Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen

Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2013) 107, 461—467 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com journal homepage: http://journals.el...

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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2013) 107, 461—467

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen The costs of new drugs compared to current standard treatment Mariam Ujeyl ∗, Claudia Schlegel, Ursula Gundert-Remy Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin Eingegangen/submitted 24. Januar 2013; überarbeitet/revised 19. April 2013; akzeptiert/accepted 29. April 2013

SCHLÜSSELWÖRTER Arzneimittelpreis; Arzneimittelpreisbildung; Arzneimittelregulierung; Gesundheitspolitik; Arzneimittelbewertung

KEYWORDS Pharmaceutical prices; pharmaceutical pricing; drug regulation;



Zusammenfassung Hintergrund: Bis zum Inkrafttreten des AMNOG konnten die Preise neuer Arzneimittel (NA) frei festgesetzt werden. Unsere Arbeit untersucht beispielhaft, wie sich die Jahrestherapiekosten von NA, die in den zwei Jahren vor Inkrafttreten des AMNOG zugelassen wurden, zu den Kosten der in den Zulassungsstudien eingesetzten therapeutischen Alternativen verhielten. Sie stellt zudem dar, aus welchen wichtigen Komponenten sich Arzneimittelpreise zusammensetzen. Methode: Retrospektiv wurden öffentliche Bewertungsberichte von zwölf Fertigarzneimitteln ausgewertet, die von der Europäischen Arzneimittelagentur in den Jahren 2009 bis 2010 neu zugelassen und in mindestens einer Zulassungsstudie gegen eine aktive Kontrolle geprüft wurden. Ergebnisse: War die Vergleichssubstanz ein Generikum, lagen die Apothekenverkaufspreise des NA im Mittel 7,4-fach (Median 7,1) über dessen Preis. War die Vergleichstherapie ein Originalpräparat, lagen die Jahrestherapiekosten von NA im Mittel 1,4-fach (Median 1,2) darüber. Kostenzuwächse für NA standen in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Bewertung des ,,Innovationsgrades‘‘ nach Fricke. Unsere Untersuchung zeigt, dass es notwendig ist, die Preise von NA stärker als bisher an ihrem Zusatznutzen zu orientieren; aufgrund der komplexen Zusammensetzung deutscher Arzneimittelpreise werden dadurch zu erzielende Einspareffekte jedoch von einer Reihe weiterer Entscheidungen und Regelungen abhängig sein. Summary Background: Until AMNOG came into effect Germany had free pricing of new drugs. Our exemplary work investigates the costs of new drugs that were licensed in the two years prior to AMNOG, and compares them to the costs of standard treatment that has been used in pivotal trials. Also, the important components of pharmaceutical prices will be illustrated. Method: We retrospectively analysed the European Public Assessment Reports of proprietary medicinal products that the European Medicinal Agency initially approved in 2009 and 2010 and that were tested against an active control in at least one pivotal trial.

Korrespondenzadresse: Dr. Med. Mariam Ujeyl, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin. E-Mail: [email protected] (M. Ujeyl).

1865-9217/$ – see front matter http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.04.031

462 health policy; drug assessment

M. Ujeyl et al. Results: If the standard treatment was a generic, the average pharmacy retail price of new drugs was 7.4 times (median 7.1) higher than that of standard treatment. If the standard treatment was an originator drug the average price was 1.4 times (median 1.2) higher than that of the new drug. There was no clear correlation of an increase in costs for new drugs and their ‘‘grade of innovation’’ as rated according to the criteria of Fricke. Our study shows that prices of new drugs must be linked to the evidence of comparative benefit; since German drug pricing is complex, cost saving effects obtained thereby will depend on a range of other rules and decisions.

