Aufbau und funktioneller Wert von plantaren Fuß-Orthesen

Aufbau und funktioneller Wert von plantaren Fuß-Orthesen

FussSprungg 5:192–199 (2007) DOI 10.1007/s10302-007-0297-6 BEITRAG ZUM THEMENSCHWERPUNKT Aufbau und funktioneller Wert von plantaren Fuß-Orthesen C...

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FussSprungg 5:192–199 (2007) DOI 10.1007/s10302-007-0297-6

BEITRAG ZUM THEMENSCHWERPUNKT

Aufbau und funktioneller Wert von plantaren Fuß-Orthesen

C. Lappe

Design and function of plantar foot orthoses

Eingegangen: 15. Mai 2007 Akzeptiert: 21. Juni 2007

Christoph Lappe B.Sc.(Hons), ZPO-D, OTM ()) Lüneburger Straße 35 29525 Uelzen, Germany E-Mail: [email protected]

" Abstract The design and function of plantar foot-orthoses are closely related to the choice of type, the biomechanical design, material combination and indication. Each case is an individual fitting to a specific patient, in which the orthotist will work to a detailed prescription of a medical doctor. Many different points have to be taken into account in order to achieve a good result. This article describes some general considerations regarding the clinical and technical choices the orthotist will have to consider in order to achieve a high functional value with the plantar foot-orthosis. " Key words Plantar foot-orthoses – orthopedic insoles – function – design – fitting procedure

Einleitung Der Begriff „plantare Fuß-Orthese“ (plantar foot orthosis, FO) steht laut internationaler Nomenklatur für orthopädische Hilfsmittel, die im Bereich der Gelenke des Fußes von plantar ansetzen und hier stützende, bettende oder korrigierende Eigenschaften entfalten [9]. Im deutschen Sprachgebrauch sind die Bezeichnungen orthopädische Einlagen oder einfach Einlagen geläufig, hier muss jedoch von konfektionierten losen Einlegesohlen oder Fußstützen, die den Fuß polstern, stützen, überflüssigen Raum ausfüllen oder gegen Kälte isolieren sollen, unterschieden wer-

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" Zusammenfassung Der funktionelle Wert von plantaren Fuß-Orthesen ist untrennbar mit der indikationsgerechten Gestaltung derselben verbunden. Es handelt sich in jedem Fall um eine individuelle Anfertigung für einen speziellen Patienten, bei der der ausführende Orthopädie-Techniker oder Orthopädie-Schuhmacher in genauer Abstimmung mit dem verordnenden Arzt vielfältige Punkte bei der biomechanischen Gestaltung, Materialauswahl, Fertigung und Anpassung beachten muss, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. " Schlüsselwörter Plantare Fuß-Orthesen – orthopädische Einlagen – Funktion – Aufbau – Versorgungsablauf

den; letztere sind keine orthopädischen Hilfsmittel [6]. Dies vorausgeschickt, wird in diesem Artikel der Begriff Einlage dem Sprachgebrauch entsprechend synonym mit plantare Fuß-Orthese verwendet. Eine systematische Einteilung gestaltet sich unübersichtlich: plantare Fuß-Orthesen werden nach Indikation, Funktion, Art der Herstellung und Material unterschieden. Im Hilfsmittelverzeichnis werden Einlagen in Produktuntergruppen eingeteilt, die jedoch aufgrund teilweise nicht korrekter Zuordnung, missverständlicher Diktion und falscher Nomenklatur eher verwirren [8]. Die Zusätze zu Einlagenversorgungen und deren Kombinationen tragen weiterhin zur Komplexität bei (Tab. 1).

