+Model ZEFQ-1571; No. of Pages 2
ARTICLE IN PRESS
Zum 70. Geburtstag von Professor Dr. med. Dr. phil. Heiner Raspe
Am 13. September 2015 feiert Professor Dr. med. Dr. phil. Heiner Raspe seinen 70. Geburtstag. Die Unterzeichnenden, Schriftleitung, Redaktion und Verlag der ZEFQ sowie viele nicht genannte (ehemalige) KollegInnen und WeggefährtInnen nehmen diesen Tag zum Anlass, Heiner Raspe zu gratulieren und ihre allerbesten Wünsche für die Zukunft auszusprechen. Bereits 2010, zu seinem 65. Geburtstag, wurde an dieser Stelle das vielfältige Wirken des ehemaligen Direktors des Instituts für Sozialmedizin der Universität Lübeck gewürdigt. Wie ein roter Faden zieht sich die Idee, eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung für diejenigen zu sichern, die ihrer am nötigsten bedürfen, durch das berufliche Wirken des Rheumatologen und Soziologen. Sie ist erkennbar in den Forschungsprojekten der 1990er Jahre, die die Epidemiologie und Versorgung chronischer Erkrankungen zum Gegenstand hatten. Die Ergebnisse dieser Projekte sind zum einen bis heute die Grundlage für Analysen zum Versorgungsbedarf, zum anderen weisen sie auf den Stellenwert hin, den, Heiner Raspe der Versorgungsforschung bereits zu einer Zeit beimaß, als dieser Begriff in Deutschland noch fast ein Fremdwort war. Die Weiterentwicklung und Positionierung der Versorgungsforschung in der deutschen Forschungslandschaft war und ist Heiner Raspe ein Anliegen, dessen Erfolg sich an vielen Stellen ablesen lässt: an der von ihm 2010 federführend verfassten Stellungnahme der DFG zur Versorgungsforschung, zwei unter seiner Mitwirkung durchgeführten DFG-Nachwuchsakademien Versorgungsforschung sowie der Verankerung der Versorgungsforschung als Thema im Bereich Lebenswissenschaften der DFG. Gleichzeitig ist Heiner Raspes Name untrennbar verbunden mit der Etablierung und Weiterentwicklung der evidenzbasierten Medizin und evidenzbasierten Gesundheitsversorgung in Deutschland. Er gehörte zu den Gründern des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin, dessen erster Sprecher er
bis 2001 war und in welchem er bis heute aktiv ist. Weitere Themengebiete, die von Heiner Raspe über die Jahre maßgeblich mitgeprägt wurden, sind die Rehabilitationsforschung und die Ethik der medizinischen und Versorgungsforschung. Während die Vollendung des 65. Lebensjahres und die Abgabe einer Direktorenposition in der Regel das Ende der beruflichen Laufbahn bedeuten, markierten sie für Heiner Raspe den Aufbruch in eine weitere Schaffensperiode. 2010 übernahm er eine Seniorprofessur für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Universität Lübeck. Im Rahmen des Zentrums für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung fokussierte er mit einem kleinen Team vor allem zwei Themengebiete der bedarfsgerechten Versorgung: sehr praxis- und patientennah die Versorgung von Personen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und mehr theoriegeleitet und explorativ die Priorisierung von medizinischer Versorgung. Zur Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wurden evidenzbasierte und interdisziplinär konsentierte Versorgungspfade entwickelt, die in der Folge in mehreren Projekten implementiert und als komplexe Intervention in einem randomisierten kontrollierten Design evaluiert wurden [1]. Kennzeichnend für die Projekte ist die breite interdisziplinäre Abstimmung und Vernetzung zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Behandlern sowie die konsequente Einbindung von Betroffenen und dem Selbsthilfeverband Deutsche Morbus Crohn/ Colitis ulcerosa Vereinigung. Auf der Grundlage der positiven Evaluationsergebnisse wird das Konzept durch den Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen inzwischen fortgeführt und ausgebaut. Das Thema Priorisierung in der Medizin steht bereits seit über 15 Jahren im Mittelpunkt von Heiner Raspes Forschungsinteressen. Im Jahr 2000 blieb der unter seiner Federführung