Einleitung

Ziel der Untersuchung

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) im Januar 2011 sind die deutschen Arzneimittelpreise in den Fokus des Interesses einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Das Gesetz sieht vor, dass sich der Erstattungspreis eines neu oder mit neuer Indikation in den Markt eingeführten Wirkstoffs (im Folgenden NA — neues Arzneimittel — genannt) am Ausmaß seines Zusatznutzens gegenüber einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten therapeutischen Alternative (der sogenannten ,,zweckmäßigen Vergleichstherapie‘‘) orientiert [1]. Bereits seit 2004 können NA, die pharmakologischtherapeutisch mit vorhandenen Alternativen verwandt und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit vergleichbar sind, in Festbetragsgruppen (FB-G) eingeordnet werden [2]. Dies mit der Folge, dass sich ihre Erstattungshöchstgrenzen an den Preisen der Arzneimittel in der jeweiligen FB-G richten. NA, die nicht mit vorhandenen Alternativen ,,pharmakologischtherapeutisch‘‘ verwandt und gleichzeitig ,,vergleichbar wirksam‘‘ waren, wurden damit durch das Festbetragssystem nicht erfasst. Mit dem AMNOG unterliegen diese Arzneimittel nun erstmals einer Preisregulierung, da die weiterhin frei festgesetzten Herstellerabgabepreise (bzw. die nach Abzug gesetzlicher Pflichtrabatte resultierenden Preise) nach Ablauf eines Jahres nicht mehr in voller Höhe erstattet werden müssen. So werden NA, mit Ausnahme von Orphan Drugs, die einen bestimmten Jahresumsatz nicht überschreiten, nach ihrer Markteinführung einer obligatorischen Frühbewertung ihres Nutzens (,,frühe Nutzenbewertung‘‘) unterzogen. Nur ein im Vergleich zur ,,zweckmäßige Vergleichstherapie‘‘ belegter Zusatznutzen rechtfertigt ein Jahr nach Markteinführung einen höheren Erstattungsbetrag. In diesem Fall sind Hersteller und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen aufgerufen, einen Rabatt auf den Herstellerabgabepreis zu verhandeln; dies ist erstmals Mitte 2012 geschehen [3]. Zeigt sich in der frühen Nutzenbewertung kein Zusatznutzen, erfolgt auch weiterhin die Einordnung in eine FB-G oder es wird ein Erstattungsbetrag vereinbart, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Die Zusammensetzung und Erstattung deutscher Arzneimittelpreise bleibt auch weiterhin komplex und unterliegt den sich häufig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen [4]. So weicht der von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erstattende Preis vom Herstellerabgabe- und Apothekenverkaufspreis ab.

Unser Beitrag untersucht, wie sich Jahrestherapiekosten von NA, die in den zwei Jahren vor Inkrafttreten des AMNOG zugelassen wurden, zu den Therapiekosten der in den Zulassungsstudien eingesetzten bereits verfügbaren Alternativen verhielten. Mittels Ermittlung des Preises im Jahresabstand werden zudem Veränderungen dieses Kostenverhältnisses, sowie mögliche Einflussfaktoren aufgezeigt. Ferner wird die Frage untersucht, ob das Kostenverhältnis zwischen o. g. neuen und bereits eingeführten Arzneimitteln schon vor Inkrafttreten des AMNOG in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum möglichen Nutzenverhältnis stand. Zudem werden die Komponenten, aus denen sich Preise von NA aktuell zusammensetzen (Stand 12/2012) dargestellt und die erwarteten Auswirkungen des AMNOG auf die NAPreisbildung diskutiert.

Methode Preiskomponenten Zu den Preiskomponenten zählen (Stand 12/2012) der Herstellerabgabepreis, die prozentualen und fixen Großhandelsund Apothekenzuschläge, sowie die Mehrwertsteuer (§ 2 f. AMPreisV; § 130a SGB V). Gleichzeitig nehmen gesetzlich festgeschriebene oder nach einem vorgegebenen Verfahren ausgehandelte Rabatte und Abschläge sowie Zuzahlungen von Patienten (,,Rezeptgebühr‘‘) Einfluss auf den von der GKV tatsächlich zu erstattenden Preis (§§ 61, 130, 130a, 130b SGB V).