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Tab. 1 Systematik von plantaren Fuß-Orthesen Nach Hilfsmittelverzeichnis

Nach Material

Nach Funktion

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Kopieeinlagen Bettungseinlagen Schaleneinlagen Einlagen mit Korrekturbacken Fersenschalen Stoßabsorber/ Verkürzungsausgleiche Einlagen in Sonderanfertigung

Holz-Leder-Einlagen Kunststoff-Einlagen Kunststoff-Leder-Einlagen Metall-Einlagen Kork-Leder-Einlagen Weichbettungseinlagen Carbon-Einlagen

• •

Stützende Einlagen Bettende/entlastende Einlagen Korrigierende Einlagen Sensomotorische/proprioceptive/ afferenzverstärkende Einlagen Dynamische Einlagen/Fußorthesen Sporteinlagen

Nach Art der Herstellung

Nach Indikation

Zusätze

• Auf der Basis von Rohlingen gefertigt • Individuell (nicht auf Basis

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eines Rohlings) gefertigt

• Maßeinlagen • •

– Trittspur – Pedographie – Elektronische Messung Einlagen nach Formabdruck – Trittschaum – Gipsabdruck Computergefräste Einlagen

Knick-Senkfuß Spreizfuß Fersensporn Hallux Rigidus diabetes-adaptierte Fußbettungen Kindereinlagen Spezialeinlagen nach Trauma und Frakturen Hohlfuß Spitzfuß Hackenfuß Knick-Plattfuß Klumpfuß

Supinations-/Pronationskeil Fersenspornaussparung Fersenweichbettung Rigidusfeder Weichbettung Ferse/Vorfuß Langsohle Verkürzungsausgleich

Abb. 1 Vielfältige Möglichkeiten des Aufbaus von plantaren Fuß-Orthesen

Jede einzelne Art von plantaren Fuß-Orthesen hat ihren spezifischen Aufbau und einen ganz eigenen funktionellen Wert. Allen im Detail gerecht zu werden, ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. Vielmehr soll hier ein Überblick über den Versorgungsablauf in der Praxis gegeben, sowie einige für den Erfolg der Versorgung entscheidende Punkte herausgearbeitet werden.

Grundsätzlich sind umfassende Kenntnisse der Statik und Biomechanik des menschlichen Haltungsund Bewegungsapparates, eine klare funktionelle Zielsetzung sowie gute handwerkliche Fähigkeiten und Materialkenntnisse notwendig, um einen korrekten Aufbau und hohen funktionellen Wert von plantaren Fuß-Orthesen zu sichern.

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Gerade aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten des Aufbaus von plantaren Fuß-Orthesen ist eine gute Kommunikation zwischen dem verordnenden Arzt und dem ausführenden OrthopädieTechniker oder Orthopädie-Schuhmacher erforderlich (Abb. 1).

Von der Indikation zum Aufbau der Fuß-Orthese Aufgrund der Diagnose gibt der verordnende Arzt die funktionelle Zielsetzung für die Einlagenversorgung vor. Dies muss er dem ausführenden Techniker in geeigneter Form mitteilen, damit dieser die Versorgung erfolgreich umsetzen kann. In vielen Fällen ist dies mit der Angabe der Diagnose auf der Verordnung getan, doch häufig ist eine Rücksprache mit dem Techniker zur Klärung von Details notwendig, um eine für den Patienten optimale Lösung zu erreichen. Auch für die Abrechung mit den Krankenkassen ist eine genaue Verordnung wichtig, denn es müssen alle Besonderheiten und Zusätze explizit verordnet und medizinisch begründet sein. Ein Rezept über „1 Paar Einlagen; Diagnose: Fußbeschwerden“ ist sicherlich zu allgemein, besser wäre beispielsweise „1 Paar Weichbettungseinlagen mit retrokapitaler Querwölbungspelotte zur Entlastung der Mittelfußköpfchen 2–4, langsohlig nach Formabdruck; Diagnose: Senk-Spreizfuß mit schmerzhafter Überlastung im Vorfußbereich“. Ein entscheidender Punkt im Versorgungsablauf ist die Bestimmung des Aufbaus der Einlagen: dieser ist abhängig von vielerlei Faktoren und sehr patientenspezifisch. Der Aufbau wiederum bedingt die Modelltechnik sowie die Fertigungsart und das Material. Mit dem fertigen oder halbfertigen Produkt findet eine Anprobe am Patienten statt, die zur Kontrolle und Optimierung der Passform und Funktion sowie der Einpassung der Einlagen in die Schuhe dient. Zum Zeitpunkt der Abgabe an den Patienten hinterfragt der Techniker nochmals, ob das Versorgungsziel in Gänze erreicht wurde oder ob noch nachträgliche Korrekturen notwendig sind. Schließlich wird ein Nachkontrolltermin vereinbart und der Patient beim verordnenden Arzt zur Abnahme der Versorgung erneut vorgestellt (Abb. 2). Der Aufbau orthopädischer Einlagen richtet sich ganz nach dem funktionellen Versorgungsziel. Grundsätzlich gilt: soviel wie nötig, so wenig wie möglich. Dies ist auch im Hinblick auf die „Tragbarkeit“ der Einlagen entscheidend: Oft werden plantare Fuß-Orthesen nicht oder zu selten getragen, wenn das beim Patienten vorhandene Schuhwerk nicht ausreichend als wesentliches Konstruktionskriterium

