Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus sylvatica L. (Rotbuche) unter besonderer Berücksichtigung neuartiger Veränderungen1)

Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus sylvatica L. (Rotbuche) unter besonderer Berücksichtigung neuartiger Veränderungen1)

Flora (1987) 179: 355-378 VEB Gustav Fischer Verlag Jena Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus sylvatica L. (Rotbuche) unter besonderer Beriick...

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Flora (1987) 179: 355-378 VEB Gustav Fischer Verlag Jena

Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus sylvatica L. (Rotbuche) unter besonderer Beriicksichtigung neuartiger Veranderungen1 ) I. Morphogenetischer Zyklus, Anomalien infolge Prolepsis und Blattfall ANDREAS ROLOFF

Forstbotanisches Institut der Universitat Gottingen, BRD

Morphology of Crown Development of Fagus sylvatica L. (Beech) in Consideration of New Modifications I. Morphogenetic Cycle, Abnormalities Specific to Proleptic Shoots and Leaf Fall Key words: morphogenetic cycle, syllepsis, prolepsis, abnormalities, leaf fall, abscission zone, Fagu8 8ylvatica L.

Summary The morphogenetic bud cycle of Fagu8 8ylvatica L. is described, and it is shown that new leaves mainly are formed during the months of .June and July. However, growth of the leaf primordia mainly takes place in August and September. Already by August all primordia of the following season are fully developped in the bud, and the primordia formation for the year after next begins. From these studies it can be concluded that early summer drought reduces the number of leaves, while late summer drought more likely affects the leaf size. Syllepsis and prolepsis frequently occur together in young beech trees. Depending on the weather conditions in late summer and autumn either there will be frequent prolepsis the following autumn or frequent syllepsis the following spring. Abnormalities specific to proleptic shoots all can be explained by an incomplete development of lam mas shoots in autumn. The anatomical development of the abscission zone at the base of the petiole is described including scar formation. Six phases can be distinguished. Compared with other tree species the abscission zone of Fagus 8ylv€8tica L. partly resembles that of Betula and Alnu8, partly that of Quercu8. The leaf abscission follows in consequence of the dissolution of the middle lamella and of parts of the primary cell wall. Time pattern and causes of leaf fall were studied in 1984 and 1985 in various beech stands. One has to distinguish strictly between a period of premature summer leaf fall and a period of early autumn leaf fall. While the former is almost exclusively caused by biotic agents (insects, fungi) and comprises only a small amount of leaves, the early autumn leaf fall can be the result of dry summers, late shooting and tree damages. However, so far no definite correlation could be detected between the degree of beech decline and the beginning of autumn leaf fall. This is difficult because already by nature the time pattern and the setting in of leaf fall vary between light and shade crown and between individual trees and stands.

1) Auszug aus der Dissertation des Autors vom November 1985 am Forstbotanischen Institut der Universitiit Gottingen. Herrn Prof. Dr. H. BARTELS danke ich fUr Anleitung, Unterstiitzung und vorziigliche Arbeitsbedingungen, dem Bindesministerium fUr Forschung und Technologie fUr die Forschungsmittel (Forderungskennzeichen 0373074)

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1. Einleitung Infolge der Zunahme "neuartiger Waldschaden" in weiten Gebieten Mitteleuropas entstand das Bedurfnis, objektive Kriterien fUr die Beurteilung dieser Veranderungen zu entwickeln. Dabei schien sich das Interesse zunachst nur auf die Nadelbaumarten (insbesondere Fichte und Tanne) zu konzentrieren, da sie geschadigter als die Laubbaume wirkten und die Schadensdiagnostik durch die mehrjahrige Benadelung erleichtert schien. Doch schon kurze Zeit spater wurden auch an Laubbaumarten zunehmende Kronenverlichtungen beobachtet. Dabei stieB man allerdings auf Probleme bei der Beurteilung dieser Verlichtungen. Denn in Anlehnung an den "Nadelverlust" bei den Nadelbaumen hatte man zunachst nur das schwer einschatzbare Kriteriul1l "Laubverlust" zur Verfugung. Unter den Laubbaumarten verdient die Buche (Fragus sylvatica L.) besonderes Interesse, da sich ihr naturliches Verbreitungsgebiet praktisch uber ganz Mitteleuropa erstreckt und sie zudem sehr unterschiedliche Standorte besiedelt (s. ROHRIG 1980). Die heute bestehenden Buchenwalder wachsen fast ausnahmslos auf Standorten, die die Buche auch von Natur aus besiedeln wurde (s. ELLENBERG 1982). Daher braucht bei ihr nicht (im Gegensatz z. B. zur Fichte) mit zusatzlichen Problemen durch falsche Standort wahl gerechnet zu werden. Zudem spielt die Frage geeigneter Herkunfte bei Fagus sylvatica L. eine untergeordnete Rolle, da sie weitverbreitet natlirlich verjungt wird. Aus dies en Grunden erschien eine detaillierte Untersuchung der Morphologie dieser Baumart dringend erforderlich. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Trieb- und Blattentwicklung und den Blattfall (1. Abschnitt) sowie die Grobmorphologie der Kronenentwicklung (II. Abschnitt) umfassend darzustellen. Erst auf der Grundlage solcher Untersuchungen ist eine Beurteilung neuartiger Veranderungen moglich, die zudem andere (moglicherweise besser geeignete) Kriterien verwenden kann als nul' den chwer einschatz baren "Lau bverlust". 2. Morphogenetischer Zyklus der Buchenknospen Wachstum und Differenzierung wahrend der Ontogenese einer Pflanze sind so spezifisch koordiniert und reguliert, daB regelrechte Entwicklungszyklen zu beobachten sind. Diese laufen in gesetzmaBiger Weise ab und sind bei den Baumarten un serer Breiten neben der Bestimmung durch die genetische Veranlagung sehr durch jahreszeitliche Rhythmen gepragt. Ais morphogenetischer Zyklus wird daher bei Waldbaumen die Entwicklung der Knospe im jahreszeitlichen Ablauf bezeichnet (s. ESAu 1969; ROMBERGER 1963). Durch eine genaue Untersuchung, welche Anlagen zu welchem Zeitpunkt in der Knospe gebildet werden, sind z. B. Aussagen uber die Auswirkungen von Trockenperioden moglich. Fur die Diskussion von Trockenschaden bei der Buche sind die nachfolgenden Untersuchungen daher von grundlegener Bedeutung. Da der morphogenetische Zyklus der Buche bisher nicht untersucht worden ist, solI seine Darstellung am Anfang der Arbeit stehen. Die Morphogenese der Trennzone in der Blattstielbasis wird in einem gesonderten Abschnitt uber den Blattfall (Kap. 4.) behandelt. 2.1. Material und Methode In wiichentlichem Abstand wurden Buchenknospen in verschiedenen Bestanden des Leineberglandes (zwischen Giittingen und Hannover) gesammelt und ein Teil fUr die anatomischen Untersuchungen in Alkohol-Formaldehyd-Eisessig-Gemisch (nach GERLACH 1977) fixiert. Bei dem

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anderen Teil wurde die Entwicklung sofort unter einem Stereomikroskop (mit bis zu 63facher Vergro13erung) untersucht. Dazu wurden die Knospenschuppen entfernt. Zur anatomischen Untersuchung wurde der Vegetationskegel nach mind est ens eintagiger Fixierung in Spurrsches Medium eingebettet. Dabei erwies sich (in Anlehnung an GRUBER 1985) die in Tabelle 1 angegebene Methode als optimal. . Das eingebettete Material wurde anschlie13end mit Glasmessern auf dem Mikrotom in einer Dicke von 0,5 bis 0,25 flm geschnitten. Die Farbung der Schnitte erfolgte mit einer Losung aus Fuchsin (3 ml), Viktoriahlau (2 ml) und Gentianaviolett (1 ml) in destilliertem Wasser (100 ml, nach GRUB~'R, mundl. Mitteilung). Teilweise wurden die Objekte in Depex-Kunstharz eingeschlossen.