Untersuchte Fertigarzneimittel Berücksichtigt wurden NA, die in den Kalenderjahren 2009 und 2010 durch das EU-zentrale Verfahren als neuer Wirkstoff zugelassen und gegenüber einer aktiven Kontrolle geprüft worden waren. Zudem musste eine Publikation aus der Reihe ,,Neue Arzneimittel‘‘ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) erstellt worden sein [5], die auf European Public Assessment Reports (EPAR) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) basiert. Alle eingeschlossenen NA waren bis April 2011 in den deutschen Markt eingeführt worden (WINAPO® LAUER-Taxe, Stand 01.04.2011). Indikationserweiterungen, Generika, Biosimilars, Impfstoffe, Orphan Drugs, neue Darreichungsformen und Kombinationen bekannter Wirkstoffe

Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen wurden in unserer Untersuchung nicht berücksichtigt. So wurden 12 NA eingeschlossen, die im Jahr 2009 (n = 9) und 2010 (n = 3) zugelassen worden waren. Für zwei NA lagen Vergleiche gegenüber mehr als einer aktiven Kontrolle vor, eine Vergleichssubstanz (Rosiglitazon) wurde nicht berücksichtigt, da ihre Zulassung im Jahr 2010 ausgesetzt worden war.

Vergleichstherapie Die hier untersuchten NA wurden (mit einer Ausnahme) vor Inkrafttreten des AMNOG in den Markt eingeführt und waren daher noch nicht Gegenstand einer frühen Nutzenbewertung. Damit fehlen Aussagen des G-BA zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Daher wurde/n dem EPAR die Vergleichstherapie/n entnommen, gegenüber die das NA in mindestens einer Zulassungsstudie (pivotal trial) getestet wurde. Vergleichstherapien, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit nicht mehr auf dem deutschen Markt waren, blieben unberücksichtigt.

Arzneimittelkosten und -bewertung Für die Stichtage 01.04.2011 und 01.04.2012 wurde anhand des Apothekenverkaufspreises der WINAPO® LAUERTaxe das kostengünstigste Fertigarzneimittel (FAM) je Wirkstoff berechnet. Unberücksichtigt blieben gesetzliche Pflichtrabatte, Rabattverträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen sowie Importpräparate. Generika wurden berücksichtigt, sofern sie zum jeweiligen Stichtag verfügbar und kostengünstiger als das Originalpräparat waren. Kostenberechnungen erfolgten für jeweils ein Behandlungsjahr teilmengengenau unter Berücksichtigung von Eindosierungsphasen. Zu Grunde gelegt wurden Dosisangaben für Erwachsene und, falls erforderlich, Angaben für eine 70 kg schwere Person mit einer durchschnittlichen Körperoberfläche von 1,8 m2 . Falls die Fachinformation unterschiedliche Dosierungen zuließ, wurden die Zulassungsstudien herangezogen oder Kosten für unterschiedliche Regime dargestellt. Prä- und Begleitmedikationen blieben unberücksichtigt. Informationen über die Einordnung eines FAM in eine FB-G wurden der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA [6,7] entnommen. Zur orientierenden Bewertung des vergleichenden Nutzens wurde inhaltlich auf die Bewertung in der Publikation ,,Neue Arzneimittel‘‘ der AkdÄ zurückgegriffen. Diese Bewertung steht weitestgehend im Einklang mit der Bewertung nach Fricke [8], die eine formalisierte Klassifikation (A bis D) über den Stellenwert (Bewertung des ,,Innovationsgrades‘‘) eines neuen Wirkstoffes vorgibt. Daher wurde in unserer Übersicht die Klassifikation nach Fricke dargestellt, die dem Arzneiverordnungs-Report (AVR) der Jahre 2010 und 2011 entnommen [9,10] wurde. Es wurde deskriptiv beschrieben sowie mittels Rangkorrelationskoeffizient (Kendalls Tau) berechnet, ob ein Zusammenhang zwischen der Klassifikation nach Fricke und dem Kostenzuwachs bestand (Fricke A=Rang 1, B=2, A/D=3, C=4, D=5).

