000
X
x P.lanceolata *P.media oP.maritima +P.coronopus AP.major
15000
15000
** 00
10000
0
10000
0
** 5000
A
+
+ 5000
A
+
~~----.---.---.~
Y'l'-.---..-
2 Antherenlange (mm)
2
3
4
5 Griffellange (mm)
Abb. l. Zusammenhang zwischen Anzahl der Pollen je Anthere und Antherenlange (Iinke Seite) bzw. Griffellange (rechte Seite)
K.
HAMMER
Tabelle 6. Korrelationsmatrix bh"itenbiologischer Merkmale fiir Plantago-Arten (jeweils erster Wert einschlieBlieh P. rnajor, zweiter Wert ohne P. rnajor)
Antherenlange Antherenbreite Griffellange Pollendurchmesser
Antherenbreite
Griffe!lange
Pollendurchmesser
0,137-0,123
0, 785++ 0,488
0,264-0,70+ 0,222 0,182 0,434-0,049
0,628+ 0,288
Pollen je Anthere
0,848+++ 0,191 0, 747++ -0,044
0,934+++ 0,021 0,752+ 0,512
Bei der Entwicklung zur Anemophilie kommt der Flugfahigkeit des Pollens eine gewisse Bedeutung zu. Nach KNOLL (1932) verhalt sich die Sinkgeschwindigkeit des Pollens annahrend umgekehrt proportional zum Quadrat des mittleren Pollenradius. Ein kleiner Pollen ist also gi.instig an die Verbreitung durch den Wind angepaBt, und eine negative Korrelation zwischen den im Zuge der Entwicklung zur Anemophilie sich vergr6Bernden Merkmalsauspragungen und der PollengroBe ist die-Folge. Plantago hat stenopalynen Pollen, bei dem sich die Oberflachenstrukturen im Zu.sammenhang mit der Evolution zur Anemophilie reduziert haben. Besonders charakteristisch ist die mit der Windbli.itigkeit einhergehende Kugelform, die auch bei anderen anemophilen Familien beobachtet werden kann (DIETRICH 1975). Beim Pollen werden auch die Klebstoffmengen, als Resultat der Anpassung an die Anemophilie, reduziert (KNOLL 1930). Auf Unterschiede zwischen P. lanceolata und P. media im Kittstoffbelag der Pollenoberflache wies schon PoHL (1930) hin, der feststellte, daB bei P. lanceolata die weitere Reduktion der Klebstoffmengen gegeni.iber P. media klar sichtbar wird. Regressionsmodelle Aus den bisher angefi.ihrten Ergebnissen wird deutlich, daB die bli.itenbiologischen Merkmale in enger Beziehung zueinander stehen. Es ist daher moglich, aus der Kenntnis von W erten fi.ir ein Merkmal mit groBer Sicherheit auf die Auspragung eines anderen zu schlieBen. Die Ri.ickschli.isse werden nati.irlich urn so genauer ·sein, je mehr unterschiedliche bli.itenbiologische Eigenschaften herangezogen werden. Die Anzahl der Pollen je Anthere kann nur mit einem verhaltnismaBig graBen Aufwand bestimmt werden. Mittels einer Regressionsanalyse lassen sich die Ieichter zu erfassenden Merkmale als EinfluBgroBen einsetzen, und sie konnen gemeinsam in ihrem EinfluB auf die ZielgroBe (Pollenzahl je Anthere) gepri.ift werden, wie es fi.ir einen ahnlichen Komplex bei Hordeum vulgare L. s.l. nachgewiesen werden konnte (HAMMER 1976b). Auf Grund der s~hon bei den Korrelationen gefundenen Abweichungen war es zweckmaBig, P. major nicht in die mit Regressionsberechnung einzubeziehen. Die Beziehungen zwischen der Ziel- und den EinfluBgroBen kann man durch eine lineare Regression wiedergeben, die bei Verwendung aller E1nfluBgr6Ben ein BestimmtheitsmaB von B = 0,924 erbringt. Bei Elimination der EinfluBgroBe Antherenbreite, die sich bei den Korre-
+
Entwicklungstendenzen bliitenokologischer Merkmale
