Z. Immun.-Forsch. vol. 151, pp. 430-441 (1976) Institut fUr Hygiene und Mikrobiologie der Universitat des Saarlandes, Homburg/Saar
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination Studies on the Mechanism of L-Agglutination S. VON FRAGSTEIN und R. WIGAND Mit 5 Abbildungen Eingegangen am 13. Februar 1976 . Angenommen am 23. Marz 1976
Abstract The mechanism of L-agglutination (LA) was studied by fractionating human sera by means of Sephadex G 200 gel filtration. LA was found to be mediated by 2 factors: the rheumatoid factor (RF) as a macroglobulin, occuring only in sera from patients with rheumatoid arthritis, and an IgG globulin, found also in normal sera, probably a higly prevalent incomplete streptococcal antibody. RF-containing IgM fractions, by themselves devoid of LA activity, can be rendered positive not only by IgG from the same serum, but also by IgG from normal sera or by commercial human IgG. Mter absorption of sera containing the RF with streptococci LA disappears; by addition of normal serum, IgG from normal serum or human IgG LA titers were attained similar to those of the respective native serum. A treatment of RF -containing sera with mercaptoethanol leads to a largely parallel disappearance of LA and latex fixation. Three substrains of Streptococcus pyogenes SF 130 (type 1), varying in their endowment with typespecific antigens, reacted similarly in LA.
Einleitung Seit den Untersuchungen von CECIL et al. (1) ist bekannt, daB Seren von Patienten mit chronischer Polyarthritis in hohem Prozentsatz lebende oder abgetotete Streptokokken der Gruppe A agglutinieren. Eine statistisch hochsignifikante Korrelation zwischen dem serologischen Befund eines Streptokokken-agglutinierenden Faktors und der klinischen Diagnose einer chronischen Polyarthritis wurde nie ernsthaft in Zweifel gezogen. Eine hohe Konkordanz zwischen der L-Agglutination (LA) und anderen Tests zum Nachweis des Rheumafaktors, wie der Hamagglutination und dem Latextest, fand sich ebenfalls (2, 3, 4). Wenn die LA trotzdem seit der Einfiihrung der Hamagglutination (5), ihrer Modifikation (6, 7) sowie der Rheumafaktornachweise mittels Gammaglobulin-beladener Latexpartikel (8) an Interesse verloren hat, so mag das daran liegen, daB ihr Reaktionsmechanismus bis heute umstritten ist. Selbst die Frage, ob der Rheumafaktor an der Agglutination beteiligt ist, wird noch unterschiedlich beantwortet.
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 431
Rine auf den Streptokokkentyp bezogene Spezifitat der bei der LA beteiIigten Antikorper wurde in Erwagung gezogen (9). Die Beobachtung hingegen, daB nicht nur A-Streptokokken durch Seren von Patienten mit chronischer Polyarthritis agglutiniert werden, sondern auch Staphylokokken, Pneumokokken, Enterokokken, Proteus u. a., sprechen mehr fur eine unspezifische Natur der Reaktion und lassen die Deutung zu, daB der Rheumafaktor die LA verursacht (10). LAMONT-HAVERS (11) wies nach, daB an der LA 2 Faktoren beteiIigt sind: a) ein nur im Serum von Rheumatikern vorhandener Faktor, der wie der hamagglutinierende Faktor bei der Waaler-Rose-Reaktion (12) durch Kalteprazipitation aus dem Serum ausflillbar ist, b) ein weiterer Faktor, der durch Kalte nicht prazipitierbar ist und auch in N ormalseren vorkommt. MULLER (2) bestatigte diese Befunde in vollem Umfang und interpretierte sie folgendermaBen: Die Streptokokken, die in dem zu testenden Rheumatikerserum suspendiert werden, beladen sich zu111lchst mit dem in allen Seren vorkommenden