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Ergebnisse Preiskomponenten Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Komponenten, aus denen sich Arzneimittelpreise, die nicht dem Festbetragssystem unterliegen, im Jahr 2012 zusammensetzten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Während sich seit dem Jahr 2009 ggf. die Höhe bzw. Berechnung der aufgeführten Preiskomponenten geändert hat, ist lediglich der ,,Erstattungsbetrag‘‘ nach AMNOG als neue Komponente hinzugekommen. Ein hypothetischer Herstellerabgabepreis von 100 Euro verteuert sich durch Großhandels- und Apothekenzuschläge sowie die Mehrwertsteuer zunächst um ca. ein Drittel auf rund 137 Euro. Der nun resultierende Apothekenverkaufspreis spiegelt jedoch nicht die tatsächliche finanzielle Belastung der GKV wider, da sowohl Hersteller als auch Apotheken gesetzlich verpflichtet sind, der GKV Rabatte zu gewähren (sogenannte ,,gesetzliche Pflichtrabatte‘‘) und Patienten ggf. eine ,,Rezeptgebühr‘‘ leisten. Zudem gibt es individuelle Rabatte zwischen Hersteller und GKV, die variabel und nicht öffentlich bekannt sind. Der gesetzliche Pflichtrabatt von derzeit 16% auf ein patentgeschütztes Arzneimittel (prozentuale Höhe befristet bis 31.12.2013) wirkt sich wesentlich auf den GKV-Erstattungsbetrag (Reduktion auf rund 119 Euro) aus; für patentfreie Arzneimittel (Generika) beträgt er hingegen nur 10% (Reduktion auf rund 125 Euro). Bei einem Herstellerabgabepreis von 100 Euro generiert der Hersteller in unserem Beispiel den größten Betrag (84 Euro), gefolgt vom Staat (rund 22 Euro), der Apotheke (rund 9 Euro) und dem Großhandel (rund 4 Euro). Unter Berücksichtigung einer Patientenzuzahlung von 10 Euro entstehen der GKV letztlich Kosten von rund 109 Euro.

Jahrestherapiekosten Bei Ermittlung der Jahrestherapiekosten 2011 waren die NA zwischen 4 bis 26 Monate zugelassen (02/2009—12/2010) und 3 bis 24 Monate auf dem deutschen Markt (04/2009—01/2011). 9 der 14 Vergleichstherapien waren in 04/2011 als Generikum erhältlich, 5 ausschließlich als Originalpräparat (Tab. 2). War die Vergleichssubstanz ein Generikum, lagen die Therapiekosten des NA im Mittel 7,4-fach (Median 7,1) über denen des Vergleichsarzneimittels; am unteren Ende der Spanne lag ein NA aus der Onkologie mit dem Wirkstoff Gefitinib (Kosten ,,nur‘‘ 1,8 x höher), bei dem der Preis der generischen Vergleichssubstanz bereits verhältnismäßig hoch war. War die Vergleichstherapie ein Originalpräparat liegen die Jahrestherapiekosten von NA im Mittel lediglich 1,4-fach (Median 1,2) über dem Preis des Vergleichsarzneimittels. Zwei NA (mit den Wirkstoffen Indacaterol und Asenapin) waren sogar kostengünstiger als die verfügbaren Vergleichssubstanzen. Es lässt sich kein systematischer Zusammenhang zwischen dem Kostenzuwachs und der Bewertung nach Fricke sowie der klinischen Bewertung der AkdÄ erkennen (für das Jahr 2011: Kendall’s Tau-B= -0,130, p= 0,570; für das Jahr 2012: Kendall’s Tau-B= -0,015, p= 0.950). Auch NA, die in

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Tabelle 1 Zusammensetzung von Arzneimittelpreisen* ; dargestellt sind Preise für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel mit einem fiktiven Herstellerabgabepreis von 100 Euro; Stand 12/2012. Herstellerabgabepreis

100,00 D

Erstattungsbetrag [12], basierend auf Preisverhandlungen nach AMNOG (§ 130b SBG V) Großhandelszuschlag von maximal 3,15%, höchstens 37,80 D , zzgl. 0,70 D auf Herstellerabgabepreis/Erstattungsbetrag (§ 2 AMPreisV) Apothekenzuschlag von 3%, zzgl. 8,10 D auf Großhandelspreis (§ 3 AMPreisV) Mehrwertsteuer von 19% auf netto Apothekenverkaufspreis

variabel + 3,85 D



+ 11,22 D + 21,86 D

136,93 D Apothekenverkaufspreis (brutto) Fertigarzneimittel; Stand 12/2012 Individuelle Rabatte (nicht öffentlich zugänglich) zwischen Hersteller und GKV nach § 130a Abs. 8 variabel SGB V GKV zahlt niedrigeren Preis für ein rabattiertes Präparat Gesetzlicher Pflichtrabatt des Herstellers von 16% auf den Herstellerabgabepreis/Erstattungsbetrag —16,00 D (—10,00 D ** ) für die GKV (10% bei Generika, mit Ausnahmen; § 130a Abs. 1a, 3b SGB V) befristet auf Zeitraum 01.08.2010 bis 31.12.2013, danach 6%; Pflichtrabatt kann durch Rabattvertrag gemindert werden (§ 130a Abs. 1a SGB V) —2,05 D gesetzlicher Pflichtrabatt der Apotheken von 2,05 D für die GKV (§ 130 Abs. 1 SGB V) Erstattungsbetrag GKV individuelle Rabattverträge nicht berücksichtigt