49
lationsberechnungen als nicht sehr aussagekraftig erwies, wurde die Regressionsgerade mit y = -34,925 20,547 AL 0,794 GL 0,353 PD; B = 0,914 (AL =Antherenliinge, GL = Griffelliinge, PD = Pollendurchmesser) berechnet (Abb. 2). Das nur geringe Absinken des BestimmtheitsmaBes zeigt an, daB der EinfluB der Antherenbreite .auf die Zielgr6Be relativ unbedeutend ist. Von einer weiteren Reduzierung der EinfluBgroBen wurde hier noch abgesehen, urn moglichst viele Informationen aus dem Material zu beriicksichtigen. Im AnschluB soli aber diese Verminderung noch kurz diskutiert werden. Die Gleichung stellt eine gute Moglichkeit dar, mit Hilfe leicht zu priifender Merkmale zu hinreichend genauen Aussagen tiber die schwer meBbare Anzahl der Pollen je Anthere zu gelangen. Urn aus der Gleichung auf deri tatsiichlichen Wert zu kommen, ist das Ergebnis mit dem Faktor 1 000 zu multiplizieren. Mit Hilfe dieser Gleichung wurde bei den lfd. Nummern 5 (P. lanceolata) und 8 (P. maritima), die auf Grund der nicht optimalen Umweltbedingungen nur eine reduzierte Pollenproduktion zeigten, aus den EinfluBgroBen die mogliche Auspriigung der Zielgr6Be geschiitzt. Die Werte waren fiir P. lanceolata 18320 und fiir P. maritima 14270 Pollen je Anthere und bewegten sich damit im Rahmen der fiir die entsprechenden Arten ge-. fundenen GroBenordnung. Es ist anzunehmen, daB unter den giinstigen Kulturbedingungen in Gatersleben etwa das Pollenbildungsvermogen ausgeschopft wird. Bei Anwendung der hier entwickelten Gleichung lassen sich genauere Einschiitzungen des Pollenbildungsvermogens vornehmen als bei der direkten Untersuchung von Spontanherkiinften, die nicht unter optimalen Bedingungen wachsen. In Abb. 2 sind die Ergebnisse fiir P. major mit angegeben. Das abweichende bliitenbiologische Verhalten dieser Art weist auf schon lange andauernde divergente Entwicklung hin. Die Gleichung liiBt sich selbstverstiindlich nicht fiir P. major verwenden. Bei der Einschiitzung der EinfluBgroBen zeigt sich, daB der Antherenliinge die gr6Bte Aussagekraft hinsichtlich des Merkmals Anzahl der Pollen je Anthere zukommt. Die Regressions-
+
+
+
Poi.J!m je Ant here 1l!Ol)
30
x P.lanceolata *P.media o P. maritima + P. coronopus .6P.major
20
10
'+-
*
·0-'fl,r----.-----.----,----,----, 20 70 40 50 60 30 X
Abb. 2. Zusamrnenhang zwischen der Anzahl der Pollen je Anthere sowie den Merkmalen Antherenliinge (AL), Griffellange (GL) und Pollendurchrnesser (PD). Die Werte fiir P. major sind nicht in die Regressionsgleichung eingegangen. Bestimmtheit der Regressionsgeraden 0,794 GL 0,353 PD B = 0,914 x = 20,547 AL
+
4
Flora, Ed. 167
+
K.
50
HAJ\DIER
gleichung unter V erwendung nur dieses Merkmals als EinfluBgroBe wurde mit y -17,80 19,028 AL errechnet, wobei die multible Bestimmtheit immerhin noch B = 0,872 betragt. So kann auch das Merkmal Antherenlange allein, das relativ leicht, z. B. auch bei Herbarmaterial, gemessen werden kann, zur Voraussage der GroBenordnung des Pollengehalts der Antheren bei Plantago herangezogen werden. In unseren Beispielen (lfd. Nummern 5 und 8) errechnen sich mit dieser Gleichung Pollengehalte je Anthere fiir P.lanceolata = 18350 und P. maritima= 13240.