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für die zu fertigenden Einlagen beachtet wird. Meistens erwartet der Patient, die verordneten Einlagen in vorhandenen Schuhen tragen zu können. Nur unter zwingenden Umständen, wenn die Schuhe sämtlich für die Erreichung des Versorgungszieles unzureichend sind, ist der Patient bereit, für die Einlagenversorgung speziell neue Schuhe anzuschaffen (hier sollten auch finanzielle Grenzen des Patienten bedacht werden, denn die gesetzlichen Krankenkassen geben zu Konfektionsschuhen keine Zuschüsse). Je massiver die zu bewältigenden Probleme jedoch sind, desto eher kann diese Bereitschaft beim Patienten während des Versorgungsgespräches erreicht werden. Überhaupt ist eine gewisse Kooperationsbereitschaft des Patienten Voraussetzung für eine erfolgreiche Einlagenversorgung: Mangelnde „Compliance“ kann den funktionellen Wert einer Versorgung beeinträchtigen oder komplett verhindern.

Geeignete Schuhe Der Erfolg einer Einlagenversorgung steht und fällt mit den dazu getragenen Schuhen. Der notwendige Raum für die Einlagen muss vorhanden sein, damit der Schuh mit Einlagen nicht zu eng wird. Eine individuelle Einpassung der Einlagen ist zwingend erforderlich. Bei manchen Schuhen muss ein Kompromiss zwischen Funktion und Materialstärke der Einlagen gefunden werden. Bei rein stützenden Versorgungen ist oft eine sehr dünne Einlage möglich, die auch in eng geschnittenen Schuhen oder feinen Schuhen bei Damen getragen werden kann. In anderen Fällen, beispielsweise wenn eine Weichbettung zur Dämpfung notwendig ist, muss gelegentlich auf ausreichend voluminösen Schuhen bestanden werden. Hier gibt es im Handel viele Modelle, die herausnehmbare Einlegesohlen haben und ausgezeichnet für die Aufnahme von orthopädischen Einlagen geeignet sind. Dies sollte jedoch auf jeden Fall mit dem Patienten vor Anfertigung der Einlagen genau besprochen werden, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden.

Funktion Die Kopieeinlage stützt den Fuß bei Belastung, z. B. beim Knickfuß im Fersenbereich, beim Senkfuß im Bereich der Längswölbung und beim Spreizfuß im Bereich der Querwölbung. Eine Bettungseinlage hingegen wirkt durch eine gleichmäßige Druckverteilung (durch Vollkontakt) entlastend und durch Materialien mit federnden Eigenschaften stoßdämpfend und ist bei allen Krankheitsbildern, die zu schmerz-

