Ergebnisse aus der Hepatitis A-Diagnostik des Hygiene-Instituts in Tübingen

Ergebnisse aus der Hepatitis A-Diagnostik des Hygiene-Instituts in Tübingen

Zbl. Bakt. Hyg., 1. Abt, Orig. A 252, 147-153 (1982) Hygiene-Institut der Universitat, Abteilung fur Medizinische Virologie und Epidemiologie der Vir...

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Zbl. Bakt. Hyg., 1. Abt, Orig. A 252, 147-153 (1982)

Hygiene-Institut der Universitat, Abteilung fur Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten, Tubingen 2 Kinderklinik der Stadt Worms 1

Ergebnisse aus der Hepatitis A-Diagnostik des Hygiene-Instituts

in Tiibingen* Results from the Hepatitis A-Virus Diagnostic of the Hygiene-Institut in Tiibingen BERTRAM FLEHMIGt, ANGELIKA VALLBRACHP, THEODOR LUTHARDP und HANS-JOACHIM GERTH!

Mit 3 Abbildungen . Eingegangen am 9. Februar 1982

Abstract The age-specific and seasonal distribution of serologically confirmed hepatitis A-cases in the area of Tubingen in southern Germany is reported. During 1978-1980 most of the hepatitis A-cases diagnosed by high anti-HAV-IgM titers occurred from September to December. The age distribution of patients with German names showed two age-related peaks, the first one in young children 5-10 years of age and a second one in young adults between 20-30 years. In patients with names suggesting mediterranean origin there is only one age-related peak in early childhood. A comparison of German children with children of foreign parents born and grown up in Germany shows an earlier infection and higher infection rate in the latter. The parents of these children are almost exclusively immigrant workers from mediterranean countries. Visits of the children to the home countries of their parents in which hepatitis A is very common are supposed to be of prime importance for the high prevalence and early occurrence of hepatitis A in this group.

Zusammenfassung Es werden die jahreszeitliche und altersbezogene Verteilung der Hepatitis A im Raum Tubingen dargestellt. Es wird gezeigr, daB die rneisten der durch anti-HAV-IgM-Bestimmungen diagnostizierten Hepatitis A-Erkrankungen in den Jahren 1978-1980 in den Monaten September- Dezernber auftraten. Die Altersverteilung der Hepatitis A-Patienten zeigt, daf es bei Patienten mit deutschem Namen zwei Altersgipfel gibt. Einen ersten bei den 5-10jiihrigen und einen zweiten bei den 20-30jiihrigen. Bei Patienten mit auslandischern

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Herrn Professor Dr. med, Richard-Ernst Bader zum 70. Geburrscag gewidmet,

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B.Flehmig, A.VaIIbracht, T.Luthardt und H.-].Gerth

Namen fehlt der zweite AltersgipfeI. Irn Vergleich von deutschen Kindem und Kinder auslandischer Elrern zeigt sich, dag die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder auslandischer Elrern wesentlich schneller und mit einem hohen Prozentsatz, 28% bei 914jiihrigen, mit Hepatitis A-Virus (HAV) durchseucht sind, gegenuber 3,3% bei den gleichaltrigen deutschen Kindem. Als wahrscheinliche Ursache dieser schnelleren Durchseuchung werden die Heimatbesuche der Auslander diskutiert, bei denen die nicht immunen Kinder in eine Umgebung mit hoher Hepatitis A-Virus Durchseuchung kommen.

Einleitung Die Einfiihrung von Methoden, mit denen Hepatitis A-spezifische IgM-Antikorper (anti-HAV-IgM) nachgewiesen werden konnen, errnoglicht es, die Diagnose Hepatitis A aus einer einzigen Serumprobe zu ste11en (2, 3, 4). Damit kann die Hepatitis A klar von Hepatitiden anderer Atiologie abgegrenzt werden, wahrend vor Einfiihrung dieser Tests die atiologische Zuordnung der Hepatitis auf klinischen und epidemiologischen Daten beruhte und mit einer erheblichen Unsicherheit belastet war. Die Bedeutung dieser neuen Methoden beschrankt sich nicht nur auf den klinischen Bereich, sondern schafft auch die Grundlagen fiir das Versrandnis der Hepatitis-Epidemiologie, wozu die folgende Arbeit einen Beitrag leisten soil. Es sol1 neben der jahreszeidichen und altersbezogenen Verteilung der Hepatitis A im Raum Tiibingen besonders die Bedeutung der Gastarbeiter fiir die Hepatitis A-Epidemiologie in Deutschland anhand seroepidemiologischer Daten diskutiert werden.

