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Akupunktur Deutsche Zeitschrift für
D. Zeise-Süss
YNSA im Kontext zu anderen MAPS – 3 Fallbeispiele über Patienten mit Schmeck- und Riechstörungen unterschiedlicher Genese
YNSA in comparison to different MAPS – 3 case reports about patients with gustatory and olfactory dysfunctions of different etiology Zusammenfassung
Abstract
Hintergrund: Beim Ersten Deutschen Akupunktur-Kongress im Mai 2007 wurden verschiedene Methoden zur Therapie für Schmeck- und Riechstörungen vorgestellt. Anhand von Falldarstellungen soll der Frage nachgegangen werden, ob auch mit der von mir seit Jahren verwendeten Neuen Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA) bei diesen Krankheitsbildern entsprechende Ergebnisse erzielt werden können. Da es sich um Erkrankungen im Bereich Kopf/Hals handelt, war es darüber hinaus von Interesse, ob das Ergebnis durch zusätzliche Akupunktur des ventralen Lymphbelts nach Gleditsch beeinflusst werden kann. Zielsetzung: Besserung der Schmeck- und Riechstörung, Verbesserung der Lebensqualität Methode: Drei Patienten mit Schmeck- und Riechstörungen unterschiedlicher Genese wurden mit YNSA behandelt, je fünf Sitzungen nur mit dem 9. und 10. Hirnnervenpunkt, anschließend zusätzlich mit anderen YNSAPunkten nach entsprechender Diagnostik (Hegu-Test, Hals- und Bauchdeckendiagnose), danach zusätzlich mit dem ventralen Lymphbelt nach Gleditsch. Der Therapieerfolg wurde von den Patienten als eine Verbesserung einmal der Schmeck- beziehungsweise Riechstörung und zum zweiten einer Verbesserung der Lebensqualität jeweils auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = kaum Verbesserung, 10 = maximale Verbesserung bzw. restitutio ad integrum) angegeben. Ergebnisse: Bei allen drei Patienten konnte eine deutliche Verbesserung sowohl der Schmeck- und Riechstörung als auch der Lebensqualität erreicht werden. Die additive Akupunktur des ventralen Lymphbelts nach Gleditsch brachte eine zusätzliche Verbesserung. Schlussfolgerung: Die YNSA allein ist geeignet, Schmeckund Riechstörungen zu behandeln, durch die zusätzliche Akupunktur des ventralen Lymphbelts kann das Ergebnis noch verbessert werden.
Background: During the first German Acupuncture Congress in May 2007, various methods of therapy for gustatory and olfactory dysfunctions were discussed. The aim of this case report is to investigate the efficacy of YNSA in the treatment of such disorders. As these disorders also affect the area of head and neck, it is of interest whether the results can be influenced by additional acupuncture of the ventral lymph belt as described by Gleditsch.
Schlüsselwörter
Keywords
Akupunktur, Schmeck- und Riechstörung, YNSA, ventraler Lymphbelt nach Gleditsch
Acupuncture, dysfunction of sense of taste, dysfunction of sense of smell, YNSA, ventral lymph belt according to Gleditsch
Dr. Dorothea Zeise-Süss Blumenstraße 16 D-75196 Remchingen
[email protected] Tel.: +49 (0) 72 32 / 7 03 92 Fax: +49 (0) 72 32 / 7 81 74
Objectives: Therapy of gustatory and olfactory disorders, improving quality of life Methods: Three patients with gustatory and olfactory dysfunctions of different etiology were treated with YNSA. During the first five sessions, they only received acupuncture on the 9th and 10th cerebral nerve points. In the course of five further sessions, other YNSA-points were added according to the findings conceived through the various diagnostic means employed in YNSA (Hegu-test, neck- and abdominal pressure test). During the last five sessions, needling of the ventral lymph belt according to Gleditsch was added. Successful treatment consisted of an improvement of the sense of taste and/or smell and quality of life, and was quantified using a scale from 1 to 10 (1 = minor improvement, 10 = maximum improvement or complete restitution). Results: In all patients, treatment with YNSA lead to a clear improvement of gustatory and olfactory functions, as well as of quality of life. Acupuncture of the ventral lymph belt in all three cases additionally benefitted the outcome Conclusion: YNSA is an effective treatment in the therapy of gustatory and olfactory dysfunctions. With additional acupuncture of the ventral lymph belt as described by Gleditsch additional improvement could be achieved
