Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus

Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 157—165 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com ScienceDirect journal homepage: http...

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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 157—165

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

IM BLICKPUNKT

Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus Does ethics pay off? Need and perspectives of value management in hospitals Georg Marckmann a,∗, Jens Maschmann b a

Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, München Zentralbereich Medizin: Struktur-, Prozess- und Qualitätsmanagement Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen

b

Eingegangen/submitted 17. Dezember 2012; überarbeitet/revised 27. März 2013; akzeptiert/accepted 15. Mai 2013

SCHLÜSSELWÖRTER Krankenhaus; Ethik; Ökonomisierung; Leitbild; Wertemanagement



Zusammenfassung Der ökonomische Druck auf die deutschen Krankenhäuser hat vor allem aufgrund der Umstellung auf ein pauschaliertes Vergütungssystem in den letzten Jahren erheblich zugenommen und dürfte sich unter den gegenwärtigen demografischen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zukünftig noch weiter verschärfen. Diese Ökonomisierung der Krankenhausversorgung belastet das Personal und schlägt sich in (medizinisch teilweise nicht mehr indizierten) Leistungsausweitungen und unkontrollierten Leistungseinschränkungen sowie einem Ringen um den Erhalt der Versorgungsqualität nieder. Diese Entwicklung ist nicht nur aus ethischer Sicht problematisch, sondern schwächt zudem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser weiter. Der zunehmenden Ökonomisierung ,,mehr Ethik‘‘ entgegenzustellen, so die Argumentation in diesem Beitrag, erscheint wenig aussichtsreich. Zentrale ethische Werte für die stationäre Versorgung von Patienten müssen vielmehr integraler Bestandteil des Krankenhausmanagements werden. Dieses Wertemanagement erfordert zum einen die klare Definition der normativen Vorgaben z.B. in einem Leitbild, zum anderen die systematische Erfassung, Analyse und Steuerung der Umsetzung der normativen Vorgaben in der Routine der Krankenhausversorgung. Da die Vorgaben schwer zu objektivieren und quantitativ zu messen sind, stellen (wiederholte) Mitarbeiterbefragungen ein zentrales Instrument zur Sicherung der ,,inneren Qualität‘‘ des Krankenhauses dar. Vieles spricht dafür, dass sich mehr Ethik im Krankenhaus durch eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch auszahlen wird. Der empirische Nachweis ist allerdings noch zu erbringen.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH, Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Lessingstr. 2, 80336 München, Germany. E-Mail: [email protected] (G. Marckmann).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.03.001 1865-9217/

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KEYWORDS Hospital; ethics; economics; mission statement; value management

G. Marckmann, J. Maschmann Summary The economic pressure on German hospitals has increased considerably over the last years, mainly because of the introduction of a flat-rate payment system, and it will most likely further increase under the current demographic and political conditions. The growing dominance of economics in the inpatient sector increases the pressure on hospital staff and results in an increased volume of care (with sometimes inappropriate overtreatment) and uncontrolled rationing and a continuous struggle to maintain the quality of patient care. This development is not only alarming from an ethical perspective, but also impairs the hospital’s economic performance. To counter the increasing economic pressure with ‘‘more ethics’’ does - according to the line of reasoning adopted in this article - not appear to be very successful. Rather, central ethical values in inpatient care have to become an integral part of hospital management. This value management first requires a clear definition of the normative standards, e.g. within a mission statement. Second, the realisation of the normative standards in routine inpatient care has to be systematically assessed, evaluated and managed. Since normative standards are difficult to measure objectively and on a quantitative scale, (repeated) surveys among hospital staff are the central instrument to secure the ‘‘internal quality’’ of the hospital. It appears very likely that more ethics in the hospital will pay off by improving its economic performance. The empirical proof for this conceptually extremely plausible hypothesis has yet to be provided.

Einleitung Seit Einführung eines pauschalierten Vergütungssystems mittels Diagnosis Related Groups (DRGs) hat der finanzielle Druck auf die Krankenhäuser erheblich zugenommen. Aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer zunehmenden Anzahl chronisch kranker, multimorbider älterer Menschen verbunden mit erweiterten Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie wird der Bedarf an medizinischen Leistungen weiter steigen. Dem stehen u. a. auch durch den steigenden Altenquotienten in der gesetzlichen Krankenkasse begrenzt verfügbare Finanzmittel gegenüber, sodass der Kostendruck im Gesundheitswesen allgemein, insbesondere aber auch in der stationären Versorgung in den kommenden Jahren weiter steigen dürfte [1]. Die Auswirkungen auf die Krankenhäuser sind ambivalent: Auf der einen Seite konnten nach Einführung der DRG-basierten Vergütung Effizienzreserven im stationären Bereich mobilisiert werden. Auf der anderen Seite birgt die zunehmende Dominanz der ,,ökonomischen Rationalität‘‘ — hier in Form betriebswirtschaftlicher Erwägungen — auch Risiken: Sie belastet die Mitarbeiter (sinkende Arbeitszufriedenheit, mehr Stress, erhöhter Krankenstand und mehr Burn-OutFälle [2—4]), führt zu ethischen Entscheidungskonflikten [5] und bedroht die Qualität der Patientenversorgung durch unkontrollierte Leistungsausweitung oder Rationierung [6]. In der Folge droht eine fatale Abwärtsspirale, da Überlastung, Demotivierung und Krankenstand des Personals die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser weiter schwächen. Zudem können zentrale Werte wie z.B. die Patientenorientierung und Wertschätzung der Mitarbeiter unter dem ökonomischen Druck verloren gehen. Der vorliegende Beitrag geht deshalb der Frage nach, wie dieser Entwicklung, die nicht nur im Krankenhaussektor unter dem Begriff der Ökonomisierung kontrovers diskutiert wird, in einer angemessenen Art und Weise begegnet werden kann. Dabei werden zunächst die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung im Krankenhaus in einer Übersicht dargestellt. Anschließend diskutieren wir, wie diese Entwicklung aus ethischer Sicht zu bewerten ist. Wir werden argumentieren, dass die naheliegende Forderung der Stärkung der Ethik gegenüber der Ökonomie