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Abb. 2 Versorgungsablauf

Ärztliche Behandlung, Diagnose

Ärztliche Verordnung: Indikationsstellung und Vorgabe des funktionellen Ziels

Befundaufnahme durch Techniker: Aufbau bestimmen

Welche Schuhe werden getragen? Geeignet oder ungeeignet? Andere Schuhe?

stützend, korrigierend, entlastend (bettend), dynamisch

Materialauswahl: Abhängig von funktioneller Zielvorgabe, Schuhen und Patientenspezifika

Auswahl Formgebungs- und Fertigungsverfahren

Maß / Trittspur

Gipsabdruck

Schaumabdruck

CAD

Abnahme durch den Verordner

Modelltechnik wählen

Fertigungsart (Material etc.)

Standard (Rohling/ modular)

Sonderanfertigung

Anprobe / Änderungen

Abgabe / Funktionskontrolle durch den Techniker

haften plantaren Druckstellen führen, angebracht. Korrektureinlagen sollen eine Fußfehlstellung korrigieren oder eine Verschlechterung verhindern, dies meist bei Kindern während des Wachstums, aber auch bei Erwachsenen, z. B. nach OP oder Trauma.

Die Frage, ob die Einlagen stützen, korrigieren, entlasten oder dynamisch wirken sollen, bedingt die Auswahl des Formgebungs- und Fertigungsverfahrens. Die Formgebung bedingt wiederum die Modelltechnik.

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Trittspur/ Blauabdruck („Maß“) Bei einer Trittspur sind die Belastungsverhältnisse unter dem Fuß dokumentierbar. Starke Belastung oder eine lokale Überlastung zeichnet sich durch eine verstärkte Färbung ab. Die Abdruckerstellung kann zwar dynamisch erfolgen, die Aufzeichnung jedoch zeigt nur eine statische Darstellung der jeweils stärksten Belastungen ohne zeitliche Auflösung. Hier erhält der Techniker eine Belastungsmatrix, aus der die Länge und Breite der Einlage sowie die Lage der Längs- und Querwölbungsstützen abgelesen werden können. Diese Modelltechnik bietet sich bei Kopieeinlagen an.

Schaumabdruck Hier wird der Fuß im (teil-)belasteten, unkorrigierten Zustand abgeformt. Diese Abdruckart eignet sich am besten für die Herstellung von Bettungseinlagen, z. B. der diabetesadaptierten Fußbettung. Ein Führen des Fußes in eine kontrollierte Teilbelastung ist sinnvoll, um ein gutes dreidimensionales Abbild des Fußes zu erhalten. Auch der Trittschaum wird mit Gips ausgegossen und für die Fertigung modelliert.

Gipsabdruck Korrigierende Einlagen müssen immer nach einem Formabdruck des in Korrekturstellung gebrachten Fußes gefertigt werden. Ein Gipsabdruck des Fußes im unbelasteten Zustand ermöglicht eine manuelle Korrektur und Anformung des Gipses, z. B. eine steigbügelartige Fersenfassung. Diese Abdruckart hat sich vor allem bei erheblichen Fußfehlstellungen und Deformitäten bewährt, wenn Einlagen in Sonderanfertigung hergestellt werden sollen. Zur Herstellung einer plantaren Fuß-Orthese nach Gipsabdruck muss der Gips in der Art modelliert werden, dass das fertige Modell Anatomie, (Patho-)Physiologie und Biomechanik des Patienten gerecht wird und für die Fertigung geeignet ist.

Elektronischer Fußabdruck/Pedobarographie Funktionell dem Trittspurabdruck ähnlich, mit dem Vorteil, dass der zeitliche Ablauf der Belastung aufgezeichnet werden kann, sowie eine Quantifizierbarkeit der Belastung möglich ist [17]. Der Nutzen der Quantifizierbarkeit ist jedoch abhängig von der

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Auflösung und der absoluten Messgenauigkeit des Systems. Ebenso ist auch eine plantare Druckverteilungsmessung als Instrument der Diagnostik und Therapiekontrolle bei rheumatischen Fußbeschwerden etabliert und sinnvoll [15].

