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Themwchimica Acta, 112 (1987) 81-88 ElsevierSciencePublishersB.V., Amsterdam- Printedin The Netherlands
SIGNALR~RRN UND CHARAKTERISTISCHE T~MPR~TUREN VON DIFFERENTIELLEN THERMOANALYTISCHEN RURVEN VON EINSTUFENPROZESSEN
Dr. Erhard Koch Max-Planck-Institut fur Strahlenchemie D-4330 N~lbeim~Ruhr ZUSAMMNENFASSUNG Signale bimolekularer Die Lage derivativer thermoanalytischer Prozesse auf der Zeit- bzw. Temperaturachse und ihre Hijhe ergeben sich aus der "Theorie der Charakteristischen Reaktionsgeschwindigiiber die spezifische Zeit, die aus Aktiviekeits-Koeffizienten" rungsparameterm und Weizrate berechnet werden kann. Analytische Ausdriicke. die auf DTA in einem "all-liquid"-System zu erweitern sind, werden vorgestellt; diese sind sowohl zur Vorplanung thermoanalytischer Experimente als such fiir die Interpretation der Ergebnisse n0tzfich. EINFUHRUNG Die
Anwendung
der
thermischen
Analyse
auf reaktionskinetische
Probleme in L&sung erfordert eine plausible wendbare
und
zuverl&sig
‘an-
Theorie fur die Hehandlung bimolekularer Reaktionen, die komplexer Reaktionsmechanismen
als unverzichtbare Grundbausteine
anzusehen sind. Wlhrend fiir lineare Temperaturerhohung die Signale von
Elementarprozessen
esster und zweiter Ordnung (Molverhaltnis
(I:111 inzwischen quantitativ zu beschreiben sind, existierte
fur
bimolekulare Prozesse mit ungleichen Konzentrationen der Komponenten noch eine Liicke in der Theorie /1-31. Eine
Moglichkeit,
Lage
und
Form von Ratensignalen such ohne
explizite zeitliche Integration der Xonzentration schreiben,
direkt zu beberuht auf einem Naherungsansatz, den man wegen seiner
Xonsequenzen
such "Theorie der charakteristischen Reaktionsgeschwindigkeitskoeffizienten" nennen konnte. Sie basiert auf der
Geschwindigkeitskonstanten am Maximum
der
Zeit/Raten-Rurve, die Reaktandenkonzentrationen A, and Bo, Aktivierungsparametern E und k_ und Heizrate m zu berechnen ist. Das Resultat ist, daO man die Geschwindigkeitakoefiisienten fur alle charakteristischen aus
Stellen der Ratenkurve, wie Peakanfang, Halbwerte, Maximum, Wendepunkte und Ende, sehr einfach iiber die spezifische Zeit der Reaktion berechnen kann, die parameter definiert ist: urn =
durch
E m-R-(ln k, + In umj2
0040.6031/87/$03.50
8 1987 ElsevierScience PublishersB.V.
Weizrate
und
Aktivierungs-
(1)
a2
In
isothermen
der
suchszeit
mit
der
Kinetik
kann man analog dem Produkt von Ver-
Geschwindigkeitskonstante
univariante
Werte
zuordnen; fiir eine Reaktion l.Ordnung ist dies in Tab.1 gezeigt. l.HW-Punkt Maximum
Anfang 0
k(t - to) = uk =
In 2 ==0.25
x/e
Tab. 1. Univariante Produkte uk e=2.718.;x=relative minimale Rate
0 1
Z.HW-Punkt ~2.8
Ende -In x =2.9-ln x
fiir eine Reaktion l.Ordnung;
Fiir die Signalhohe am Maximum der Glockenkurve ergibt sich
dA Nicht-isotherm:vm = -z = Ao/(um .e) (2a); Isotherm:vm= vo=Aok (2b)
CHARAKTERISTISCHE TEMPERATUREN FiiR BIMOLEKULARE REAKTIONEN Fiir einen bimolekularen Prozess, der ja die (pseudounimolekular) sich
nach
Reaktionen
l.Ordnung
und Z.Ordnung als Grenzfalle enthllt, ergibt
Integration
des
Zeitgesetzes
fiir die
Geschwindig-
keitskonstante am Maximum (=k,) schlieBlich /4/ B ozm-1 A (uklm= $q 0
0
- B"
(31
$zm+l 0
mit
zm= exp
C(Ao- Bo).(uk)m3
(3a)
Diese
Iterationsformel gibt bereits nach 5-6 Durchlgufen geniigend genaue Werte fiir (uklm. Im weiteren erhllt man die entsprechenden
k-Werte am Anfang des Peaks mit x = vo/vm:
k.
