ARTICLE IN PRESS
www.elsevier.de/zefq Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 103 (2009) 305–318
Schwerpunkt I
Methodische Standards von Krankheitskostenstudien am Beispiel von Brust-, Prostata- und Darmkrebs Oliver Damm, Jan-Marc Hodek, Wolfgang Greiner Universita¨t Bielefeld, Fakulta¨t fu¨r Gesundheitswissenschaften, AG 5-Gesundheitso¨konomie und Gesundheitsmanagement
Zusammenfassung In Deutschland fu¨hren Krebserkrankungen der Brustdru¨se, der Prostata und des Darms die Inzidenz- und Mortalita¨tsstatistiken der Neubildungen an. In diesem Zusammenhang gilt die Krankheitskostenanalyse als ein geeignetes Instrument, die volkswirtschaftlichen Belastungen und o¨konomischen Konsequenzen einer Krankheit darzustellen. Im Rahmen dieser systematischen U¨bersichtsarbeit werden Methodik und Resultate von Krankheitskostenrechnungen beispielhaft anhand der drei Krebslokalisationen zusammengefasst. Trotz einiger Limitationen und deutlicher Differenzen in methodischen Aspekten kommt eine Vielzahl von Studien zu kongruenten Ergebnissen. Es gibt ausreichend Evidenz dafu¨r, dass u¨ber alle drei Krebserkrankungen hinweg der initialen und terminalen Krankheitsphase aus o¨konomischer Perspektive besondere Bedeutung zukommt, da ein Großteil des Ressourcenverzehrs durch die Inanspruchnahme von Prima¨rtherapien sowie palliativen Versorgungsleis-
tungen verursacht wird. Bedingt durch die hohe Hospitalisierungsrate machen die Krankenhausleistungen einen Anteil von 50% bis 98% der direkten Kosten aus. Mit Blick auf die gesellschaftliche Perspektive kann zudem gezeigt werden, dass v.a. dem Brustkrebs aufgrund der hohen Inzidenz bei Frauen unter 65 Jahren und den korrespondierenden hohen indirekten Kosten durch Arbeitsunfa¨higkeit, Fru¨hberentung und vorzeitigen Tod eine besondere Bedeutung zukommt. Zuku¨nftige Herausforderungen bestehen vornehmlich in der Analyse von unterschiedlichen Inanspruchnahmemustern von Gesundheitsleistungen und Kostenwirkungen diverser Einflussfaktoren. Die daraus resultierende Transparenz bei der Kostenentstehung kann wiederum Grundlage von Kosteneffektivita¨tsanalysen sein und dazu beitragen, Interventionen zielgerichteter auszugestalten.
Schlu¨sselwo¨rter: Krankheitskosten, Brustkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs, Gesundheitso¨konomie
Methodological standards for cost-of-illness studies using breast cancer, prostate cancer and colon cancer as an example Summary Malignant neoplasia in mammary gland, prostate and colon appear at the top end of the cancer incidence and mortality statistics in Germany. In this context cost-of-illness studies are a suitable tool for quantifying disease-
specific health economic consequences of disease. Their primary aim is to illustrate the economic burden of a specific disease and its implications for society and for the national economy.
Korrespondenzadresse: Oliver Damm, MSc, Universita¨t Bielefeld, Fakulta¨t fu¨r Gesundheitswissenschaften, Gesundheitso¨konomie und Gesundheitsmanagement (AG5),
Postfach 10 01 31, D-33501 Bielefeld. Tel.: 49 (0) 521/106 4679; fax: 49 (0) 521/106 156989. E-Mail:
[email protected] (O. Damm). Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) doi:10.1016/j.zefq.2009.02.019
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ARTICLE IN PRESS The present review summarizes the methods and results of cost-of-illness studies regarding the three cancer diseases mentioned. Despite some limitations and remarkable differences in respect of methodological aspects, it is possible to point out that numerous studies lead to similar results. For all three kinds of cancer, there is sufficient evidence to suggest that mainly initial and terminal states of disease are important, due to the major resource utilization caused by the claim of initial and palliative therapies. Inpatient costs – caused by the high rate of hospitalisation – account for 50% to 98% of the direct costs. As regards the societal
perspective, a comparison of the three diseases considered demonstrates that especially the costs associated with breast cancer present a big challenge to the health care systems, which is primarily due to the high incidence rate in women under 65 years of age and the correspondingly high indirect costs resulting from invalidity, invalidity pensions or premature death. Future tasks to work on include analyzing the different patterns of health service utilisation and identifying the cost effects of different influencing factors. Transparency of costs, as a basis for cost-effectiveness analyses, could help to make interventions more precise.
Key words: cost of illness, breast cancer, bowel cancer, prostate cancer, health economics
1. Einleitung Brust-, Prostata- und Darmkrebs za¨hlen zu den ha¨ufigsten Krebsarten u¨berhaupt. Eine aktuelle Analyse der Inzidenzzahlen fu¨r Deutschland zeigt, dass bei Ma¨nnern Prostata und Darm zu den ha¨ufigsten Tumorlokalisationen geho¨ren. Bei Frauen liegen bo¨sartige Neubildungen im Brustdru¨sengewebe sowie im Darm bei den Krebsneuerkrankungen an fu¨hrender Stelle. Alle drei Krebsarten dominieren ebenfalls die Statistik der Krebssterbefa¨lle [1]. Der hohe Ressourceneinsatz und eine Vielzahl von unterschiedlichen, teilweise sehr kostenintensiven Behandlungsoptionen lassen Tumorerkrankungen fu¨r gesundheitso¨konomische Analysen interessant werden. Krankheitskostenanalysen stellen in diesem Zusammenhang ein geeignetes Instrument zur Erfassung der o¨konomischen Konsequenzen einer Erkrankung dar. Ziel dieser Analyse ist es, ausgewa¨hlte Aspekte der Methodik von Krankheitskostenrechnungen vorzustellen und einen U¨berblick u¨ber aktuelle Krankheitskostenstudien (COI – cost-of-illness) fu¨r die drei benannten Krebsindikationen zu geben. Dabei soll beantwortet werden, wie hoch die Krankheitskosten fu¨r Darm-, Prostata- und Brustkrebs im internationalen Vergleich sind und ob Auffa¨lligkeiten in den Kostenkomponenten identifiziert werden ko¨nnen. Auch soll diese Studie den Beitrag von COI-Studien zur gesundheitspolitischen/gesellschaftlichen Entscheidungsfindung diskutieren.