432 . S. VON FRAGSTEIN und R. WIGAND
von LAMONT-HAVERS (11) «3 Stamme lebender hamolysierender Streptokokken der Gruppe A», von MULLER (2) «Stamm SF 130, Typ 3» (diese Typenbezeichnung beruht offcnbar auf einem Irrtum), von KNOLL (3) «Stamm SF 130, Typ 1 », daneben einige andere Stamme zum Vergleich. Wir versuchten, einen etwaigen EinfluB des Bakterienstammes durch Verwendung dreier Substamme von SF 130 abzuklaren. Material und Methoden 1. Seren Untersucht wurden inaktivierte Seren aus den Einsendungen von 4 Einzugsgebieten. 25 Seren, alle positiv im Latextest, zeigten in der LA Titer von I : 40 bis I : 80. Eine zweite Gruppe von 29 Seren, im Latextest ebenfalls ausnahmslos positiv, wies in der LA schwache Titer auf oder war negativ. Eine dritte Gruppe Seren, negativ sowohl im Latextest wie in der LA, wurde fUr Substitutionsversuche herangezogen. 2. Streptokokken 3 Substa,mme von Streptococcus pyogenes, Gruppe A, Typ I, Stamm SF 130 wurden verwendet. Fur den gr6i3ten Teil der Versuche benutzten wir den Stamm Homburg, den wir fruher von Herrn Dr. F. LEGLER, Erlangen, erhalten haben. Zum Vergleich verwendeten wir fUr einige Versuche den von Dr. P. KNOLL, Jena, uberlassenen Stamm sowie einen von der American Type Culture Collection bezogenen Stamm SF 130. Die Stamme unterschieden sich nicht in ihrem vVachstum, wohl aber in der Nachweisbarkeit der typenspezifischen Antigene (s. Tab. 1). 3. L-Agglutination (LA) Die Anwendung verschiedener kommerzieller Medien fUhrte nicht zu einer befriedigend homogenen Suspension gewachsener Streptokokken. Daher verwendeten wir eine nach einem Rezept von LEGLER (15) hergestellte Rindfleischbouillon folgender Zusammensetzung: 750 g gehacktes Rindfleisch werden mit 1,5 I dest. Wasser versetzt und uber N acht im Kiihlschrank aufbewahrt. Am nachsten Tag wird die Mischung 15 min gekocht, durch Filterpapier filtriert, mit 5 NaOH auf pH 8,0 eingestellt und erneut 30 min gekocht. Zu 500 ml dieser Fleischextraktbruhe gibt man 5 g Proteose-Pepton Nr. 3 (Difco) und 2,5 g NaCI und kocht sie wieder auf. Danach wird der pH-Wert erneut auf 8,0 eingestellt. Man filtriert in Flaschen und autoklaviert 20 min bei 120°C. Danach solI das pH bei 7,6~7,8 liegen. Zur Serumverdunnung wird ublicherweise 0,3%iges NaCI benutzt (15). In Vorversuchen sahen wir bei Verwendung von 0,3- und 0,9%iger NaCI-L6sung sowie von Phosphat-gepufferter NaCI-Losung (PBS)') vollig ubereinstimmende Ergebnisse. Daher stellten wir der Einfachheit halber mit PBS, die wir als Elutionsmittel in der Gelfiltration einsetzten, auch die Verdunnungsreihen fUr die LA her. Zu einer Serumverdunnungsreihe mit 0,5 ml von 1: 10 bis 1: 320 ') A. NaCI KCI Na 2HP04 2 H 20 KH2 P04 H 2 0 80 ml A. + 100 ml B.
+
8,0 g 2,0 g 14,0 g 2,0 g 100 ml C.
B. CaC]
+
1,0 g Aqua bidest. 1000,0 ml C. MgCl 2 6 H 2 0 1,0 g Aqua bidest. 1000,0 ml 720 ml Aqua bidest. = PBS.
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 433 werden pro Rohrchen 0,5 ml 20 Stunden alte Streptokokkenbouillon zugegeben. Das Gemisch wird 2 Stunden im Wasserbad bei 52°C belassen; liber Nacht werden die Rohrchen bei 4 ° C gehalten und am nachsten Morgen im Agglutinoskop abgelesen. Die Agglutinationsstarken werden von 1 + bis 4 + bewertet. Ein Titer von 1 : 10 (Agglutinationsstarke 2 oder mehr) gilt als positiv.