= x
-
Bo- Ao+ Am kmA, . Ao. B
(4)
0
mit
Am
= A0
(Bo- A,) *Z, Bo- Ao.Zm
(4a)
83 sowie
iiber die zweite Iterationsformel, in der 2, iiber
Ende
am
G1.(3a) analog wie 2, definiert ist: 1
= (uk), + -
(ukle
. [ln (uk)m- In (uk)e+ In x + In Y21 (5)
*o- B. mit *o’e
‘=
- B. -0
AZ om
(5a)
0
Mit Hilfe der Arrhenius-Gleichung lassen sich nun.die entsprechenT, und T, bzw. Zeiten
den charakteristischen Temperaturen To,
leicht aus den Aktivierungsparametern berechnen. Wir
haben
die
Beziehungen an 29 verschiedenen Losungsreaktionen DTA"
als
such
sowohl durch
"all-liquid
grammierte
UV-Reaktionsspektroskopie
durch
temperatur-pro-
gepriift.
Sofern
die
mechanistischen Koordinaten (Formfaktor S und Reaktionstypindex M) mit einem bimolekularem Prozess kompatibel sind, ergibt sich innerhalb
der
doppelten
Standardabweichung
eine
bbereinstimmung der experimentellen Temperaturen mit
befriedigende den
voraus-
berechneten 141.
SIGNALHOEHEN DER RATENKURVEN BIMOLEKULARER PROZESSE Fiir das Raten-Maximum einer bimolekularen Reaktion ergibt sich
V
Durch
m
= k;A;
teilweises
(Ao- Bo+ Am)
Einsetzen
der
Konzentration
am
Maximum nach
G1.(4a) erhllt man schliel3lich
TB,- A V
m
=
k;Am*
1
B,- A,:, i
2
’ 'rn
(7)
84
Die Tabellen 2 und 3 zeigen die
Ubereinstimmung
der
G1.(7)
mit
Ergebnissen fur einige UV- und DTA-Experimente; bei letzteren wurde die Ratenkurve iiber die TIAN-Gleichung CP Vt IVlhHJ'='
o+s
de
(8)
punktweise aus den DTA-Kurven berechnet.
DTA-SIGNALHoHEN BE1 BIMOLEKULAREN PROZESSEN Wahrend
man fiirRatenkurven im Rahmen der Nlherung u(t1=const.=um
eine exakte Formel fiirdie Signalhtjhe erhalt, ist dies fur die DTA nicht miiglich; wohl lie13 sich aber fiir eine Reaktion l.Ordnung von den
physikalisch-chemischen
Grundlagen ein her plausibler empirischer Naherungsausdruck entwickeln ("uc-Theorie" /5/): aoF em = (u,c1"
mit
(9)
,
n a.0.65, a = 0.40
F
=
VIAHI .Ao/Cp (c=kinetische Zellenkon-
stante, V=Volumen, AH=Reaktionsenthalpie, Cp= Systems). eine
Setzt
inverse
(=hAB)
zeigt,
Warmekapazitat
des
man voraus, daB die maximale Temperaturdifferenz
Korrelation
zur Breite, insbes. Halbwertsbreite so sollte dieser Ausdruck im Rahmen der uc-Theorie
fiirbimolekulare Reaktionen wie folgt zu erweitern sein:
a-F 'm(AB1 = h&c)”
2.25.mum ’
(10) hAB(c)
Wahrend die Halbwertsbreite einer l.Ordnung
Ratenkurve
fiir eine
Reaktion
betfligt, hangt sie fur die DTA-Kurve einer bimolekularen Reaktion auljer von den Reaktanden-Anfangskonzentrationen such von der Zellenkonstanten c ab; je nach dem Molverh%ltnis, setzen wir sie additiv aus einem Anteil hlc fur die l.Ordnung >>
2.25mum
Ao) und einem Anteil h2= fiirdie zweite Ordnung (B. = A01 zusammen /3,4/z (BO
as .. . Tab. 2 Ratenmaximumfurlek
ulare Prozesse
aus
nsmessunaen im IN Losungsm.