möglicherweise eine wenig aussichtsreiche Strategie ist. Vielmehr erscheint es notwendig, Ethik und Ökonomie in einem konsequenten Wertemanagement zu verbinden, bei dem normative Vorgaben zu einem integralen Bestandteil des operativen Geschäfts einer Klinik werden. Dies erfordert zum einen die klare Definition von entsprechenden normativen Vorgaben, zum anderen die systematische Erfassung und Steuerung der Umsetzung derselben im klinischen Alltag. Abschließend diskutieren wir Herausforderungen und ggf. weitere notwendige Schritte bei der Realisierung dieser Lösungsperspektive.

Auswirkungen der Ökonomisierung im Krankenhaus Aus den Daten des statistischen Bundesamtes geht hervor, dass in den vergangenen Jahren mehr Ärzte an den bundesdeutschen Krankhäusern eingesetzt wurden, die Anzahl der Pflegenden demgegenüber aber zurückging. Im Vergleich dazu hat sich die Anzahl der stationären Patienten auf mittlerweile 18 Mio. pro Jahr erhöht, obwohl die Anzahl der Betten und auch der Krankenhäuser deutlich rückläufig ist, was durch die sinkende Verweildauer bedingt ist, die sich bereits vor Einführung des pauschalierten Entgeltsystems (G-DRG) im Jahr 2004 zeigte[Abb. 1]. Daraus lässt sich ableiten, dass die Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern zugenommen hat, zumal über die Jahre immer aufwändigere Diagnostik- und Therapieverfahren hinzu kamen, die die Anforderungen an das Personal zusätzlich erhöhten (z. B. weiterentwickelte Schnittbildgebungsverfahren, Kombinationen aus Schnittbildgebung und Funktionsdiagnostik (PET-CT, PET-MRT), minimalinvasive chirurgische Verfahren, minimalinvasive Herzchirurgische und interventionell kardiologische Verfahren etc.). Dadurch, dass pro Zeiteinheit des Patientenaufenthaltes immer mehr Diagnostik- und Therapieleistungen erbracht werden, kommt der Organisationsstruktur des Krankenhauses eine immer größere Bedeutung zu. Sind Regelungen zur Patientensteuerung vorhanden und die Abläufe klar definiert, kann das verfügbare Personal ein höheres Pensum an Patientenbetreuung leisten. Fehlt dieses aber, verbleiben kaum

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Abb. 1 Verlauf diverser Kennzahlen im Krankenhausbereich von 1991 bis 2011 (eigene Darstellung), basierend auf den Angaben des Stat. Bundesamtes, Fachserie 12 Reihe 6.1.1 Grunddaten der Krankenhäuser 2011 vom 18.10.2012. VK: Vollkraftäquivalente.

noch Kompensationsmöglichkeiten. In diesen Situationen sind dann vermehrt Überlastanzeigen, Krankheitsausfälle und eine Demotivation des Personal fest zu stellen, was wiederum negative Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung haben kann [3]. Daher muss die Qualität von Führung und Organisation in den Krankenhäusern eine immer stärkere Rolle spielen. Praxisbeispiel: Eine starke Leistungsausweitung in einem interventionell diagnostisch-therapeutischen Bereich führte zu einer Dekompensation des etablierten Organisationssystems, worauf hin es zu einer deutlichen Überlastungssituation bei den Beschäftigten kam, die sich schnell in einer negativen Stimmung niederschlug und zu vermehrten Krankheitsausfällen sowie Kündigungstendenzen führte. Erst durch eine gezielte Intervention konnten Abläufe, Strukturen und Umgang miteinander so angepasst werden, dass wieder eine stabile Arbeitsumgebung hergestellt werden konnte. Da die Krankenhauskosten zu 60-70% aus Personalausgaben bestehen, ist es nicht verwunderlich, dass häufig versucht wird, den erhöhten wirtschaftlichen Druck durch Einsparungen in diesem Bereich zu kompensieren. Aufgrund eingeschränkter Automatisierungsmöglichkeiten, wie sie z. B. in der Automobilindustrie durch den Einsatz von Robotern möglich waren, stößt diese Strategie im Dienstleistungsbereich jedoch schnell an ihre Grenzen. Einer Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft zufolge rechnen inzwischen über 51% der befragten