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2. Theoretische Grundlagen von Krankheitskostenanalysen 2.1. Begriffsbestimmung und -abgrenzung Krankheitskostenanalysen repra¨sentieren die fru¨heste und einfachste Form von gesundheitso¨konomischen Evaluationen und verfolgen das Ziel, die gesellschaftlichen Kosten (d.h. ausgabenbezogene Bedeutung) einer Krankheit zu bestimmen [2]. Direkte Kosten stellen dabei den moneta¨r bewerteten Verbrauch von Gu¨tern und Dienstleistungen im Gesundheitswesen dar, also den Ressourcenverzehr, der unmittelbar und mittelbar mit der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen verbunden ist (z.B. Vergu¨tung von A¨rzten, Krankenhausaufenthalte, Medikamente, etc.). Es sei noch erwa¨hnt, dass die Ermittlung der sog. attributablen Kosten eine zentrale Herausforderung jeder Kostenstudie darstellt. Hierunter sind all diejenigen Kosten zu verstehen, die tatsa¨chlich der Zielerkrankung zugeschrieben werden ko¨nnen. Indirekte Kosten bezeichnen hingegen vor allem den volkswirtschaftlichen Produktionsverlust aufgrund von krankheitsbedingter Abwesenheit oder reduzierter Leistungsfa¨higkeit am Arbeitsplatz, Invalidita¨t oder vorzeitigem Tod [2,3]. Zur Quantifizierung dieser kann grundsa¨tzlich auf zwei unterschiedliche Ansa¨tze zuru¨ckgegriffen werden. Beim traditionellen Humankapitalansatz wird (gema¨ß des Opportunita¨tskostenprinzips) das gesamte dem Menschen innewohnende, jedoch durch die Erkrankung verlorene, Wertscho¨pfungspoten-
tial bewertet (Maßstab ist i.d.R. das Erwerbseinkommen). Dem gegenu¨ber werden im Rahmen des Friktionskostenansatzes lediglich die Produktivita¨tsverluste der Dauer bis zur Wiederbesetzung der betreffenden Stelle beru¨cksichtigt, um so eine U¨berscha¨tzung von Produktivita¨tsverlusten zu vermeiden [3]. Intangible Kosten, die Einschra¨nkungen in Form von Schmerz oder Einbußen an Lebensqualita¨t abbilden, finden indessen selten Eingang in entsprechende Analysen [4]. Abbildung 1 gibt einen U¨berblick u¨ber die verschiedenen Kostenarten. Krankheitskostenstudien ko¨nnen zum einen aus der Perspektive der Gesellschaft, zum anderen aus der Sichtweise von Krankenkassen bzw. der Kostentra¨ger durchgefu¨hrt werden. Mit der eingenommenen Perspektive variieren prinzipiell auch die einzubeziehenden Kostenkomponenten. Fu¨r die volkswirtschaftliche Perspektive ist sowohl die Beru¨cksichtigung von direkten als auch indirekten Kosten von Bedeutung. Letztere werden in einer Krankheitskostenrechung aus Sicht der Kostentra¨ger nicht eingeschlossen [4].
2.2. Methodische Ansa¨tze 2.2.1. Pra¨valenz- vs. Inzidenz-Ansatz Krankheitskostenrechnungen ko¨nnen auf verschiedenen methodischen Herangehensweisen basieren. Bezu¨glich des Zeithorizontes wird grundlegend zwischen dem Pra¨valenzansatz, der die Kosten einer Krankheit fu¨r eine in der Vergangenheit liegende Periode berechnet (und ggf. als Basis fu¨r eine Projektion zuku¨nftiger Kosten verwendet),
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ARTICLE IN PRESS Monetär messbar Direkte Kosten
• • • • •
• • • •
Verbrauch an Ressourcen für Prävention Behandlung Rehabilitation Pflege (Nicht-medizinische Kosten) Beispiele für med. Ressourceneinsatz Pflegekräfte Medikation Labor- und Röntgenleistung Ärztliche Behandlung
Nicht monetär messbar
Indirekte Kosten Volkswirtschaftlicher Verlust an Arbeitspotential durch • Tod • Fernbleiben • Reduzierte Leistungsfähigkeit
• • • •
Nicht Transferleistungen, wie z.B.: Berentung Pflegegeld Sterbegeld Lohn- und Gehaltsfortzahlung
Intangible Kosten
• •
• •
Psychosoziale Kosten als monetär schwer messbare Größe körperliche Funktion (Schmerz etc.) mentale Funktion (Reaktion, Konzentration etc.) psychische Funktion (Angst, Depression etc.) soziale Funktion (Isolation, Konflikte etc.)
Abb. 1. U¨berblick der verschiedenen Kostenarten.
2.2.2. Top down- vs. bottom upAnalyse Eine weitere Differenzierung erfolgt danach, ob die Analyse mit dem Top down ( von oben nach unten )- oder Bottom’’up ( von unten nach oben )’’ Verfahren durchgefu ¨ hrt wird. Letzteres greift auf individuelle Daten von einzelnen Patienten und deren in Anspruch genommenen Leistungen zuru¨ck. Der so ermittelte Ressourcenverzehr kann daraufhin mit Preisen oder Gebu¨hren moneta¨r bewertet werden. Die Kosten aller Erkrankten einer Volkswirtschaft lassen sich nachtra¨glich durch eine Multiplikation mit der Anzahl betroffener Patienten errechnen. Diese Art der Datengenerierung fu¨hrt zwar zu sehr aussagekra¨ftigen Ergebnissen, ist allerdings mit einer hohen Zeit- und Kostenintensita¨t sowie der Gefahr eines Stichprobenbias verbunden. Die Resultate sind oftmals nur sehr eingeschra¨nkt mit den Ergebnissen anderer Krankheitskostenanalysen zu vergleichen, da sich die Ermittlung der Prima¨rdaten auf Patientenebene i.d.R. stark unterscheidet [6]. Der Top down-Ansatz fokussiert hingegen hoch aggregierte Daten, die in der Regel aus amtlichen Statistiken (z.B. Arbeitsunfa¨higkeitsstatistiken, Statistiken zu Krankenhausaufenthalten) stammen. Kosten ko¨nnen mittels einfacher Division durch die Anzahl der ’’
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’’
und dem zukunftsorientierten Inzidenzansatz unterschieden [4]. Im Rahmen des Pra¨valenzansatzes werden die Kosten einer Krankheit fu¨r einen fixierten Betrachtungszeitraum, in der Regel ein Jahr, gemessen. Diese Kosten werden unabha¨ngig vom erstmaligen Auftreten der Erkrankung bei den Betroffenen ermittelt [2]. Bei inzidenzbasierten Studienformen stehen dagegen die Lebenszeitkosten einer Erkrankung im Zentrum des Interesses. In diese Analysen gehen jedoch nur die Daten von Patienten ein, bei denen die Krankheit neu diagnostiziert wurde. Die Ermittlung der korrespondierenden Kosten erfolgt fu¨r den Zeitraum bis zur Heilung oder bei chronischen Erkrankungen fu¨r die noch verbleibende Lebenszeit [2]. Dem Großteil der Krankheitskostenanalysen liegen pra¨valenzbasierte Studien zu Grunde, da sie weniger Daten und Annahmen beno¨tigen als Untersuchungen auf Inzidenzbasis [5]. Trotz der hohen Anforderungen an die zu Grunde liegenden epidemiologischen und medizinischen Daten gelten inzidenzbasierte Analysen vor allem zur Bewertung von pra¨ventiven Interventionen, bei denen sich in der Regel erst langfristig Effekte beobachten lassen, als nu¨tzlich. Zudem ist schnell ersichtlich, welche Kosten vermieden werden ko¨nnen, wenn ein Fall verhindert oder zumindest die Schweregradprogression verlangsamt wird [4].