4. Latex-Agglutinationstest Wir fiihrten ihn in liblicher Weise auf Glastlipfelplatten mit Reagenzien der Hyland Laboratories aus. Zu 1 Tropfen Serumverdlinnung 1: 20 gibt man 1 Tropfen der mit menschlichem Gammaglobulin beladenen Latexsuspension und liest nach 3 min Schlitteln mit bloI3em Auge abo
5. Gelfiltration mit Sephadex G 200 Flir die Auftrennung der Serumproteine bewahrte sich eine relativ groI3e Saule (2,5 X 100 cm, Pharmacia) bei langsamer Elution am besten. Auf die mit PBS getrankte Gelsaule wurde 1-2 ml unverdlinntes Serum aufgetragen; die Elution verlief mit 20 ml pro Stunde liber insgesamt 20 Stunden. Der Proteingehalt der eluierenden Fraktionen wurde durch UV-Absorption bei 280 nm im Uvicord (LBK) aIle 20 sec gemessen und als Funktion der Zeit geschrieben. Insgesamt 45-50 Fraktionen zu je 8 ml wurden mittels Fraktionssammler aufgefangen. RegelmaI3ig traten 3 deutlich voneinander abgrenzbare Absorptionsgipfel auf. Sie werden im folgenden als IgG-, IgM- und Albumingipfel bezeichnet, auch wenn sie selbstverstandlich nicht nur diese Proteine enthalten.
6. Konzentrierung Diejenigen Fraktionen, welche IgM bzw. IgG enthielten, wurden zusammengegeben, Fraktionen aus dem Zwischen bereich der Absorptionsgipfel verworfen. Die auf diese Weise erhaltenen IgM- und IgG-Pools wurden mittels Ultrafiltration so eingeengt, daI3 die in die LA eingehenden Konzentrate eine 0,1-0,2 ml Serum entsprechende Menge an Immunglobulinen enthielten.
7. M ercaptoathanolbehandlung 1 : 5 verdiinntes Serum wurde mit dem gleichen V olumen 0,2 M Mercaptoathanol versetzt und 3 Stunden bei Zimmertemperatur belassen. Danach wurde 24 Stunden bei 4 ° C gegen dreimal gewechselte PBS dialysiert. 8. A bsorption mit Streptokokken Aus 5 ml einer 16stlindigen Streptokokkenbouillon (Stamm Homburg) wurden durch Zentrifugieren die Bakterien gewonnen und dreimal in physiol. NaCI gewaschen. Danach wurden sie in 0,5-1,0 ml des zu absorbierenden Serums suspendiert und 2 Stunden im Wasserbad bei 37°C inkubiert. Diese Streptokokken-Serum-Suspension wurde liber Nacht bei 4°C gehalten, am nachsten Tag zentrifugiert und der klare Serumliberstand gewonnen. Er wurde nochmals mit neuen Streptokokken inkubiert und liber N acht stehen gelassen. Am nachsten Tag wurde erneut zentrifugiert und der nun zweifach mit Streptokokken absorbierte Serumliberstand bei den entsprechenden Versuchen eingesetzt.
Ergebnisse 1. Vergleich der L-Agglutination (LA) mit 3 Unter8tammen von StreptocoCCU8 pyogenes, Stamm SF 130
Obwohl aIle 3 Streptokokkenstamme auf den gleichen Bakterienstamm zuruckgehen sollen, unterscheiden sie sich in der Nachweisbar-
434 . S. VON FRAGSTEIN und R. WIGAND Tab. 1. L-Agglutination mit 3 Unterstiimmen von Streptococcus pyogenes, Stamm SF 130 Herkunft des Stammes
N achgewiesene ZellwandAntigene
Negative Reaktionen (15 Seren)
Positive Reaktionen (32 Seren)
Mittlerer Titer*)
Homburg
M0,T0,R0
15
32
19,0-( : 1,56
Jena
Ml+(-**), Tl+, R0
15
32
29,0'(: 1,50
Ml+,Tl+,R0
15
30
15,1'( : 1,53
American Type Culture Collection
*) Reziprokwerte der positiven Seren mit Standardabweichung. * *) 2 Laboratorien mit unterschiedlichen Befunden.
keit der typenspezifischen M- bzw. T-Antigene voneinander (s. Tab. 1). Dies hat jedoch keine Auswirkung auf ihre Agglutinabilitat durch Humanseren: AIle 15 untersuchten negativen und 30 der 32 positiven Seren reagierten mit den 3 Bakterienstammen qualitativ gleichsinnig. Bei Auswertung der mittleren TiterhOhe der positiven Seren (letzte Spalte) zeigten die Stamme Homburg und Am annahernd gleiche Hohe, der Stamm J ena einen urn knapp eine Verdiinnungsstufe hOheren Mittelwert aller Agglutinationstiter. 2. M ercaptoathanolbehandlnng der V ollseren
Nach Spaltung der polymeren Immunglobuline durch Mercaptoathanol zeigten 23 von 96 Latex-positiven Seren noch weiterhin einen posit-iven, jedoch meist abgeschwachten Latextest; 73 verloren ihre
LA pos.
schwach
neg.