Krankenhäuser für 2012 mit einem negativen und nur noch 31% mit einem positiven Jahresergebnis, wobei der Trend der letzten drei Jahre besonders besorgniserregend erscheint (vgl. Abb. 2). Hinzu kommt, dass Einsparungen im Personalbereich die Versorgungsqualität beeinträchtigen können, was insbesondere für den Pflegebereich empirisch gut belegt ist [vgl. z.B. 2, 7] (für die Intensivstation vgl. Pflege-Thermometer 2012 des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V., www.dip.de). Obwohl die Gesetzliche Krankenversicherung und der Gesundheitsfonds derzeit einen Überschuss von 26,7 Mrd. Euro verzeichnen, wird die Finanzierungsgrundlage der Krankenhäuser durch gesundheitspolitische Eingriffe wie das GKV-FinG oder der PsychEntgG zusätzlich geschwächt (vgl. Abb. 3), was den wirtschaftlichen Druck weiter verschärft. Da der demografische Wandel mit einer zunehmenden Anzahl chronisch und multimorbid erkrankter älterer Menschen in Verbindung mit wachsenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen weiter in die Höhe treibt und gleichzeitig der steigende Altenquotient die Finanzierungsgrundlage der GKV zunehmend schwächt, dürften sich die ökonomischen Rahmenbedingungen der stationären Versorgung in absehbarer Zeit nicht grundlegend verbessern. Verschiedene empirische Studien belegen, dass der zunehmende ökonomische Druck bereits heute spürbare Auswirkungen auf das Leistungsgeschehen im Krankenhaus hat. In einer eigenen repräsentativen Umfrage in Kardiologie

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G. Marckmann, J. Maschmann

Abb. 2

Umfrageergebnisse des Krankenhausmonitors der BWKG e. v. Stuttgart 2012.

und Intensivmedizin gaben 77% der befragten Krankenhausärzte an, in den letzten 6 Monaten aus Kostengründen eine für den Patienten nützliche Maßnahme nicht durchgeführt zu haben [6]. Der Anteil derjenigen, die dies häufig, d.h. mindestens einmal pro Woche taten, war mit 13% allerdings noch vergleichsweise gering. Gleichzeitig sahen die Studienteilnehmer mehrheitlich keine Einsparmöglichkeiten im ärztlichen Bereich: Nur 35% glaubten, Leistungsbegrenzungen könnten durch wirtschaftlicheres Arbeiten der Ärzte vermieden werden. Die Studienergebnisse belegen darüber hinaus, dass das ärztliche Personal die Auswirkungen der Ökonomisierung deutlich spürt: Über drei Viertel der antwortenden Ärzte gaben an, der zunehmende Kostendruck beeinträchtige ihre Arbeitszufriedenheit und das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten [6]. Diese Befunde werden durch eine qualitative Interviewstudie mit fünfzehn leitenden Ärzten aus den Bereichen Kardiologie und Intensivmedizin gestützt [5]. Sie berichten eine zunehmende Leistungsverdichtung

und Personalabbau, verbunden mit willkürlichen Entscheidungen und Unehrlichkeit gegenüber dem Patienten sowie emotionalem Stress und Gefühlen der Überforderung. Als Zwischenfazit ist festzuhalten: Die deutschen Krankenhäuser sind mit einem zunehmendem Kostendruck konfrontiert, der zum einen zu (medizinisch teilweise fragwürdigen) Leistungsausweitungen und unkontrollierten Leistungseinschränkungen und zum anderen zu zunehmender Unzufriedenheit, Stress, Überlastung und Burn-out beim Personal führt. Handlungsbedarf ergibt sich einerseits innerhalb der Krankenhäuser, die verstärkt auf ablauforganisatorische Aspekte in ihren Einrichtungen und Führungskompetenz bei ihrem leitenden Personal achten müssen. Zentrale Werte wie Patientenorientierung und Mitarbeiterorientierung dürfen nicht der Ökonomisierung zum Opfer fallen. Andererseits zeigt die Entwicklung der Krankenhausfinanzierung, dass die bereits jetzt schon ungenügende Kompensation der Tarif-, Material- und Sachkostensteigerungen durch weitere Kürzungen noch verschärft werden wird, so dass es hier früher

Abb. 3 Auswirkungen des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz — GKV-FinG) vom 22.12.2010. Gesamt-Ausgaben für Krankenhäuser durch die gesetzlichen Krankenversicherungen ca. 60 Mrd. Euro pro Jahr. Durch das Gesetz werden den Krankenhäusern in 2013 und 2014 insgesamt 2,1 Mrd. Euro weniger zugeführt, als ohne das Gesetz zu erwarten gewesen wäre (Quelle: ,,Das Krankenhaus‘‘, 11.2012, S. 1102).

Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus oder später zu einer Kurskorrektur kommen muss, sollen die Beschäftigten noch eine Perspektive als Pflegekraft oder Arzt im Krankenhaus sehen.