Betroffenen auf die Ebene eines einzelnen Patienten heruntergebrochen werden. Vorteile liegen sowohl in der zeitund kostengu¨nstigen Durchfu¨hrung als auch in der Mo¨glichkeit, auf diesem Wege verschiedene Erkrankungen miteinander zu vergleichen [6]. 2.2.3. Prospektive vs. retrospektive Studien Letztlich ko¨nnen COI-Studien auch danach differenziert werden, ob die Datenerhebung prospektiv oder retrospektiv vorgenommen wurde. Bei einem prospektiven Studiendesign wird das zu Grunde liegende Datenmaterial speziell fu¨r die Untersuchung gesammelt. Es garantiert damit eine auf die Fragestellung abgestimmte Datenerhebung und die hervorgehenden Daten weisen oftmals hohe Genauigkeit, Aktualita¨t sowie Detaillierungsgrad auf und finden in der Forschung besondere Akzeptanz. Die Nachteile dieser Herangehensweise liegen in dem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand sowie in der mo¨glichen Selektion von Patienten [7]. Bei einer retrospektiv-durchgefu¨hrten Studie wird indessen auf bereits vorhandenes Datenmaterial zuru¨ckgegriffen. Als Datenquellen kommen dabei Patientenakten, Statistiken, Datenbesta¨nde aus Krankenkassendatenbanken oder A¨hnliches in Frage. Diese Daten, die oftmals zu großen Fallzahlen
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ARTICLE IN PRESS vorliegen, werden dann fu¨r die jeweilige Fragestellung neu aufbereitet und ausgewertet. Diese Variante der Krankheitskostenanalyse kann auch mit geringem Ressourceneinsatz realisiert werden, weist jedoch zugleich den Nachteil einer unter Umsta¨nden (durch unvollsta¨ndige oder nicht nachpru¨fbare Datensa¨tze) eingeschra¨nkten Qualita¨t auf.
3. Krankheitskosten von Krebs 3.1. Methodisches Vorgehen Zur Ermittlung relevanter Prima¨rstudien, die sich mit Krankheitskosten von Brust-, Darm- und Prostatakrebs auseinandersetzen, wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken des Thieme- und Springer-Verlags, CCMed, PubMed sowie Economic Evaluation Database (NHS EED) durchgefu¨hrt. Die Suche erfolgte ausschließlich mit Schlagwo¨rtern bzw. Medical Subject Headings. Weitere Studien konnten im Rahmen der Handsuche in der Online-Ausgabe des European Journal of Health Economics und einer Referenzdurchsicht der bereits vorliegenden Publikationen identifiziert werden. Die Suche wurde auf
englisch- und deutschsprachige Publikationen der Jahre 2000 bis einschließlich 2007 limitiert, um die Relevanz und Aktualita¨t der Datenstruktur und Ressourcenverbra¨uche zu wahren. Die Dokumentation der methodischen Qualita¨t erfolgte in Anlehnung an die Checklisten zur Beurteilung der methodischen Qualita¨t gesundheitso¨konomischer Verfahren der German Scientific Working Group Technology Assessment for Health Care. Eingeschlossen wurden Krankheitskostenstudien, die mindestens eine der drei Krebsindikationen fokussieren und explizit die krankheitsspezifischen attributablen Kosten ausweisen. Ausgeschlossen wurden Studien, die sich lediglich mit den Kosten von Screening-Maßnahmen, einzelnen Interventionen, einem Vergleich der Kosten unterschiedlicher Therapieoptionen (z.B. ArzneimittelRegime), besonderen Krankheitszusta¨nden (bspw. chemotherapie-induzierte Diarrhoe bei Darmkrebspatienten) oder einem Vergleich der Kosten von ethnischen Bevo¨lkerungsgruppen befassen. Ebenso fanden Studien, die sich mit den Folgekosten des U¨berlebens von bo¨sartigen Neubildungen bescha¨ftigten, keinen Eingang in die Analyse. Da die Literaturrecherche keine Ergebnisse fu¨r den deutschen Kontext
lieferte, fand erga¨nzend die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes Eingang in die vorliegende U¨bersichtsarbeit.
3.2. Ergebnisse 3.2.1. Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes Die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes basiert auf dem Pra¨valenzansatz, folgt einer Top downgestu¨tzten Vorgehensweise und gibt die ja¨hrlichen alters- und geschlechtsspezifischen direkten Kosten fu¨r Krankheitsklassen, Obergruppen und Kategorien nach ICD-10-Kodierung an. Insgesamt verursachten bo¨sartige Neubildungen (C00-C97) im Jahr 2006 direkte Kosten von ca. 14,6 Mrd. Euro. 1,9 Mrd. Euro (13%) entfielen auf bo¨sartige Neubildungen der Brustdru¨se (C50) und ca. 1,4 Mrd. Euro (10%) auf bo¨sartige Neubildungen der Prostata (C61). Die Kosten bo¨sartiger Neubildungen des Dickdarmes (C18) und des Rektums (C20) belaufen sich zusammen auf ca. 1,8 Mrd. Euro (12%). Auch wenn seltenere Krebserkrankungen des Du¨nndarmes und des rektosigmoiden U¨berganges hierin nicht enthalten sind, kann diese Zahl als Scha¨tzung der
16000
direkte Kosten in Mio. Euro
14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 Bösartige Neubildungen Dickdarm und Rektum (C00-C97) (C18, C20) 2004
Brustdrüse (C50)
Prostata (C61)
2006
Abb. 2. Krankheitskosten fu¨r ausgewa¨hlte Krebsdiagnosen in Deutschland (Quelle: eigene Darstellung nach Daten des statistischen Bundesamtes 2008 [8]).
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ARTICLE IN PRESS direkten Kosten von Darmkrebs in Deutschland fungieren. Abbildung 2 veranschaulicht die Ergebnisse im Vergleich zum Jahr 2004 [8]. 3.2.2. Brustkrebs Tabelle 1 3.2.3. Prostatakrebs Tabelle 2 3.2.4. Darmkrebs Tabelle 3 3.2.5. U¨bergreifende Ergebnisse Unter den insgesamt 19 eingeschlossenen Publikationen befanden sich 18 in wissenschaftlichen Fachjournalen publizierte Prima¨rstudien und die Vero¨ffentlichung des Statistischen Bundesamtes. Wa¨hrend letztere eine indikationsu¨bergreifende Analyse und damit einen Vergleich der Krebsdiagnosen fu¨r Deutschland ermo¨glichte, fokussierten die restlichen Studien jeweils eine der drei Zielerkrankungen. Von den 18 diagnosespezifischen Publikationen setzten sich 7 Studien mit Brustkrebs (siehe Tabelle 1), 5 Studien mit Prostatakrebs (Tabelle 2) und 6 mit Darmkrebs (Tabelle 3) auseinander. 14 dieser Studien basierten auf dem Pra¨valenzansatz, vier folgten einer inzidenzbasierten Vorgehensweise. Den meisten Studien lag ein Bottum Up-Design zu Grunde. Weitere, den Evaluationsrahmen betreffende Kriterien, ergaben ein sehr heterogenes Bild. Sowohl der Zeithorizont als auch die Gro¨ße der Studienpopulation variierten stark. Ebenso differierten Fragestellungen, Rahmenbedingungen, Zielparameter und die einbezogenen Kostenkomponenten. 12 Studien befassten sich ausschließlich mit den direkten Krankheitskosten, eine Studie beru¨cksichtigte nur die indirekten Kosten und 5 Studien schlossen sowohl direkte als auch indirekte Kosten in die Analyse ein. Eine Studie bewertet daru¨ber hinaus auch die intangiblen Kosten.
