Bedeutung und Diagnostik der Mangelernährung im Alter

Bedeutung und Diagnostik der Mangelernährung im Alter

ARTICLE IN PRESS www.elsevier.de/zaefq Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ) 101 (2007) 605–609 Schwerpunkt Bedeutung und Diagnostik der Ma...

569KB Sizes 0 Downloads 77 Views

ARTICLE IN PRESS

www.elsevier.de/zaefq Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ) 101 (2007) 605–609

Schwerpunkt

Bedeutung und Diagnostik der Mangelerna¨hrung im Alter Ju¨rgen Martin Bauer, Cornel Christian Sieber Medizinische Klinik 2, Klinikum Nu¨rnberg, Lehrstuhl fu¨r Innere Medizin V - Geriatrie, Friedrich-Alexander-Universita¨t Erlangen-Nu¨rnberg

Zusammenfassung Die Mangelerna¨hrung des a¨lteren Menschen weist in bestimmten Risikogruppen wie Krankenhaus- und Pflegeheimpatienten eine hohe Pra¨valenz auf und ist in dieser Population fu¨r Morbidita¨t und Mortalita¨t von wesentlicher Bedeutung. Ihre Diagnose ist mit einfachen Parametern wie Gewichtsverlauf, BMI und Verzehrsmenge mo¨glich. Die zur Verfu¨gung stehenden Screening- und Assessmentverfahren wie Mini Nutritional Assessment (MNA) und Nutritional Risk Screening (NRS 2002) zielen auf eine systematische Erfassung und Fru¨herkennung der Mangelerna¨hrung. Wa¨hrend der MNA sich besser fu¨r die ambulante Versorgungssituation eignet, weist der NRS 2002 Vorteile im stationa¨ren Be-

reich auf. Die Verschiedenheit beider Instrumente erschwert jedoch den Vergleich von Studienpopulationen. Beide Verfahren eignen sich ferner nicht zur Ergebniskontrolle nach einer Erna¨hrungsintervention. Im Bereich der Erna¨hrungsmedizin besteht insbesondere fu¨r den Bereich der Altenund Pflegeheimpatienten ein hoher Bedarf an erga¨nzenden Untersuchungen zur Diagnostik und Therapie der Mangelerna¨hrung. Eine Vereinheitlichung der hierbei verwandten Diagnose- und Ergebnisparameter scheint fu¨r die Vergleichbarkeit der Ergebnisse dringend erforderlich. Das Minimal Data Set ist ein Schritt in diese Richtung.

Schlu¨sselwo¨rter: Mangelerna¨hrung, Alter, Diagnose, Mini Nutritional Assessment, Nutritional Risk Screening, Minimum Data Set

Significance and Diagnosis of Malnutrition in the Elderly Summary In certain high-risk groups like geriatric hospital patients and nursing home inhabitants malnutrition has a high prevalence and is highly relevant for morbidity and mortality in these populations. The diagnosis of malnutrition in the elderly can be achieved by simple parameters like loss of weight, BMI and oral intake. The available screening and assessment instruments like Mini Nutritional Assessment (MNA) and Nutritional Risk Screening (NRS 2002) aim at the standardization of the diagnosis and early recognition of malnutrition. While the MNA seems to be more appropriate for the community-dwelling elderly, the NRS 2002 offers advantages for the hospital setting. The dissimilarity of the two instruments makes the

comparison of study populations difficult. Both the results of the MNA and those of the NRS 2002 are unsuitable as follow-up parameters and inappropriate for the evaluation of nutritional intervention. There is still a strong need for studies on the diagnosis and therapy of malnutrition in the elderly, especially in the nursing home setting. For scientific purposes a standardization of the instruments used for the diagnosis of malnutrition and for the evaluation of the study results is essential. The Minimum Data Set may be a first step in the right direction.