CAD CAM (Computer aided design, computer aided manufacture) Die computerunterstützte Modellgebung (meist mit elektronischem Fußscan) und computerunterstützte Herstellung (mit numerisch kontrollierter Fräsmaschine) bildet die traditionelle Fertigungsweise nach. Genau wie bei konventioneller handwerklicher Fertigung hängt der funktionelle Wert des Ergebnisses mehr vom Benutzer des Werkzeuges als vom Werkzeug ab. Auch hier gibt es gute und schlechte Ergebnisse, wobei diese dann gut dokumentiert und leicht reproduzierbar sind.

Die Position von Längsund Querwölbungsstützen Die Frage, wo der höchste Punkt der Längsgewölbestütze unter dem Fuß liegen sollte, ob unter dem Taluskopf oder etwas weiter hinten unter dem Sustentaculum tali, entfacht immer wieder hitzige Diskussionen zwischen Fachleuten. Ein Blick auf die knöchernen Strukturen mag zwar das Sustentaculum tali als geeignet erscheinen lassen, jedoch unter Berücksichtigung der Weichteile mag der verträglichere Ort etwas weiter vorne liegen. Die für den Patienten optimale Lage sollte individuell zwischen beiden Punkten gesucht werden, und zwar zur Stützung der Längswölbung eher der Taluskopf, zur Stabilisierung des Calcaneus bei Knickfuß eher das Sustentaculum tali [13]. Wird eine retrokapitale Querwölbungspelotte zur Entlastung der Mittelfußköpfchen verordnet, so ist ebenfalls darauf zu achten, dass diese – unter Berücksichtigung der Weichteile – korrekt positioniert ist und nicht zu weit vorne angreift, da ansonsten der resultierende Druck sehr unangenehm ist: Ein häufiger Grund, dass Patienten ihre Einlagenversorgung nicht tragen oder aber im Schuh mit dem Fuß auf der Einlage soweit nach vorne rutschen, dass die Pelotte richtig sitzt, dann aber der Fersenhalt verloren geht und der Schuh zu schlupfen beginnt. Der richtige Ort ist der, der auch am Fuß palpierbar ist. Ebenso ist die am besten geeignete Form der Pelotte individuell unterschiedlich.

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Fertigungsart und Materialauswahl Dem Techniker steht eine Vielzahl von Materialien zur Verfügung. Eine gezielte Auswahl je nach Versorgungsziel ist notwendig. Wir unterscheiden zwischen Bettungs- oder Polstermaterial, Verstärkungsmaterial und Material für den Unterbau der Einlage. Als fußseitige Schicht kommen Leder oder Lederersatzstoffe in Frage, oder Schaumstoffe auf Polyethylen(PE)-, Ethylvinylalkohol(EVA)-, Polyurethan(PU)- oder Polyphenylteraphtalat(PPT)Basis. Unterschiedliche Shore-Härten, Dämpfungsund Rückstelleigenschaften verschiedener Materialien können in Mehrschicht-Kombination genutzt werden. Das Verstärkungsmaterial ist meistens thermoplastisch verformbar und besitzt bei freitragenden Einlagen eine ausreichende Steifigkeit, um die Form der Einlage auch unter Belastung aufrecht zu erhalten. Der Aufbau von Einlagen kann grundsätzlich in drei Schichten eingeteilt werden, wobei hier auch gelegentlich die Funktionen einer oder mehrerer Schichten von einer anderen übernommen werden können: Fußseitig eine Deckschicht, die hautfreundlich, schweißresistent, desinfizierbar, haltbar und angenehm am Fuß sein sollte. Je nach Versorgungsziel kann dieser Bezug sehr dünn sein oder als dämpfendes Material bereits für eine Druckumverteilung oder Entlastung sorgen. Als mittlere Schicht verstehen wir das Verstärkungsmaterial: der Kern der Einlage sorgt für ausreichende Stabilität, um die Form der Einlage unter Belastung dem Versorgungsziel entsprechend zu erhalten. Dies kann ein sehr steifes Material sein, das die eigentliche Funktion der Einlage gewährleistet (z. B. bei Kopieeinlagen), oder ein flexibles Material, das nur in Verbindung mit den Schichten darüber und darunter gemeinsam mit dem Schuh für eine funktionelle Einheit sorgt (häufig bei Bettungseinlagen). Die untere Schicht dient wiederum der korrekten Auflage der Einlage im Schuh und stellt die gewünschte Ausrichtung und Stabilisierung der darüber liegenden Schichten sicher. Als Materialien stehen unterschiedliche Leder, thermoplastische Kunststoffe, Faserverbundwerkstoffe, Schaumstoffe, Kork, Metall und andere zur Verfügung, die sinnvoll kombiniert werden müssen.

