Journul 01’ r/w Less-Con1n1on Mettrls, 35 ( 1974) 45-50 ( Elsevier Sequoia %A.. Lausanne Printed in The Netherlands
BEEINFLUSSUNG DER CHEMISCHEN SYSTEM WOLFRAMCHLORPWASSERSTOFF
GERHARD
IM
M. NEUMANN
OSRA M-F~~\~~/I~MJ. Miindwt~
(Eingegangen
TRANSPORTREAKTIONEN DURCH SAUERSTOFF
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am 3. September
(Bunr/r.srrpuh/i!i
Drursch/trm/)
1973)
ZUSAMMENFASSUNG
Die chemischen Transportreaktionen im System WolframChlorWasserstoff durch Sauerstoff beeinflusst. Durch Bildung von Wolframoxichloriden wird bei .niedrigen Temperaturen ( T < 1000 K) die Loslichkeit des Wolframs in der Gasphase erhiiht. Eine Schwarzung des Kolbens
SUMMARY
Chemical-transport reactions in the tungstenchlorineehydrogen system may be influenced by addition of oxygen. Through the formation of tungsten oxide chlorides at low temperatures (T< 1000 K) the solubility of tungsten in the gas phase is increased. Bulbblackening in halogen-containing incandescent lamps, which is observed when methylene chloride or chloromethane is added to the filling gas, may be overcome in the first case by the addition of oxygen. Experimental results are in fair agreement with conclusions from computer-aided theoretical calculations on the basis of chemical thermodynamics.
EINLEITUNG
In der modernen Halogengltihlampentechnologie wird dem Fullgas der Gliihlampen ein geringer Halogenzusatz beigegeben, urn eine Schwarzung des Lampenkolbens zu verhindern und eine iiber die Lebensdauer der Lampe konstante Lichtleistung zu erreichen. Der Halogenzusatz bewirkt dabei in der Gltihlampe eine chemische Transportreaktion, den sog. Halogenkreisprozess, in deren Verlauf das von der Wendel verdampfende Wolfram infolge Verbindungsbildung in der Gasphase oder an der Kolbenwand sozusagen in Losung gehalten wird und schliesslich wieder in Richtung von kalt nach heiss auf die Wendel zurticktransportiert wird.
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G.M.NEUMANN
Die chemischen Reaktionsgleichgewichte und die chemischen Transportreaktionen im Hochtemperaturbereich der Wolfram-Halogen-Systeme und ihre Beeinflussung durch weitere Reaktionspartner wie Wasserstoff und Sauerstoff sind daher von speziellem Interesse auf dem Gebiet der Halogengliihlampentechnologie. Das Reaktionsgeschehen und die chemischen Transportprozesse in den Wolfram-Halogen-Systemen und ihre Beeinflussung durch Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff sind vom Standpunkt der Thermodynamik an Hand von umfangreichen Computerberechnungen in einer Reihe von Arbeiten’ eingehend untersucht und detailliert behandelt worden. Die aus den Berechnungen gewonnenen Einsichten in den mijglichen Reaktionsablauf in diesen Systemen haben dabei Vorhersagen iiber die prinzipielle Mijglichkeit des chemischen Transportes von Wolfram in einem derartigen System sowie Aussagen iiber die Richtung dieser Transportprozesse erlaubt. Voraussetzung war bei den Berechnungen stets, dass die Thermodynamik als massgebender Faktor fur das Reaktionsgeschehen betrachtet werden darf. Zur Erweiterung der Kenntnisse iiber diesen Fragenkomplex sol1 iiber experimentelle Untersuchungen der chemischen Transportreaktionen in den WolframHalogen-Systemen berichtet werden. In vorangegangenen Arbeiten2 3 ist iiber die chemischen Transportreaktionen im System WolframChlor und im System Wolfram_Chlor-Wasserstoff berichtet worden. In der vorliegenden Arbeit sol1 tiber die Beeinflussung der Reaktionen im System WolframChlor-Wasserstoff durch Sauerstoff berichtet werden. THEORETISCHEBETRACHTUNGEN
Ohne auf Einzelheiten einzugehen, seien kurz die Ergebnisse der thermodynamischen Analyse der Reaktionssysteme WolframChlor-Wasserstoff und Wolframzhlor-Wasserstoff-Sauerstoff dargestellt. Aussagen tiber die Mijglichkeit chemischer Transportprozesse und tiber die Richtung dieser Reaktionen lassen sich in Anschluss an Schafer4 gewinnen aus einer Berechnung der Gasphasenzusammensetzung der betrachteten Systeme im betreffenden Temperaturbereich und anschliessender Ermittlung der Massenbilanz des Wolframs CPU, d.h. der Summation tiber alle, unabhangig von ihrem jeweiligen Bindungszustand in der Gasphase befindlichen Wolframatome. Diese Gross, stellt anschaulich die “Loslichkeit” des Wolframs in der Gasphase dar und ist im System W-Cl,-H, gegeben durch den Ausdruck CPU =P,+Pu(,+P,,,2+PH(I,+Pu(,i+Pw(,,, bzw. im System WC12-02-H2 cp,
durch den Ausdruck
=~u+~~~,+~,,,,+~uc,,+~~c,,+~~~Ir,+~~o +p,o,
+puo,
+4pH,ol.?