Tabelle 1. Einbettung von Frischmaterial in SPURRsches Plastikmedium (in Anlehnung an GRUBER, pers. Mitteilung 1985) Arbeitsschritt Nr. 1

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Propylenoxid rein (am Anfang Vakuum)

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Prophylenoxid rein (am Anfang Vakuum)

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Propylenoxid rein (am Anfang Vakuum)

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Propylenoxid: Spurr 2: 1 (am Anfang Hochvakuum)

13

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Prophylenoxid: Spurr 1:2 (am Anfang Hochvakuum)

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Spurr rein (Hoehvakuum)

15

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Spurr rein (Hochvakuum)

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Spurr rein (Hoehvakuum) Spurr rein bei 70° im Warmesehrank erharten

2.2. Entwicklung des Vegetationskegels SCHUEPP (1917) unterteilt die Vegetationskegel der Angiospermen in 2 groBe Gruppen: Wahrend in der ersten bei jeder Blattabgliederung unterhalb des Vegetationskegels der Apex sehr viel seines Materials verliert und damit GroBe und Gestalt erheblich andert, wird der Aufbau der SproBspitze in der anderen Gruppe durch die Blattabgliederung fast iiberhaupt nicht beeinfluBt. Der Apex der Buche tallt zweifellos in die zweite Gruppe. Hinzu kommt noch, daB er im Laufe des Jahres keine deutliche Ruhephase durchlauft, wie sie an einigen anderen Baumarten beobachtet wurde (s. z. B. DEMAGGIO & FREEBERG 1969).

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Nebenblallanlagen

ROLOFF

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Abb. 1. Vegetationskegel der Buche in seitlicher Aufsicht und fruheste Entwicklung der Blatt. anlagen (nach Entfernen der Knospenschuppen) (a) jungste Blattanlagen als Ringwulst erkennbar (2 Nebenblattanlagen und dazwischen die zugehorige Oberblattanlage) (b)-(d) Wachstum der Blattanlagen (zuniichst nur der Nebenblatter) bis zum vollstandigen Um. schlie!.len des Vegetationskegels Fig. 1. Shoot apex of beech (lateral view) and earliest developmental stage of leaf primordia (bud scales removed) (a) youngest leaf primordia visible as a ring bulge (2 stipular primordia with their respective lamina primordium) (b)-(d) development of the leaf primordia to the complete envelopment of the apex

Gleich zu welcher Jahreszeit man den Apex untersucht, er stellt sich immer in folgender Weise dar: Nach Freilegen der oberen Blattanlagen, die ihn eng schiitzend umschlieBen, erkennt man den Vegetationskegel als annahernd halbkugeliges Gebilde mit einer angedeuten Spitze (Abb. 1). Sein Durchmesser oberhalb der jiingsten Blattanlage betragt etwa 0,3 mm. Bereits direkt unterhalb der Spitze sind die jiingsten Blattanlagen als Ringwulst erkennbar. Aus diesem Ringwulst entwickeln sich dann die beiden Nebenblatter und zwischen Ihnen das Oberblattchen. Zunachst wachsen vornehmlich die Nebenblattchen und hiillen alsbald (etwa nach Ent. stehen zweier weiterer Blattanlagen) den Apex ein, wahrend die Oberblattanlagen in ihrem Wachstum zuriickbleiben (s. Abb. 1). Als Blattanlage wird im folgenden immer das Tripel aus 2 Nebenblattanlagen und der zugehorigen Oberblattanlage bezeichnet, da sie morphologisch zusammengehoren. Am Vegetationskegel entwickeln sich fast das ganze Jahr iiber neue Blattanlagen, lediglich von November bis Februar verharrt die SproBspitze in dem bis dahin erreichten Zustand, ohne jedoch ihre Form zu verandern, wie es fiir eine echte Ruhepause charakteristisch ware (s. DEMAGGIO & FREEBERG 1969). Vielmehr handelt es sich urn eine offenbar photoperiodisch erzwungene "Winterpause" (ahnlich Liriodendron tulipijera L. nach Untersuchungen von MILLINGTON & GUNCKEL 1950), da die Neubildung von Blattanlagen bereits im Februar auch bei Temperaturen urn den Gefrierpunkt wieder einsetzt, andererseits im November auch bei warmer Witterung zum Erliegen kommt. Bereits ab August entstehen die Blattanlagen fiir die iibernachste Vegetationsperiode, die zunachst in ihrem Wachstum deutlich hinter den zuvor entstandenen Anlagen zuriickbleiben und zur Enstehung eines Knospchens in der Knospe fiihren. Abb.2 zeigt nun die Entwicklung der Blattanlagen eines Langtriebes im Jahreslauf. Dafiir wurden 1984 und 1985 wochentlich 50 Termipalknospen einer Naturverjiingung ohne Schirm untersucht. Die angegebene Entwicklung stellt also sicherlich das Optimum dar. Die Blattanlagen-Ntmbildung setzt bereits im Februar ein, bis Mitte Mai wachsen jedoch nur die Nebenblattanlagen zu Knospenschuppen heran.

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Abb.2. Entwicklung einer Langtriebknospe im Jahreslauf Fig. 2. Development of a long shoot bud over one year

Erst wenn etwa 10 Stipelpaare im Mai vorhanden sind, wachsen von den darauf neu entstehenden Blattanlagen die Oberblattchen zu kleinen Blattspreiten fUr die Vegetationsperiode des nachsten Jahres heran. Da zu jedem Oberblatt 2 Nebenblatter gehoren, verlauft die Neuanlage und Entwicklung von Ober- und Nebenblattchen nun konform. Der H6hepunkt der Blattanlagen-Neubildung wird im Juli erreicht, danach verlangsamt sich die Entwicklung wieder. Ab September werden keine weiteren Oberblatt chen mehr fUr das nachste Jahr gebildet, sondern nun entstehen bereits die Knospenschuppen fUr die iibernachste Vegetationsperiode. Bis zum Eintritt der Winterruhe im November werden durchschnittlich noch 4 Blattanlagen gebildet. Damit ist der morphogenetische Zyklus der Langtriebknospe geschlossen. Es handelt

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Monal (1= Januar U.S.w.) Abb.3. Entwicklung einer Kllrztriebknospe im .Tahreslanf (Erlauterungen s. Abb. 2) Fig. 3. Development of a short bud over one year (explanations see Fig. 2)

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Rippenmerlstem (a) Abb.4. Langsschnitt dllrch den Vegetationskegel der Buche (a) Langtriebapex mit sehr aktivem Rippenmeristem (b) Kurztrieb-Apex mit nur wenig aktivem Rippenmeristem Fig. 4. Longitudinal section through the apex of beech (a) long shoot apex with very active rib meristem (b) short shoot apex with moderately active rib meristem