Standardeinlagen In diesen Bereich fallen jene Einlagen, die auf der Grundlage von Rohlingen modular hergestellt werden. Hier wählt der Techniker einen geeigneten, industriell vorgefertigten Rohling und passt diesen auf die indivi-

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duellen Bedürfnisse des Patienten an. Dabei sei betont, dass es sich auch bei Standardeinlagen nach der Anpassung um individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene Maßanfertigungen handelt, die keinesfalls mit Einlegesohlen oder vorgefertigten Fußstützen verwechselt werden dürfen. Die korrekte Anformung der stützenden Zonen und genaue Positionierung von Pelotten sind wichtig.

Einlagen in Sonderanfertigung Dieser Einlagentyp wird verwendet, wenn das Versorgungsziel auf Grundlage eines Rohlings nicht erreicht werden kann, beispielsweise bei erheblichen Fußdeformitäten. Auf das modellierte Gipsmodell werden Bettung, Verstärkungsmaterial und Unterbau thermoplastisch in einzelnen Schichten angeformt, verklebt, zugeschliffen und schließlich formschlüssig in den Schuh eingepasst.

Zusätze Die sogenannten Zusätze zu Einlagen können das für das Versorgungsziel entscheidende Konstruktionskriterium sein und müssen explizit vom Arzt verordnet und begründet werden, um eine Abrechung der Versorgung mit den gesetzlichen Krankenkassen zu ermöglichen. Solche Zusätze können eine Fersenspornaussparung oder eine Rigidusfeder sein, oder aber einfach eine Fersen- oder Vorfußweichbettung, die bei der Notwendigkeit einer lokalen Entlastung einer Überlastungsstelle am Fuß indiziert sind.

Fersensporn/Plantare Fascitis Bei Vorliegen eines echten Fersensporns (im Gegensatz zur plantaren Fascitis) sollte dessen Lage durch genaues Palpieren exakt lokalisiert werden und in der Einlage genau durch eine Freilegung entlastet werden. In der Praxis wird an der entsprechenden Stelle ein Loch in die Einlage gestanzt, dann aber, um Kantendruck oder Lochödem zu vermeiden, mit einem weichen Polstermaterial ausgefüllt und der gesamte Fersenbereich weich gepolstert. Diese Polsterung darf jedoch nicht so dick und indifferent sein, dass die Entlastung durch das Loch aufgehoben wird. Die Bereiche der Ferse, die schmerzfrei Last tragen können, sollen dies – nicht zuletzt zur Entlastung des Fersensporns – auch tun. Bei einer plantaren Faszitis sollte der Bereich weiter nach vorne ebenfalls entlastet werden. Hier bewähren sich auch individuell gefertigte Silikon-Zonen in der Einlage.

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Rigidusfeder

Der diabetische Fuß

Die Rigidusfeder ist eine Versteifung der Einlagen im Bereich des Großzehengrundgelenkes und wird zur Entlastung eines schmerzhaften Abrollprozesses z. B. bei Hallux Rigidus oder bei Z. n. OP im Großzehengrundgelenk eingesetzt. Eine gleichzeitige Schuhzurichtung mit Abrolle und Schuhbodenversteifung ist oft notwendig.