+
Phylogenetische SchluBfolgerungen Gegen eine Evolution von Plantago a us entomophilen V orfahren bestehen keine ernsthaften Zweifel (z. B. PILGER 1937, McCuLLAGH 1934, DIETRICH 1975). An Hand der bliitenokologischen Merkmale kann man sich die Evolution der Plantaginaceae aus entomophilen Biirstenblumen vorstellen. Hier wiirde die Hypothese von HARMS und REICHE (1985) sowie HAYATA (1921) einer Entwicklung aus den Campanulaceae (bes. Phyteuma) Unterstiitzung finden. In der neueren Literatur ist aber die Tendenz zu verzeichnen, die Plantaginaceae als eine von den Scrophulariaceae abstammende anemophile Gruppe mit engen Beziehungen zu den Acanthaceae aufzufassen (z. B. HEGNAUER 1969, TAKHTAJAN 1973, DIETRICH 1975). Interessant ware die Suche nach geeigneten entomophilen Biirstenblumen in diesen V erwandtschaftskreisen. Aus gelegentlich noch vorhandenen Entomophiliemerkmalen kann man nicht die SchluBfolgerung ableiten, daB sich etwa eine relativ pollenarme Form von P. media zur Entomophilie hin entwickelt, sondern in diesem Faile wird ein anderer Trend sichtbar, die Entwicklung zur Autogamie. Auch die Bliitenstande der ausgepragt anemophilen P. lanceolata werden unter bestimmten Bedingungen regelmaBig von Insekten besucht (KNUTH 1899: 233, unter Bezugnahme auf die Arbeiten DELPINOS, CLIFFORD 1962). Hier wird man schwerlich in die Versuchung kommen wollen, eine Entwicklungstendenz zur Entomophilie anzunehmen. Ein Trend zur Autogamie und sogar bis zur Kleistogamie ist fiir Plantago charakteristisch (vgl. z. B. PILGER 1920, RAHN 1974, DIETRICH 1975). Damit kann sogar die Reduktion der Anzahl der Antheren und der Anzahl der Bliiten je Ahre verbunden sein. Bei den von uns untersuchten Arten beziehen sich die mit der Autogamie verbundenen Riickbildungen auf den Pollengehalt. der Antheren und die damit korrelierten bliitenbiologischen Merkmale. Autogamie bewirkt auBerdem, daB eine groBere Anzahl von Pollen nach vollstandigem AbschluB der Anthese innerhalb der Antheren haften bleibt, wie das auch fiir das meist streng autogame Hordeum vulgare gezeigt wurde (HAMMER 1976a), bei dem fiir verschiedene Sippen eine Restpollenmenge von 10,3 bis 55,1% gefunden werden konnte. Zum Vergleich wurde die Restpollenmenge fiir P. lanceolata (lfd. Nr. 4) und P. coronopus (lfd. Nr. 2) bestimmt. Bei der allogamen Art wurden als Restpollenmenge 406 13 Pallenkorner je Anthere ermittelt, das entspricht 2,2 % der Gesamtpollenmenge. Die autogame P. coronopus hatte noch 562 19 (9,2 %) Pollenkvrner je Anthere nach der Anthese. Mit der Autogamie ist also eine nicht mehr so hohe Effektivitat beim Ausstreuen
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+
der Pollen verbunden.
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Entwicklungstendenzen bliitenokologischer Merkmale Pollen je Samenanlage 1000 P.lanceolata
35 30
25 20 P.media 15
.
--•o:.,........cp, maritima P.media 10
P.5coronopus P.major .
I
I
I
I
I
I
24
26
28
30
32
I
I
I
34 36 38 Pollendurchmesser
,om
Abb. 3. Evolution bliitenokologischer Merkmale bei Plantago-Arten
Notwendige Voraussetzung fiir die Autogamie ist natiirlich die Synchronitiit des Bliihverlaufs miinnlicher und weiblicher Bliitenorgane. Bei Plantago tritt hiiufig Proterogynie auf. DIETRICH (1975: 130) halt dieses Merkmal fiir evolutiv alter als die Autogamie, weil es sogar bei einigen kleistogamen, annuellen Species (z. B. aus der sect. Leucopsyllium) auftritt, die zwar proterogyn sind, bei denen aber nur noch die unteren Narbenpapillen, die sich innerhalb der oft geschlossenen Bliiten befinden, funktionsfahig sind. An Hand der von uns untersuchten Arten laBt sich eine von Allogamie zu Autogamie fiihrende Reihe nachweisen, auf die schon KNUTH (1989: 330ff.) aufmerksam machte. P. lanceolata ist stark proterogyn, wiihrend bei P. media, P. maritima und besonders bei P. coronopus die Proterogynie weniger deutlich ausgepriigt ist. P. major zeigt Ubergiinge von der Proterogynie zur Homogamic, die Mehrheit der Pflanzen ist aber homogam. Die dargelegte Reihenfolge steht in enger Beziehung zur in Abb. 3 graphisch wiedergegebenen Anzahl produzierter Pollen je entwicklungsfahige Samenanlage. Dieses Merkmal, das zum groBen Teil von der Anzahl der Pollen je Anthere getragen wird, wurde oben als phylogenetisch relativ jung gedeutet. Schon sehr manifest ist der Pollendurchmesser. Aus diesen heiden Extremen wurde ein Modell konstruiert, das fiir die Darstellung der Evolution bliitenokologischer Merkmale bei Plantago geeignet zu sein scheint (Abb. 3). Entomophile Ausgangssippen gingen wahrscheinlich durch die Besiedlung offener Habitate zu Anemophilie tiber, ein Vorgang, der bei den verschiedensten Verwandtschaftskreisen beobachtet werden kann, wie z. B. bei den Compositae Pentachaeta (VAN HoRN 1973), Eupatorium (GRASSHOFF und BEAMAN 1970) und Artemisia, den Loranthaceae (WERTH 1923) oder~der Ranuncula4*
K.