Key words: malnutrition, elderly, diagnosis, Mini Nutritional Assessment, Nutritional Risk Screening, Minimum Data Set Korrespondenzadresse: Dr. Ju¨rgen Martin Bauer, Medizinische Klinik 2, Klinikum Nu¨rnberg, Lehrstuhl fu¨r Innere Medizin V – Geriatrie, Friedrich-Alexander-Universita¨t,

Erlangen, Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1, 90419 Nu¨rnberg. E-Mail: [email protected] Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ) doi:10.1016/j.zgesun.2007.09.008

605

ARTICLE IN PRESS Bedeutung der Mangelerna¨hrung des a¨lteren Menschen in Deutschland Trotz der in der o¨ffentlichen Erna¨hrungsdiskussion gegenwa¨rtig dominierenden Adipositas besitzt fu¨r die a¨ltere Bevo¨lkerung die unzureichende Versorgung mit Makro- und Mikrona¨hrstoffen die gro¨ßere Relevanz [1–3]. Es ist daher das Ziel der vorliegenden U¨bersicht, zuna¨chst die Bedeutung der Mangelerna¨hrung fu¨r den a¨lteren Menschen darzustellen sowie anschließend die wichtigsten Instrumente fu¨r ihre Diagnose zu beschreiben. Der kenntnisreiche Einsatz letzterer bildet die Basis fu¨r die erfolgreiche Durchfu¨hrung zuku¨nftiger Pra¨valenz- und Interventionsstudien in diesem Bereich. Wa¨hrend die Deutsche Gesellschaft fu¨r Erna¨hrungsmedizin (DGEM) den Begriff der Untererna¨hrung, gekennzeichnet durch eine Verringerung der Energiespeicher (Fettmasse), von dem der Malnutrition, gekennzeichnet durch einen krankheitsassoziierten Gewichtsverlust und spezifische Na¨hrstoffdefizite, abgrenzt [4], findet sich bei a¨lteren Menschen meist das simultane Auftreten beider Konditionen. Es soll daher im Folgenden fu¨r diese geriatrische Konstellation der Begriff der Mangelerna¨hrung verwendet werden. In dieser U¨bersicht kann nicht auf die Besonderheiten von Mikrona¨hrstoffdefiziten im Alter eingegangen werden. Die folgenden Ausfu¨hrungen beziehen sich daher in erster Linie auf den Mangel an Energie sowie Protein. Mangelerna¨hrung entsteht bei einer Dysbalance zwischen Na¨hrstoffzufuhr und Na¨hrstoffbedarf. Fu¨r das ho¨here Lebensalter la¨sst sich feststellen, dass in der weit u¨berwiegenden Zahl der Fa¨lle von Mangelerna¨hrung [5] eine unzureichende Zufuhr vorliegt. Altersphysiologische Vera¨nderungen wie die Verminderung des Geruchs- und Geschmacksempfindens, die fehlende Kompensation nach Fastenepisoden sowie Vera¨nderungen der Appetitregulation begu¨nstigen einen Gewichtsverlust bei Hinzutreten anderweitiger Kausalfaktoren. Neben einem weiten Spek-