Der Druckbelastung und Druckschädigung der Weichteile des diabetischen Fußes, der Neuropathie und arteriellen Verschlusskrankheit, Besonderheiten bei Plantarschwielen und diabetischen Fußulcera widmen sich ganze Publikationen [2, 4]. Erwähnt sei an dieser Stelle nur, dass insbesondere der gefährdete diabetische Fuß (dann, wenn eine Neuropathie oder Durchblutungsstörung vorliegt) mit speziell angepassten Weichbettungseinlagen versorgt werden muss (diabetesadaptierte Fußbettung mit quasi-hydrostatischer Druckverteilung).

Schuhzurichtung Eine Schuhzurichtung kann sinnvoll sein, um die Funktion der Fußorthese zu verbessern (z. B. eine Schmetterlingsrolle zur Entlastung der Mittelfußköpfchen) oder um nachteilige Effekte auszugleichen (z. B. eine Ballenrolle in Kombination mit einer langsohligen Bettungseinlage mit Rigidusfeder). Weitere Schuhzurichtungen umfassen Pufferabsätze, Absatzrollen, Haglundfersenpolster, Innen- und Außenranderhöhungen, Sohlenversteifungen und viele mehr [1].

Sporteinlagen Sporteinlagen sollen dämpfen, stützen und führen, jedoch den Fuß nicht in seiner Beweglichkeit hemmen. Hier gibt es ebenfalls vielfältige Varianten, die sich nicht nur nach den anatomischen und funktionellen Ansprüchen des Patienten richten, sondern auch sportartspezifische Unterschiede aufweisen können [18]. Sporteinlagen sind in der Regel keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen.

Afferenzverstärkende Einlagen Plantare Fuß-Orthesen mit dynamischen Eigenschaften sind von verschiedenen Autoren beschrieben worden. Die Funktion dieser Einlagen ist die Beeinflussung sensomotorischer Fähigkeiten durch lokale Verstärkung plantarer Reize [10]. Je nach Autor werden diese Einlagen propriozeptiv, sensomotorisch, afferenzverstärkend oder dynamisch genannt. Wissenschaftliche Studien deuten auf einen therapeutischen Nutzen bei zentralnervösen Erkrankungen hin [3, 5, 16]. Der sensomotorische Ansatz bei der Gestaltung von plantaren Fuß-Orthesen scheint sich mehr und mehr in der Praxis zu bewähren. Es ist auch ein Trend feststellbar, orthopädische und propriozeptive Konzepte miteinander zu kombinieren [11, 12], beispielsweise in der innovativen IGLI-Carboneinlage [7, 14].

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Kostenübernahme 2004 hat der Gesetzgeber Festbeträge für Standardeinlagen eingeführt. Diese sind jedoch so niedrig angesetzt, dass eine individuelle Einlagenversorgung auf gewohnt hohem Qualitätsniveau nicht möglich ist. Die Festbeträge decken zwar die Einkaufspreise das Material sowie die handwerkliche Leistung, Beratung und sorgfältige Anpassung sind für diesen Betrag jedoch nicht möglich. So ist es notwendig, dass der Patient in vielen Fällen zusätzlich zur gesetzlichen Zuzahlung noch einen Eigenanteil an den Fachbetrieb zahlt, um die tatsächlichen Kosten der Versorgung zu decken. Sonderanfertigungen, also Einlagen, die nicht unter die Festbeträge fallen, müssen mit individueller Kalkulation per Kostenvoranschlag beantragt werden. Die für eine Genehmigung erforderliche ausführliche Dokumentation mit Fotos, Fußdruckmessung und zusätzlichen Attesten des Verordners erfordert viel Zeit und verteuert die Leistung weiter.