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HAMMER
ceae Thalictrum (KAPLAN und McCuLLAGH 1971, FAEGRI und VANDER PIJL 1971: 102). Eine Entwicklung von der Anemo- zur Entomophilie ist iiuBerst selten, z. B. bei den Gramineen-Gattungen Olyra und Pariana (SODERSTROM und CALDERON 1971). Offenbar ist es iiuBerst schwierig, nach Verlust der Entomophiliemerkmale wieder fiir die Bestiiubung durch Insekten geeignete Anpassungen herauszubilden, wiihrend die Anemophiliemerkmale, die iiberwiegend auf Reduktion beruhen, sich relativ leicht bei Entomophilen entwickeln konnen. W enn freilich noch Entomophiliemerkmale, wie z. B. bei P. media oder P. maritima, vorhanden sind, kann auch bei so typisch Anemophilen regelmiiBige Insektenbestaubung vorkommen. Es ist aber kaum angebracht, wie DIETRICH (1975: 43, 162) hier eine Evolution zur Entomophilie anzu-
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nehmen. Mit der Entwicklung zur Anemophilie ist die Erhohung der Pollenproduktion verbunden. Die unterschiedlichen Pollenzahlen bei verschiedenen Sippen von P. media deuten auf den Beginn einer infraspezifischen Differenzierung, die zur Speziation fiihren kann, hin. Einige Sippen sind gut an die Anemophilie angepaBt, andere zeigen die Tendenz zur Autogamie. Beide werden noch relativ haufig von Insekte~ besucht und bestaubt. Zwischen diesen heiden Sippen wurde hypothetisch das Ausgangsniveau fiir den je Samenanlage produzierten Pollen angenommen; hier liegt auch etwa der Mittelwert dieses Merkmals bei den untersuchten Plantago-Arten (Abb. 3). Diese Auspragungsstufe kann durchaus schon bei entomophilen Pollenblumen erreicht sein. Auch PILGER (1937) sah die bliitenokologischen Merkmale von P. media als die primitivsten in dieser Verwandtschaft an, wobei er besonders die Anzahl der Samenanlagen (4) als urspriinglich bezeichnet. Durch Ableitung der einzelnen Arten von diesem Niveau lassen sich die Entwicklungstendenzen zur Anemophilie und zur Autogamie demonstrieren. P. maritima und P. coronopus gehoren einer gemeinsamen Sektion (sect. Coronopus, nach PILGER 1937) an, und sie sind deshalb durch gleiche Linienfiihrung gekennzeichnet (Abb. 3). P. major unterscheidet sich deutlich von den iibrigen Arten. Bei ihr ist der Dbergang zur Autogamie schon entwicklungsgeschichtlich relativ friih erfolgt, was sich auch aus der nicht reduzierten bzw. wahrscheinlich sogar erhohten Anzahl der Samenanlagen bei dieser Art ableiten laBt. Dagegen muB P. coronopus erst zu einem wesentlich spateren Zeitpunkt zur Autogamie gekommen sein. Hier kann die Ursache fiir die Entwicklungstendenz im Dbergang zu annuellen Lebensweise bestehen. PoHL (1937 a) warder Meinung, daB keine Notwendigkeit besteht, beim Dbergang von der Tier- zur Windbestiiubung eine VergroBerung der Pollenkornanzahl je Anthere anzunehmen. Er machte Untersuchungen dieses Merkmals an einigen Arten, die verschiedenen Verwandtschaftskreisen angehoren, und stellte fest, daB auBer den Anemophilen auch einige typische entomophile Pollenblumen eine auBerordentlich hohe Pollenproduktion besitzen, ja sogar die Leistung der Windbestauber iibertreffen. Die eigentlichen, unser Problem betreffenden SchluBfolgerungen zog er aus 4 Verwandtschaftskreisen, von denen er jeweils eine entomophile bzw. anemophile Art untersucht hatte. Darunter waren auch Vertreter der Gattung Plantago (P. lanceolata, P. media). Nun gibt gerade Abb. 3 die starke Entwicklung der Pollenproduktion bei
Entwicklungstendenzen blutenokologischer l\lerkmale