3.3. Diskussion Der durchgefu¨hrte Review-Prozess offenbarte eine heterogene Gruppe von Studienformen und eine Vielfalt an me-
thodischen Ansa¨tzen. Die genannten Variationen (Design, Zeithorizont, Studienpopulation u.a.) erschweren dabei eine konsistente und zusammenfassende bzw. vergleichende Ergebnissynthese. Trotzdem lassen sich U¨bereinstimmungen hinsichtlich der Resultate finden. So kamen bspw. mehrere Studien unabha¨ngig voneinander zu dem Ergebnis, dass sowohl bei Darm- als auch bei Brust- und Prostatakrebs der Großteil der direkten Kosten bei der initialen Therapie und im Bereich der Palliativversorgung anfallen. Dies ist als wichtiges indikationsu¨bergreifendes Ergebnis festzuhalten, wobei stets auch ein hoher Anteil der direkten Kosten im Krankenhaussektor zu beobachten ist. Bei Beru¨cksichtigung der gesellschaftlichen Perspektive sind die indirekten Kosten vor allem fu¨r den Brustkrebsbereich von Bedeutung, da das Mammakarzinom im Gegensatz zu Prostatakrebs in der Regel in ju¨ngerem Alter auftritt und die Auswirkungen durch Arbeitsunfa¨higkeit sowie vorzeitiges Versterben daher gro¨ßer sind. Einige Krankheitskostenstudien ermittelten nicht nur die Gesamtkosten einer Erkrankung, sondern differenzierten nach Patientenmerkmalen und nach Stadien bzw. Schweregraden der Erkrankung. Bei der Indikation Brustkrebs kamen Subgruppenanalysen bspw. zu dem Ergebnis, dass die Kosten mit zunehmendem Alter sinken. Widerspru¨chliche Resultate ergab die Untersuchung der Kostenwirkung des Diagnosezeitpunktes von Darmkrebs. Die These, dass eine fru¨hzeitige Diagnosestellung zu geringeren Krankheitskosten fu¨hrt, konnte nur eingeschra¨nkt besta¨tigt werden. Bei dieser Indikation weisen Kostenprojektionen fu¨r zuku¨nftige Perioden zudem auf enorme o¨konomische Belastungen hin. Die Kosten von Prostatakrebs variierten sehr stark und waren abha¨ngig vom Alter der Patienten sowie dem Stadium der Erkrankung und der korrespondierenden Behandlung. Eine U¨bertragung von internationalen Ergebnissen, insbesondere eine U¨bernahme von absoluten Kostenscha¨tzungen auf das deutsche Versorgungssystem, ist aufgrund unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen sowie
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anderer Vergu¨tungsstrukturen, Rahmenbedingungen nur sehr eingeschra¨nkt mo¨glich [27]. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die kostenintensiven Leistungen auch in Deutschland vor allem in der initialen und terminalen Therapiephase anfallen. Zugleich ist zu erwarten, dass in Deutschland ebenfalls ein Großteil der Kosten auf Krankenhausleistungen zuru¨ckzufu¨hren ist. Hingegen ist der hohe Anteil der indirekten Kosten z.B. aus schwedischen Studien nicht ohne weiteres auf den deutschen Kontext u¨bertragbar. Fu¨r das deutsche Versorgungssystem fehlen Studienergebnisse, die u¨ber die Angaben der Krankheitskostenrechung des Statistischen Bundesamtes hinausgehen. Auch methodische Transparenz und Detaillierungsgrad der Informationen sollten zuku¨nftig verbessert werden.
4. Schlussbetrachtung Zusammenfassend la¨sst sich festhalten, dass trotz der deutlichen Differenzen in methodischer Hinsicht, eine Vielzahl von Studien zu kongruenten Ergebnissen kommt. Wenn sich der Vergleich von absoluten Kostenscha¨tzungen aufgrund unterschiedlicher Zielparameter und verschiedener Aggregationsniveaus auch schwierig gestaltet, so gibt es doch ausreichend Evidenz dafu¨r, dass u¨ber alle drei Krebserkrankungen hinweg ein Großteil des Ressourcenverzehrs durch die Inanspruchnahme von Prima¨rtherapien sowie palliativen Versorgungsleistungen verursacht wird. Bedingt durch die hohe Hospitalisierungsrate machen die Krankenhausleistungen einen Anteil von 50% bis 98% der direkten Kosten aus. Bei einem Vergleich der drei Zielerkrankungen mit Blick auf die indirekten Kosten wird deutlich, dass dem Brustkrebs aufgrund der hohen Inzidenz bei Frauen unter 65 Jahren und der damit korrespondierenden Arbeitsunfa¨higkeit und Fru¨hberentung (sowie vorzeitigen Todesfa¨llen) eine besondere gesundheitso¨konomische Bedeutung zukommt. Die breite Palette an onkologischen Diagnostik- und Behandlungsoptionen erfordert vor allem intensive Analysen
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310
Tabelle 1. Krankheitskostenstudien fu¨r Brustkrebs. Publikation
Gegenstand der Publikation
Berkowitz, Gupta & Silbermann, 2000 [9]
Abscha¨tzung Lebenszeitkosten der Behandlung von metastasierendem Brustkrebs (Frauen mit neudiagnostiziertem Brustkrebs im Jahr 1994)
Kostenmessmethodik – Nur direkte Kosten (Perspektive
Gesundheitssystem) – USA – Diskontierung: 0%, 3%, 5% – Inzidenzansatz
Ergebnisse – Von 161.551 Frauen mit der Diagnose Brustkrebs
– – – – – – –
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Lidgren et al., 2007 [11]
Kostenanalyse fu¨r verschiedene Zeitra¨ume (199 postmenopausale Patientinnen mit Brustkrebsrezidiven)
Krankheitskostenanalyse von Brustkrebs fu¨r verschiedene Stadien der Erkrankung (345 Patientinnen)
– Nur direkte Kosten (Perspektive
– Patientinnen mit kontralateralen Tumor oder
Gesundheitssystem) – UK – Pra¨valenzansatz
lokoregionalen Rezidiv haben ho¨here aggregierte 5-Jahreskosten (im Bereich 10.000 GBP–40.000 GBP) als diejenigen mit distalen Metastasen (15.000 GPP–20.000 GBP) – kontralaterale und lokoregionale Rezidive mit kostenintensiven chirurgischen und radiotherapeutischen Interventionen verbunden – durchschnittlichen Kosten der terminalen Krankheitsphase variieren entsprechend der Dauer: 1.000 GBP fu¨r einen Monat, 3.400 GBP fu¨r 3 Monate und 7.200 GBP fu¨r 6 Monate
– Direkte und indirekte Kosten (Per-
– Direkte Kosten fu¨r die Krankheitsphasen nach
spektive Gesellschaft) – Schweden – Pra¨valenzansatz (retrospektive Datenbankanalyse)