Methoden Testmethoden zum Nachweis der Antikorper gegen das Hepatitis A-Virus

Anti-HAV-IgM wurde mit einem von uns erstmals beschriebenen radioimmunologischen Testsystem im Serum der Patienten bestimmt (2). Der Test basiert auf der Bindung von anri-IgM (,u-spezifisch) an eine feste Phase, an die bei Serum-Inkubation aIle IgMAntikorper des Patienren gebunden werden konnen, Die spezifischen anti-HAV-IgM-Antikorper werden nun durch die nachfolgende Bindung von HAV und einem radioaktiv markierten anti-HAV-IgG-Antikorper nachgewiesen (2). Die IgG-Antikorper bzw. das Gesamt-anti-HAV wurde ebenfaIIs durch einen bereits friiher ausfuhrlich beschriebenen Festphasenradioimmunoassay bestimmt (2).

Ergebnisse

[abreszeitlicbe Verteilung der Hepatitis-A-Erkrankungen In Abb. 1 ist die jahreszeitliche Verteilung der im Hygiene-Institut Tiibingen durch Bestimmung der anti-HAV-IgM-Antikorper nachgewiesenen Hepatitis AVirus-Erkrankungen dargeste11t. Die Aufste11ung umfafSt den Zeitraum von 1978 bis 1980. In den Jahren 1978 und 1979 ist jeweils ein breiter Gipfel von August bis Dezember/januar zu sehen, wobei die meisten Erkrankungen 1978 und 1980 im November gefunden werden, wahrend 1979 der Gipfel bereits im September und

Hepatitis A-Diagnostik

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Oktober zu sehen ist. Die geringsten Erkrankungszahlen wurden in den drei untersuchten Jahren jeweils in den Monaten Mai und Juni gefunden. Im Zeitraum von drei Jahren wurden bei ca. 3 000 Einsendungen insgesamt 334 akute Hepatitis AVirusinfektionen diagnostiziert, also in etwa 10 % der Einsendungen.

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B.Fle hmig, A.Vallbracht, T vl.urhardt und H. -J. Gerth

Altersverteilung von 226 Hepatitis-APatienten In Abb . 2A ist die Altersverteilung aller H ep atitis-A-Patient en im Diagramm

aufgefuhrr, In Abb. 2 B sind nur die Patienten mit deu tschen N amen dargestellt und in Abb. 2 C die Pat ienten, deren Namen auf medi terrane H erkunft schliefsen lassen, d. h. iiberwiegend Gastarbeiter bzw. deren Kinder. Wiihrend bei den de utschen Parienten die zweigipfelige Verteilungskurve sehr deutlich zu sehe n ist, fehlt der zwei te Gipfel bei den 20-30jahrigen aus landischen Patienren nahezu vollkornmen. Bei diesen Parien ten liegt aulSerdem der Gipfel in der Gruppe der 0-5jahrigen, bei den deurschen Parienten finder sich der erste Alrersgipfel bei den 5-lOja hrigen.

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ALTERSGRUPPEN

Abb . 2. Alrersverreilung der Hepatitis A-Patienten, die durch den Nachweis des anri -HA VIgM diagnosrizierr wurden.

-Yergleich der Prdualenz von anti-HA V bei deutschen Kindem und bei Kindem ausldndiscber Eltern In einer vergleichenden Untersuchung wurde bei de utschen Kindem und bei Kindem auslandischer Eltern die Besrimmung auf anti-HA V durchgefuhrt, Die

Hepatitis A-Diagnostik

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Kinder der auslandischen Eltern waren in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sowohl die deutschen Kinder als auch die Kinder auslandischer Eltern stammten aus der Umgebung von Freiburg und waren zum Zeitpunkt der Serumabnahme Patienten der Universitats-Kinderklinik in Freiburg. Die Eltern der untersuchten Kinder stammten vorwiegend aus dem Mittelmeerraum. Aus Abb. 3 ist ersichtlich, dag bei 50 % der deutschen und bei 59 '0/0 der Kinder auslandischer Eltern in den ersten 3 Lebensmonaten vermutlich diaplazentar erworbenes anti-HAV nachweisbar war. Im Alter von 4-6 Monaten sinkt der Prozentsatz bei deutschen Kindem auf 14,1 %, bei Auslanderkindern auf 16,9 %, und zwischen dem 7. und 12. Monat ist in heiden Gruppen kein anti-HAY mehr nachweisbar. Der Anteil der Antikorperpositiven bleibt bei den untersuchten deutschen Kindem bis zum 8. Lebensjahr unter 10f0, erst bei den 9-14jahrigen steigt er auf 3,4 Ofo (8/241) an. Bei den auslandischen Kindem beginnt der Anstieg der Durchseuchung bereits im 2. Lebensjahr (5,5 0/0) und steigt weiter kontinuierlich an bis auf 28 % bei den 9-14jahrigen.