606

trum an Erkrankungen sind in diesem Zusammenhang psychische und soziale Einflu¨sse von wesentlicher Bedeutung [6]. Folgt man dem 2000 erschienen Erna¨hrungsbericht fu¨r Deutschland [7] so findet sich unter den selbsta¨ndig lebenden a¨lteren Menschen ab dem 65. Lebensjahr ein mit dem Alter steigender prozentualer Anteil der Gruppe mit BMI – Werten kleiner 20 kg/m2. Letzterer Wert ist gema¨ß den Leitlinien der DGEM [8] sowie der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) [9] ein wichtiger Indikator bezu¨glich des Vorliegens einer Mangelerna¨hrung in dieser Altersgruppe [3,10,11]. Fu¨r Deutschland wird eine Pra¨valenz der Mangelerna¨hrung unter selbsta¨ndig lebenden a¨lteren Menschen von 4–8% angenommen. Deutlich ho¨here Pra¨valenzen finden sich im Bereich der Alten- und Pflegeheimbewohner (35–45%) [8] sowie unter den geriatrischen Krankenhauspatienten (bis 55%) [12]. A¨ltere Menschen mit Mangelerna¨hrung leiden ha¨ufiger an einem Verlust der funktionellen Selbsta¨ndigkeit sowie an einer ho¨heren assoziierten Morbidita¨t, zum Beispiel durch Infektionskrankheiten und Dekubitalulcera [13]. Ferner ließ sich sowohl fu¨r den ambulanten als auch fu¨r den stationa¨ren Bereich eine als Folge eines reduzierten Erna¨hrungszustandes erho¨hte Mortalita¨t nachweisen [2,14,15]. Das therapeutische Vorgehen bei Vorliegen einer Mangelerna¨hrung im Alter muß in aller Regel ein Ineinandergreifen verschiedener Therapieansa¨tze beinhalten. Mo¨gliche ursa¨chliche Faktoren bedu¨rfen der prima¨ren Beru¨cksichtung. In Abha¨ngigkeit von der Versorgungssituation des betroffenen a¨lteren Menschen sollte ein an die lokalen Ressourcen angepasstes Therapiekonzept entwickelt werden. Dieses kann neben pflegerischen Maßnahmen eine Umstellung der Kostform, zum Beispiel mit einer kalorischen Anreicherung, die Verordnung von Hilfsmitteln, die Beeinflussung sozialer Faktoren sowie die Verordnung oraler Supplemente umfassen. Zudem kann der tempora¨re oder auch dauerhafte Einsatz einer PEG-Sonde erforderlich sein. Die

Umsetzung und der Erfolg des individuellen Erna¨hrungsplanes bedu¨rfen der U¨berwachung. Allein fu¨r den Einsatz von oralen Supplementen bei a¨lteren Erwachsenen liegen mehrere Studien vor, die eine Auswertung in einer Metaanalyse zulassen. A.C. Milne und Mitarbeiter konnten zeigen, dass mittels des Einsatzes von oralen Supplementen eine Verbesserung des Erna¨hrungsstatus von a¨lteren Menschen gelingt. Ferner konnte fu¨r a¨ltere Krankenhauspatienten eine Verringerung des Auftretens von Komplikationen sowie der Mortalita¨t und nachgewiesen werden [16]. All dies belegt die Bedeutung von Diagnose und Therapie der Mangelerna¨hrung fu¨r a¨ltere Menschen in unserer Gesellschaft.

Diagnostik der Mangelerna¨hrung Die Diagnostik der Mangelerna¨hrung kann in Praxis und Klinik mit Hilfe weniger einfacher Parameter erfolgen [17]. Neben dem Body Mass Index (BMI), dessen Grenze zur Mangelerna¨hrung fu¨r a¨ltere Menschen – wie bereits erwa¨hnt – bei 20 kg/m2 anzusetzen ist, sind dies der Gewichtsverlauf und die individuelle Verzehrmenge. Letztere kann zum Beispiel durch die Verwendung eines Tellerschemas u¨ber einen bestimmten Zeitraum gescha¨tzt werden. Als eine signifikante Gewichtsabnahme wird ein Gewichtsverlust von 5% in einem Monat oder von 10% in sechs Monaten angesehen. Ferner verdient die aktuelle Komorbidita¨t des Betroffenen Beachtung, falls sie mit einem erho¨hten Bedarf an Na¨hrstoffen einhergeht. Diese Diagnoseempfehlungen fanden auch in den DGEM [8] und ESPEN Guidelines [9] Beru¨cksichtigung. Routinema¨ßige Laboranalysen wie Albumin oder die Bestimmung der Serumspiegel von Mikrona¨hrstoffen sind nicht routinema¨ßig erforderlich. Letztere sollten allenfalls im Einzelfall unter der Annahme eines spezifischen Defizits erfolgen.

Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 605–609 www.elsevier.de/zaefq

ARTICLE IN PRESS Screening- und Assessmentverfahren Um in der Diagnostik der Mangelerna¨hrung eine verbesserte Systematik und Fru¨herkennung zu ermo¨glich, wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Screening- und Assessment-Verfahren entwickelt. Mit Hilfe eines Screening-Verfahrens wird versucht, in einer bestimmten Population, hier bei den u¨ber 65-Ja¨hrigen, mit geringem Ressourcenaufwand alle Personen mit einem reduzierten Erna¨hrungszustand beziehungsweise einem diesbezu¨glichen Risiko zu identifizieren. Die Assessmentverfahren erfordern einen gegenu¨ber den Screening-Verfahren vermehrten Zeitaufwand. Sie gestatten es, erste Informationen u¨ber das Ausmaß der Mangelerna¨hrung sowie auch deren Ursachen zu erhalten. Das in der wissenschaftlichen Literatur in der a¨lteren Population am umfangreichsten dokumentierte Verfahren ist das Mini Nutritional Assessment (MNA) [18,19], welches die Untersuchten einer der drei folgenden Kategorien zuordnet: Normaler Erna¨hrungszustand – Risiko fu¨r Mangelerna¨hrung – Mangelerna¨hrung. Es kann sowohl als Kurzform zum Screening mit sechs Fragen sowie in einer Vollversion mit 18 Fragen angewandt werden. Bei pathologischen Screeningwerten ist die Durchfu¨hrung der Vollversion indiziert. Letztere sieht unter anderem die Durchfu¨hrung anthropometrischer Messungen vor. Diese kann sich bei immobilen a¨lteren Personen als schwierig erweisen. Da ferner fu¨r die Beantwortung mehrerer Fragen die aktive Mitwirkung der Untersuchten erforderlich ist, erweist sich der MNA im geriatrischen Krankenhaus- sowie im Pflegeheimbereich als eingeschra¨nkt anwendbar. Bis zu 35% der a¨lteren Menschen ko¨nnen nicht mit Hilfe des MNA untersucht werden [20]. Zusa¨tzlich ist fu¨r die korrekte Durchfu¨hrung des MNA ein Zeitaufwand von 15–20 min erforderlich, welcher in Anbetracht knapper Ressourcen nicht unumstritten ist. Ein weiteres Problem bei Verwendung des MNA in Risikopopulationen (Altenheim-/Kranken-

hausbereich) ist der hohe Anteil von Patienten, welche auf diese Weise als mangelerna¨hrt oder als Risikopersonen identifiziert werden [21]. Durch diesen Sachverhalt wird der sinnvolle Einsatz der ohnehin knappen Ressourcen erschwert. Trotz dieser Einwa¨nde wird das MNA auch in den ESPEN Diagnose Guidelines fu¨r die Anwendung bei der a¨lteren Bevo¨lkerung empfohlen [22]. Ein weiteres verbreitetes AssessmentVerfahren, welches nicht fu¨r die a¨ltere Bevo¨lkerung sondern fu¨r die Beurteilung des Erna¨hrungszustandes von chirurgischen Patienten entwickelt wurde, ist das Subjective Global Assessment (SGA) [23]. Es setzt eine gro¨ßere spezifische Erfahrung der Untersucher voraus als dies fu¨r den Einsatz des MNA erforderlich ist. Als Screening-Alternative wird von zahlreichen Experten in der geriatrischen Krankenhauspopulation die Anwendung des Nutritional Risk Screening (NRS 2002) pra¨feriert [24]. Dieses bietet den Vorteil, dass die zu untersuchende Personengruppe in der Regel vollsta¨ndig erfasst werden kann und zudem der zu veranschlagende Zeiteinsatz deutlich geringer ist. Der NRS 2002 ist das von ESPEN fu¨r Krankenhauspatienten empfohlene Screening-Verfahren. Der Einsatz des NRS 2002 wurde jedoch fu¨r den Altenheimbereich bislang nicht validiert.