prima¨rem Brustkrebs, einem Rezidiv oder distalen Metastasen ho¨her als fu¨r die Phase ab dem zweiten Jahr nach einem Prima¨rtumor oder einem Rezidiv – Patientinnen unter 65 Jahren verursachen im ersten Jahr nach der prima¨ren Diagnose 280.000 SEK und im ersten Jahr nach einem kontralateralen oder lokoregionalen Rezidiv 351.000 SEK Gesamtkosten – ab dem zweiten Jahr nach einem Prima¨rtumor oder einem Rezidiv liegen Gesamtkosten bei 94.000 SEK – ja¨hrliche Gesamtkosten fu¨r Patientinnen mit Metastasen: 334.000 SEK/u¨ber 50% dieser Kosten sind indirekte Kosten/ Patientinnen u¨ber 65 Jahren verursachen geringere Gesamtkosten
– Modell und Kostenmethodik angemessen
ero¨rtert – Anwendung verschiedener Diskontierungs-
raten – weitere Sensitivita¨tsanalysen fehlen – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt
– Angaben zur Kostenmethodik umfassend – sa¨mtliche Datenquellen beschrieben – indirekte Kostenkomponenten nicht
beru¨cksichtigt – Differenzierung bezu¨glich der Krebslokalisa-
tion
– Studie entha¨lt ausfu¨hrliche Angaben zur
Kostenmethodik – Differenzierung nach Altersgruppen, Krank-
heitsstadien und Kostenarten – indirekte Kosten umfassend erfasst – Kosten der ambulanten Arzneimittelversor-
gung basieren nur auf Expertenscha¨tzungen – Zeitaufwand fu¨r unentgeltliche Pflege durch
Angeho¨rige moneta¨r bewertet
ARTICLE IN PRESS
Karnon et al., 2003 [10]
werden wahrscheinlich 70.650 Frauen eine Metastasenerkrankung entwickeln undiskontierte Lebenszeitkosten ca. 60.000 US$ pro Fall Kosten fu¨r die gesamte Kohorte: 4,2 Mrd. US$ Hospitalisierung: 52,2% der Kosten 43% der Kosten fallen im ersten Jahr an 17% der Kosten entfallen auf die terminale Behandlung Kosten pro Fall sinken mit zunehmendem Alter Diskontierung der Kosten mit 3% und 5% resultiert in einem Ergebnis von 3,8 Mrd. US$ bzw. 3,6 Mrd. US$
Kommentar
Oliva et al., 2005 [13]
Ermittlung der Gesamtkosten von Brustkrebs im Jahr 2002
Analyse indirekter Kosten von Brustkrebs fu¨r das Jahr 2003
– Direkte, indirekte und intangible
– Gesamtkosten ca. 3 Mrd. SEK, davon 30% di-
Kosten (Perspektive Gesellschaft) – Schweden – Diskontierung: 3% – Pra¨valenzansatz (top-down-basiert)
rekte Kosten (Screening, Krankenhausleistungen, ambulante a¨rztliche Versorgung, Arzneimittel) und 70% indirekte Kosten – innerhalb der indirekten Kosten sind Produktionsausfallkosten aufgrund von vorzeitigem Tod ein bedeutender Kostentreiber (52% der indirekten Kosten) – intangible Kosten: ca. 6,6 Mrd. SEK (Messung in Form verlorener QALYs; Bewertung mit Willingness-to pay-Ansatz)
– Nur indirekte Kosten – Spanien – Diskontierung: in Sensitivita¨tsanaly-
– Ja¨hrliche indirekte Kosten fu¨r Brustkrebs liegen
– Pra¨valenzansatz
bei Anwendung des Humankapitalansatzes bei 288,7 Mio. Euro – bei Beru¨cksichtigung des Friktionskostenansatzes bei 11,6 Mio. Euro
Krankheitskostenanalyse von unheilbarem metastasierenden Brustkrebs (75 randomisierte Patientinnen)
– Nur direkte Kosten (Perspektive
– Durchschnittliche direkte Kosten zwischen der
Gesundheitssystem) – Kanada – Diskontierung: keine Angabe – Pra¨valenzansatz
Diagnose des ersten Rezidivs oder der ersten Metastasen und dem Tod: 36.474 C$ pro Fall – stationa¨re Krankenhausbehandlungen: u¨ber 50% der Kosten – Unterscheidung zwischen drei Altersgruppen (40–49 Jahre, 50–69 Jahre, 70–79 Jahre): Durchschnittskosten der Altersgruppe 40–49 Jahre am ho¨chsten – mittlere Altersgruppe: geringste Durchschnittskosten
Abscha¨tzung der Lebenszeitkosten von Brustkrebs (17.700 Patienten mit neudiagnostiziertem Brustkrebs des Jahres 1995)
– Nur direkte Kosten (Perspektive
– – – –
se 0%, 3%, 6% Wai et al., 2001 [14]
Will et al., 2000 [15]
Gesundheitssystem) – Kanada – Diskontierungsraten: 0%, 3%, 5% – Inzidenzansatz
Lebenszeitkosten: ca. 454 Mio. C$ Krankenhausleistungen: 63% der Kosten initiale Behandlung: 34% der Gesamtkosten terminale Krankheitsphase: 26,8% der Gesamtkosten – Behandlung von Frauen unter 50 Jahren aufgrund ha¨ufigerer Inanspruchnahme von Chemotherapie oder Bestrahlung kostenintensiver als die von Frauen u¨ber 50 Jahren – diskontierte Gesamtkosten: 390 Mio. C$ bzw. 362 Mio. C$
– Kostenmethodik ausfu¨hrlich beschrieben – indirekte Kosten sehr umfassend beru¨ck-
sichtigt – intangible Kosten gehen in Analyse mit ein
– Angaben zu den verwendeten Datenquellen
sind umfassend – Studie fokussiert nur indirekte Kosten,
U¨berblick u¨ber Gesamtkosten fehlt
– Datenquellen und Kostenmethodik werden
beschrieben – Abscha¨tzung der krankheitsattributablen
Kosten erfolgt lediglich aufgrund der Annahme, dass alle anfallenden Kosten auch dem Brustkrebs zuzuschreiben sind – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt
– Kostenmethodik und Modell werden
ausfu¨hrlich beschrieben – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt – Verwendung verschiedener Diskontierungs-
raten – keine Sensitivita¨tsanalysen
ARTICLE IN PRESS
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 305–318 www.elsevier.de/zefq
Lidgren, Wilking & Jo¨nssen, 2007 [12]
311
312
Tabelle 2. Krankheitskostenstudien fu¨r Prostatakrebs. Publikation
Gegenstand der Publikation
Grover et al., 2000 [16]
Analyse der Lebenszeitkosten von Prostatakrebs (Kohorte kanadischer Ma¨nner des Jahres 1997)
Max et al., 2002 [17]
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 305–318 www.elsevier.de/zefq
Piper et al., 2002 [19]
Sangar et al., 2005 [20]
Analyse direkter Kosten von Prostatakrebs
Ergebnisse
– Nur direkte Kosten
– Von 5,8 Mio. kanadischen Ma¨nner zwischen 40 und 80 Jahren
(Markov-Modell) – Kanada – Diskontierung: 5% – Inzidenzansatz
– – – – –
(in 1997) werden laut Modell 707.491 Ma¨nner (12,1%) Prostatakrebs entwickeln Undiskontierte Lebenszeitkosten: 9,76 Mrd. C$ Mit Diskontierung: 3,89 Mrd. C$ initiale Therapie: ca. 30% der Kosten Inanspruchnahme der Palliativersorgung: 25% der Kosten Kosten pro Patient reichen von 16.000 C$ bis 23.000 C$; abha¨ngig vom Alter des Patienten, dem Krankheitsstadium und der Behandlung
– – – –