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2015.07.007
ZEFQ-SERVICE: PERSONALIA unternommene Versuch der Zentralen Ethikkommission der deutschen Ärzteschaft, einen Diskurs in der Profession anzuregen, noch ohne Resonanz — anders als bei der erneuten Stellungnahme 2007. Parallel dazu hat Heiner Raspe im Rahmen einer DFG-Forschergruppe zur Priorisierung in der Medizin die Erfahrungen aus dem europäischen Ausland mit einem Schwerpunkt auf die schon fast 25 Jahre alte Entwicklung in Schweden systematisch aufgearbeitet. Es gehört zu seinen Verdiensten, dass sich die deutsche Diskussion um die Priorisierung von medizinischen Leistungen nicht auf eine Rationierungsdebatte beschränkt, sondern Priorisierung mittlerweile auch als eigenwertiges Konzept und Handlungsfeld verstanden wird. In einer zweiten Förderphase der Forschergruppe wurde das schwedische ,,nationale Modell‘‘ zur Priorisierung im Hinblick auf seine Übertragbarkeit auf den deutschen Versorgungskontext überprüft und angepasst. Für den Versorgungsbereich der Anschlussrehabilitation nach akutem Koronarsyndrom wurde eine Priorisierungsleitlinie nach schwedischem Vorbild entwickelt. Die Leitlinie mit einer umfangreichen Diskussion der Methodologie und Metrologie ist 2014 in Buchform erschienen [2]. Eine von Heiner Raspe gemeinsam mit Jan Schulze aus Dresden geleitete Arbeitsgruppe ,,Priorisierung im Gesundheitswesen‘‘ setzt sich für die Fortsetzung der Priorisierungsdebatte innerhalb der deutschen Ärzteschaft ein. Und auch diesseits dieser großen und in der Öffentlichkeit sichtbaren Projekte hat Heiner Raspe eine vielseitige, kritische und immer ungemein anregende Diskussionskultur gepflegt, er hat neue Ideen entwickelt und geholfen, sie in der Forschung umzusetzen, und er hat immer wieder persönliches wie wissenschaftliches Wachstum gefördert. Mit anderen Worten, er hat das vorgelebt, was den Hochschullehrer im besten Sinne ausmacht, und wir hoffen, dass er dies auch weiter tun wird. Seit Juni 2015 ist die Seniorprofessur für Bevölkerungsmedizin und
1
+Model
Versorgungsforschung an der Universität Lübeck beendet. Heiner Raspe tritt wieder in einen neuen Lebensabschnitt ein — wir wünschen ihm hierzu alles Gute und ad multos annos! Angelika Hüppe (Lübeck), Thorsten Meyer (Hannover), Oskar Mittag (Freiburg), Martin Scherer (Hamburg), Sabine Stumpf (Hannover) und Dagmar Lühmann (Hamburg)
2
ARTICLE IN PRESS Literatur [1] Hueppe A, Langbrandtner J, Raspe H. Inviting Patients with Inflammatory Bowel Disease to Active Involvement in Their Own Care: A Randomized Controlled Trial. IBD 2014;20:1057—69. [2] Raspe H, Stumpf S, Brinkmeier K. Priorisierung in der medizinischen Versorgung am Beispiel der kardiologischen Anschlussrehabilitation:
Problemstellungen — Modellentwicklung — Lösungen. Lage: Jacobs-Verlag; 2014.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Dagmar Lühmann Institut für Allgemeinmedizin Universitätsklinikum HamburgEppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Email:
[email protected]
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) xxx (2015), xxx–xxx http://www.elsevier.com/locate/zefq