Ethische Bewertung der Ökonomisierung Angesichts der zum Teil dramatischen Entwicklungen verwundert es wenig, dass die zunehmende Ökonomisierung der Krankenhausversorgung in Deutschland aus ethischer Perspektive deutlich kritisiert wird. Bereits vor Einführung des DRG-Systems untersuchten Kühn und Simon die potenziellen Auswirkungen der pauschalierten Finanzierung auf die Patientenversorgung [8]. Hagen Kühn kritisierte als einer der ersten die ,,Verbetrieblichung‘‘ der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Andere Autoren folgten [vgl. z.B. 9, 10, 11], sehr prominent in jüngster Zeit Giovanni Maio, der vor einer ,,ökonomischen Überformung der Medizin‘‘ warnt: ,,Längst hat vor allem in den Kliniken ein Denken eingesetzt, das stärker vom Managementdenken als vom medizinischen Denken geprägt ist.‘‘ [12,S. A804] ,,Patienten sind wichtiger als Profit‘‘ titelte ein Beitrag in der Wochenzeitung DIE ZEIT (Nr. 39 vom 20.09.2012), in dem die fünf Teilnehmer des ZEIT-Gesprächs ein ,,Manifest für eine menschliche Medizin‘‘ veröffentlichten. Angesichts dieser einmütigen Kritik an der Dominanz ökonomischer Rationalität in deutschen Krankenhäusern erscheint die Forderung eigentlich naheliegend, die Ethik gegenüber der Ökonomie zu stärken. So einleuchtend diese Forderung auf den ersten Blick erscheint, bei näherer Betrachtung vermag sie weder konzeptionell noch pragmatisch so richtig zu überzeugen. Konzeptionell ist die Ethik kein Gegenpol zur Ökonomie. Im ethischen Prinzip der Nutzenmaximierung konvergieren Ethik und Ökonomie, da es ethisch wie ökonomisch gleichermaßen geboten ist, mit begrenzt verfügbaren Ressourcen ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen bzw. ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst wenig Ressourcenaufwand zu erreichen. Neben dem Prinzip der Nutzenmaximierung sind in der Ethik jedoch auch andere ethische Normen, Prinzipien und Grundwerte zu berücksichtigen, sodass die Ethik von ihrem normativen Gehalt her deutlich über die Ökonomie hinausgeht. Aus diesem Grund können Spannungsverhältnisse oder Konflikte zwischen ethischen und ökonomischen Erwägungen resultieren, z.B. zwischen der Effizienz der medizinischen Versorgung und den Versorgungsbedürfnissen der einzelnen Patienten. Streng genommen handelt es sich hierbei — konzeptionell — aber um einen binnenethischen Konflikt zwischen individualund gerechtigkeitsethischen Verpflichtungen. Pragmatisch ist die Gefahr groß, dass die Ethik als ,,Gegenspieler‘‘ der Ökonomie im Krankenhaus wirkungslos bleibt, da der Krankenhausbetrieb anderen, vor allem betriebswirtschaftlich orientierten Regeln folgt. Zwischen den ethischen Grundwerten und dem operativen Geschäft einer Klinik existiert dann eine große Kluft, wodurch die ethischen Grundwerte nur eine eingeschränkte Wirkung entfachen können. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen binnenethischen Konflikt, sondern um einen Konflikt zwischen den betriebswirtschaftlichen Interessen des Krankenhausträgers und den ethischen Verpflichtungen gegenüber den Patienten. Will man folglich eine breitere Wertebasis effektiv im Krankenhausbetrieb verankern, müssen die gewünschten

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normativen Vorgaben fest im operativen Geschäft des Krankenhauses verankert werden. ,,Es geht nicht darum, den Markt aus dem Gesundheitswesen herauszuhalten, aber doch darum, diesen gezielt und kontrolliert im Sinne der nicht marktlich bestimmten Ziele einzusetzen,‘‘ resümiert Arne Manzeschke zu Recht am Ende seiner ,,Beobachtungen zur Sinn- und Seinskrise des Krankenhauses‘‘ [11,S. 280]. Leider gibt es unseres Wissens bislang nur wenig konkrete Vorschläge, wie diese sehr einleuchtende Forderung in der Praxis eines Krankenhausbetriebes realisiert werden kann. Auch wir können in unserem Beitrag kein fertiges, in der Praxis bewährtes Modell vorlegen, möchten aber einige Perspektiven aufzeigen, wie ein breiter angelegtes Wertemanagement im Krankenhaus realisiert werden könnte.

Lösungsperspektiven: Wertemanagement im Krankenhaus Ausgangspunkt ist die konzeptionelle Einsicht, dass es sich bei Ökonomie und Ethik nicht um sich wechselseitig ausschließende, konträre Perspektiven handelt. Eine klare Dominanz der Ökonomie — insbesondere in Form betriebswirtschaftlicher Überlegungen — kann die Erfüllung moralischer Verpflichtungen gegenüber dem Patienten aber gefährden. Die Berücksichtigung ethischer Vorgaben muss folglich fest im Krankenhausbetrieb verankert sein, sie muss zu einem integralen Bestandteil des Managements werden. Sehr treffend hat dies der Unternehmensethiker Karl Homann formuliert: ,,Moral kann im Alltag nur dann systematisch praktiziert werden, wenn sie — nicht in jedem Einzelfall, aber per Saldo — dem Akteur Vorteile bringt, und es ist Aufgabe der Ordnungspolitik — und des Managements —, die Handlungsbedingungen so zu gestalten, dass Moral im Wettbewerb nicht systematisch ausgebeutet werden kann beziehungsweise durch systematische Fehlanreize erodiert.‘‘ [13] Eine der Kernfragen dürfte dabei sein, ob Krankenhäuser, die sich in ihrem operativen Geschäft konsequent an einer breiteren Wertebasis orientieren, wirtschaftlich erfolgreicher sein werden: Zahlt sich Ethik aus? Betrachtet man die eingangs geschilderten negativen Konsequenzen einer ausschließlich an vordergründigen betriebswirtschaftlichen Zielen orientierter Krankenhausführung, so erscheint es eigentlich fast folgerichtig, dass sich zumindest längerfristig ein konsequentes Wertemanagement auch wirtschaftlich rentieren dürfte [14]. Überlastung, Demotivierung, Burn-out und hoher Krankenstand des Personals gefährden nicht nur die Patientensicherheit, sondern darüber hinaus auch die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Krankenhauses. Die Patienten werden — sofern möglich — das Krankenhaus meiden, gutes Personal dürfte für das Krankenhaus immer schlechter zu finden sein. Damit beginnt eine Abwärtsspirale, die am Ende die Existenz des Krankenhauses bedroht. Umgekehrt erscheint es naheliegend, dass eine gute ,,innere Qualität‘‘ [14] durch motiviertes Personal und eine patientenorientierte Versorgung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Krankenhauses stärken wird. Noch einmal sei Karl Homann zitiert: ,,Moral darf, muss sogar und kann ein Produktionsfaktor sein, und es ist Aufgabe des Managements, auch diesen Schatz zu heben — zum Wohl des Unternehmens und der Allgemeinheit.‘‘ [13]