S
0
~
20
0 0
'"
~
l~O
0
'"
B
schwach
pos.
1120 '"
neg. (13)
(2)
Strept. o Ho '" Je DAm
(3)
Latex
Abb. 1. Latextest und L-Agglutination mit RF-positiven Vollseren nach deren Behandlung mit Mercaptoiithanol, ausgefiihrt mit 3 Streptokokkenstiimmen.
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 435
Fahigkeit, die Latexsuspension zu agglutinieren. Diesem uneinheitlichen Verhalten steht ein ahnliches auch bei der LA gegeniiber. Fiinfzehn sowohl im Latextest wie in der LA positiven Vollseren zeigten nach Mercaptoathanolbehandlung das in Abbildung I dargestellte Verhalten; danach ist das Persistieren oder Verschwinden der Reaktivitat in beiden Reaktionsarten bei den meisten, jedoch nicht bei allen Seren gleichsinnig. Mit dem Stamm amerikanischer Herkunft zeigte nach Mercaptoathanolbehandlung keines der Seren mehr eine deutlich positive LA. 3. Latexte8t nach Fraktionierung der Seren an Sephadex G 200
Die IgM -Fraktion von 25 fraktionierten Seren war im Latextest ausnahmslos positiv; durchweg negativ verhielten Bich die Albuminfraktionen. Zusatzlich zu den IgM-Fraktionen war bei 5 Seren auch die IgG-Fraktion schwach bis mittelstark positiv (Abb. 2, obere Ordinate). Drei von diesen 5 Seren zeigten nach Behandlung der Vollseren mit Mercaptoathanol noch eine Aktivitat im Latextest (Abb. 2, untere Ordinate). 4. L-Agglutination (LA) mit fraktionierten Seren
Abbildung 3 veranschaulicht das Verhalten der Serumfraktionen der gleichen 25 Seren in der LA. Die IgM -Fraktionen waren ausnahmslos negativ (Kurve d). Bei den IgG-Fraktionen zeigten sich dreimal Titer von I: 10, aIle iibrigen waren negativ (Kurve c). Mit der kombinierten IgM - und IgG-Fraktion wurden in 20 Fallen positive Titer er-
latex
o
'" a:
a: z
z
++
z
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0
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'"
a:
z
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...LL
III
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Zahl der Seren
cr Z
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latex
a:
z
Abb. 2. Latextest im IgG bei 25 RF-positiven Sereno obere Ordinate: IgG-Fraktionen, untere Ordinate: entsprechende Vollseren nach Behandlung mit Mel'captoathanol.
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FRAGSTEIN
und R.
WIGAND
Titer
a------,
1:80 1:40
I. b._.-.
1:20 1:10 ~
25
20
15
10
5
Zahl der Seren
Abb. 3. L-Agglutination in Vollseren und Serumfraktionen a) Vollserum, b) IgM + IgG, c) IgG, d) IgM.
zielt; 5 Seren blieben negativ (Kurve b). Kurve a zeigt im Vergleich dazu die Originaltiter der Vollseren. Dem Original titer ahnliche Werte waren also weder mit der reinen IgM-Fraktion noch mit der IgG-Fraktion zu beobachten, wohl aber in den meisten Fallen mit der Kombination beider. Ein abweichendes Verhalten wurde bei einem weiteren Serum beobachtet. Bei diesem Serum, das nativ nur in der LA, nicht aber im Latextest reagierte, zeigte nach Auftrennung tiber Sephadex G 200 die IgM-Fraktion fUr sich allein hohe LA-Titer, wahrend aIle anderen Fraktionen negativ reagierten. Ein Latextest trat in den Fraktionen nicht auf. Titer
1:160
1:80 1:40 1:20 1:10 J1
Seren 50
14
94
17
51
75
94
50
74
87
75
51
87
53
63
99
Serum-Nr
45
63
99
Serum·Nr
Titer
1:80 1:40
1:20 1:10 II 48
Abb. 4. Einflu13 der Substitution mit IgG auf den L-Agglutinationstiter von IgM aus RF-positiven Seren, oben,
1. Saule: IgM 2. Saule: IgM
unten, 1. Saule: IgM 2. Saule: IgM
+ IgG des gleichen Serums, + Normalserum,
+ IgG des gleichen Serums, + IgG aus Normalserum.