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sich um eben die 4 Blattanlagen, mit denen die Entwicklung im Februar wie bereits beschrieben wieder einsetzt, wahrend die fUr das laufende Jahr vorgesehenen Anlagen im April zum Austrieb gelangen. Untersucht man also im Frtihjahr kurz VOl' dem Austreiben die Terminalknospen einer Buche, so ist davon auszugehen, daB ihre auBeren 4 Knospenschuppenpaare bereits VOl' fast 2 J ahren entstanden sind, die inneren in del' vorangegangenen Vegetationsperiode. Die Blatter, die dann beim Austreiben erscheinen, wurden von Mai bis August des Vorjahres gebildet. Ihre Anzahl kann also nur durch Einfltisse wahrend dieses Zeitraumes modifiziert werden (und mit ihrer Zahl die Trieblange). Das bedeutet, daB der Witterung des Vorjahres nur von Mai bis August (vor aHem im Juni und Juli) eine Bedeutung fiir die Triebentwicklung des folgenden Jahres zukommt. Extreme Trockenheit in diesem Zeitraum muB sich in einer geringeren Blattzahl und damit auch einer geringeren Trieblange des Folgejahres niederschlagen. Die Entwicklung der Kurztriebknospen eilt bis Juli der Langtriebknospenentwicklung voraus (s. Abb. 3), bleibt anschlieBend jedoch hinter ihr zurtick, da lediglich 4 Oberblattanlagen entstehen. Daftir setzt abel' die Knospenentwicklung fiir das tibernachste J ahr bereits im J uli ein. Daher gehen die Kurztriebknospen mit dem erwahnten Entwicklungsvorsprung der jtingsten Blattanlagen in die Winterruhe, und auch bei ihnen ist der Jahreszyklus geschlossen. Die oberen Seitenknospen von Langtrieben entwickeln sich entsprechend den Langtriebterminalknospen selbst, hingegen entsteht an den unteren Seitenknospen bis zur Winterruhe lediglich ein Blattanlagentripel. Bei diesen ist die Entwicklung also deutlich verzogert (auch gegeniiber den dargestellten Kurztriebterminalknospen). 2.3. Anatomie des Vegetationskegels Da der Vegetationskegel del' Rotbuche keinen deutlichen Schwankungen hinsichtlich Form und GroBe unterliegt (s. Kap. 2.2.), ergibt sich auch anatomisch zu jeder Jahreszeit etwa folgendes Bild: Die auBere Begrenzung des Vegetationskegels wird durch 2 (selten 3) Zellschichten gebildet, die sich ausschlieBlich antiklin teilen (Ebene del' Teilung senkrecht zur Oberflache): die Tunica (SCHMIDT 1924). Diese Tunica umschlieBt kuppelformig ein zentrales Gewebe mit wechselnden Teilungsebenen, den Corpus (s. Abb. 4). Unterhalb von diesem befindet sich ein mehr oder minder aktives Rippenmeristem, das einen Komplex parallel verlaufender Zellreihen langs der Achse des Vegetationskegels hervorbringt. Er entsteht durch Teilung rechtwinklig zur Triebachse. Wahrend das Rippenmeristem in Kurztriebknospen nur schwach entwickelt ist, wird es in Langtriebknospen sehr aktiv. Dieser Unterschied ist letztlich dafUr verantwortlich, ob eine Kurz- oder eine Langtriebknospe entsteht. Er wurde in diesem Zusammenhang auch an anderen Baumarten festgestellt (s. GUNCKEL et al. 1946 und 1949; ZIMMERMANN & BROWN 1974). Unterhalb des Vegetationspunktes entstehen in den peripheren Bereichen durch perikline Teilungen der inneren der beiden Tunica-Schichten die erst en Blattanlagen, die sich zunachst als Blatthocker zeigen (s. ESAU 1969). Von diesem geht dann durch weitere Teilungen das Blattwachstum aus. Der Vegetationskegel del' Buche reiht sich damit problem los in die Reihe anderer bereits untersuchter Angiospermen-Vegetationskegel ein (s. z. B. MILLINGTON & GUNKEL 1950; KOZLOWSKI 1971; ESAU 1969; ZIMMERMANN & BROWN 1974; FAHN 1967; ROMBERGER 1963), insbesondere in die von SCHMIDT (1924) entwickelte TunicaCorpus-Theorie.

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Abb. 5. Langenentwicklung des dritten Oberbliittchens in der Terminalknospe von Langtrieben 1984 und 1985 (Mittelwert und Streuung von je 50 Messungen) Fig. 5. Length increment of the third leaflet in the bud of long shoots, 1984 und 1985 (mean value and standard deviation of 50 measurements per month)

2.4. Blattlangenentwicklung in der Knospe Eine Darstellung der Morphogenese der Buchenknospe ware unvollstandig, wurde sie die Blattlangenentwicklung in der Knospe nicht berucksichtigen. Daher wurde das Wachstum des dritten vollentwickelten Oberblattchens in den Terminalknospen von Langtrieben verfolgt. Es wurde gerade das dritte Oberblattchen ausgewahlt, da nach eingehenden Untersuchungen von SVOBODA (1972) das dritte Blatt in ausgetriebenem Zustand die geringste Variabilitat in der GroBe zeigt (beim Vergleich von Blattern derselben, aber auch zwischen verschiedenen Buchen). Abb. 5 zeigt das Ergebnis dieser Untersuchungen (je 50 Messungen in 14tatigem Abstand). Wahrend die wichtigste Zeit der Blattneubildung die Monate Juni und ,Juli waren, ist die Hauptwachstumszeit der Blattchen in der Knospe wiihrend der Monate August bis Oktober zu erkennen. Sie findet also deutlich spiitEf statt und erreicht ihren

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Anlage der Ifnospenscl1itppen (= Nebenblliller) Enlstehung von Oberblalkl1en ::: Longenwacnsfum der OberbliJ/lcl1en in tier /{nospe 1lii Anscnwellen der /{nospen H Auslreiben ~ Sfreckungswacl1s/um des Tr/ebes Enlwicklungssftllstand Abb. 6. Morphogenetischer Zyklus der Buchenknospe vom Reginn der ersten - Blat,tanlage am Apex bis zum Ende des Streckungswachstums der Triebes nach dem Austreiben im Fruhjahr des il bernachsten J ahres Fig. 6. Morphogenetic bud cycle of beech: development from the first leaf primordium at the apex to the end of shoot elongation after shooting in the spring of the year after next

Hohepunkt erst im September. Einfllisse wahrend dieser Zeit werden sich also nicht mehr auf die Blattzahl, wohl aber auf die BlattgroBe auswirken. In Abb. 6 ist der gesamte morphogenetische Zyklus einer Langtriebknospe noch einmal zusammengefaBt von der ersten Blattanlagenentstehung bis zum AbschluB des Austreibens dargestellt. 2.5. Syllepsis und Prolepsis Auf die beiden morphologischen Erscheinungen der Syllepsis und Prolepsis wird bereits an diesel' Stelle eingegangen, da es sich in beiden Fallen urn Veranderungen del' Knospenentwicklung handelt. Anhand der Abb. 7 sollen beide Phanomene kurz erlautert werden. Sie zeigt den Wipfeltrieb einer sehr vitalen, frei stehenden Jungbuche, wie er bisweilen im Herbst zu beobachten ist. AIle dargestellten Triebe und Verzweigungen sind erst im laufenden Jahr entstanden! 1m unteren Bereich erkennt man den regularen Friihjahrstrieb, der sich sogleich beim Austreiben sylleptisch verzweigt hat. Als Syllepsis bezeichnete man bisher (s. SPATH 1912) die Erscheinung, daB sich wahrend des Austreibens der Mutterachse an dieser Seitensprosse bildeten, ohne ein eigentliches Knospenstadium durchlaufen zu haben. Solche Seitensprosse sind von anderen