162 Nach unserem Wissen gibt es aber bislang keine empirischen Studien, die die wirtschaftlichen Effekte eines konsequenten Wertemanagements im Krankenhaus untersucht haben, sodass es derzeit noch offen bleiben muss, ob sich (mehr) Ethik tatsächlich auszahlt. Es gibt aber verschiedene Beispiele, dass sich ethisch gebotene Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenversorgung durchaus auch ökonomisch auszahlen können. Beispielhaft erwähnt sei das Bemühen um eine Verbesserung der Patientensicherheit: Fehler zu vermeiden ist nicht nur ethisch durch das Prinzip des Nichtschadens geboten, sondern kann auch unnötige Ausgaben vermeiden. Interessanterweise ist die mangelnde Motivation vor allem des ärztlichen Personals ein wesentliches Hindernis für Patientensicherheitsinitiativen [15]. Offenbar reichen technische Systeme zur Fehlervermeidung nicht aus. Vielmehr muss das Personal besser seiner ethischen (!) Verantwortung gegenüber den Patienten nachkommen (auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen unterstreicht in seinem Gutachten aus Jahr 2007 explizit die Bedeutung der Verantwortlichkeit (accountability) im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung [16,S. 285ff]). Es wäre nun die Aufgabe eines Wertemanagements, diese Verantwortungswahrnehmung systematisch zu erfassen und zu fördern. Aus dem Bereich der klinischen Qualitätssicherung ist bekannt, dass durch verschiedene Interventionen die Raten von beatmungsassoziierten Pneumonien, katheterassoziierte Infektionen u.a. deutlich reduziert werden konnten, was nachweislich zu Kosteneinsparungen durch vermiedene Komplikationen geführt hat bei gleichzeitiger Verbesserung der Patientenversorgung [vgl. z.B. 17, 18]. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine mitarbeiterorientierte Betriebsführung (z.B. im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf) durchaus ökonomische Vorteile für das Krankenhaus haben kann [19,20]. Einige empirische Studien im nicht-medizinischen Bereich weisen darauf hin, dass eine ethikorientierte Führung, die sich an moralischen Vorgaben orientiert, auf verschiedenen Ebenen positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Organisationen hat [für eine Übersicht vgl. 21]. Aufgrund der konzeptionellen Plausibilität und des Eigenwertes der normativen Vorgaben erscheint es aber auch ohne direkten Nachweis positiver ökonomischer Effekte geboten, Methoden des Wertemanagements im Krankenhaus weiter zu entwickeln, zu praktizieren und zu evaluieren. Hierzu seien in den folgenden zwei Abschnitten einige Perspektiven aufgezeigt, und zwar im Hinblick auf die zwei erforderlichen Schritte eines Wertemanagements: (1) Definition der normativen Vorgaben (=>,,Leitbild‘‘) (2) Systematische Erfassung und Steuerung der Umsetzung der normativen Vorgaben (=>,,normatives Controlling‘‘)

Konkretisierung der normativen Vorgaben für das Krankenhaus Als ersten Schritt muss ein Krankenhaus die normativen Vorgaben definieren, die für das Verhalten der Akteure bei der stationären Versorgung der Patienten maßgeblich sein sollen. Viele Krankenhäuser haben dies bereits mit der Formulierung eines Leitbildes getan. Im Kern müssen sich

G. Marckmann, J. Maschmann die normativen Vorgaben an den moralischen Verpflichtungen gegenüber den Patienten orientieren, die durch die vier klassischen medizinethischen Prinzipien des Wohltuns, des Nichtschadens, des Respekts der Patientenautonomie und der Gerechtigkeit definiert sind [22]. Tabelle 1 zeigt die ethischen Kriterien, die sich aus den Grundprinzipien für den Krankenhausbereich ableiten lassen, einschließlich ihrer Operationalisierung. Während sich die ersten drei Kriterien auf den einzelnen Patienten beziehen, basieren die nächsten fünf Kriterien auf gerechtigkeitsethischen Erwägungen. Ein angemessener Umgang mit dem Krankenhauspersonal lässt sich darüber hinaus durch das Prinzip des Wohltuns begründen, da zufriedene und motivierte Mitarbeiter die Patienten besser behandeln (können). Sehr wichtig erscheinen auch faire Entscheidungsprozesse: Die Mitarbeiter sollten über die strategischen Entscheidungen des Managements informiert werden, die Führungsentscheidungen sollten konsistent sein und auf einer nachvollziehbaren Begründung beruhen. So weit als möglich sollte es dabei auch Partizipationsmöglichkeiten für das Krankenhauspersonal geben. Die in Tabelle 1 aufgeführten ethischen Kriterien stellen lediglich ein normatives Rahmengerüst dar, das vom einzelnen Krankenhaus den jeweiligen Besonderheiten entsprechend konkretisiert und ergänzt werden muss. Bestehende Leitbilder können anhand der Kriteriologie ggf. einer kritischen Revision unterzogen werden.