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 437
5. Wiederherstellung der L-Agglutination durch Substitution von IgM-Fraktionen mit IgG
Bei den IgM-Fraktionen, die fiir sich allein keine LA zeigen, kann diese in den meisten Fallen durch Zufiigen der aus dem gleichen Serum gewonnen IgG-Fraktion wiederhergestellt werden (s. 0., sowie Abb. 4, die ersten Saulen). Eine solche Wiederherstellung der LA ist jedoch auch mit IgG-Fraktionen aus geeigneten Rheumafaktor-freien Normalseren, durch Zusatz von 0,1 ml normalen Vollserums oder durch Zufiigen einer IgG-Losung (Behringwerke) in einer 0,1 ml Serum entsprechenden Menge moglich. Bei der Mehrzahl der untersuchten Seren verhielten sich die IgM-Fraktionen unter Anwendung verschiedenartiger Substitutionen gleichsinnig; in wenigen Fallen fiihrte die Substitution mit fremden IgG zu hOherem Titer als eine solche mit dem IgG des gleichen Serums. 6.
Substit~£tionsversuche
an Vollseren
Von 29 Seren, die im Latextest positiv, in der LA jedoch schwach oder negativ waren, wurden je 2 Verdiinnungsreihen angesetzt. Die erste Reihe entsprach der Original-LA, die zweite erhielt dariiber hinaus zusatzliches IgG aus einem Pool geeigneter Normalseren, und zwar in einer Menge aquivalent zu 0,1 ml Serum je Rohrchen. Es ergab sich bei etwa 1 Drittel der Seren eine Steigerung des LA-Titers urn 1-2 Titerstufen. Bei 2 Dritteln der Seren blieb die LA unverandert schwach bis negativ. Til~r
1:160 1:80 1:40 1:20 1:10
•
~D~ ~D~ L ~D~ ~ 13
%7
99
74
Seren
Tiler 1:80 1:40 1:20 1:10
•
~D~~ ~D~~ UD~~ ~D~m 54
57
90
85
Seren
Abb. 5. Einflul3 der Absorption mit Streptokokken und der Substitution auf die L-Agglutination, 1. SauIe: OriginaItiter, 2. SauIe: nach Absorption, 3. SauIe: nach Absorption und Substitution mit N ormaIserum, 4. Saule: nach Absorption und Substitution mit IgG aus Normalserum, in 2 Fallen mit kommerziellem IgG (5. SauIe: Nr. 74 und 85).
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7. Absorptionsversuche mit Streptokokken und nachfolgende Substitution
8 Rheumafaktor-positive Seren wurden zweimal mit Streptokokken (Stamm Homburg) absorbiert. In der LA wurden untersucht: a) das Nativserum, b) dasselbe nach Absorption, c) und d) absorbiertes Serum, substitutiert mit Normalserum bzw. mit IgG aus Normalseren und e) in 2 Fallen zusatzlich auch mit Standard-IgG. Abbildung 5 zeigt, daB aIle Seren nach der Absorption ihre Fahigkeit, Streptokokken zu agglutinieren, verloren hatten. Eine Substitution mit Normalserum, Normal-IgG oder Standard-IgG verlieh den absorbierten Seren die alten oder vergleichbare Titer. Nur ein Serum (Nr. 99) blieb nach det Substitution negativ. Diskussion
Die Ergebnisse mit der LA von Seren nach ihrer Auftrennung iiber Sephadex G 200 zeigen eindeutig, daB es zur Aus]osung einer positiven LA sowohl der IgG- wie der IgM -Fraktion bedarf. Es sind also zumindest 2 Faktoren beteiligt, die sich in ihrer MolekiilgroBe unterscheiden. Zwar war bei einigen Seren nach Auftrennung auch mit einer Kombination von IgM und IgG keine LA mehr nachweisbar. Fast aIle Seren jedoch, die nach der Trennung noch zu agglutinieren vermochten, reagierten gleichsinnig nach einem Zweifaktormechanismus. Die Annahme liegt nahe, daB es sich bei diesen beiden Faktoren urn die auch von LAMONT-HAVERS (11) und MULLER (2) beobachteten handelt. Der in der IgG-Fraktion enthaltene Faktor laBt sich durch Normalserum, welches keine Streptokokken agglutiniert, ersetzen, ebenso durch die IgG-Fraktion von N ormalseren sowie durch standardisierte Human-IgG-Losungen. Dies