Gesamtkosten von Prostatakrebs (pro Jahr): 360 Mio. US$ direkte und indirekte Kosten jeweils 50% Durchschnittskosten fu¨r Krankenhausbehandlung: 6.939 US$ 60% der direkten Kosten fallen fu¨r Krankenhausleistungen an
– Direkte und indirekte
Kosten – USA (Kalifornien) – Diskontierung: 3% – Pra¨valenzansatz – Nur direkte Kosten – Schweden – Pra¨valenzansatz
Kostenanalyse des letzten Lebensjahres von Prostatakrebs (Patienten in einem Milita¨r-Setting, die 1995–1997 an Prostatakrebs gestorben sind)
– Nur direkte Kosten – USA – Pra¨valenzansatz
Vergleich der Kosten von Prostataund Blasenkrebs (15.099 bzw. 7.703 Patienten mit Diagnose Prostatakrebs bzw. Blasenkrebs in Jahren 2001–2002)
– direkte und indirekte
– altersstandardisierte Kosten betragen 33.000 SEK im ersten
Jahr nach Diagnose – Gesamtkosten fu¨r Inanspruchnahme ambulanter oder stationa¨rer Leistungen unabha¨ngig von der Diagnose liegen fu¨r Patienten mit Prostatakrebs zwischen 45.000 SEK und 54.000 SEK im ersten Jahr – Kosten fu¨r 3-Jahreszeitraum: 114.000 SEK – Im letzten Lebensjahr durchschnittliche Kosten von 24.660 US$ – Spannweite der Kosten: zwischen 8.606 US$ und 64.447 US$ – im Durchschnitt verbrachte jeder Patient 19 Tage im Kranken-
Kommentar – Modell und Kostenmethodik werden
ausfu¨hrlich erla¨utert – Beru¨cksichtigung von indirekten Kosten
sowie Anwendung von Sensitivita¨tsanalysen fehlen
– Datenquellen und methodische Vorge-
hensweise werden beschrieben – Berechnung der indirekten Kosten basiert
allein auf Mortalita¨tsdaten – Erla¨uterung der Kostenmethodik sehr
knapp – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt – neben attributablen Kosten werden auch
krankheitsunspezifische Kosten fu¨r Zeitraum von 1 und 3 Jahren gemessen – Kostenmethodik wird knapp ero¨rtert – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt – Studie basiert auf sehr kleiner Stichprobe
haus Kosten – UK – Pra¨valenzansatz
– Gesamtkosten fu¨r Prostatakrebs: 92,74 Mio. GBP (Zeitraum 5 – – – –
Jahre) Gesamtkosten fu¨r Blasenkrebs: 63,1 Mio. GBP (Zeitraum 5 Jahre) Anteil der indirekten Kosten unter 10% Gesamtkosten pro Patient fu¨r Patienten mit Blasenkrebs (8.349 GBP) ho¨her als fu¨r Patienten mit Prostatakrebs (7.294 GBP) Forschungsinvestitionen fu¨r Prostatakrebs (20,56 Mio. GBP) betragen das Fu¨nffache der Forschungsinvestitionen fu¨r Blasenkrebs (4,62 Mio. GBP)
– Darstellung der Kostenmethodik ange-
messen – Beru¨cksichtigung direkter und indirekter
Kosten – Gegenu¨berstellung von Krankheitskosten
und Forschungsinvestitionen
ARTICLE IN PRESS
Norlund et al., 2003 [18]
Abscha¨tzung der Kosten von Prostatakrebs im Jahr 1998
Methodik
Publikation
Gegenstand der Publikation
Bouvier et al., 2003 [21]
Kosten von Darmkrebs fu¨r erstes Jahr nach Diagnosestellung (142 Patienten)
– Nur direkte Kosten – Frankreich – Pra¨valenzansatz
Analyse direkter Kosten von Darmkrebs im Jahr 2004 (384 Darmkrebspatienten)
– Nur direkte Kosten (Per-
Abscha¨tzung direkter Lebenszeitkosten der Darm- und Rektalkrebsbehandlung (6.856 Patienten mit neudiagnostiziertem Darm- und Rektalkrebs fu¨r das Jahr 2000)
– Nur direkte Kosten – Kanada – Diskontierung:
Clerc et al., 2007 [22]
Maroun et al., 2003 [23]
Methodik
spektive Gesundheitssystem) – Frankreich – Pra¨valenzansatz
Ergebnisse – Durchschnittliche direkte Kosten im ersten Jahr nach der Diagnose
von Darmkrebs: 21.918 Euro – Kosten reduzieren sich signifikant mit steigendem Alter bei der Diagnosestellung (32.344 Euro bei Patienten unter 55 Jahren; 18.387 Euro bei Patienten u¨ber 80 Jahren) – 70% der Kosten fu¨r Krankenhausleistungen – fru¨hzeitige Diagnose reduziert die Kosten der Behandlung nicht
313
Kosten von metastasierendem Darmkrebs (Fallgruppe 699 Patienten, Kontrollgruppe ohne Darmkrebs 2.795 Patienten)
quat beschrieben – attributable Kosten nicht hinreichend
von den Kosten der Komorbidita¨ten abgrenzt – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt – Datenquellen und methodische Vor-
lungsmustern und Komorbidita¨ten: keine signifikanten Kostenunterschiede festgestellt – Krankheitsstadium bei Diagnosestellung ist einziger signifikanter Einflussfaktor – u¨ber 50% der Kosten fu¨r Krankenhausleistungen
– Anwendung multivariater Regres-
– direkte Lebenszeitkosten: 333 Mio. C$ fu¨r Darmkrebspatienten
– Modell ausreichend ero¨rtert – Datenquellen in umfangreichem An-
–
0%, 3% , 5% – Inzidenzansatz – –
– Nur direkte Kosten – USA – Pra¨valenzansatz
– Studiendesign und Datenquellen ada¨-
– Durchschnittliche Kosten: 24.966 Euro – Evaluation der Kostenwirkungen von Geschlecht, Alter, Behand-
– –
Paramore et al., 2006 [24]
Kommentar
und 187 Mio. C$ fu¨r Patienten mit Rektalkrebs aufgrund hoher Hospitalisierungsrate fallen ca. 80% der darmkrebsinduzierten Kosten fu¨r die initiale Behandlung (49%) und die Palliativversorgung (28%) an 60% der Kosten sind bei beiden Krebsindikationen der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen zuzurechnen durchschnittliche Lebenszeitkosten pro Patient mit Darmkrebs: 29.110 C$ fu¨r Rektalkrebspatienten: 34.475 C$ Diskontierung: Lebenszeitkosten von 352 Mio. C$ bzw. 319 Mio. C$ fu¨r Patienten mit Darmkrebs und 182 Mio. C$ bzw. 178 Mio. C$ fu¨r Patienten mit Rektalkrebs
– Direkte Kosten (von neudiagnostiziertem metastasierendem
Darmkrebs) in Fallgruppe um 97.031 US$ ho¨her als in Kontrollgruppe (Follow-Up-Periode: 12,8 Monate) – hauptsa¨chliche Kostentreiber: Krankenhausleistungen und Facharztkonsultationen
gehensweise werden beschrieben sionsanalyse zur Identifikation von Einflussfaktoren der Kostenentstehung – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt
hang beschrieben – Anwendung verschiedener Diskontie-
rungsraten – weitere Sensitivita¨tsanalysen fehlen – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt
– Studiendesign und Datenquellen ada¨-
quat beschrieben – indirekte Kosten nicht beru¨cksichtigt
ARTICLE IN PRESS
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 305–318 www.elsevier.de/zefq
Tabelle 3. Krankheitskostenstudien fu¨r Darmkrebs.