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YNSA im Kontext zu anderen MAPS – dargestellt an drei Fallbeispielen über Patienten mit Schmeck- und Riechstörungen unterschiedlicher Genese
Einleitung Drei Patienten mit Schmeck- bzw. Riechstörungen waren zur gleichen Zeit in meiner Praxis vorstellig. Die Ursachen lagen beim ersten Patienten in einem Morbus Werlhof begründet (Schmeckstörung als Symptom der Grunderkrankung), beim zweiten Patienten bestand ein Zustand nach Hirnblutung und anschließender Operation mit der Folge einer kompletten Schmeck- und Riechstörung, beim dritten Patienten fand sich ein Zustand nach Operation und Radiatio eines Tonsillencarcinoms mit darauffolgender Dysgeusie. Alle drei Patienten sollten über die Neue Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA) [1, 2] therapiert werden. Fall 1 Westliche Diagnose
Ein 50-jähriger Patient litt seit sechs Jahren an Morbus Werlhof. Es zeigte sich keine Milzvergrößerung, das Blutbild war seit Jahren unverändert. Die HNO-Diagnostik erschien unauffällig, nur eine trockene Zunge mit zeitweiliger Bläschenbildung, sowie ein bitterer Geschmack bei sämtlichen Speisen und Getränken wurden vom Patienten angegeben. Die bisherige lokale Therapie vom HNO-Kollegen umfasste chemische und pflanzliche Mundspülungen sowie die Gabe von Zink, beides erbrachte keine Besserung. YNSA Diagnostik
Folgende Areale zeigten eine erhöhte Druckempfindlichkeit (Abb. 1): • „Hegu-Test“: beidseits Dieser Test wird bei allen Erkrankungen oberhalb des Zwerchfelles durchgeführt, um eine Seitenbetonung der Störung festzulegen. Dazu palpiert der Untersucher mit Daumen und Zeigefinger den Punkt Di 4 (Hegu) an beiden Händen des Patienten. Die schmerzempfindlichere Seite muss immer zuerst behandelt werden. Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen keine Seitenbetonung festzustellen ist. • Halsdiagnostik: Lu-Punkt beidseits • Basispunkte: A-Punkte beidseits • Sinnesorganpunkte: Mund beidseits • Hirnnerven: N. glossopharyngeus (9) entspricht dem Organsystem Lunge N. vagus (10) entspricht dem Organsystem Leber Eine Seitenauswahl war hier nicht zu treffen, da sowohl der Hegu-Test als auch die übrige Diagnostik keine Seitenbetonung aufwies. YNSA Punktauswahl
In den ersten fünf Sitzungen wurden nur der 9. und 10. Hirnnerv beidseits benadelt, danach folgten fünf Sitzungen zusätzlich mit YNSA-Punkten entsprechend der Diagnostik, anschließend zusätzlich in Sitzung 11 bis 15 empfindliche Punkte am ventralen Lymphbelt nach Gleditsch [3]. Die Punkte des Lymphbelt wurden von Gleditsch und unabhängig zeitgleich von Mandel entdeckt als druckdolente Punkte im Areal des Sternoklavicularge-
Abb. 1: Diagnostik und Therapie des Patienten mit M. Werlhof
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lenkes, ausgehend von KG (Renmai) 21 und unmittelbar paramedian (Ni 27). Die Indikationen sind unter anderem gestauter Lymphabfluss und Entzündungen im Kopf und Halsbereich [4]. Nadeltyp: Seirin B type No.8 (0,3 × 3 cm) Stichtechnik: Die Nadeln wurden tangential bis maximal 0,5 mm in den druckdolenten Punkt gestochen, eine Stimulation erfolgte nicht. Dauer: die Nadeln blieben bei jeder Sitzung 30 Minuten in situ. Anzahl: insgesamt 15 Sitzungen YNSA Therapie und Verlauf