steht im Einklang mit der Annahme MULLERS, daB es sich bei dem unspezifischen Faktor urn einen gewohnlichen, in vielen Normalseren vorkommenden Streptokokken-Antikorper handelt. Bei der Betrachtung der Abbildung 4 fallt auf, daB einige IgMChargen mit Fremdsubstitution einen hoheren Titer erbringen als mit Eigensubstitution. Schon LAMONT-HAVERS (11) hatte vermutet, daB der (mnspezifische Faktof» in man chen Fallen limitierend in der LA wirkt. MULLER (2) bestatigte dies und fand, daB verschiedene Rheumatikerseren ebenso wie auch Normalseren offenbar ganz unterschiedliche Mengen an unspezifischem Faktor enthalten. Einige Normalseren eignen sich iiberhaupt nicht zur Substitution, mit anderen wurde der Originaltiter des Rheumaserums nicht erreicht, wieder andere ver-
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 439
halfen zu einem noch hOheren Titer. Durch Zufiigen von geeigneten Normalseren erreichte er teilweise Titererhohungen um 1-2 Stufen. Zu ahnlichen Ergebnissen kamen auch wir in unseren Versuchen (siehe Abb. 4). SchlieBlich verhielten sich unsere Rheumatikerseren auch in ihrem Absorptionsverhalten Streptokokken gegeniiber entsprechend der Zweifaktortheorie. Die Versuche der genannten Autoren wurden um die Substitution mit Normal-IgG und Standard-IgG erweitert. Auch hiermit lieBen sich die urspriinglichen Titer wiederherstellen (siehe Abb. 5). Ein Teil der untersuchten Humanseren, die nur im Latextest reagierten, zeigten nach Zusatz von geeignetem Normalserum eine LA, was im Einklang mit den vorgenannten Befunden und ihrer Deutung steht. Bei der LA - zumindesten mit dem Stamm Homburg, mit dem der groBte Teil der Versuche ausgefiihrt wurde - sind demnach 2 Faktoren beteiligt. Der eine ist in der Rheumafaktor-haltigen Makroglobulinfraktion bei der Geltrennung lokalisiert, der andere in der IgG-Fraktion. Letzterer ist nicht spezifisch fiir chronische Polyarthritis und in Normalseren in unterschiedlichen Mengen vorhanden. Ferner diirfte es sich bei ihm um ein Immunglobulin der IgG-Klasse handeln, wie die Substitutionsversuche mit standardisierenden Losungen beweisen. Er laBt sich mit Streptokokken absorbieren und aus dem Serum entfernen. Die Interpretation des hohermolekularen Faktors als Rheumafaktor und des niedermolekularen als inkompletten StreptokokkenAntikorper nach MULLER (2) darf auch fiir die Agglutination unseres Stammes gelten. Die LA lauft demnach nach dem gleichen Prinzip wie andere Tests zum Nachweis des Rheumafaktors abo Indikatoren sind die Streptokokken; das {'-Globulin, das sie an sich binden, sind die Patienten -eigenen inkompletten Streptokokken-Antikorper. Die Agglutination anderer Bakterien, wie sie z. B. von OKER-BLOM (10) beobachtet wurde, fiigt sich im Sinne der Variation des Indikators und einer Beteiligung der jeweiligen Normalantikorper in dieses Bild ein. Wie in der Einleitung erwahnt, kamen KNOLL (3) sowie SEIDEL und KNOLL (13) beziiglich des Mechanismus der LA zu einem von allen anderen Arbeitsgruppen abweichenden SchluB, daB namlich der Rheumafaktor bei der LA nicht beteiligt sei, daB vielmehr typenspezifische Streptokokken-Antikorper diese Reaktion verursachen sollen. Dieser SchluB griindet sich auf 3 Versuche: 1. nach Kalteprazipitation blieb der die LA verursachende Faktor im Uberstand; 2. nach Absorption der Seren mit Streptokokken lieB sich die LA mit Normalserum nicht wieder substituieren; :J. eine Behandlung von Seren mit Penicillinamin oder L-Cystein fiihrte zum Verschwinden der Latexreaktion, wahrend die LA unverandert blieb.