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Abb. 3. Vergleich der Pravalenz von anti-HA V bei deutschen Kindem und bei in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindem auslandischer Eltern . .------. Auslander, M = Monate, J = Jahre. • ------. Deutsche,

Diskussion Zahlreiche serologische Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, daf die Hepatitis A eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit ist, die ein starkes Nord-Siid-Gefalle aufweist, d. h. einem starken Einfluls der hygienischen Verhaltnisse in den einzelnen Landern unterliegt (10,5). Mit zunehmendem Alter steigt die Durchseuchung mit dem Hepatitis A-Virus an. Dabei sind die armeren Bevolkerungsschichren starker betroffen als die gehobenen. In Entwicklungslandern und in Landern mit niedrigem hygienischen

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Standard erfolgr die Durchseuchung mit dem HAV bereits in der friihen Kindheit (6, 11). In den Indusrrienarionen verschob sich dagegen das Alter der Empfanglichen in die Gruppe der Erwachsenen als wahrscheinlicher Folge der Verbesserung der hygienischen Bedingungen (5, 7). Wahrend in den [ahren urn 1940 die "Hepatitis epidemica" in relativ groBen Epidemien in Deutschland auftrat, wie in einer sehr ausfiihrlichen und eindrucksvollen Arbeit von den Auroren Bormann, Bader, Deines und Unholtz (1) dargestellt wurde, und in der Spatphase des zweiten Weltkrieges und ersten Nachkriegsjahren ausgedehnte Epidemien Deutschland iiberzogen, hat sich die epidemiologische Situation heute aufgrund verschiedener Einfhisse stark verandert. Die meisten der von uns diagnostizierten Hepatitis A-Erkrankungen lagen jahreszeitlich in den Herbst-Winter-Monaten. Die hochsten Erkrankungszahlen wurden in den jahren 1978 und 1980 im November, im Jahre 1979 im September und Okrober gefunden. Wenn man ann immt, daB die durchschnittliche Inkubationszeit der Hepatitis A 4 Wochen betragr, so bieten sich verstarkte Exposition bei Auslandsreisen in den Sommerferien als Erklarung fur die Haufung an. Diese epidemiologischen Verhalrnisse werden auch von anderen Autoren in gleicher Weise interpretiert (9, 8). Die Altersverreilung von 226 Hepatitis A-Patienten zeigt, daiS es bei Patienten mit deutschem Namen zwei Altersgipfel gibt, einen ersten bei den 5-10jahrigen und einen zweiten bei 20-30jahrigen. Werden nur die Patienten berrachrer, deren Namen auf mediterrane Herkunft schlieBen lassen, so fehlt der zweire Alrersgipfel nahezu voIlkommen. AuBerdem liegt der erste Alrersgipfel verglichen mit den deutschen Patienten bei jiingeren Patienren, die meisten Falle gehoren in die Gruppe der 0-5jiihrigen. Die unterschiedliche epidemiologische Situation bei deutschen Kindem und in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindem auslandischer Elrern zeigt die Durchseuchung mit HAV. Die miitterlichen Antikorper verschwinden in beiden Gruppen gIeich schnell. Nach 6 Monaten konnte kein anti-HAV mehr nachgewiesen werden. Wahrend nun bei den deutschen Kindem der Prozentsatz der anti -HAY positiven erst bei den 9-14jahrigen auf ca. 3,3 Ofo ansteigr, beginnt die Durchseuchung bei den Kindem auslandischer Elrern bereits mit 2 Jahren und steigt kontinuierlich bis auf 28 Ofo bei den 9-14jahrigen an. Der Unrerschied erklarr sich wahrscheinlich aus den Heimatbesuchen der auslandischen Familien, bei denen die nicht immunen Kinder in eine Umgebung mit hoher Hepatitis A-Virus-Durchseuchung kommen. Vermutlich ford em auch die schlechteren hygienischen Bedingungen, unter denen in der Regel auslandische Familien in der Bundesrepublik leben, zusatzlich die Ausbreitung des Virus. Kleine Epidemien in Kindergarten und Schulklassen, die von diesen Kindem ausgehen, haben wir beobachrer. Das Reisen von nicht immunen Personen in Gegenden mit hoher Hepatitis AVirus Pravalenz scheint heute, wie aus unseren Ergebnissen zu schlielien ist, ein sehr wesentlicher, die Epidemiologic der Hepatitis A in Deutschland beeintlussender Fakror zu sein.

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Hepatitis A-Diagnostik

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Dr. Bertram Flehmig, Hygiene-Institut der Universitar, Abteilung fiir Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten, Silcherstr. 7, D-7400 Tubingen