Die Verbesserung des Geschmacks wurde vom Patienten anhand einer Skala von 1 (wenig besser) bis 10 (deutlich besser) beurteilt. Der Patient gab ab der dritten Sitzung eine Verbesserung um drei bis vier Grad an. In den beiden folgenden Sitzungen erfolgte keine weitere Steigerung. Von der 6. bis zur 10. Sitzung wurden zusätzlich die Basispunkte A-Punkte beidseits und die Mundpunkte beidseits akupunktiert. Dies ergab auf der Skala eine Verbesserung auf Werte von 8 (Pelzigkeit der Zunge und Geschmack deutlich weniger bitter) gleich während der 6. Sitzung. Auch hier gab es keine Steigerung mehr bis zur 10. Sitzung, es trat keine Bläschenbildung mehr auf. Von der 11. bis zur 15. Sitzung wurde zusätzlich der ventrale Lymphbelt nach Gleditsch akupunktiert (Abb. 2). Von der 12. Sitzung an war der bittere Geschmack ebenso Abb. 2: ventraler Lymphbelt nach verschwunden wie das pelGleditsch zige Gefühl der Zunge. Ergebnis
Das Behandlungsergebnis, eine restitutio ad integrum ist zum Zeitpunkt des Erstellens dieses Artikels seit sieben Monaten unverändert. Es erfolgte noch eine zusätzliche psychotherapeutische Intervention, da der Patient zu Beginn der Behandlung durch den kürzlich erlittenen Verlust der Partnerin in tiefer Trauer war. Trauer entspricht als psychischer Faktor der Lunge [5, 6], die auch in der YNSA-Halsdiagnostik nachzuweisen war. Auch der N. glossopharyngeus entspricht bei der YNSA dem Organsystem Lunge. Fall 2 Westliche Diagnose und Therapie
Eine 49-jährige Patientin erlitt vor sechs Jahren eine akute Hirnblutung rechts. Durch die Operation konnte ein gutes
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Ergebnis erzielt werden, nur eine komplette Schmeck- und Riechstörung sowie starke Kopfschmerzen bei jeder Art von Wetterwechsel blieben erhalten. Schulmedizinische Diagnostik und Therapie: Z. n. Operation eines rechtstemporal gelegenen Cavernoms, Anosmie, Schmeckstörung, postoperative Sehstörung im Sinne einer Quadrantenhemianopsie. Es erfolgten keine weiteren konventionellen Therapien. Bei der Konsultation wirkte die Patientin auch psychisch sehr erschöpft. YNSA Diagnostik (Abb. 3)
• • • •
Hegu-Test re>li Basispunkte: A rechts, mittlere E-Zone rechts Sinnesorganpunkte: Nase und Mund beidseits Schwach tastbar 9. und 10. Hirnnerv links
YNSA Punktauswahl
Obwohl der Hegu-Test deutlich rechts stärker war, wurden die Hirnnervenpunkte auf der linken Seite akupunktiert: einmal, weil es sich um ein zentrales Geschehen handelt (Blutung auf der rechten Seite, zentrale Probleme werden immer kontralateral akupunktiert) und zum zweiten, weil die Punkte nur links tastbar waren. Nadeltyp, Stichtechnik, Dauer und Anzahl erfolgten wie bei Fall 1 mit Ausnahme einer Akutsituation. YNSA Therapie und Verlauf
In den ersten fünf Sitzungen wurden nur der 9. und der 10. Hirnnerv links gestochen. Es zeigte sich bis zur 6. Behandlung keine nennenswerte Besserung. Von der 6. bis zur 10. Sitzung wurden die Basispunkte A und mittlere E-Zone rechts und die Sinnesorganpunkte zusätzlich beidseits genadelt. Daraufhin kam es zu einer leichten Besserung (Grad 2). Da die Patientin zunächst so schlecht auf die Behandlung reagierte, erfolgte ab der siebten Sitzung zusätzlich die Nadelung des 1. Hirnnervs, des N. olfactorius, der in der YNSA dem Organsystem Niere entspricht. Es könnte sein, dass die Reaktionsfähigkeit der Patientin blockiert war und hier verwendet Yamamoto Punkte für Leber oder Niere. Da durch den 10. Hirnnervenpunkt (N. vagus) das Organsystem Leber schon akupunktiert war, blieb die Möglichkeit, mit dem N. olfactorius das Organsystem Niere zu aktivieren. Danach trat eine deutliche Besserung auf (Skala 8), was konkret bedeutete, dass die Patientin bis zu zehn unterschiedliche Geschmacksempfindungen wieder wahrnehmen konnte. Zunächst musste allerdings eine akute Intervention erfolgen, da die Patientin am nächsten Tag wegen starker Kopfschmerzen noch einmal die Praxis aufsuchte. Es wurde zunächst der erste Hirnnerv akupunktiert, die Nadel für zehn Minuten in situ belassen, dann entfernt und im Anschluss daran wurde eine YNSA-Halsdiagnostik durchgeführt. Im Gegensatz zu den vorherigen Sitzungen waren jetzt zahlreiche Punkte tastbar: 3E beidseits, Lu beidseits, Mi beidseits, Dü rechts, ZS beidseits. (Der ZS-Punkt ist ein vor Jahren gefundener Punkt