Molaritlt/Komponenten E
Rks.-typ
Lg A
l.25mH2S04 biaol.
.00023Ce(S04)2 t.oo11MA
21.9
18.4
15.2
10.1
7.3
40.0
30.6
.OOl lIB1
t.19DME
(dm3mol-‘min-‘)
Bnder .
C1.(7)
Expt. Simul.
4620
1.82
1.12
1.11
l.25mH2S04
bimol.
4385
3.71
1.92
2.96
THF
bimol_
440
4.72
4.50
4.40
fast
1700
2.51
2.40
2.41
l.25mH2S04
.00025Ce(S04)2 t .00225TA
Maximale Rate(l0’)
Ext.
17.2
.0005Ce(S04)2
t.oo30MA
Molare
bimol .
XOMPLEXE RXAXTIONRN .17Diacetyl t.094
H202
54.2
42.3
21.8
16.0
20.9
17.4
.14Diacetyl t.096
H202
komplex
42
1660
3083
3111
Wasser
Nachpeak
20
632
1034
740
3472
1.60
0.08
0.77
l.25mH2S04 komplex
.00025Ce(S04)2
t .003GLY
Heizrate:
Wasser
ca.
1.5 Xfmin
E=Aktivierungsenergie (kcal/mol); GLY=GlyoxylsPure;A-Faktor (dm3mol-lain -1 ) MA = NalonsBure; TA = Tartronsgure; 161 = Isobutyliden-indandion-(1,4); DMX= l,l’-Dimethoxyethen; TAF = Tetrahydrofuran
86 h
= hlcfAB
AB(cl
mit
B.
e (r
fAB= In (E
a: 0.6)
qae=
-1)
1 + E
+
R_O
(empirisch)
(12)
1
(13)
und
C
Moo
2
urn
+ lg
lgk-+ Igum- ZgfukIm
(exakt;vgY..Definition des Reaktionstyp-IndexjlI]. qAD
(11)
+ hZc(l - fAB).qAB (empirisch)
Dieser
Faktor
berucksichtigt, da13 die Halbwertsbreite einer Reaktion Z.Ord-
nung ~~olverh~ltnis l:f, d.h. fAB =
0)
mit
sinkender
Startkon-
zentration der Reaktanden wegen der Arrhenius-Gleichung zunimmt in dem
MaBe,
wie
In fukl
in
Vergleich
zu In km ansteigt /q-3/.
Ferner kannten wir mit dem Material unser DTA-Datenbank
(vgl.f5/f den G~~tigkeitsbexeich der Cl.{91 und (10) durch Entwicklung eines besseren Ausdrucks fur den Exponenten n erweitern:
n = 0.85-0022AoJbHff(0.27-0.~28Ao~~H~ln(um~~ Tab.3
~10.65
(141
zeigt, dass sich such die DTA-Signalhohen bimolekularer Re-
aktionen mit den Gleichungen (10) his (14) vorausberechnen lassen, sofern neben den Aktivierungsdaten und der Reaktionswgrme such die Zellenkonstante der Apparatur fur die Peaktemperatur bekannt ist.
Ein Weg zur direkten Berechnung der
Reaktionsgeschwindigkeitskon-
stanten fur das R~tenmaxim~m einer bimolekularen Reaktion aus Aktivierungsparametern
wird
den
aufgeseigt. Dies@ GrSBe besitst eine
Schliisselfunktion zur Berechnung folgender weiterer Daten eines
Tab.3 Maxima von Rate und Temueraturdifferenz aus DTA_nessunaen M.105 104.max.Rate
Mol/Komponenten
s
Lijsungsmittel
(Theorie)
C
Dm (Kl
G1.(7)Expt,Simul.Gl.(lO)Expt.