+2p,,o,,
+3pulo,
+3p& ios
+ puo,c il + puo;,,
Die Richtung der chemischen Transportprozesse ist dann durch die Temperaturabhangigkeit der Massenbilanz des Wolframs festgelegt, d.h. durch die Steigung der Bilanzkurve gegeben. Die Transportreaktion verlluft dabei stets in
TRANSPORTREAKTIONEN
IM SYSTEM
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WCI,pH,
Richtung von einem hoheren Wert zu einem niedrigeren Wert dieser Massenbilanz. Aus dem Verlauf dieser Massenbilanzkurven mit der Temperatur lassen sich fur das Brennverhalten von Halogengltihlampen wichtige Aussagen gewinnen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage der Schwlrzung oder Nichtschwlrzung des Lampenkolbens. Hat die Massenbilanz des Wolframs bei der Temperatur der Wendel einen niedrigeren Wert als bei der Temperatur der Kolbenwand, so bleibt der Lampenkolben klar, d.h. es findet keine Schwarzung statt. Das Reaktionssystem ist in der Lage, die im Bereich der Wendel in die Gasphase ubergegangenen Wolframatome such im Bereich der Kolbenwand in der Gasphase in Losung zu halten. Hat andererseits die Massenbilanz des Wolframs bei der Temperatur der Wendel einen hoheren Wert als bei der Temperatur der Kolbenwand, so wird eine Kolbenschwarzung einsetzen, da nunmehr das chemische Reaktionssystem nicht mehr in der Lage ist, die im Bereich der Wendel in Losung gehenden Wolframatome im Bereich der Kolbenwand in Losung zu halten: Die Verbindungsbildung ist bei hoheren Temperaturen hoher als bei niedrigen Temperaturen, so dass bei niedrigen Temperaturen ein Teil des an der Wendel in Losung gegangenen Wolframs an der Kolbenwand abgeschieden wird und die Lampe geschwarzt wird. In Abb. 1 sind schematisch die Bedingungen fur eine derartige Schwhrzung bzw. Nichtschwfrzung des Lampenkolbens am Beispiel von zwei unterschiedlichenEinfiillkonzentrationendesHalogen[oP,,( 1) < ‘PxL(2)] dargestellt.
IO00 -
2000
Temperatur
*
Abb. I. Schematischer Verlauf der Temperaturabhangigkeit der Wolfram-Massenbilanz zung und Nichtschwarzung der Kolbenwandung van Halogengltihlampen. Abb. 2. Temperaturabhangigkeit der Massenbilanz fur die Inertgas (‘P, ,, = IOe3atm) bei verschiedenen Wasserstoffanteilen
LOO0
3000 T [Kl
fiir Schwiir-
Systeme WolframChlor-Wasserstofff und einem Zusatz van Sauerstoff.