Einnahmenüberschuss Hersteller Großhandel Apotheke Staat

118,88 D (124,88 D ** )

84,00 D (90,00 D ) 3,85 D 9,17 D 21,86 D

Ausgaben Patient, Zuzahlung von 10% auf den Apothekenverkaufspreis (brutto), mindestens 5,00 D , 10,00 D höchstens 10,00 D (§ 61 SGB V); fällt weg bei Abgabe rabattiertes Präparat oder Befreiung von Zuzahlung Ausgaben GKV



108,88 D (114,88 D ** )

Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage der wichtigsten Preiskomponenten. * für festbetragsfähige Fertigarzneimittel gelten abweichende Regelungen (z. B. in Bezug auf Rabatte). ** Angaben in Klammern beziehen sich auf Generika.

der Bewertung nach Fricke als Analogpräparate (Bewertung C) eingestuft wurden, waren (mit einer Ausnahme) teurer als die jeweilige Vergleichssubstanz (Tab. 2). Tabelle 3 zeigt die Therapiekosten im Jahr 2011 und 2012 und illustriert damit die Veränderungen innerhalb eines Jahres. Es zeigt sich eine Tendenz zu einem Anstieg der Preisdifferenz, allerdings mit wenig Veränderungen im Verhältnis der Preise von NA und Vergleichstherapie. In einem Fall (Olanzapin) wurde die Vergleichstherapie als Generikum eingeführt, was dazu führte, dass das NA im Jahr 2011 nun um ein Vielfaches teurer wurde als das Vergleichspräparat. Bis zum 01.04.2012 wurden lediglich zwei NA in eine FB-G eingeordnet (Indacaterol, Silodosin). Bei keinem dieser NA wurde der Abgabepreis im Beobachtungszeitraum auf den Festbetrag abgesenkt und die NA waren weiterhin wesentlich teurer als die Vergleichsarzneimittel (Tab. 3).

Diskussion Die Übersicht illustriert, aus welchen Komponenten sich Arzneimittelpreise in Deutschland derzeit zusammensetzen. Auswirkungen neuer gesetzlicher Regelungen können nur vor

dem Hintergrund der bestehenden Preisbildung interpretiert werden. Neben den Herstellern generieren der Staat, Apotheken und Großhandel Einnahmen, die prozentual mit der Höhe des Herstellerabgabepreises steigen. Nur für den Großhandel gibt es eine Obergrenze für den Zuschlag. Wegen der komplexen Preisbildung ist derzeit nicht absehbar, ob die vom BMG avisierten Einsparungen von etwa 2 Milliarden Euro jährlich mit dem AMNOG auch erreicht werden können [11]. Dies wird u. a. davon abhängig sein, ob das Ergebnis der Verhandlungen über den ,,AMNOG-Rabatt‘‘ Bezugsgröße für nachgelagerte Zuschläge und Rabatte wird und damit z. B. auch Apotheken- und Großhandelszuschläge, die Mehrwertsteuer und die Patientenzuzahlungen niedriger ausfallen. Nach aktuellem Stand könnte ein mögliches Ergebnis der Rabattverhandlungen nach AMNOG die Festsetzung eines Erstattungsbetrags werden, der als Bezugsgröße anstelle des Herstellerabgabepreises tritt [12]. Ein alternatives Szenario wäre die Einigung auf einen AMNOG-Rabatt, der ohne Einfluss auf die Höhe der Zuschläge und Rabatte bliebe. Ebenfalls relevant ist die Frage, ob der mittels AMNOG ausgehandelte Erstattungsbetrag auch nach Absenkung (ab 01.01.2014) des derzeit relativ hohen gesetzlichen Herstellerpflichtrabatts weiterbesteht. Andernfalls führt die