Schlussfolgerung Der funktionelle Wert plantarer Fuß-Orthesen kann enorm hoch sein, wenn biomechanische Grundsätze berücksichtigt werden und nach enger Kommunikation mit dem verordnenden Arzt die richtige Versorgung von qualifizierten Handwerkern optimal umgesetzt wird. Ebenso kann der funktionelle Wert gegen Null gehen, wenn auch nur einzelne Aspekte bei der Versorgung außer Acht gelassen werden: aufgrund einzelner Fehler in der Anfertigung oder konzeptioneller Fehltritte kann der funktionelle Wert komplett in Frage gestellt sein.

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Literatur 1. Baumgartner R, Stinus H (1995) Die orthopädietechnische Versorgung des Fußes. Thieme, Stuttgart 2. Bischof F, Meyerhoff C, Eltze J, Türk K (2000) Der diabetische Fuß. Maurer, Geislingen (Steige) 3. Brinckmann F (2005) Ganganalytische Untersuchung zur therapeutischen Effizienz der sensomotorischen Einlagen nach Jahrling bei zentralnervösen Erkrankungen. Diplomarbeit im Studiengang Orthopädie- und Rehatechnik, FH Gießen-Friedberg 4. Chantelau E (Hrsg) (2004) Diabetische Füße und ihre Schuhversorgung. De Gruyter, Berlin 5. Falkensteiner M (2005) Die sensomotorische Schuheinlage beim Hemiparesepatienten. Diplomarbeit, Landeskrankenhaus Steyr/Österreich 6. Fleischner G (2003) Podologische Orthopädie. Verlag neuer Merkur, München 7. Franz A, Esser T, Potthast W, Brüggemann GP (2005) Experimentelle Untersuchung zur Skelettumorientierung durch stützende und/oder bettende Einlagen. Medizinisch Orthopädische Technik 2005-3:51–55

8. Grifka J (2005) Einlagen, Schuhzurichtungen, orthopädische Schuhe – Indikation, Verordnung, Ausführung. Thieme, Stuttgart 9. International Standard (2003) Prosthetics and orthotics – Functional deficiencies – Description of the person to be treated with an orthosis, clinical objectives of treatment, and functional requirements of the orthosis. ISO 8551:2003(e) 10. Jahrling J (2005) Beeinflussung sensomotorischer Fähigkeiten durch Einlagenversorgung. Orthopädie Technik 7/05:2–6 11. Jahrling J (2001) Propriozeptiv oder „klassisch“? Orthopädieschuhtechnik 7–8/2001:29–30 12. Jahrling J, Rockenfeller B (2006) Sensomotorische Einlagenversorgung: Aktio gleich Reaktio. Orthopädieschuhtechnik, Sonderheft Sensomotorik 2006:50–55 13. Krebs M (1996) Einige Grundlagen der Einlagenversorgung bei SenkKnick-Spreizfuß. Orthopädie-Technik 1/96:10-16

14. Kuhnreich A (2005) „Balance-X“- ein zukunftsgerichtetes, innovatives Konzept der Einlagenversorgung. Orthopädie-Technik 1/05:38–40 15. Nagel A, Schmiegel A, Meermeier M, Gaubitz M, Rosenbaum D (2006) Plantare Druckverteilungsmessung in der Diagnostik und Therapiekontrolle bei Patienten mit Rheumatioder Arthritis. Medizinisch Orthopädische Technik 2006-3:35–43 16. Poppenborg D, Hafkemeyer U, Wetz HH, Drerup B (2006) Einfluss von afferenzverstärkenden Einlagen auf ausgewählte Gangparameter bei infantiler Zerebralparese. Medizinisch Orthopädische Technik 2006-3:29–34 17. Rosenbaum D (2006) OrthopädischTraumatologische Anwendungsgebiete der Pedographie in klinischer Routine und Forschung. Medizinisch Orthopädische Technik 2006-3:7–11 18. Schultz W (1988) Sport- und Überlastungsschäden beim Lauf. Maurer, Geislingen (Steige)

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