314
Tabelle 3. (Fortsetzung ) Publikation
Gegenstand der Publikation
Selke et al., 2003 [25]
Kostenanalyse von Darmkrebs fu¨r das Jahr 1999
Yabroff et al., 2007 [26]
– direkte und indirekte Kos-
Ergebnisse
Kommentar
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 305–318 www.elsevier.de/zefq
– Direkte Kosten pro Jahr: 469,7 Mio. Euro – 98% der Kosten ambulante oder stationa¨re Krankenhausleistun-
– Ausfu¨hrliche Informationen zur Me-
gen – Sozialversicherungssystem leistet Transferzahlungen von 85,9 Mio. Euro – Produktionsausfallkosten: 528,1 Mio. Euro – Gesamtkosten von 555,5 Mio. Euro aus Perspektive der Sozialversicherung und 997 Mio. Euro aus Sichtweise der Gesellschaft
– Beru¨cksichtigung verschiedener Per-
– Nur direkte Kosten
– Fu¨r das Jahr 2000 werden direkte Kosten von 3,18 Mrd. US$ fu¨r die
(zusa¨tzlich wird Zeitaufwand der Patienten moneta¨r bewertet) – USA – Pra¨valenzansatz
initiale Krankheitsphase (erste 12 Monate nach Diagnose), 1,68 Mrd. US$ fu¨r die Weiterbehandlung (Zeitabschnitt zwischen initialer und finaler Therapiephase) und 2,63 Mrd. US$ fu¨r die Kosten der finalen Therapiephase (letzte 12 Monate des Lebens; Fokus auf Palliativversorgung) taxiert – Zeitaufwand der Patienten u¨ber alle Krankheitsphasen hinweg insgesamt 8.000 Euro – unter alleiniger Annahme der demografischen Vera¨nderung steigen Kosten bei der Projektion bis zum Jahr 2020 um 50% – Verwendung unterschiedlicher Szenarien: Beru¨cksichtigung der Fortschreibung der Trends (Inzidenz, U¨berlebensrate und steigenden Kosten) ergibt eine Kostensteigerung um 89%
– Detaillierte Darstellung der Annahmen – Datenquellen der Kostendaten und
ten (Perspektive: Gesellschaft und Sozialversicherungssystem) – Frankreich – Pra¨valenzansatz
thodik spektiven – Kosten der ambulanten Versorgung
ko¨nnten aufgrund fehlender Kostenkomponenten und fehlender diagnosespezifischer Kosten Unterscha¨tzung unterliegen
Szenarien ausreichend beschrieben – unterschiedliche Szenarien u¨berneh-
men Funktion von Sensitivita¨tsanalysen – Zielpopulation beschra¨nkt auf Krebspatienten ab 65 Jahren
ARTICLE IN PRESS
Projektion direkter Kosten von Darmkrebs (fu¨r die Jahre 2000 bis 2020 auf Basis der gescha¨tzten Pra¨valenz)
Methodik
ARTICLE IN PRESS zur allokativen Effizienz. Die Nu¨tzlichkeit und Relevanz fu¨r den Prozess gesundheitspolitischer Entscheidungsfindung wird kontrovers diskutiert. Da Krankheitskostenanalysen die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation von verschiedenen Interventionen jedoch nicht beantworten ko¨nnen, ist ihr Beitrag zur gesundheitspolitischen Entscheidungsfindung begrenzt. Es besteht daher Bedarf an Analysen mit vergleichendem Charakter (wie Kosteneffektivita¨tsstudien, die stets auf das optimale Verha¨ltnis von Input zu Output abstellen). Wenngleich die Relevanz von Krankheitskostenanalysen in diesem Bezug also limitiert ist und aus den Ergebnissen kaum Entscheidungen abzuleiten sind, da keine Beru¨cksichtigung des gesundheitlichen Outputs (der den Kosten gegenu¨bersteht) stattfindet, ergeben sich fu¨r Krankheitskostenanalysen dennoch interessante Verwendungsfelder: Sie sind in der Lage, Transparenz der Kostenentstehung zu schaffen und dadurch Datengrundlagen fu¨r Kosteneffektivita¨tsstudien zu generieren [5,6]. Sie bieten die Mo¨glichkeit, die Bedeutung einer Erkrankung u¨ber die epidemiologische Perspektive von Mortalita¨ts- und Morbidita¨tsdaten hinaus zu betonen [5]. Damit lassen sich die Aufmerksamkeit von Politik und O¨ffentlichkeit auf bestimmte Krankheiten lenken und Impulse fu¨r o¨ffentliche Debatten geben [28]. Zuku¨nftige Aufgaben bestehen vornehmlich in der Analyse von unterschiedlichen Inanspruchnahmemustern von Subpopulationen und Kostenwirkungen diverser Einflussfaktoren, um auf diesem Weg sog. High Utilizer (also Patienten mit erho¨hter Inanspruchnahme) zu bestimmen [26]. Mittels statistischer Verfahren ko¨nnen zudem die Variabilita¨t der Kosten erkla¨rt und die Kostenwirkungen verschiedener Einflussfaktoren erforscht werden [7]. Zudem ko¨nnen diese Studien auf relevante Kostenkomponenten – hier die stationa¨re Behandlung bei allen drei Krebsarten sowie die indirekten Kosten bei Brustkrebs – und damit auf Forschungsbereiche hinweisen, in denen es sich lohnt, vergleichende Analysen (mit dem Ziel der Optimierung der Ressourcenallokation) durchzufu¨hren.
Im vorliegenden Fall kann festgestellt werden, dass die eingeschlossenen Studien recht heterogen sind und zahlreiche methodische Limitationen haben. Eine standardisierte Methodik inkl. der Beru¨cksichtigung aller Kostenkomponenten ko¨nnte helfen, der O¨ffentlichkeit und vor allem den Entscheidungstra¨gern vergleichbarere Ergebnisse zur Verfu¨gung zu stellen [27,29]. Generell sollten aufgrund der Vielfalt mo¨glicher Studiendesigns der Vergleich und die Interpretation von Ergebnissen nur vor dem Hintergrund der verwendeten Methodik erfolgen [28].