Anwendungsgebiet

Neuer Wirkstoff

Fricke1

Kosten/Jahr [D ] Standarddosis2

Wirkstoff Vergleichstherapie (Einordnung in Festbetragsgruppe [FB-G])

Kosten/Jahr [D ] Standarddosis2

Kostenverhältnis NA vs. Vergleichstherapie3 Original

Endokrinologie Gynäkologie Kardiologie

Liraglutid

B

1398—20774

Pneumologie

Ulipristal Prasugrel Ticagrelor Dronedaron Degarelix Gefitinib Bazedoxifen Agomelatin Asenapin Indacaterol

B B B C C B C A/D C B

35 1081 1237 1303 2373 42.222 720 751 3175 590-8654

Urologie

Silodosin

C

327

Onkologie Gerontologie Psychiatrie

Glimepirid (FB-G) Insulin glargin Levonorgestrel Clopidogrel Clopidogrel Amiodaron (FB-G) Leuprorelin Docetaxel Raloxifen Fluoxetin Olanzapin Tiotropium Formoterol (FB-G) Tamsulosin (FB-G)

89 722 18 163 163 146 21374 23.231 626 86 4681 839 263-3105 83

Generikum 19,5

2,4 1,9 6,6 7,6 8,9 1,15 1,8 1,2 8,7 0,7 0,9 2,5 3,9

Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen

Tabelle 2 Jahrestherapiekosten (Apothekenverkaufspreis ohne Berücksichtigung von Rabatten) und Kostenverhältnis von Neuen Arzneimitteln versus Vergleichssubstanzen (Stand 01.04.2011).

1A

= Innovative Struktur bzw. neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz, B = Verbesserung pharmakodynamischer oder -kinetischer Eigenschaften bekannter Wirkprinzipien, C = Analogpräparat mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu eingeführten Präparaten, D = nicht ausreichend gesichertes Wirkprinzip oder unklarer therapeutischer Stellenwert; 2 Berechnung des kostengünstigsten Präparates; 3 bei Dosisspannen ging der Mittelwert in die Berechnung ein; 4 Angaben für unterschiedliche Anfangs- und/oder Erhaltungsdosen; 5 Generikum vorhanden, Originalpräparat 7,5 mg/1x monatl. Leuprorelinacetat jedoch kostengünstiger als 3,6 mg/2x monatl. Leuprorelin.

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Tabelle 3 Kostenverhältnis (Apothekenverkaufspreis ohne Berücksichtigung von Rabatten) von Neuen Arzneimitteln versus Vergleichssubstanzen (Stand 01.04.2011 versus 01.04.2012). Kostenverhältnis1 Stand 01.04.2011

Kostenverhältnis 1 Stand 01.04.2012

A) Keine Neueinführung Generikum, keine Einordnung in FB-G bis 01.04.2012 Liraglutid B Nein Glimepirid (FB-G) Insulin glargin Ulipristal B Nein Levonorgestrel Prasugrel B Nein Clopidogrel Ticagrelor B Nein Clopidogrel Dronedaron C Nein Amiodaron (FB-G) Degarelix C Nein Leuprorelin Gefitinib B Nein Docetaxel Bazedoxifen C Nein Raloxifen Agomelatin A/D Nein Fluoxetin

19,5 2,4 1,9 6,6 7,6 8,9 1,12 1,8 1,2 8,7

19,9 2,4 1,9 7,6 8,7 9,4 1,12 1,8 1,2 9,4

B) Vergleichstherapie wird bis 01.04.2012 als Generikum verfügbar Asenapin C Nein Olanzapin

0,73

4,83

Tiotropium Formoterol (FB-G)

0,9 2,5

0,9 2,6

Tamsulosin (FB-G)

3,9

2,6

Neuer Wirkstoff

Fricke

Einordnung Festbetragsgruppe (FB-G) bis 01.04.2012; Datum Einordnung

C) NA wird bis 01.04.2012 in eine FB-G eingeordnet Indacaterol B Ja, mit Formoterol Gruppe 1, Stufe 2; am 23.06.2011 [7]; Preis liegt am 01.04.2012 über FB Silodosin C Ja, mit Tamsulosin, Gruppe 2, Stufe 2; am 18.08.2011 [6], Preis liegt am 01.04.2012 über FB 1 Berechnung

Wirkstoff Vergleichstherapie (Einordnung in Festbetragsgruppe [FB-G])

des kostengünstigsten Präparates; 2 Generikum vorhanden aber Originalarzneimittel kostengünstiger; siehe Tab. 2; seit 01.10.2011 im Handel, daher Kostenvergleich mit Originalarzneimittel.