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Die Befunde stehen teilweise in Widerspruch zu unseren bzw. denjenigen von LAMONT-HAVERS (11) und MULLER (2); die Behandlung mit Penicillamin ist mit dem von uns untersuchten Effekt von Mercaptoathanol vergleichbar. SEIDEL und KNOLL (13) vermuten, daB die Diskrepanz zu den Befunden von MULLER (2) auf die unterschiedlichen Bakterienstamme zuriickzufiihren sei; in Wirklichkeit haben jedoch beide Arbeitsgruppen mit dem gleichen Stamm SF 130 gearbeitet (s.o.). 1m einzelnen haben die Jenaer Autoren sich bei der Kalteprazipitation nicht durch geeignete Kontrollen davon iiberzeugt, daB der Rheumafaktor tatsachlich gefallt wurde. Die Absorptions- und Substitutionsversuche wurden nur mit 3 Humanseren durchgefiihrt, auBerdem nicht mit lebenden, sondern mit vorher bei 56°0 abgetoteten Bakterien. Eine Vergleichbarkeit mit unseren Befunden, bei denen sich eines von 8 untersuchten Seren nicht substituieren lieB (s. Abb. 5), ist daher nur bedingt moglich; der Widerspruch mag nur scheinbar sein. SchlieBlich kam es nach Behandlung der Seren mit Mercaptoathanol zwar bei den meisten unserer Seren zum Negativwerden sowohl im Latextest wie in der LA, jedoch mit einzelnen Ausnahmen (s. Abb. 1); von SEIDEL und KNOLL (13) wurden nur die Daten eines einzigen Serums mitgeteilt. Bleibt somit 7.war ein Rest noch ungeklart, so steht fest, daB sich die Diskrepanzen zu den Ergebnissen der Jenaer Autoren nicht durch Unterschiede in den Bakterienstammen erklaren lassen. Dies ergibt sich aus der weitgehenden Parallelitat der Ergebnisse mit den 3 Substammen von SF 130 (s. Tab. 1, Abb. 1) im Ausfall der LA und im Verhalten nach Mercaptoathanolbehandlung. Da das Vorhandensein oder Fehlen der typenspezifischen T-, M- und R-Antigene bei den Streptokokken offenbar gleichgiiltig ist, konnen die bei der LA mitwirkenden Faktoren keine Antikorper gegen eines dieser 3 Zellwandantigene der Streptokokken sein. Es ist bereits seit einiger Zeit bekannt (16, 14), daB der Rheumafaktor nicht bei allen Seren ausschlieBlich in der IgM-Fraktion, sondern in einigen Fallen auch im IgG zu finden ist. Unsere Befunde lassen sich in dieser Hinsicht nicht eindeutig interpretieren. FUr das Vorkommen eines «leichten Rheumafaktors) sprechen immerhin, daB etwa 25 % der Rheumatikerseren nach Mercaptoathanolbehandlung noch einen positiven Latextest zeigte und daB bei et.lichen Seren die IgG-Fraktion im Latextest positiv reagierte. Erstaunlicherweise fiihrten beide Methoden nicht zu vollig konkordanten Ergebnissen (siehe Abb. 2). Auch in der LA wurde bei 3 Seren ein positiver Test in der IgG-Fraktion gefunden. Dieser letzte Befund braucht nicht in Widerspruch zur Zweifaktorentheorie zu stehen, da man den leichten Rheumafaktor und den unspezifischen Faktor in den gleichen IgGFraktionen erwarten wiirde.
Untersuchungen zum Mechanismus der L-Agglutination . 441 Dank Herrn Dr. G. HAHN, Institut fiir Hygiene der Bundesanstalt fiir Milchforschung in Kiel, danken wir fiir die Ermoglichung der Antigenbestimmung bei den Streptokokkenstammen. Fiir die Dberlassung del' Streptokokkenstamme sind wir Herrn Dr. P. KNOLL, Jena, und Herm Dr. F. LEGLER, Erlangen, zu Dank verpfiichtet, fiir die Bereitstellung von Rheumatikerseren Herrn Prof. Dr. G. BACH, Bad Abbach, Herrn Dr. F. LEGLER und Herrn Prof. Dr. A. VOGT, Freiburg.
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