Diagnose der Mangelerna¨hrung des a¨lteren Menschen und Versorgungsforschung Zusa¨tzlich zu NRS 2002 und MNA kommen weitere Screening- und Assessmentverfahren in Pra¨valenzstudien bei Alten- und Pflegeheimbewohnern sowie im Krankenhausbereich zum Einsatz. Fu¨r deren weit u¨berwiegende Mehrzahl existiert keine Validierung in der geriatrischen Population. Diese Vielfalt an eingesetzten Instrumenten mit zum Teil zweifelhafter methodischer Qualita¨t erschwert die Vergleichbarkeit der untersuchten Populationen in erheblichem Maße. Auch in Interventionsstudien zur Therapie der Mangelerna¨hrung im Alter

Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 605–609 www.elsevier.de/zaefq

findet sich eine Vielzahl an eingesetzten Screening- und Assessmentverfahren. Die Interpretation der bislang vorhandenen Daten wird auch durch die Tatsache erschwert, dass selbst empfohlene Assessment-Verfahren wie MNA und SGA methodenbedingt verschiedene Populationen als mangelerna¨hrt beziehungsweise als Risikopersonen einstufen [19]. Die Problematik des Fehlens eines Goldstandards wird auf diese Weise offenbar. Die systematische Charakterisierung einer Population bezu¨glich des Vorliegens einer Mangelerna¨hrung erweist sich in Anbetracht der zur Verfu¨gung stehenden Assessmentverfahren als schwierig. Lediglich klassische anthropometrische Parameter scheinen fu¨r einen direkten Vergleich der Kollektive geeignet. Da sich andererseits der Erna¨hrungszustand durch ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Mechanismen ergibt, greifen diese insbesondere mit Hinblick auf eine fru¨he Diagnose oftmals zu kurz.

Ergebnisparameter in der Erna¨hrungstherapie Um die Qualita¨t der Versorgung a¨lterer Menschen durch eine Erna¨hrungstherapie beurteilen zu ko¨nnen, bedarf es valider Ergebnisparameter. Neben klassischen anthropometrischen Parametern wie Gewichtsverlauf, Oberarmumfang, Unterschenkelumfang, Trizepshautfaltendicke kann hier der mit der bioelektrischen Impedanzanalyse ermittelte Phasenwinkel [25] innerhalb wissenschaftlicher Projekte sinnvolle Verwendung finden. Im Hinblick auf die Beurteilung des Ressourceneinsatzes im Bereich der Erna¨hrungstherapie wird jedoch der Beschreibung von Endpunkten wie Ha¨ufigkeit von Infektionen, funktionelle Selbsta¨ndigkeit (zum Beispiel anhand des Assessments der Basis-Aktivita¨ten sowie der instrumentellen Aktivita¨ten des ta¨glichen Lebens – ADL/IADL), Pflegeintensivita¨t im Verlauf, Lebensqualita¨t, Krankenhausaufnahmen und Mortalita¨t eine wesentliche gro¨ßere Bedeutung einnehmen. Fu¨r die etablierten Assessmentverfahren wie MNA und SGA ist festzustellen,

607

ARTICLE IN PRESS te 2003 die Grundsatzstellungnahme Erna¨hrung und Flu¨ssigkeitsversorgung ’’a¨lterer Menschen [27]. Diese fand im Bereich der Alten- und Pflegeheimbereich starke Beachtung und beeinflusste Diagnostik und Therapie der Mangelerna¨hrung in den Einrichtungen nachhaltig. Allerdings wurde aus dem Papier kein einheitliches Vorgehen abgeleitet. Lediglich verschiedene Grundprinzipien wie Dokumentation von Gewicht, BMI, Kalkulation des Flu¨ssigkeits- und Energiebedarfs fanden systematisch Eingang in den pflegerischen Alltag. Ein bundesweit anerkannter und angewandter Diagnose- oder Therapiestandard fu¨r die Mangelerna¨hrung des a¨lteren Menschen ist bislang weder fu¨r den Bereich der Krankenha¨user noch fu¨r den Ambulanz- oder Alten-/Pflegeheimbereich vorhanden. Abschließend sei auf eine in Details zu diskutierende, insgesamt aber begru¨ßenswerte wissenschaftliche Initiative verwiesen. 2004 wurde ein Konsens bezu¨glich der Mindestanforderungen an die im Rahmen von Interventionsstudien bei a¨lteren Erwachsenen zu erhebenden Parameter von einer internationalen Expertengruppe formuliert und vero¨ffentlicht (Tabelle 1) [28]. Das ’’