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Prolepsis

SyllepSis

Triebbasisnarbe Abb.7. vVipfeltrieb einer sehr vitalen, unbeschatteten Jungbuche mit proleptischer und sylleptischer Verzweigung (beachte: allc dargestellten Triebe in der laufenden Vegetationsperiode entstanden) Fig. 7. Treetop shoot of a vital, unshadowed young beech with proleptic and sylleptic ramification (note: all shoots are formed during the current year)

leicht dadurch zu unterscheiden, daB ihnen die Triebbasisnarbe (ROLOFF 1983, s. Abb. 7) fehlt. Denn ihre basalen Internodien sind nicht wie beim "normalen" Seitentrieb gestaucht, del' erst ein Jahr spateI' von del' Mutterachse ausgeht. 1m oberen Bereich des in Abb.7 dargestellten Wipfeltriebes erkennt man 2 Johannistriebe (SPATH 1912). Als solche oder als proleptisch nach MARCET (1975) bezeichnet man Sprosse, die aus im laufenden J ahr angelegten, meist fast vollstandig ausgebildeten Knospen entstehen, nachdem diese Knospen ein sommerliches Ruhestadium durchlaufen haben. Proleptisch wurden diese Triebe genannt, weil sie aus eigentlich erst fUr das folgende Friihjahr bestimmten Knospen "vorweggenommen" austreiben. Wegen del' flieBenden Ubergange sollen proleptische und Johannistriebe hier nicht nach SPATH (1912) unterschieden werden, sondern beide Begriffe werden im folgenden wie bei MARCET (1975) synonym verwendet. Die eigenen Untersuchungen an del' Buche lassen fiir diese beiden Erscheinungen del' Syllepsis und del' Prolepsis eine neue Interpretation notwendig erscheinen. Jede Buchenknospe, die im folgenden Jahr einen Langtrieb hervorbringen wird, laBt bei einer Untersuchung im HerQst odeI' Winter bereits die Seitenknospchen (in der Terminalknospe) fUr das folgende Jahr erkennen. Sie werden unter durch-

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Abb. 8. Terminalknospen (Zustand im Herbst) (a) fUr einen "normalen" Friihjahrstrieb in Durchsicht (Oberblattchen entfernt) deutlich die Akrotonie der Seitenknospchen zeigend (b) fUr einen Friihjahrstrieb mit sylleptischer Verzweigung mit deutlicher (Meso-) Basitonie der Seitenknospchen in der Knospe (Durchsicht) (c) eines unvollstandig gestreckten proleptischen Spatsommertriebes (Aufsicht), an dem die Seitenknospen ebenfalls (Meso-) Basitonie zeigen Beachte: (c) kann im Spatsommer aus (b) entstehen, wenn noch proleptischer Austrieb stattfindet Fig. 8. State of terminal buds in autumn (a) for a "normal" spring shoot (view through the bud, laminas removed), clearly showing the acrotony of lateral buds (b) for a spring shoot with sylleptic ramification, with obvious (meso-) basitony of lateral buds in the bud (c) of an incompletely extended proleptic late summer shoot, the lateral buds also with (meso-) basitony

schnittlichen bis schlechten Bedingungen erst in der iibernachsten Vegetationsperiode austreiben (s. Kap. 2.2.) und seitliche Verzweigung bilden. Bereits jetzt ist die Akrotonie (s. RAUH 1939) zu erkennen: Die obersten Seitenknospen sind am weitesten entwickelt, wohingegen die unteren erst rudimentar vorhanden sind (s. Abb.8a). Ganz anders sieht dagegen oft das Bild bei iiberdurchschnittlichen Bedingungen an jungen, freistehenden Buchen aus: Bei diesen sind haufig bereits im Herbst in der Terminalknospe gerade die unteren Seitenknospchen besonders weit entwickelt (s. Abb. 8b). Es handelt sich eindeutig urn Knospen im Sinne der allgemeingiiltigen Definition eines kompakten, noch gestauchten und wenig entwickelten Triebes, 24 Flora, Bd. 179

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Abb. 9. Beziehung zwischen Prolepsis und Syllepsis bei der Buche: Eine Terminalknospe (a), die im Sommer (Meso·) Basitonie der in ihr befindlichen Seitenknospchen zeigt (vgl. Abb. 8 b), kann sich im Spats om mer proleptisch offnen (b) und zeigt im darauffolgenden Friihjahr nach dem Austreiben die in (c) dargestellte Entwicklung. Sie kann aber auch geschlossen bleiben (d) und treibt dann im Fruhjahr sylleptisch aus (e). Fig. 9. Relationship between prolepsis and syllepsis in beech: a terminal bud (a) with (meso-) basitony of its inner lateral buds (s. Fig. 8 b) can either open proleptically in late summer (b) resulting in a ramification as in (c) in the following spring, or it can remain closed (d) and ramify sylleptically in the following spring (e).

der den von jugendlichen Blattanlagen eingehullten SproBscheitel darstellt (s. BUSGEN 1927, Lehrbuch der Botanik 1978; NULTSCH 1977). Aus diesen unteren Seitenknospchen entstehen im Fruhjahr die sylleptischen Seitentriebe. Sie entwickeln sich also sehr wohl aus Seitenknospen, nur waren diese von auBen nicht zu erkennen, da sie in der Knospe der Mutterachse verborgen waren. Die Definition der Syllepsis muB also - zumindest fUr die Buche - dahingehend modifiziert werden, daB es sich um Seitensprosse handelt, die wahrend des Austreibens der Mutterachse gleichzeitig mit ihr entstehen, ohne ein auBerlich sichtbares Knospenstadium durchlaufen zu haben. Auffallend ist die (Meso-) Basitonie der sylleptischen Triebe, die sich auch bereits an dem Entwicklungsfortschritt der Seitenknospchen in der Knospe der Mutterachse widerspiegelt (s. Abb. 8a, b). Bestehen bleibt an der eingangs erwahnten Definition der Syllepsis, daB sylleptischen Sprossen die Triebbasisnarben fehlen (s. Abb. 7 und 9). Offenbar iiberwinden sylleptische Knospchen bzw. Triebe nicht nur die korrelativen Mechanismen der Apikaldominanz (s. CHAMPAGNAT 1976) und Akrotonie, sondern auch die Hemmung der Internodienstreckung und Oberblattentwicklung ·an der Triebbasis, die normalerweise zur Triebbasisnarbe fUhrt. Diese Tatsache deutet nicht nur auf einen moglichen Zu-

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Abb. 10. Winterzustand der SproJ3spitze des Terminaltriebes Typ A: Knospe hat sich im Sommer nicht geoffnet. Typ B: Knospe etwas geoffnet, iiuJ3ere Knospenschuppen z. T. abgefallen (Pfeil: Narben), jedoch keine Streekung. Typ C: Triebverlangerung um nur wenige em naeh Knospenoffnung --+ Proventivknospen stark entwiekelt (z. T.) --+ im folgenden ,Jahr ein- oder mehrfaehe Gabelung des Terminaltriebes, "Wuehsanomalien", Typ D: Vollendeter zweiter Waehstumsschub --+ Terminalknospe voll ausdifferenziert. Fig. 10. Winter state of the terminal shoot tip