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YNSA im Kontext zu anderen MAPS – dargestellt an drei Fallbeispielen über Patienten mit Schmeck- und Riechstörungen unterschiedlicher Genese
zur Behandlung der weiblichen Hormonstörungen. Der diagnostische Punkt liegt bei der Halsdiagnostik neben dem Punkt für die Blase. Im Bereich der Y-Punkte liegt der therapeutische Punkt am Kreuzungspunkt der Achsen PeDü und Lu-Ma.) [7] Die erweiterte Anamnese aufgrund der gefundenen Punkte ergab, dass die Patientin vor etwa zehn Jahren auf der Treppe gestürzt war, seitdem hatte sie Schmerzen im rechten Schultergelenk. Sie war als alleinerziehende Mutter mit finanziellen und Partnerproblemen psychisch sehr erschöpft. Es bestanden seit vier Monaten Zyklusunregelmäßigkeiten. Die Zunge war vergrößert mit deutlichen Zahneindrücken an den Rändern, blass und in der Mitte zerrissen. In derselben Sitzung wurden nach Entfernen der Nadel für den 1. Hirnnerven jetzt noch folgende Punkte für 15 Minuten hinzugenommen: ZS beidseits, Mi beidseits und C1. C1 wurde gestochen (Abb. 4), da die Patientin in der Anamnese einen Sturz angab, so ist nach Yamamoto dieser Punkt wirksamer als die E-Zone oder Dü (dieser Punkt erklärt sich aus dem Schulterschmerz und der Schwierigkeit, den Kopf seitwärts zu neigen). Der 3E, der bei psychischen Problemen gut wirksam ist, wurde vorerst nicht akupunktiert, da der ZS-Punkt bei einer Frau mit Hormonstörung meist auch für eine Besserung der psychischen Befindlichkeit sorgt. Die Patientin war an diesem Tag sehr erschöpft, ihr Allgemeinbefinden hatte sich aber deutlich gebessert, die Kopfschmerzen waren verschwunden. Die weiteren Sitzungen erfolgten wie geplant. Wie im ersten Fall wurde ab der 11. Sitzung zusätzlich der vordere Lymphbelt akupunktiert (Abb. 2). Ergebnis
Das Geruchs- und Geschmacksempfinden war seit der 7. Sitzung deutlich gebessert. Seit der 12. Sitzung ist die Patientin vollständig beschwerdefrei. Sie kann sämtliche Gerüche und Geschmacksempfindungen wieder wahrnehmen. Das Hinzunehmen des ventralen Lymphbelts hatte bei dieser Patientin bewirkt, dass der Kopf freier wurde und sie auch bei Wetterwechsel keine Kopfschmerzen mehr hatte. Das Ergebnis ist seit drei Monaten unverändert. Fall 3 Westliche Diagnose und Therapie
Ein 68-jähriger Mann mit fortgeschrittenem undifferenziertem Tonsillen-Carcinom links kam nach Neckdissection und Radiatio zur Akupunkturtherapie. Infolge der Behandlungen war es zu einer schweren Dysgeusie gekommen: alles, was er aß oder trank, schmeckte nach Jauche. Zudem hatte er starke Schmerzen beim Schlucken. Mundspülungen und Schmerzmedikamente blieben ohne Erfolg. YNSA Diagnostik (Abb. 5)
• Hegu-Test li>re • Hirnnerv 9 und 10 links schwach weich zu tasten Es wurden keine anderen Punkte der üblichen YNSA-Diagnostik (Basis-, Sinnesorganpunkte) gefunden, die Hals-
Abb. 3: Diagnostik und Therapie der Patientin mit Z. n. Hirnblutung
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Ergebnis
Nach der 4. Sitzung war die geschmackliche Missempfindung verändert: es schmeckte und roch alles nur neutral. Nach der 8. Sitzung konnte der Patient süß und salzig unterscheiden, alles andere blieb neutral. Die Lebensqualität empfand der Patient auf einer Skala von 1–10 als deutlich gebessert (Grad 7). Dieses Ergebnis blieb bis zum Tode des Patienten vier Monate später konstant erhalten.