dass sie nur eine sehr begrenzte Eignung fu¨r ein Follow-up der als mangelerna¨hrt beziehungsweise als Risikopersonen eingestuften a¨lteren Menschen besitzen. Die mit Ihnen ermittelten Punktescores sind gegenwa¨rtig nicht als fu¨r die Beurteilung der Versorgungsqualita¨t geeignete Ergebnisparameter anzusehen. Fu¨r den ambulanten sowie den Altenund Pflegeheimbereich liegen nur wenige Studien in geringer Qualita¨t vor [26]. Dieser Sachverhalt du¨rfte unter anderem in dem hier wesentlich ho¨heren logistischen Aufwand im Bereich der Studiendurchfu¨hrung begru¨ndet sein. Zuku¨nftige Studien sind dringend erforderlich, um den Stellenwert der Erna¨hrungstherapie in diesen Institutionen auch wissenschaftlich zu begru¨nden. Auch fu¨r das vom Bundesministerium fu¨r Gesundheit in seiner Arzneimittelrichtlinie Enterale Erna¨hrung seit dem Oktober 2005 vorgesehene Spektrum an Interventionen, welches bei Vorliegen einer Mangelerna¨hrung einzusetzen ist, liegt mit Ausnahme der oralen Supplementtherapie keine wissenschaftliche Evidenz in ausreichendem Umfang vor. Der Medizinische Dienst der Spitzenverba¨nde der Krankenkassen formulier-

Tabelle 1. Parameter des Minimum Data Set fu¨r Interventionsstudien zur Erna¨hrung des a¨lteren Menschen. – – – – –

Geburtsdatum Geschlecht Ausbildung (Anzahl der Jahre) Wohnsituation (Wohnung/Haus, Krankenhaus, Pflegeheim) Anthropometrie J Gewicht J Body Mass Index (BMI)

– Mini Nutritional Assessment (MNA) oder Kurzform des MNA (MNA-SF) – Funktioneller Status J Basis-Aktivita¨ten des ta¨glichen Lebens (ADL) J Instrumentelle Aktivita¨ten des ta¨glichen Lebens (IADL) J Geriatric Depression Scale (GDS) J Folsteins Mini-Mental State Examination (MMSE) J Zeitnahme fu¨r das Aufstehen von einem Stuhl (Timed chair stand) J Zeitnahme fu¨r eine Gehstrecke von 4 m (Timed 4-meter walk) – Komorbidita¨t – Aktuelle Medikation – Optionale Parameter J Biologische Marker (Serumalbumin, C-reaktives Protein) J Ta¨gliche orale Nahrungszufuhr

608

Ziel der Autoren war es, Wissenschaftler im Bereich der klinischen Erna¨hrung des a¨lteren Menschen mit klaren, von Experten empfohlenen klinischen Ergebnisparametern zu versorgen, welche die Vergleichbarkeit neuer Studienergebnisse erlauben. Diese Initiative ist auch im Hinblick auf zuku¨nftige Projekte der Versorgungsforschung als wertvoll zu bewerten. Seit Vero¨ffentlichung des Minimum Data Set ist jedoch bislang noch keine wissenschaftliche Studie erschienen, die bezu¨glich ihrer Ergebnisparameter explizit auf diese Vorgaben Bezug genommen hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Zustand in absehbarer Zeit der Vergangenheit angeho¨rt.