24*

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Abb.11. Wuchsanomalie nach Prolepsis (Kategorie C der Abb. 10) und abgestorbener Terminalknospe: dichtgedrangte obere Seitentriebe, die zu mehrfacher Gabelung des Stammes fiihren werden Fig. 11. Abnormal growth because of prolepsis (category C in Fig. 10) and terminal bud died off: upper lateral shoots closely crowded, which will lead to a multiply forked trunk

sammenhang zwischen den verschiedenen Mechanismen des pflanzlichen Korrelationsnetzes (s. MARESQUELLE 1977) hin, sondern unterstreicht auch die Besonderheit sylleptischer Verzweigung. Die sylleptische (Meso-) Basitonie la13t sich nun auch an den Seitenknospen proleptischer Triebe beobachten (s. Abb. 8c). Und tatsachlich sind nach den eigenen Untersuchungen die Seitenknospen proleptischer Triebe dieselben Knospen, die im Friihjahr zu sylleptischen Seitensprossen gefiihrt hatten, wenn die Mutterachse infolge schlechterer Bedingungen (beziiglich der Witterung) keinen proleptischen Trieb mehr entwickelt hatte. Sylleptische Seitentriebe bei der Buche sind also lediglich "verzogert" ausgetriebene Seitenknospen von im Spatsommer nicht mehr zur Prolepsis gekommenen Trieben. Umgekehrt werden diese Seitenknospen sich zu "normalen" Seitentrieben des Friihjahrs entwickeln, wenn noch ein proleptischer Austrieb der Mutterachse im Spatsommer erfolgt ist und die Knospen sichtbar iiberwintern. Es entscheidet sich somit vor allem durch die Witterungsbedingungen im Spatsommer, ob ein prolepsisreicher Spatsommer oder ein syllepsisreiches Friihjahr erfolgt (s. Abb. 9). Syllepsis und Prolepsis sind bei der Buche keine voneinander trennbaren "Gegensatze", sondern eng miteinander zusammenhangende Erscheinungen einer unterschiedlich weit fortgeschrittenen spatsommerlichen Entwicklung bei iiberdurchschnittlich giinstigen Bedingungen. Man findet beide Erscheinungen daher nur an frei stehenden, unbeschatteten jungen Buchen. Der nachste Abschnitt solI darananschlie13end zeigen, welche weitreichenden Konsequenzen die Prolepsis auf die Entwicklung der Wipfeltriebe junger Buchen habenkann.

3. Spezifische "Anomalien" an proleptischen Trieben In Buchennaturverjiingungen und insbesondere in Buchenpflanzungen sind haufig "Anomalien" der Wipfeltriebe zu beobachten (Knospen- und Triebhaufungen, abgestorbene Terminalknospen), die vorschnell in Zusammnhang mit "neuartigen

Kronenentwicklung der Buche. I.

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Waldschiiden" gebracht werden konnen (S'. z. B. Sonderheft der Allgemeinen Forstzeitschrift "Zum Erkennen von Immissionsschiiden an Waldbiiumen" 1983, S. 14). Der Drsache dieser Erscheinungen wurde daher nachgegangen. Eines haben die oben angefiihtren "Anomalien" gemeinsam: Sie treten nur im Zusammenhang mit proleptischen Trieben auf und somit (s. Kap. 2.5.) nur an unbeschatteten Jungbuchen. Zuniichst solI del' besseren Ubersichtlichkeit halber der Zustand der Wipfeltriebe im Herbst bzw. Winter kategorisiert werden, wie es in Abb. 10 geschehen ist. AIle an Buchen zu findenden Wipfeltriebe lassen sich in eine del' nachfolgendenKategorien einordnen: - Als Typ A ist in Abb. 10 die Spitze eines Wipfeltriebes dargestellt, wie sie am hiiufigsten zu beobachten ist: Die Terminalknospe hat sich im Laufe des Sommers nicht ein zweites Mal geoffnet, sondern blieb geschlossen und treibt im folgenden Friihjahr aus. Bei Typ B hat sich die Knospe im Spiitsommer minimal gestreckt, die iiuBersten (unteren) Knospenschuppen sind bereits abgefallen und haben ihre Narben auf del' Trieboberfliiche hinterlassen (Pfeil in Abb. 10). Oft schauen schon die Spitzen einiger Oberbliitter zwischen den Knospenschuppen hel'vor (linke Darstellung) und erfrieren im Herbst. Bei Typ Chat ein (wenn auch geringer) echter Austrieb del' Terminalknospe im Laufe des Sommers stattgefunden. Del' nul' wenige Zentimeter lange proleptische Trieb ist deutlich an seiner Behaarung zu erkennen. Die Seitenknospen sind (meso-) basiton sehr kriiftig entwickelt und erreichen teilweise die GroBe del' Terminalknospe, so fern diese nicht abgestorben ist. Wegen del' nul' geringfiigigen Internodienstreckung entstehen Knospenhiiufungen, wie sie sonst bei del' Buche nicht iiblich sind. Dnter Typ D schlieBlich werden vollstandig ausdifferenzierte proleptische Triebe zusammengefaBt. Sie sind wiederum an del' Behaarung zu erkennen. Die Internodien sind gestreckt und die Seitenknospen zeigen oft (Meso-)Basitonie. Wahrend die Typen A, B und D kaum als "Anomalie" auffallen diirften, kommt es im Fall C zu sehr ungewohnlich anmutenden Entwicklungen des Wipfeltriebes. Das liegt zunachst an den Knospenhaufungen, d. h. den ungewohnlich vielen groBen Seitenknospen, die dicht hintereinander an del' Tragachse stehen und zudem nicht die gewohnte Akrotonie zeigen. Hinzu kommt, daB die durch eine nul' noch gering ere Zahl von Knospenschuppen geschiitzten jungen Triebanlagen del' Terminalknospe sehr empfindlich gegen Austrocknung und biotische Schaderreger sind. So waren 1984 von 172 untersuchten Terminaltrieben des Typs C in fast jeder zweiten Gipfelknospe (bei 78) die zarten Vegetations anlagen (VOl' allem del' Apex) beschadigt odeI' zerstort, die meisten durch InsektenfraB. Frost hingegen spielt im Gegensatz zu del' Aussage von LE TACON (1983(1985) fast keine Rolle als Absterbeursache, denn die Vegetationskegel waren bereits wahrend des Spatsommers zerstOrt (s. a. BROWN 1953). In vielen Fallen des Typs C stirbt also die Terminalknospe abo Stellt man sich die Entwicklung eines solchen Wipfeltriebes ein Jahr spateI' VOl' (odeI' beobachtet die weitere Entwicklung an alteren Zweigen), so entstehen Bilder, wie sie Abb. 11 beispielhaft zeigt. Da die gehauften Seitenknospen allesamt austreiben, kommt es zu Triebhiiufungen. 1st nun auch noch die Terminalknospe ausgefallen, so fiihrt die Entwicklung zu mehrfacher Verzwieselung der Wipfeltriebe solcher Buchen. Diese Erscheinung ist waldbaulich sehr unerwiinscht (s. LE TACON 1983(1985), da die Verzwieselung sich ausgerechnet im unteren Abschnitt der zukiinftigen Starn me befindet und diese erheblich entwertet.

A.