Umsetzung der normativen Vorgaben Wie bereits erwähnt, versuchen viele Krankenhäuser der zunehmenden Dominanz betriebswirtschaftlicher Erwägungen umfassendere normative Vorgaben in sog. Leitbildern entgegenzusetzen. Die Erfüllung der Vorgaben wie Patientenorientierung, Mitarbeiterorientierung oder verantwortlicher Umgang mit Ressourcen wird jedoch in den Krankenhäusern bislang meist nicht systematisch gemessen und gesteuert, da sie vom operativen Controlling und von herkömmlichen Management-Ansätzen nicht erfasst werden. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Leitbilder keine ,,leitende‘‘ Wirkung im Krankenhaus entfalten können — und damit auch für sich genommen kein geeignetes Instrument darstellen, um die erforderliche breitere Wertebasis bei der stationären Versorgung sicher zu stellen. Nach unserem Wissen ist bislang noch nicht systematisch untersucht, inwieweit Leitbilder tatsächlich im operativen Geschäft der Krankenhäuser wirksam werden. Überdies gibt es bislang keine etablierten Instrumente, mit denen die Erfüllung der normativen Anforderungen systematisch erfasst und gesteuert werden können. Nur wenn die Umsetzung der Leitwerte in der Routine des Krankenhaus-Managements fest verankert ist, werden die Kliniken auch unter den Bedingungen der zunehmenden Ökonomisierung eine patientenorientierte stationäre Versorgung aufrecht erhalten können. Die methodische Herausforderungen besteht dabei darin, schwer objektivier- und quantifizierbare normative Vorgaben wie die Patienten- bzw. Kundenorientierung, die Mitarbeiterorientierung oder der sorgsame Umgang mit begrenzt verfügbaren Ressourcen zu erfassen. Da sie sich auf das angemessene Verhalten von Menschen beziehen, kann ihre Erfüllung eigentlich auch nur von

Zahlt sich Ethik aus? Notwendigkeit und Perspektiven des Wertemanagements im Krankenhaus Tabelle 1

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Normative Vorgaben für das Krankenhaus.

Ethische Kriterien

Operationalisierung

Nutzen für Patienten

Gesundheitlichen Nutzen für Patienten optimieren; Berücksichtigung der Evidenz zu Nutzen & Risiken der Maßnahmen (richtige Indikationsstellung!) Belastungen & gesundheitliche Risiken durch die Versorgung minimieren Patienten informieren, ihre Wünsche respektieren; Selbstbestimmung fördern; Gesundheitskompetenz stärken Gleicher Zugang zur Versorgung; Patienten gleich behandeln; gesundheitliche Ungleichheiten ausgleichen; zuteilen nach definierten Verfahren & Kriterien Ressourcen für Erreichen eines Behandlungsziels minimieren; Wirtschaftlichkeitsreserven in Strukturen & Prozessen mobilisieren Angehörige des Patienten respektvoll behandeln & unterstützen

Schaden für Patienten Patienten-Autonomie Gerechtigkeit Effizienz Auswirkungen auf das soziale Umfeld Auswirkungen auf das Gesundheitspersonal Faire Entscheidungsprozesse

Mitarbeiter respektvoll behandeln & führen; physische & psychische Belastungen minimieren; beruflich fördern Transparenz, Konsistenz, relevante Begründung, Evidenzbasierung, Partizipationsmöglichkeiten, Offenheit für Revision

Menschen beurteilt werden: Wiederholte Mitarbeiterbefragungen scheinen hier fast alternativlos zu sein [14]: Wie die Führungsqualität ist, wie das Personal die Patienten fachlich behandelt, ob die personellen und materiellen Ressourcen vernünftig eingesetzt werden, kann das Krankenhauspersonal selbst am besten beurteilen. Die Befragungen des Personals sollen dabei Patientenbefragungen nicht ersetzen, sondern müssen sie ergänzen: Schließlich können Patienten wesentliche Aspekte eines werteorientierten Managements - z.B. Führungsqualität, Umgang mit Ressourcen, fachliche Exzellenz nicht oder nur eingeschränkt beurteilen. Nach einer jüngst (2013) veröffentlichten Untersuchung der KPMG Wirtschaftsprüfergesellschaft auf der Basis von Daten aus dem ,,Krankenhausführer‘‘ der Techniker Krankenkasse korrelierte weder die allgemeine Patientenzufriedenheit noch die Patientenzufriedenheit mit dem Behandlungsergebnis mit dem objektivierten Qualitätsergebnis entsprechend des strukturierten Qualitätsberichts (www.kpmg.de/gesundheit). Hingegen korrelierte die allgemeine Patientenzufriedenheit mit der Patientenzufriedenheit mit Information/Kommunikation und der medizinisch-pflegerischen Versorgung. Diese Befunde können unterschiedliche Ursachen haben: Zum einen könnten die in den strukturierten Qualitätsberichten erfassten Merkmale nicht ausreichend relevant für die Einschätzung des Behandlungsergebnisses sein. Zum anderen könnten aber auch die Patienten nur unzureichend in der Lage sein, die wirkliche Qualität der Behandlungsergebnisse zu beurteilen. Stattdessen stehen eher weiche Faktoren wie der unmittelbare Umgang mit den Patienten im Vordergrund. Auf jeden Fall wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen Patientenzufriedenheit und Qualität der Behandlung noch weiterer Untersuchungen bedarf. Wesentlich erscheint im Hinblick auf die Leitbilderstellung, dass alle Berufsgruppen und Hierarchieebenen im Krankenhaus bei dessen Erstellung wesentlich beteiligt sind. Die gefundenen Formulierungen geben die Haltung und den ,,Geist‘‘ der jeweiligen Institution wieder, was die Identifikation der Beschäftigten mit den im Leitbild