Diskussion
Abb. 4: Lokalisation des ZS Punktes
diagnostik war nach Radiatio nicht möglich, daher erfolgte ersatzweise die Bauchdeckendiagnostik. Hier war das ZNS äußerst druckschmerzhaft. YNSA Punktauswahl
Auch hier wurden in den Sitzungen 1–5 die Hirnnerven 9 und 10 links akupunktiert. Nadeltyp, Stichtechnik und Dauer entsprachen den beiden zuvor vorgestellten Fällen, es erfolgte keine Stimulation. YNSA Therapie und Verlauf
Da in diesem palliativen Fall leider keine Besserung des Allgemeinzustandes erzielt werden konnte und eine weitere Akupunktur für den schon stark geschwächten Patienten zu belastend gewesen wäre, wurde die Therapie beschränkt auf das zusätzliche Stechen des vorderen Lymphbelt (Abb. 2) und der Basalganglien (der Schmerzen wegen), zusätzlich zu den beiden Hirnnervenpunkten. Diese waren bei jeder Sitzung deutlicher zu tasten. Insgesamt erhielt der Patient zehn Sitzungen.
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Schmeck- und Riechstörungen bedeuten für den Patienten eine deutliche Einschränkung seiner Lebensqualität. Bei den vorliegenden drei Patienten konnte die unmittelbar eintretende Wirkung der YNSA gut bestätigt werden, insbesondere, wenn, wie Yamamoto lehrt, alle tastbaren Punkte akupunktiert werden. In der HNO-Klinik der Universität Dresden wurde zu diesem Thema eine Studie durchgeführt, in der die Therapie von Riech- und Schmeckstörungen mittels Ohrakupunktur, TCM und Akupunktur des Lymphbelts nach Gleditsch untersucht worden war [8]. Der N. glossopharyngeus, der bei der Dresdner Studie als Ohrpunkt akupunktiert worden war, konnte auch bei den YNSA-Hirnnervenpunkten getastet werden und wurde akupunktiert. Darüber hinaus der Punkt für den N. vagus, der mit dem N. glossopharyngeus über den Ramus auricularis anastomosiert und daher ebenso für das Geschmacksempfinden wesentlich ist. Es ist zu vermuten, dass Ohr- und YNSA-Punkte austauschbar sein können, obwohl nur bedingt ein Vergleich möglich ist. Der Grund dafür liegt daran, dass bei der Dresdner Studie weitere Ohrpunkte sowie Körperakupunkturpunkte nach TCM genadelt wurden, im vorliegenden Fall wurden auch weitere YNSA-Punkte und der ventrale Lymphbelt verwendet. Zu vergleichen ist lediglich das Vorhandensein des Punktes für den N. glossopharyngeus bei der YNSA, ein Punkt, der in oben erwähnter Studie als Ohrpunkt gestochen worden war. Eine kybernetische Vernetzung dieser beiden Akupunkturformen ist bekannt. Das Auslöschphänomen ist wechselseitig, das heißt: wenn bei der YNSA-Halsdiagnostik ein Punkt gefunden wird, die Akupunktur jedoch an einem Ohrpunkt erfolgt, tritt auch dann das von Yamamoto beschriebene Auslöschphänomen ein: der Halspunkt verschwindet bei korrektem Sitz der Akupunkturnadel. In den vorliegenden Fällen konnte dies nicht beurteilt werden, da bei der Dresdner Studie nicht mit der Halsdiagnostik gearbeitet wurde. Die Wirkung der YNSA-Hirnnervenpunkte konnte bei den beschriebenen drei Patienten bestätigt werden. Die Akupunktur aller tastbaren YNSA-Punkte führte zu einem besseren Ergebnis als die der Hirnnervenpunkte allein. Die Frage, ob die zusätzliche Akupunktur des ventralen Lymphbelts eine zusätzliche Verbesserung des Ergebnisses ergibt, kann in allen drei Fällen bestätigt werden. Gleditsch
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beschreibt eine Verbesserung des Lymphabflusses im Kopfbereich durch Akupunktur des Lymphbelts.