370 AtJ!tretensHritJ!lgkeil In% rfer jeweiligen Gruppe m=mOje6rtJppe)

ROLOFF

~,~ NaltJrverjiingling linter Schirm ~NaltJrverjiingilng all! FreiflCiche

• PflanzungatJf Freifloche ~------------------------------~

0/0

50

10

Anzahl der Verzwiese(ungen Abb. 12. Haufigkeit der Verzwieselungen je Pflanze in 6 Jahren an Buchen, die unterschiedlich aufgewachsen sind (in Prozent jeder Gruppe, nach LE TACON 1983, 1985) Fig. 12. Frequency of bifurcation per plant in 6 years in differently grown up beeches (in per cent of each group, after LE TACON 1983, 1985)

Die "Anomalien" durch proleptische Triebe haben also mit Sicherheit nichts mit "neuartigen Waldschiiden" zu tun und wurden bereits von BUSGEN (1927) erwiihnt. Sie haben ihre Ursache in einer schlechten Anpassung der Buche an zu friihe Freistellung. Unter natiirlichen Bedingungen wiirde die Verjiingung erst viel spiiter in den GenuE vollen Sonnenlichtes geraten und durch das bis dahin verminderte Hohenwachstum nicht mehr so hiiufig zu Johannistriebbildung neigen. Diese Ergebnisse stehen in guter Ubereinstimmung (bis auf die Ursache des Absterbens der Terminalknospe) mit der Untersuchung von LE TACON (1983/1985), der diese Erscheinung vor allem an Buchenpflanzungen auf Freifliichen im Nordosten Frankreichs beobachtete. Auch THIEBAUT (1982) deutet proleptische Triebe als Folge tibermiiEigen Lichtgenusses und weist auf die durch sie bedingte Gabelung des Stammes hin. Besonders deutlich wird die Ursache del' Verzwieselungen durch einen Vergleich von deren Hiiufigkeiten bei Pflanzungen auf Freifliichen, Naturverjtingungen auf Freifliichen und Naturverjiingungen unter Schirm (s. Abb. 12 nach LE TACON 1983/ 1985). In volliger Ubereinstimmung mit den eigenen Beobachtungen besteht nach LE TACON (1983/1985) kein deuilicher UnteFschied zwischen frei wachsenden gepflanzten und frei wachsenden naturverjiingten Buchen. Daher scheiden die bisweilen ver-

Kronenentwicklung der Buche. 1.

371

muteten Griinde fUr die haufigen Verzwieselungen wie zu weite Pflanzenverbande, schlechte Pflanztechnik oder ungeeignete Herkunft aus. Die alleinige Ursache ist in den oft nicht vollstandig entwickelten Johannistrieben zu sehen.

Blattfall Die Darstellung des Blattfalls bei der Buche gliedert sich in 2 Abschnitte: die anatomischen Untersuchungen der Trennzone in der Blattstielbasis und den Verlauf des Blattfalls sowie seine Ursachen 1984 und 1985. 4.1. Anatomie der Trennzone 4.1.1. Definitionen und Methode Eine Darstellung der Entwicklung del' Trennungsgewebe bei der Buche kommt nicht umhin, die in der Literatur teilweise nicht prazise getrennten wichtigsten Begriffe zu definieren. Dies solI im folgenden nach LEE (1911), MUHLDORF (1925) und PFEIFFER (1928) geschehen. Ais Trennungs- oder Separationsgewebe werden aIle Gewebeeinrichtungen bezeichnet, deren Hauptfunktion in der (spateren) Trennung von Organen besteht (in diesem Fall der Blatter). Das Trennungsgewebe fUr die Blattablasung befindet sich bei den einheimischen Baumarten fast ausnahmslos an der Blatt- bzw. Blattstielbasis: Hier werden die Blatter vom Zweig getrennt. Sobald Trennungsgewebe in bestimmten Zonen eines Pflanzenorgans regelmaBig zu finden sind, wie es Z. B. fUr die Blatter soeben beschrieben wurden, werden sie als Trennungszone oder Trennzone bezeichnet. Wahrend die Trennzone einen graBeren Bereich der Blattstielbasis umfaBt, in dem sich vom umgebenden Gewebe unterscheidbare Zellkomplexe befinden, wird mit Trennschicht oder Trennungsebene lediglich eine Ebene von Zellreihen bezeichnet, in denen schlieBlich die Ablasung des Blattes erfolgt. Sie ist oft erst kurz vor dem Blattfall von dem Nachbargewebe der schon friihzeitig erkennbaren Trennzone zu unterscheiden. Als Blattstielnarbe bzw. Blattnarbe bezeichnet man in streng anatomischem Sinn nach dengenannten Autoren die Gewebepartie 0 berhalb der (spateren) Trennschicht. Demgegeniiber ist der direkt un ter hal b der Trenrtungsebene befindliche Gewebekomplex der Trennzone die Blattkissen- oder BlattIuBnarbe. Diese wird spateI' durch eine weitel'e Tl'ennungsschicht infolge eines Verheilungsperiderms "geschliffen", und es verbleibt schlieBlich die Blattgrundnarbe auf der Triebo berflache. AIle erlautel'ten Begl'iffe werden im folgenden Kapitel anhand der Abb. 15 verdeutlicht. Die Methode entspricht del' in Kap. 2.1. beschriebenen Vol'gehensweise fUr die Vegetationskegel: Es erfolgt eine Fixierung der Blattstiele in wachentlichem Abstand und anschlieBende Einbettung in Spurrsches Plastikmedium. Dabei und beim Anfertigen del' Schnitte ergaben sich Pl'obleme durch das Schrumpfen des Blattstielcollenchyms wahrend der Entwasserung und durch die zahll'eichen Kl'istalleinlagerungen und Gerbstoffanreichel'ungen im Blattstiel. Daher wurden die Untersuchungen laufend durch Handschnitte erganzt und kontrolliert. Der Nachweis von Starke erfolgte mit Jod-Kaliumjodid-Lasung, von Lignin mit Anilinsulfat bzw. Phloroglucin-Salzsaure, von Kork mit Sudan IV und von Callose mit Resorcinblau. 4.1.2. Entwicklung der Trennzone Obwohl eine Vielzahl von Baumarten auf die Entwicklung der Trennzone hin untersucht worden ist, fehlt fUr die Buche eine detaillierte Beschreibung bisher.

372

13

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Xylem

,).~

Phloem

14

Abb.13. Dreidimensionale Verbiegung der Blattstielbasis (in 2 Ebenen: nach rechts und oben) Fig. 13. Threedimensional deflection of the petiole base (in 2 planes: to the right and upwards) Abb.14. Verlauf der Leitbiindel des Triebes (schematische Darstellung von Querschnitten an den markierten Stellen) Fig. 14. Course of xylem and phloem in the leaf petiole (leaf trace) to the final incorporation into the xylem and phloem of the shoot (diagrams of cross' sections)

So bleibt es unerklarlich, warum z. B. bei PFEIFFER (1925) in seiner diesbeztiglichen Darstellung von tiber 200 Geholzen ausgerechnet die weit verbreitete Buche fehlt. Auch andere umfangreiche, vergleichende Untersuchungen sparen Fagus sylvatica L. aus (s. z. B. LEE 1911; v. MORL 1860). Lediglich bei TISON (1900) wird sie mit einem einzigen Satz erwahnt. Eine Erklarungsmoglichkeit fUr diese geringe Beachtung der Buche mag sein, daB bei ihr die Entwicklung der Trennzone komplizierter und variabler ist als bei vielen anderen Geh61zen (vgl. PFEIFFER 1925). Neben den bereits angedeuteten Schwierigkeiten bei der Anfertigung von Dtinnschnitten durch Kristalle und beim Einbetten durch das Collenchym und Gerbstoffanreicherungen in der Blattstielbasis wird die nbersichtlichkeit der anatomischen Schnitte durch die in 2 Ebenen 3dimensional verbogene Blattstielbasis sehr gestort (s. Abb. 13). Dadurch ist es nur selten moglich, auf eine langere Strecke eines medianen Langsschnittes genau die Blattstielachse zu treffen, Hinzu kommt noch, daB die zur Blattspreite ftihrenden Leitbtindel (Blattspurbtindel) gerade im Bereich der Blattstielbasis auseinderlaufen und ihre Anordnung in diesem Bereich sehr untibersichtlich und varia bel ist (s. Abb. 14). Die Buche besitzt trilakunare Knoten, deren mittlere Blattspur wiederum in zahlreiche Btindel unterteilt ist. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist die Entwicklung der Trennzone der Buche am besten mit Hilfe halbschematischer Zeichnungen darzustellen (s. Abb. 15), wie sie auch fUr andere Geholze in der Literatur weite Verbreitung gefunden haben (s. z. B. KOZLOWSKI 1973; PFEIFFER 1925, 1928). Bis zum Austreiben der Knospen (Embryonalphase, s. Abb. 15a) lassen sich keine Unterschiede zwischen den Zellen des Blattstielgrundes und den umgebenden jungen Geweben feststellen. Eine Trennzone ist noch nicht zu erkennen.