formulierten Vorgaben erhöht. In der Regel wird ein solcher Leitbildprozess von den Beschäftigten gut aufgenommen und positiv begleitet, wenngleich die Skepsis immer mitschwingt, inwieweit damit ein mit großem Aufwand erschaffener ,,Papiertiger‘‘ entsteht, dessen wohlwollende Formulierungen den in der Arbeitsrealität erfahrenen Situationen nicht entsprechen. An dieser Stelle kommen zwei Aspekten besondere Bedeutung zu: Zum einen muss die Führung eines Krankenhauses klar vermitteln, dass ein Leitbild keine Beschreibung der Ist-Situation, sondern vielmehr eine in die Zukunft gerichtete Zielbeschreibung darstellt, an der sich die Handlungen und Entscheidungen der Gegenwart messen lassen können. Dies gilt für alle Ebenen eines Krankenhauses und insbesondere eben auch für die Top-Führungsebene, die sich an den im Leitbild formulierten Vorgaben orientieren muss. Dies bedingt zwangsläufig zum zweiten, dass jeder Führungsaufgabe eine Vorbildfunktion zukommt, die die Umsetzung des Leitbildes für alle Beschäftigten erlebbar macht. Die Handlungskonkordanz mit den im Leitbild getroffenen Aussagen kann mit der Zeit einen Wertewandel im Unternehmen bewirken. Und selbst wenn in Konfliktsituationen Abwägungen zwischen verschiedenen Unternehmenszielen vorgenommen werden müssen, können diese transparent und nachvollziehbar erfolgen. Demgegenüber wird wiederholt nicht Leitbild konformes Verhalten von Führungskräften oder nachgeordneten Beschäftigten, das ungeahndet bleibt, schnell dazu führen, dass sich eine Orientierungslosigkeit im Unternehmen breit macht, die den ganzen Leitbildprozess konterkariert und die Unternehmensentwicklung gefährdet. Die Herausforderung besteht demnach darin, in nachvollziehbarer und anwendbarer Weise die Zielformulierungen des Leitbildes in erlebbare und operationalisierbare Maßnahmen zu übersetzen, die für die einzelnen Beschäftigten konkrete Bedeutung in deren Beschäftigungsumfeld wie z. B. einer Station, eines Operationsbereichs oder auch in Bereichen der Klinikumsverwaltung erlangen. Eine mögliche Methode bietet die sog. Balanced-Score-Card (BSC), die in den 1990er Jahren von Kaplan und Norton entwickelt

164 wurde [23]. Einerseits konkretisiert sie die eher vagen Formulierungen im Leitbild und verbindet sie mit Messparametern und Sollwerten zur Zielerreichung. Andererseits wird diese Kennzahlensystematik eben nicht nur auf den Aspekt der Finanzen angewandt, sondern auf andere wesentliche Unternehmensperspektiven wie z. B. Kunden (im Krankenhaus z. B. ,,Patienten und Partner‘‘), Prozesse (in Krankenhaus z. B. ,,Leistungen und Prozesse‘‘) sowie Mitarbeiter, Lernen und Potenziale. Damit bietet sich eine gute Chance, die Beschäftigten an der konkreten Ausformulierung der Ziele in ihrer Organisationseinheit zu beteiligen, um damit die Leitbildformulierungen und die Umsetzung der Unternehmensstrategie konkret erlebbar zu machen. Diese Aufgabe ist nicht zu unterschätzen und bedeutet je nach Größe der Einrichtung einen mehrmonatigen bis mehrjährigen Aufwand, wobei die Herausforderung darin besteht, sich in der Auswahl der konkreten Ziele im jeweiligen Bereich zu beschränken, um sich am Ende nicht zu verzetteln. Dieser initial hohe Aufwand wird in der Folge deutlich abnehmen, wenn es darum geht, jährlich die Zielerreichung zu bewerten und Maßnahmen- und Zielanpassungen vorzunehmen. Zwar sind Leitbilder im Krankenhausbereich in Deutschland mittlerweile weit verbreitet. Die strukturierte Umsetzung innerhalb der Einrichtungen z. B. mittels der BSC dürfte aufgrund des Aufwandes vermutlich weniger stringent verfolgt werden. Es existieren jedoch einige konkrete Beispiele, die von der Universitätsklinik über Schwerpunktversorger bis hin zu Grundversorgern reichen. Inwiefern diese Häuser besser abschneiden als andere, bleibt derzeit offen, könnte aber ähnlich wie in anderen Industriezweigen untersucht werden, da mittlerweile eine genügend große Stichprobengröße vorhanden ist.