CP -AH 7.5
6.5
8.0
0.45 0.62
43
38
44
0.47 0.39
38
49
38
0.06 0.06
172
316
255
5.93 7.40
26
34
25
0.75 1.05
8.6
8.0
7.0
0.11
0.14
22
25
21
0.32
0.38*)
30
41
31
3.11
2.98
48
93
00
3.64
3.59
0.12 5.56 112 (0.65 428) H2O .005NaBrO t 0.025Ce(S04)2 2.99 715 2.0 1 verd.H2S04*) 0.09 3.84 232 (0.66 427)
2.0
1.6
0.57
0.55
.04 O3 t .03 DIP
20
21
0.26
0.24
.025Ce(S04)2 + 0.025 MA verd.H2S04
0.11 4.43 107
.lZCPD CH2C12
0.93
298
(1.14
306)
0.96
255
0.21 3.00 13.2 (1.14 284)
.I MSA t .I Furan 0.19 2.96 1.8 Toluol
1.49
350
(1.14
284)
.36 PO3 t .457TME
0.71
331
CH2C12
0.14 2.89 28.5 (1.02
.05 PO3 t .I3 TTE CH2C12
0.98
0.16 2.90 38.5 (1.02
.015Ce(S04 I2 + .025MA
309) 475 374)
0.61
301
(0.91
337)
.I Br2 t .25 Furan 0.95 ***j CH2C12 0.14 2.90 16.5 (0.80
371)
.055 PO3 t .I1 CHD
370
verd.H2S04
CH2C12
0.10 3.91 17
.00 NaJ03 t .58 H202
CH2C12
0.60
0.19 2.92 95.1 (0.99 0.42
0.55
0.27 3.41 22.3 (0.60
449
371) 432
410
29
452)
Vgl. Tab.2;Heizrate:ca. 1.5 oder *) 0.0 K/Min:TME=Trimethylethen; TTE=Tetramethylethen; CPD=Cyclopentadien-(1,3); CHD=Cyclohexadien-(1,3); DIP=Diisopropyllther; c=Zellenkonstante (Min-I);Cp=Warmekapazit;it; AH= Reaktionsenthalpie (kcal.mol-') Zur Kontrolledes elementarenVerlaufsder Reaktionendienendie mecha-1 K-1) nistischenKoordinaten: S-Formfaktor; M=Reaktionstypindex (kcal.mol **I 1.25 m; Zusatzvon 0.025 m NaBr t 0.375 MA ***I t IO % lithanol
88 derivativen TA-Signals: Maximale Rate,
Geschwindigkeitskonstanten
und Raten am Anfang und Ende, Temperaturen (am Anfang, Maximum und Ende
sowie
fur
Balbwerte
Gesamtbreite des Signals. Temperaturdifferenz,
und
Wendepunkte), und Iialbwerts- und
Fiir DTA-Kurven
Anfangs-
lassen
sich
maximale
und Endtemperatur, Halbwertsbreite
und Formfaktor annlhernd vorausberechnen. Damit ergeben sich Temperatur-
und
Form und Zeitachse
Position
solcher
Signale
auf
der
direkt aus den Aktivierungsparametern
und der Gesamtanderung der physikalischen MeBgrGDe fiirdie gewahlte TA-Methode, sofern die Anderungen des zu
Messignals
proportional
der Summe der jeweiligen gewichteten kinetischen Fliisse in den
Teilschritten angenommen werden konnen, wie in der TG, Reaktionsspektroskopie
EGA,
kenntnisse such auf die DTA zu iibertragen. Die Anwendung von putern
kann
telligence",
DSC,
/6/. Wie wir gezeigt haben, sind diese ErCom-
also, unter Nutzung des neuen Gebiets "Artifical Inzur
gezielten
Vorausplanung
thermoanalytischer
Experimente mit beliebigen thermischen Reaktionen (Temperatur- und Messbereich?) und zu neuen Wegen zur Klgrung komplexer organischer und anorganischer Reaktionen fiihren.
LITERATUR 1 2
3 4 5 6
E.Koch, Non-isothermal Reaction Analysis, Academic Press, London, 1977, S.90-126,401-513 E. Koch und B. Stilkerieg, Thermochim. Acta 17 (1976) 1 E. Koch und B. Stilkerieg, Thermochim. Acta 27 (1978) 69; J. thermal. Anal. 17 (1979) 395 E. Koch, J. thermal Anal., in Vorbereitung E. Koch, Thermochim. Acta 82 (1984) 293; Thermochim. Acta 94 (1985) 43 W. W. Wendlandt, Thermal Methods of Analysis, Wiley-Interscience, New York, 1964