373

Kronenentwicklung der Buche. I.

Perit/erm

rQllenchym

Parenrhym

L-..J

o.lmm

0) f.if. Embryonalphase

b)

c)

15.5.

15.7.

Zellleilungsphase

Verho/zung

Siabili.J'ierungsp/}(TSe

l1ennung

Ze//teilungen Thy/len '--'o'lmm

t

30.!1. Vernarbungsphase 1 JalJr spa/er

Trennschirhf erkennbar '-------I

0,1mm

d) 30.10. Vorbereifungsphase

e) 5.11. Trennungsphase

f)

Abb.15. Trennzone-Entwicklung und Vernarbung bei Fagus sylvatica L. (schematische Darstellung von Langsschnitten jeweils kurz vor Ende der einzelnen Phasen; im unteren Bereich jeweils schematische Abgrenzung der Bereiche des Blattgrundes) Fig. 15. Development of the abscission zone and scar formation in beech (diagrams of longitudinal sections shortly before the end of the respective phase)

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Das andert sich erst wahrend des Streckenwachstums der Blatter beim Austreiben. Denn die Zellen der sich entwickelnden Trennzone bleiben durch ein vermindertes Grol3enwachstum deutlich hinter der Grol3e der angrenzenden Zellen des Triebes und des Blattstieles zuriick. Hingegen beginnen die meisten von ihnen sich zu teilen: Die iiberwiegende Zahl der Parenchymzellen und der nicht absterbenden Blattspurelemente fUhren im Laufe der Monate April und Mai einfache, eine geringere Zahl mehrfache Teilungen durch. Die Zellen der Trennzone werden in diesem Stadium (Zellteilungsphase, s. Abb. 15b) also wieder meristematisch. Nach Abschlul3 des Wachstums der Blattstielzellen im Mai finden an den Zellen der Trennzone keine Form- oder Grol3enveranderungen bis kurz vor dem Blattfall mehr statt. Die Gefal3e sind im Bereich der Trennzone geringfUgig enger als oberhalb und unterhalb und teilweise umeinander verschlungen. Sklerenchymatische Zellen (Fasern und Sklereiden) fehlen in diesem Bereich fast vollkommen. Die Trennzone unterscheidet sich am Ende dieser Zellteilungsphase also deutlich von dem umgebenden Gewebe, wenn sie auch nicht scharf abgegrenzt ist. In der nun folgenden Zeit bis zur Laubverfarbung finden lediglich folgende bemerkenswerte Veranderungen im Bereich der Trennzone und ihrer Umgebung statt (Sta bilisierungsphase, s. Abb. 15c): Vor allem oberhalb der Trennzone erfolgt eine starke Ablagerung von Kalziumoxalatkristallen in den Zellen des Blattstielparenchyms und insbesondere der Biindelscheiden. Diese Kristalle sind als Stoffwechselschlacken anzusehen (s. ESAU 1969, Lehrbuch der Botanik 1978). Die Einlagerung geht so weit, dal3 in einigen Bereichen in fast jeder Zelle ein Kristall zu finden ist. 1m Bereich und oberhalb der Trennzone entwickelt sich im Juni kraftiges Plattencollenchym, das der Festigung des Blattstiels dient. Es wird darin unterstiitzt durch die Entwicklung von Sklerenchymzellen (Fasern und vereinzelt Sklereiden) oberhalb und unterhalb der Trennzone. Erst kurz vor dem Laubfall finden dann weitere Veranderungen in der Blattstielbasis statt: Sie setzen mit einer allmahlichen Verthyllung der Gefal3e im Bereich der Trennzone noch vor der Vergilbung ein: Die Vorbereitungsphase fUr den Blattfall beginnt (s. Abb. 15d). Bei anfangender Vergilbung setzt der KohlenhydratRiicktransport aus dem Blatt in die Zweige ein (vgl. SWART 1914). In den Biindelscheiden und im Rindenparenchym unterhalb der Trennzone ist jetzt sehr viel Starke nachweisbar (s. Abb. 15d). Nun ist die Verthyllung der Gefal3e und die Auflagerung von Callosepolstern auf den Siebplatten der Siebrohren sehr weit fortgeschritten, und die Zellwande der Trennzone werden lignifiziert. Davon bleiben lediglich wenige Zellagen quer zur Blattstielbasis ausgenommen, in denen damit nun die Trennschicht erkennbar wird. Unterhalb von dieser wird in den Zellen der Trennzone durch Auflagerung von Korkschichten auf die Zellwande und Verkorkung der Wande selbst die Vernarbung vorbereitet. Die Wandverdickungen des Collenchyms sind wahrend dieser Vorgange im Bereich der Trennschicht abgebaut worden. Damit ist die Vorbereitungsphase fUr den Blattabwurf abgeschlossen. Unmittelbar darauf beginnen sich einige Zellen der Trennschicht zu teilen (oft unterbleiben solche Zellteilungen jedoch auch vollkommen) und sich die Blatter zu losen, indem zwischen den Zellen der Trennschicht die Mittellamellen und schliel3lich Teile der Primarwande aufgelOst werden: Die Trennungsphase ist eingetreten (s. Abb. 15e). Die AblOsung des Blattes geht meist yom Inneren des Blattstielparenchyms aus und schreitet nach aul3en und in die Blattspuren hinein fort, wo bei die Gefal3e zerrissen werden. Erst nach dem Abfall des Blattes entwickelt sich im Oktober und November an der unteren Grenze der Trennzone (also dort, wo zuvor eine regelrechte Starke-

Kronenentwicklung der Buche. I.

375

barriere ausgebildet war) Periderm. Zunachst beginnen einzelne Zellen des Parenchyms mit der Teilung, und bis zum Eintritt des Winters hat das neu entstandene Phellogen in der Regel AnschluB an das Rindenphellogen gefunden. Es hat in diesem Abschnitt der Vernarbungsphase (s. Abb.15f) jedoch erst ein bis 2 Zellagen Kork gebildet. Erst ein J ahr spater ist die Vernarbungsphase mit dem "Schleifen" der Blattpolsternarbe beendet, und das Vernarbungsperiderm geht flieBend in das Rindenperiderm uber. Jetzt erst kann von einem Ende der Trennzonenentwicklung gesprochen werden. Zusammenfassend laBt sich feststellen, daB die Trennzone der Buche primar (im Sinne PFEIFFERS, 1928) ist, da sie beim Austreiben bereits erkennbar wird. Es ergeben sich verschiedene Vergleichsmoglichkeiten mit anderen Baumarten: In bezug auf die Topographie der Trennzonen-Zellkomplexe kurz vor der Blattablosung ahnelt die Trennzone der Buche am ehesten der von Betula und Alnu8 (s. LEE 1911; PFEIFFER 1925: "Clada8tri8 lutea-Typ"). Jedoch wird im Gegensatz zu diesem Typ das Periderm erst nach dem Blattfall gebildet. In bezug auf die Peridermbildung ahnelt die Buche daher am ehesten den Eichen (s. BOSTRACK & DANIELS 1969; MAGNUS 1913; STABY 1886). Die LoslOsung der Blatter erfolgt durch Auflosung der Mittellamellen und von Teilen der Primal"Wand und entspricht daher dem zweiten von ADDIcoTT & LYNCH (1955); ESAU (1969) und KOZLOWSKI (1973) unterschiedenen A bscissions-Typ. Die Buche laBt sich also nicht eindeutig mit einer anderen Baumart vergleichen, wodurch ihre Einordnung erschwert ist.