Fazit Der ökonomische Druck auf die Krankenhäuser in Deutschland dürfte sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen weiter verschärfen. Bereits heute sind die Auswirkungen der Ökonomisierung deutlich spürbar: Aufgrund von Leistungsverdichtung und Einsparungen im Personalbereich sind die Krankenhausmitarbeiter einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. Demotivation, Burnout und erhöhter Krankenstand sind die Folge, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser schwächt. Auch bei den Patienten ist der zunehmende Kostendruck angekommen: Neben medizinisch zum Teil nur begrenzt nachvollziehbaren Leistungsausweitungen belegen empirische Studien unkontrollierte Leistungseinschränkungen in der Patientenversorgung; der Personalabbau geht mit einem zunehmend Kampf gegen die Verschlechterung der Versorgungsqualität einher. Diese Situation ist nicht nur aus ethischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht höchst bedenklich. Dabei erscheint es wenig erfolgversprechend, ethische Anforderungen der Ökonomie entgegenzustellen. Vielmehr muss eine breitere Werteorientierung zu einem integralen Bestandteil des Krankenhausmanagements werden. Dies erfordert zum einen eine klare Definition der normativen Vorgaben z.B. in einem Leitbild, zum anderen die systematische Erfassung, Analyse und Steuerung der Umsetzung dieser normativen Vorgaben. Zentrales Instrument müssen hierbei wiederholte Mitarbeiter-Befragungen sein, da nur

G. Marckmann, J. Maschmann diese beurteilen können, inwieweit die nur schwer objektivierbaren und quantitativ messbaren Vorgaben wie z.B. Patienten- oder Mitarbeiterorientierung tatsächlich in der Krankenhausroutine erfüllt werden. Vieles spricht dafür, dass sich ,,mehr Ethik‘‘ in diesem Bereich zumindest mittelund langfristig auch auszahlen wird. Der empirische Beleg steht allerdings noch aus. Die überzeugenden konzeptionellen Argumente sollten aber ausreichen, um Instrumente des Wertemanagements in den Krankenhäusern zu entwickeln, anzuwenden und im Hinblick auf ihre Effektivität und die damit verbundenen betriebswirtschaftlichen Implikationen hin zu evaluieren. Sollte sich ,,mehr Ethik‘‘ im Krankenhaus wider Erwarten nicht auszahlen und folglich auch nicht mit einem Wettbewerbsvorteil verbunden sein, sind die entsprechenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine breite Wertebasierung der stationären Patientenversorgung sicherstellt.

Interessenkonflikt Georg Marckmann hat ein Vortragshonorar vom CGIFOSInstitut in Stuttgart erhalten und ist Mitglied des Fachbeirats ,,Krankenhäuser und soziale Einrichtungen‘‘ des CGIFOS-Instituts. Jens Maschmann erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Neue Kurzinformation für Patienten erschienen: „Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen?‘‘ Verständlich und kompakt — das neue Informationsblatt für Patienten steht jetzt kostenlos zum Ausdrucken bereit. Auf zwei Seiten erfahren Interessierte, warum klinische Studien wichtig sind und worauf sie bei einer Teilnahme achten sollten. Nur wer medizinische Behandlungen prüft, findet heraus, was wirkt. Klinische Studien untersuchen Nutzen und Risiken von Medikamenten oder Behandlungstechniken, indem sie diese mit anderen, bereits geprüften Verfahren vergleichen. So erfahren Ärzte und Patienten, welche Behandlung wirksam und sicher ist — und welche nicht. Auf die Ergebnisse aus gut gemachten Untersuchungen gründen sie ihre Behandlungsentscheidungen. Deshalb sind klinische Studien wichtig: Sie helfen, die Versorgung von Patienten zu verbessern. Untersuchungen belegen allerdings, dass etwa die Hälfte aller Studien

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nicht veröffentlicht wird. Häufig, weil die Ergebnisse nicht so positiv ausgefallen sind, wie gewünscht. Dadurch enthalten die Forscher Ärzten und Patienten wichtiges Wissen vor. Worauf Patienten achten sollten, wenn sie an einer Studie teilnehmen wollen, und wie sie zur Veröffentlichung der Ergebnisse beitragen können, darüber informiert die neue Kurzinformation „Klinische Studien‘‘. Die Reihe „Kurzinformationen für Patienten‘‘ entwickelt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin im Auftrag der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Zu ausgewählten Themen liegen Übersetzungen in Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Türkisch vor. Sie können die Kurzinformation „Klinische Studien‘‘ sowie Informationen zu mehr als 30 weiteren Themen abrufen unter:

ZEFQ-SERVICE: TIPP · Kurzinformation „Klinische Studien‘‘ www.patienten-information.de/ mdb/downloads/kip/aezq-versionkip-klinische-studien.pdf · Kurzinformationen für Patienten auf Patienten-Information.de www.patinfo.org/ · Kurzinformationen für Patienten in der ARZTBIBLIOTHEK www.arztbibliothek.de/ kurzinformation-patienten Korrespondenzadresse: Corinna Schaefer M.A. Abteilungsleitung Patienteninformation / Wissensmanagement Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) Gemeinsames Institut von BÄK und KBV TiergartenTower, Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin Tel: 030-4005-2526, Fax: 030-4005-2555 Email: [email protected]