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G. %I.NEllMANN
DieentsprechendeTemperaturabh~ngigkeit der Massenbilanz fiir die Systeme Wolfram- Chlor-Wasserstoff ist in Abb. 2 dargestellt fiir eincn Chlor-Einfiilldruck von 1 :3. 1: 1 und 3: l-analog von OPcll = lo-3 atm sowie eincn Wasserstoffanteil CH,Cl, und CH3Cl -, wit sie an Hand der zu den Verbindungen CHC!,, thermodynamischen Daten der JANAF-Tabellen berechnet wur.den. Deutlich ist das starke Eingreifen von Wasserstoff in die Reaktionsgleichgewichte zu crkennen. Durch die Gegenwart von Wasscrstoff wird im Bereich niedriger Tcmperaturen die Lijslichkeit dcs Wolframs in der Gasphase z.T. drastisch gesenkt. Wlhrend Lampen mit einem Zusatz von Chloroform, CHC!,, kcinc Schwtirzung des Lampenkolbens erwartcn lassen. liegt in den andercn Systemen der Wert der Massenbilanz bci der Tempcratur der Kolbcnwand so niedrig, dass bei Lampcn mit einem Zusatz von Dichlormethan. CH,Cl, und Chlormcthan. CH,Cl. cinc Schwtirrung des Lampenkolbens zu erwartcn ist. Gleichzeitig ist in Abb. 3 der Verlauf der entsprechenden Massenbilanzen bei einem gleichzeitigen Sauerstoffzusatz yen Op(:,: = 5 x 10YJ atm zu den Systemen mit Dichlormethan und Chlormethan angegeben. Bei niedrigen Temperaturen (T-c 1000 K) ist die Wolfram-Massenbilanz infolgc der Bildung dcs Wolframoxichlorids. WO&‘l,. stark angehoben. Im Falle eincs Methylenchloridzusatzes wird dabei der Wert der Masscnbilanz bei dcr Wandtemperatur .( r, 2 1000 K) hijher als bei der Wcndeltemperatur (3000 K < T2 < 3400 K), so dass nunmchr keinc Kolbcnschwtirzung auftreten sollte. Im Falle cinos Chlormethan-Zusatzes greift der Wasserstoff jedoch zu stark in das Reaktionssystem tin. als dass mit cincm Sauerstoffzusatz die Schwiirzung vermieden werdcn kiinnte. EXPERIMENTELLE
ERGEBT+lSSI:
Zur Ijberpriifung der Vorhcrsagen der Theorie wurdcn Brennversuche mit Halogengli.ihlampen I2 Vi100 W durchgefiihrt und das Schwtirzungsvcrhalten beobachtet. Die Lampen wurdcn zur fcntfernung von Wasscr- und Sauerstoffspurcn durch Aufheizen der Wendel sowic Ausheizen des Kolbens mit ciner GeblPseflammc bei laufender Pumpc einige Minuten erhit;lt. Danach wurden die Lampen mit Krypton. dem jeweils cinc bestimmte Mengc dcr Zusatzgase beigemcngt war (s. Tabelle I), gefiillt und abgcschmolzen. Anschliessend wurdcn die Lampen 30 Stunden gebrannt. Abb. 3 zeigt die
CHIC1, CH,CI
_..-.
IO ’ his 1OY’ 10 3 be IO ’ IO-. his X x IO ’ IO ’ his X x IO .’
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_....
5 x 10’~’ bib IO ’
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5x IO ’ his 3 x IO ’
2:i
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TRANSPORTREAKTIONEN
IM SYSTEM
WCI,--H,
CH,CI
Abb. 3. Sch~irzungsergebnisse
an Versu~hs~ampel~
12 V;IoO W
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50
G. M. NEUMANN
Schwarzungsergebnisse an typischen Versuchslampen. Erwartungsgemass zeigen nur Lampen mit einem Methylenchlorid- oder Chlormethanzusatz eine Kolbenschwarzung, wahrend Lampen mit einem Chloroformzusatz, d.h. mit einem hoheren Chloranteil sauber bleiben. In Lampen mit einem Methylenchloridzusatz kann durch einen gleichzeitigen Sauerstoffzusatz der Wasserstoffeinfluss kompensiert werden und eine Kolbenschwarzung verhindert werden. In Lampen mit einem Chlormethanzusatz lasst sich jedoch such durch einen Sauerstoffzusatz eine Kolbenschwarzung nicht vermeiden. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen stimmen gut mit den theoretischen Betrachtungen iiberein und bestltigen die Annahme, dass bei den chemischen Transportreaktionen in diesen Lampen an der Phasengrenzflache fest/gasfiirmig Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichtes erfolgt.
LITERATUR 1 G. M. Neumann et al., Artikelreihe “Thermodynamik heterogener Gasgleichgewichte” I-IX Z. Naturforsch.. 26a (1971) 863, 870, 882, 1046 und Z. Merallk., 64 (1971) 26, 117, 193, 379, 444. 2 G. M. Neumann und U. Miller, J. Less-Common Metals, 26 (1972) 391. 3 G. M. Neumann und D. Schmidt, J. Less-Common Metals, 33 (1973) 209. 4 H. Sch2fer, Chemische Transportreaktionen, Verlag Chemie, Weinheim, 1962. 5 JANAF Thermochemical Tables, Dow Chem. Comp., Midland, Michigan, 2. Aufl., 1971.
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