4.2. Blattfall 1984 und 1985 und seine Ursachen Vorzeitiger Laubfall wird verschiedentlich undifferenziert als Symptom fur "neuartige W aldschaden" angesehen. Daher wurde auf reprasentativen Pro beflachen 6 verschiedener Buchenbestande im Leinebergland der Laubfall-Verlauf 1984 und 1985 einschlieBlich seiner Ursachen untersucht. In 3 geschadigten und 3 ungeschadigten Buchenbestanden (die Kriterien fur diese Unterscheidung werden im II. Abschnitt erlautert) wurden mit Hilfe von 10 cm starken Rundholzern je 1 bis 4 10 m 2 groBe Probeflachen angelegt, die 1984 ca. 2tagig und 1985 wochentlich abgesammelt wurden. Dabei wurden Blatter und Triebe gezahlt und die Ursache des Abfallens bestimmt. Sowohl 1984 und 1985 als auch in den Voruntersuchungen 1984 zeigte sich, daB man in Buchenbestanden 2 durch eine fast laubfallfreie Zeit im August deutlich getrennte Blattfall-Abschnitte unterscneiden kann: den Fruhjahrs-jFruhsommerlaubfall ("vorzeitiger" Laubfall) und den Spatsommer-jHerbstlaubfall. Beim vorzeitigen Blattfall bis zum August ergaben sich keine Unterschiede zwischen ungeschadigten und geschadigten Bestanden. Die Ursache war 1984 vor allem der FraB des BuchenspringruBlers am Blattstiel (Rhynchaenu8 jagi L., s. Abb. 16) und 1985 die Blattbraune [Erreger-Pilz Apiognomonia errabunda (RoB.) HOHN]. Die bis zum August herabfallende Blattzahl uberschritt nirgendwo 2 % der Gesamtblattzahl des Bestandes und erreichte somit keinen besorgniserregenden Umfang (detaillierte Wiedergabe der MeBergebnisse in ROLOFF 1985). Beim Spatsommer-jHerbstlaubfall gab es zwar zunachst geringe Unterschiede zwischen geschadigten und ungeschadigten Bestanden, da einige geschadigte Buchen bereits im August mit der Entlaubung begannen. Jedoch verschwanden diese Unterschiede im weiteren Verlauf des Herbstlaubfalls, so daB sich nach 3 Beobachtungsjahren auch in diesem zweiten Abschnitt des Blattfalls keine gesicherten Differenzen

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ROLOFF

b)

Abb. 16. FraB von Rhynchaenu8 fagi L. am Buchenblattstiel und Entwicklung bis zum Abbrechen des Blattes (a) FraB des Kafilrs (b) RiBbildung an der FraBstelle (c) Abbruch des Blattes am Stiel Fig. 16. Feeding of Rhynchaenu8 fagi L. at the leaf petiole and development to breaking of the leaf (a) feeding of the beetle (b) formation of cracks (c) breaking of the leaf petiole

zwischen geschadigten und ungeschadigten Bestanden ergeben haben. Dieses gilt vor aHem, wenn man die Auswirkungen von Trockenjahren auf den LaubfaH (s. ApPEL 1933; BUSGEN 1927; EBERMAYER 1876; PFEIFFER 1928; WIESNER 1907) und den von WIESNER (1907) beschriebenen SommerlaubfaH beriicksichtigt. Hier bleiben also weitere Beobachtungsjahre abzuwarten.

5. Zusammenfassung 1m Rahmen der Untersuchungen zur Feinmorphologie wird der morphogenetische Zyklus der Buchenknospe ausfUhrlich beschrieben. Dabei zeigte sich, daB die wichtigste Zeit der Blattneubildung die Monate .Iuni und .Iuli sind, wahrend das Wachstum der Oberblattchen vor allem im August und September stattfindet. Bereits im August sind aIle Anlagen fUr die folgende Vegetationsperiode in der Knospe enthalten, und es beginnt die Anlagenbildung fUr die iibernachste Vegetationsperiode. Aus diesen Untersuchungen ist die Folgerung moglich, daB sich extreme Trockenperioden im Friihsommer eher auf die Blattzahl, solche im Spatsommer eher auf die BlattgroBe auswirken miissen. Syllepsis und Prolepsis sind bei der Buche 2 eng miteinander verkniipfte Erscheinungen, die an jungen Buchen haufig gemeinsam auftreten . .Ie nach der Witterung im Herbst entscheidet sich, ob es zu einem prolepsisreichen Herbst oder zu einem syllepsisreichen Friihjahr kommt. Spezifische "Anomalien" an proleptischen Trieben lassen sich allesamt durch eine unvollstandige Entwicklung des .Iohannistriebes erklaren. Die anatomische Entwicklung der Trennzone in der Blattstielbasis, die schlieBlich das Abfallen des Blattes zur Folge hat, wird einschlieBlich der anschlieBenden Vernarbung dargestellt. Dabei werden eine Embryonal-, eine Zellteilungs-, eine Stabilisierungs-, eine Vorbereitungs-, eine Trennungs- und eine Vernarbungsphase voneinander unterschieden. Ein Vergleich mit anderen Baumarten muB je nach den zugrundllliegenden Kriterien unterschiedlich ausfallen: In der Topographie der Gewebekomplexe ahnelt die Trennzone der Buche sehr derjenigen von

Kronenentwicklung der Buche. 1.

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Betula und Alnus, aber das Verheilungsperiderm entwickelt sich im Gegensatz zu diesen erst nach dem Blattfall. Darin ahnelt die Buche wiederum eher Quercus. Die Trennung des Blattes erfolgt durch Auflosung der Mittellamellen und von Teilen der Primarwande der Trennschichtzellen. Der Verlauf des Blatt- und Triebfalls wurde 1984 und 1985 in verschiedenen Bestanden ein schlieBlich seiner Ursa chen verfolgt. Dabei zeigte sich, daB man vorzeitigen Sommerlaubfall und verfrlihten Herbstlaubfall scharf voneinander trennen muB. Wahrend der erstere fast ausschlieBlich biotische Ursachen hatte und auBerdem nur eine vernachlassigbar geringe Blattmenge umfaBte, kann der Herbstlaubfall sich durch Trockenjahre, spates Austreiben und Schadigung von Buchen verfrlihen. Dabei ist es jedoch bislang nicht moglich, eine eindeutige Beziehung zwischen Schadigung und Einsetzen des Herbstlaubfalls zu erkennen, da bei der Buche der Beginn und Verlauf des Laubfalls bereits von Natur aus zwischen Schatten- und Lichtkrone, von Baum zu Baum und von Bestand zu Bestand sehr variiert. o

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A. ROLOFF, Kronenentwicklung der Buche. I.

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