Schlussfolgerung Bei diesen drei Fällen konnte bestätigt werden, dass bei der Neuen Schädel Akupunktur nach Yamamoto ein direkter und schneller Therapieerfolg zu erzielen ist. Ein direkter Vergleich mit der Ohrakupunktur ist nicht möglich, da bei der Dresdner Studie auch TCM-Punkte akupunktiert wurden. Nachzuweisen ist jedoch eine vergleichbar gute Wirkung der YNSA. Interessant ist die Kombination mit dem ventralen Lymphbelt nach Gleditsch. Trotz unterschiedlichster Ursachen der Schmeck- bzw. Riechstörungen konnte in allen drei Fällen eine zusätzliche Wirkung durch Nadelung des Lymphbelts beobachtet werden. Da bei Fall 2 und 3 ein postoperativer Lymphstau vorlag, wäre durch den verbesserten Lymphabfluss ein zusätzlicher Effekt zu erwarten gewesen. Obwohl bei Fall 1 zumindest vordergründig keine Lymphabflussstörung vorlag, kam es zu einer zusätzlichen Verbesserung des Ergebnisses. In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig und auch interessant, die Kombination und auch die Zusammenhänge der verschiedenen MAPS näher zu untersuchen, wie Gleditsch seit Langem anregt. Bisher wurden drei Patienten dokumentiert behandelt, da schwere Geruchs- und Geschmacksstörungen in der Allgemeinpraxis nicht häufig vorkommen. Größere Fallzahlen sind natürlich wünschenswert. Eine Zusammenarbeit mit HNO-Kollegen in der Umgebung ist angedacht.
Literatur 1. Yamamoto T, Yamamoto H, Yamamoto MM. Yamamoto Neue Schädelakupunktur. Kötzting: Wühr, 2005 2. Zeise-Süss D. Yamamoto Neue Schädelakupunktur (YNSA) für die Praxis. München: Elsevier, 2009 3. Gleditsch JM. MAPS MikroAkuPunktSysteme. Stuttgart: Hippokrates, 2002 4. Schnorrenberger CC. Compendium Anatomicum Acupuncturare. Berlin: De Gruyter, 1996 5. König G, Wancura I. Neue Chinesische Akupunktur. Wien: Wilhelm Maudrich, 1996 6. Thambirajah R. Energetik in der Akupunktur. München: Elsevier, 2006 7. Zeise-Süss D. Der ZS-Punkt – Behandlung weiblicher Hormonstörungen mit einem neu entdeckten Punkt im Bereich des YNSA Y-Somatotops. Dt Ztschr f Akup. 2006;49,4:6–9 8. Brandt H, Hauswald B, Langer H, Gleditsch JM, Zahnert Th. Wirksamkeit der Akupunktur bei der Therapie von idiopathischen Schmeckstörungen – Eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie. Dt Ztschr f Akup. 2008;51,3:24–31
Autoreninformation (Stricta requirements) Ärztin für Allgemeinmedizin in eigener Praxis seit 26 Jahren, Akupunktur-Ausbildung und Praxis seit 1996, intensive Ausbildung für YNSA auch in Japan seit 2003. Buchveröffentlichung über YNSA 2009. Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin der Universität Heidelberg seit 2004.
Abb. 5: Diagnostik und Therapie des Patienten mit Tonsillencarcinom Alle Abbildungen stammen aus Zeise-Süss D. Yamamoto Neue Schädelakupunktur (YNSA) für die Praxis. Deutschland: München Elsevier, 2009
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