3 Olanzapin-Generikum

Absenkung des Pflichtrabattes zu einem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus, auf den das AMNOG keinen direkten Einfluss hätte. Bei Scheitern der Erstattungsvereinbarungen werden die internationalen Referenzpreise zum preisbegrenzenden Maßstab. Der Kostenvergleich zeigt, dass die Jahrestherapiekosten (Apothekenverkaufspreise) der NA, die kurz vor (bzw. in einem Fall mit) Inkrafttreten des AMNOG in den Markt eingeführt wurden und bei denen der Hersteller den Preis frei festgesetzt hat, im Zeitraum von 3 bis 36 Monate nach Markteinführung das 0,7- bis 19,9-fache vorhandener Vergleichstherapien betrugen. Wie erwartet, war das Preisverhältnis davon abhängig, ob die getestete Vergleichstherapie nur als Originalpräparat oder zusätzlich generisch verfügbar war bzw. wurde. Damit illustriert die Untersuchung auch, dass mögliche Einspareffekte des AMNOG dadurch beeinflusst werden, ob bzw. wann die zweckmäßige Vergleichstherapie als Generikum verfügbar wird. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass die Berechnungen aus der Perspektive der GKV erstellt wurden und die jeweils kostengünstigsten FAM zum Vergleich herangezogen wurden. Zudem basieren die Angaben auf Apothekenabgabepreisen, die nur bedingt widerspiegeln, welche Kosten bzw. welcher Kostenzuwachs der GKV durch die Erstattung eines neuen versus eines bereits eingeführten Arzneimittels entsteht, z. B. da Hersteller auf neue (d. h. patentgeschützte)

Arzneimittel einen Pflichtrabatt von 16%, auf Generika hingegen nur von 10% erlassen müssen, und Generika häufig Gegenstand von individuellen Rabattverträgen sind, deren Inhalte nicht bekannt sind. Da Daten zur vergleichenden Wirksamkeit nur für das/die in den Zulassungsstudien eingesetzte Vergleichsarzneimittel vorliegen, beschränkt sich die Kostendarstellung in unserem Beitrag auf den Vergleich mit diesen. Daher kann mit dieser Datenlage die Wettbewerbssituation auf dem Arzneimittelmarkt nicht abgebildet werden. Das Kostenverhältnis zwischen NA und auf dem Markt vorhandenen Alternativen umfasst eine außerordentlich weite Spanne. Unsere Arbeit enthält keine Aussage über den exakt ermittelten vergleichenden Nutzen, zeigt jedoch, dass der Kostenzuwachs in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Bewertung nach Fricke steht. Diese Bewertung ist stark an pharmakologischen Kriterien orientiert und bildet den therapeutischen Zusatznutzen nicht immer in ausreichendem Maß ab. Sie erlaubt jedoch eine orientierende Auskunft über das Verbesserungspotential eines neuen Wirkstoffes und ist in Deutschland im Arzneiverordnungs-Report etabliert. Es zeigt sich, dass der überwiegende Anteil derjenigen NA, die als ,,Analogpräparat‘‘ eingestuft wurden (Fricke-Bewertung C) bis zum Stichtag 01.04.2012 nicht in eine FB-G eingeordnet worden war. Ihr Preis lag (teils deutlich) über dem der Alternativen. Zwei Arzneimittel wurden zwar in eine FB-G eingeordnet, es erfolgte jedoch keine