[11]
[12]
[13]
[14]
Interessenkonflikt
[15]
Die Autoren haben keinerlei finanzielle oder organisatorische Unterstu¨tzung durch Nicht-Autoren erhalten. Es besteht demnach kein Interessenkonflikt.
[16]
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Systematische Literaturrecherche fu¨r HTA-Berichte: Qualita¨tsgesichertes Vorgehen beim DIMDI
Das Deutsche Institut fu¨r Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) betreibt seit dem Jahr 2000 im gesetzlichen Auftrag ein Informationssystem Health Technology Assessment (HTA) und beauftragt externe Wissenschaftler mit der Erstellung von HTABerichten. Dazu gru¨ndete es die Deutsche Agentur fu¨r Health Technology Assessment des DIMDI (DAHTA), die bei ihren Aufgaben von zwei Gremien unterstu¨tzt wird: Der wissenschaftliche Beirat HTA mit Experten relevanter Disziplinen bera¨t bei inhaltlichen und methodischen Fragen, das Kuratorium HTA aus Vertretern unseres Gesundheitssystems unterstu¨tzt bei der Festlegung und Auswahl von Themen fu¨r die HTA-Berichte. HTA-Berichte treffen Aussagen zu Nutzen, Risiken und Kosten sowie ethischen, sozialen und juristischen Auswirkungen medizinischer Technologien und Verfahren auf die gesundheitliche Versorgung. Themen fu¨r Berichte kann jeder beim DIMDI online vorschlagen, z.B. zu Diagnostik, Therapie/Rehabilitation, Pra¨vention/Screening oder Methodik. Fragestellungen mit aktuellem gesundheitspolitischen Entscheidungsbedarf werden vorrangig bearbeitet. Im Rahmen der Forschungsfo¨rderung werden beim DIMDI zurzeit ja¨hrlich etwa 15 HTA-Berichte nach einem standardisierten Verfahren erstellt. Eine qualita¨tsgesicherte, systematische Literaturrecherche und die im Ergebnis bereitgestellten wissenschaftlichen Publikationen sind Voraussetzung fu¨r die kritische Bewertung der verfu¨gbaren Evidenz zu einem bestimmten Thema. Sie schaffen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage fu¨r Entscheidungen, die z.B. bei der Einfu¨hrung neuer medizinischer Leistungen zu fa¨llen sind. Das Ziel der Recherche besteht darin, mo¨glichst die (weltweit verfu¨gbare) relevante medizinische Literatur entsprechend der Fragestellung des HTA-Berichtes zu identifizieren und keine entscheidungsrelevanten Vero¨ffentlichungen zu u¨bersehen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es notwendig, die Literaturrecherche qualitativ hochwertig, strukturiert und systematisch durchzufu¨hren. Sie muss zudem objektiv und transparent erfolgen, um ihre Re-
316
produzierbarkeit und die Akzeptanz der Ergebnisse zu gewa¨hrleisten. Diese beim DIMDI standardisiert ablaufende Literaturrecherche wird im Folgenden ausfu¨hrlich beschrieben.
HTA-spezifische Voraussetzungen fu¨r die Literaturrecherche Grundlage der systematischen Literaturrecherche ist die klare, eindeutige Definition und objektive Formulierung der wissenschaftlichen Fragestellung (Thema des HTA-Berichtes). Wer die Literaturrecherche dazu durchfu¨hrt, muss den Gegenstand der Frage vollsta¨ndig verstanden haben. Daru¨ber hinaus ist entsprechendes Fachwissen notwendig, das zuvor mindestens durch die Auseinandersetzung mit der Terminologie und medizinischem Hintergrundwissen aufgebaut werden muss: z.B. durch Lexika, durch Handsuche ermittelte Fachartikel oder durch Gespra¨che mit Experten. Dieses Know-how ist entscheidend, um relevante Suchbegriffe ermitteln und festlegen zu ko¨nnen bzw. um die Zwischenergebnisse hinsichtlich der richtigen Wiedergabe des zu recherchierenden Themas zu bewerten. Um die Ergebnisse nicht zu beeinflussen, muss der Recherchierende objektiv an das Thema herangehen. Um die Recherche in den Datenbanken des DIMDI durchzufu¨hren, muss er zudem die Abfragesprache (Retrievalsprache DIMDI Classic Search) beherrschen und daru¨ber hinaus die Struktur der einzelnen Datenbanken umfassend kennen: Nur so ko¨nnen gezielt Funktionen, spezielle Datenfelder oder bestimmte Besonderheiten von Datenbanken in der Suche beru¨cksichtigen werden. Das Fehlen dieses Fachwissens kann zu falschen oder mangelhaften Ergebnissen fu¨hren. Eine professionelle Rechercheoberfla¨che wie die DIMDI ClassicSearch gewa¨hrleistet dabei, komplexe Suchanfragen zu formulieren und erlaubt es, Rechercheprofile dauerhaft abzulegen. U¨ber
[28] Finkelstein E, Corso P. Cost-of-illness analysis for policy making: a cautionary tale of use and misuse. Expert Review of Pharmacoeconomics & Outcomes Research 2003; 3:367–9. [29] Clabaugh G, Ward MM. Cost-of-Illness studies in the United States: a systematic review of methodologies used for direct costs. Value in Health 2008;1:13–21.
Magazin die abgespeicherten Profile sind Rechercheergebnisse so zu jeden beliebigen spa¨teren Zeitpunkt einfach zu aktualisieren. Der Ablauf einer Recherche ist standardisiert. Die Recherche erfolgt immer in Zusammenarbeit mit den Autoren des HTA-Berichtes, die ebenfalls ihre Kompetenz einbringen. Die DAHTA und die mit dem HTA-Bericht beauftragten Autoren ermitteln im Vorfeld in enger Zusammenarbeit fachspezifische Suchbegriffe. Sie stellen eine wichtige Basis fu¨r die Literaturrecherche dar. Zudem werden in Absprache mit den Autoren die weiteren Kriterien fu¨r die Recherche festgelegt, die sich z.B. auf bestimmte Evidenzklassen fokussieren kann, wie systematische U¨bersichtsarbeiten, Metaanalysen, kontrollierte bzw. randomisiert kontrollierte Studien etc. Die Suche nach publizierten Dokumenten ist in der Regel auf die letzten fu¨nf Kalenderjahre begrenzt. Auf die Sprache der Vero¨ffentlichungen wird nur wenig eingeschra¨nkt, um Retrieval-Bias zu minimieren.
Ablauf der Recherche Die systematische Literatursuche in den Datenbanken des DIMDI gliedert sich in fu¨nf standardisierte Arbeitsschritte: Herausarbeiten der Konzepte Auswahl der themenrelevanten Datenbanken Identifizierung von Suchbegriffen Formulierung und Durchfu¨hrung der Recherche Nachbearbeitung und Qualita¨tskontrolle der Recherche
1. Herausarbeiten der Konzepte Aus der Fragestellung werden zuna¨chst die Hauptbegriffe extrahiert, gegebenenfalls geeignet umformuliert und in sachliche Aspekte
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 103 (2009) 305–318 www.elsevier.de/zefq