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P. lanceolata wieder, die aile Anemophiliemerkmale am deutlichsten zeigt. An Hand einer groBeren Anzahl von Sippen innerhalb eines Verwandtschaftskreises konnte hier nachgewiesen werden, daB beim Ubergang von der Tier- zur Windbestaubung eine V ergroBerung der Pollenkornanzahl je Anthere eintritt. Dieser ProzeB wird aber nicht i~mer so offenbar, weil das Ausgangsniveau der Entomophilen, a us denen die Anemophilen entstanden sind, nicht genau bekannt ist, und weil noch andere Entwicklungstendenzen, wie der Ubergang zu Autogamie und Kleistogamie, eine Rolle spielen konnen. Aus unseren Ergebnissen wird die Bedeutung der Auspragung bliitenokologischer Merkmale, und dabei besonders des Pollengehalts der Antheren, bei der Gattung Plantago fiir die Evolution der Anemophilie klar ersichtlich. Die einfache, hier vorgeschlagene Methode zur Schatzung der Anzahl der Pollen je Anthere diirfte fiir viele Plantago-Arten Anwendung finden konnen. Dann ist es moglich, mittels eines Schemas, das i:ihnlich dem der Abb. 3 aufgebaut ist, entsprechende phylogenetische SchluBfolgerungen zu ziehen. Eine interessante Erscheinung stellen die Plantago-Sippen dar, die sich ahnlich P. major, bliitenbiologisch anders als die iibrigen Arten verhalten. Bei der Untersuchung an einem groBeren Material konnten wahrscheinlich auch hier neue Ergebnisse, die Bliitenokologie und Phylogenie betreffend, zu erhalten sein. Zusammenfassung Bei 5 europaischen Plantago-Arten (14 Populationen) aus 4 Gattungssektionen wurden folgende quantitative blutenokologische l\lerkmale untersucht: Antherenlange, Antherenbreite, Pollen je Anthere, Griffellange und Pollendurchmesser. Diese Merkmale bilden bei Plantago einen fUr die Anemophilie typischen Komplex. Das Syndrom der Anemophilie (FAEGRI und vAN DER PIJL 1971) gestattet es, die Anzahl der Pollen je Anthere (ein hoher Aufwand ist zur Bestimmung dieses Merkmals notwendig) aus Ieichter zu erfassenden Merkmalen, wie Antherenlange (AL), Griffellange (GL) und Pollendurchmesser (PD), mittels der folgenden Regressionsgleichung zu schatzen: y = -34,925
+ 20,547 AL + 0,794 GL + 0,353 PD
(B = 0,914). Die Korrelationen zwischen den einzelnen bliitenokologischen Merkmalen sind aufgefuhrt. Die Evolution bei Plantago verlief von Entomophilie zu Anemophilie. In ihrem Ergebnis bildeten .3ich groJ3e, pollenreiche Antheren, lange Griffe! und kleine Pollenkorner heraus. P. media und in gewissem MaJ3e auch P. maritima zeigen noch Entomophiliemerkmale und werden deshalb oft von Insekten bestaubt. Besonders deutlich ist die Entwicklung zur Anemophilie bei P. lanceolata und auch bei einigen Populationen von P. media (bes. groJ3e, pollenreiche Antheren). Bei den anderen untersuchten Arten, P. major, P. coronopus, P. maritima und in einigen Populationen von P. media ist ein Trend zur Autogamie, der mit einer Reduktion der Anemophiliemerkmale einhergeht, zu beobachten. P. major zeigt ein anderes Korrelationsmuster als die ubrigen Arten; bei ihr ist der Ubergang zur Autogamie schon entwicklungsgeschichtlich relativ fruh erfolgt. Dagegen ist P. coronopus erst zu einem wesentlich spateren Zeitpunkt zur Autogamie gekommen. P. media hat blutenokologisch unterschiedliche Sippen, die den Beginn einer infraspezifischen Differenzierung, die zur Speziation fUhren kann, anzeigen. Die Evolutionstendenzen konnen mittels der oben erwahnten blutenokologischen Merkmale, jedoch am deutlichsten mit der Anzahl der Pollen jeAnthere, aufgezeigt werden. Herrn Dipl.-Math. H. KNUPFFER, Zentralinstitut fur Genetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben der Akademie der Wissenschaft.en der DDR, bin ich fur Beratung und Hilfe bei denBerechnungen zu Dank verpflichtet.
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K. HAMMER
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