Die Preise neuer Arzneimittel im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen Absenkung des Apothekenverkaufspreises auf das Festbetragsniveau. Unsere Ergebnisse bestätigen die Notwendigkeit, Arzneimittelpreise stärker als bisher an ihrem vergleichenden Nutzen zu orientieren und die Umsetzung vorhandener Regelungen durch Setzung von Fristen zu gewährleisteten. Es ist daher zu begrüßen, dass das AMNOG die Einordnung in FB-G innerhalb von sechs Monaten festschreibt, sofern kein Zusatznutzen vorliegt. Liegt ein Zusatznutzen vor, tritt der auf dieser Basis ausgehandelte Erstattungsbetrag jedoch erst zwölf Monate nach Markteinführung in Kraft. Aufgrund der komplexen und nur wenig transparenten Preisbildung ist es aus unserer Sicht unbedingt erforderlich, auch für den eigentlich wichtigsten Schritt im Verfahren der Preisbildung nach AMNOG — die Frage nach welchen Kriterien sich der Zusatznutzen in den Preis umsetzt — dieselbe Transparenz herzustellen wie sie für die Nutzenbewertung gefordert wurde [13].

Literatur [1] Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordungsgesetz — AMNOG). Bundesgesetzblatt vom 27.12.2010. http://www.bgbl.de/Xaver/start.xav?startbk=Bundesanzeiger BGBl&bk=Bundesanzeiger BGBl&start=//*[@attr id=%27bgbl 110s2262.pdf%27]. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [2] Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV — Modernisierungsgesetz — GMG). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 55 vom 19.11.2003. http://www.juris.de/jportal/docs/news anlage/jpk/sgbe-2/ mat/bgbl103s2190.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [3] GKV-Spitzenverband, AstraZeneca GmbH. Gemeinsame Pressemitteilung vom 13.06.2012. Erstes AMNOG-Verfahren: Verhandlungspartner einigen sich auf fairen Preis. http://www. gkv-spitzenverband.de/presse/pressemitteilungen und statements/pressemitteilung 6016.jsp. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [4] Gemeinsamer Bundesausschuss. Zeitleiste — Für den gemeinsamen Bundesausschuss prägende Gesetze. http://www.g-ba. de/downloads/17-98-3398/2012-12-12 Zeitleiste.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013.

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[5] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Neue Arzneimittel. http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/ index.html. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [6] Bekanntmachung [1222 A] eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der ArzneimittelRichtlinie (AM-RL): Anlage IX — Festbetragsgruppenbildung Alpha-Rezeptorenblocker, Gruppe 2, in Stufe 2 nach §35 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). 18.08.2011. BAnz Nr. 154 (S. 3510) vom 12.10.2011. http://www.g-ba. de/downloads/39-261-1375/2011-08-18 AM-RL-IX AlphaRezeptorenblocker BAnz.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [7] Bundesministerium für Gesundheit. Bekanntmachung [1163 A] eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage IX — Festbetragsgruppenbildung und Anlage X — Aktualisierung von Vergleichsgrößen Beta2-sympathomimetische Antiasthmatika, Gruppe 8, in Stufe 2 nach § 35 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). 23.06.2011. BAnz Nr. 119 (S. 2816) vom 10.08.2011. http://www.g-ba.de/ downloads/39-261-1343/2011-06-23 AM-RL-IX Antiasthmatika BAnz.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [8] Fricke U, Beck T. Neue Arzneimittel. Fakten und Bewertungen. Band 20. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. 2013. [9] Fricke U, Schwabe U. Neue Arzneimittel 2009. In: Schwabe U., Paffrath D. (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report 2010. SpringerVerlag Berlin, Heidelberg, New York. 2009. [10] Fricke U, Schwabe U. Neue Arzneimittel 2010. In: Schwabe U., Paffrath D. (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report 2011. SpringerVerlag Berlin, Heidelberg, New York. 2010. [11] Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG). 16.10.2012. http://www.bmg.bund.de/krankenversicherung/ arzneimittelversorgung/arzneimittelmarktneuordnungsgesetzamnog/das-gesetz-zu-neuordnung-des-arzneimittelmarktesamnog.html. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [12] GKV-Spitzenverband. Argumentationspapier des GKVSpitzenverbandes zu den Erstattungsbeträgen nach § 130b SGB V. 27.11.2012. http://www.gkv-spitzenverband.de/media/ dokumente/presse/presse themen/amnog verhandlungen/ AMNOG Argumentationspapier des GKV 12-2012.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013. [13] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Allgemeine Methoden. Version 4.0 vom 23.09.2011. https://www.iqwig.de/download/IQWiG Methoden Version 4 0.pdf. Zuletzt geprüft: 22.01.2013.