Literatur [1] Janssen I, Mark AE. Elevated body mass index and mortality risk in the elderly. Obes Rev 2007;8:41–59. [2] De Groot CPGM, van Staveren WA. Undernutrition in the European SENECA studies. Clin Geriatr Med 2002;18:699–708. [3] Flodin L, Svensson S, Cederholm T. Body mass index as a predictor of 1 year mortality in geriatric patients. Clin Nutr 2000;19: 121–5. [4] Pirlich M, Schwenk A, Mu¨ller MJ. DGEM – Leitlinie Enterale Erna¨hrung: Erna¨hrungsstatus. Aktuelle Erna¨hrungsmedzin 2003; 28:10–25. [5] Stratton RJ, Grenn CJ, Elia M. Disease-Related Malnutrition – an evidence based approach to treatment. CABI Publishing; 2003. [6] Morley JE. Pathophysiology of anorexia. Clin Geriatr Med 2002;18:661–73. [7] Stehle P, Junk K, Sack S, Volkert D. Erna¨hrung a¨lterer Menschen. In: Deutsche Gesellschaft fu¨r Erna¨hrung (DGE) (ed) Erna¨hrungsbericht 2000; Druckerei Heinrich, Frankfurt am Main,14 –178. [8] Volkert D. Leitlinie Enterale Erna¨hrung der DGEM und DGG: Erna¨hrungszustand, Energie- und Substratstoffwechsel im Alter. Aktuelle Erna¨hrungsmedzin 2004;29: 190–7. [9] Volkert D, Berner YN, Berry E, Cederholm T, Coti Bertrand P, Milne A. ESPEN guidelines on enteral nutrition: Geriatrics. Issue Series Title: Clin Nutr 2006;25: 330–60. [10] Dey DK, Rothenberg E, Sundh V, Bosaeus I, Steen B. Body mass index, weight change and mortality in the elderly. A 15 y longitudinal population study of 70 yr olds. Eur J Clin Nutr 2001;55(6):482–92. [11] Kalmijn S, Curb JD, Rodriguez BL, Yano K, Abbott RD. The association of body weight and anthropometry with mortality in

Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 605–609 www.elsevier.de/zaefq

ARTICLE IN PRESS

[13]

[14] [15]

[16]

[17]

[18] Guigoz Y, Vellas B, Garry PJ. Assessing the nutritional status of the elderly: The Mini Nutritional Assessment as part of the geriatric evaluation. Nutr Rev 1996;54: S59–65. [19] Volkert D. Erfassung der Erna¨hrungssituation des a¨ltren Menschen – das Mini Nutritional Assessment (MNA). Aktuelle Erna¨hrungsmedizin 2005;30:142–6. [20] Bauer JM, Vogl T, Wicklein S, Tro¨gner J, Mu¨hlberg W, Sieber CC. Comparison of the Mini Nutritional Assessment, Subjective Global Assessment, and Nutritional Risk Screening (NRS 2002) for nutritional screening and assessment in geriatric hospital patients. Issue Series Title: Z Gerontol Geriatr 2005;38:322–7. [21] Guigoz Y, Lauque S, Vellas BJ. Identifying the elderly at risk for malnutrition: The Mini Nutritional Assessment. Clin Geriatr Med 2002;18:737–57. [22] Kondrup J, Allison SP, Elia M, Vellas B, Plauth M. ESPEN guidelines for nutrition screening 2002. Clinical Nutrition 2003; 22:415–21. [23] Detsky AS, McLaughlin JR, Baker JP, Johnston N, Whittaker S, Mendelson RA, et al. What is subjective global assessment of nutritional status. JPEN 1987;11:8–14.

BQS stellt laienversta¨ndliche Interpretationshilfen fu¨r Qualita¨tsindikatoren zur Verfu¨gung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 10. Mai 2007 beschlossen, dass in den Strukturierten Qualita¨tsberichten der ’’ Krankenha¨user Ergebnisse zu 27 Qualita¨tsindikatoren aus 10 Leistungsbereichen des BQS-Verfahrens verbindlich und in einheitlicher Form vero¨ffentlicht werden mu¨ssen. Fu¨r sechs weitere Indikatoren wurde eine Vero¨ffentlichung empfohlen. Die Auswahl dieser Indikatoren ist auf der Basis von Empfehlungen der BQS-Fachgruppen und der BQS erfolgt. Die BQS-Indikatoren wurden prima¨r fu¨r die Anwendung im Expertensetting entwickelt. Um das Versta¨ndnis dieser Indikatoren auch fu¨r Nicht-Fachleute zu erleichtern, hat die BQS am 14.09.2007 auf Ihrer Website www.bqs-online.de eine neue Rubrik eingerichtet: BQS fu¨r Patienten . ’’ Im Mittelpunkt der dort vero¨ffentlichten Informationen stehen laienversta¨ndliche Interpre-

tationshilfen fu¨r die 33 Qualita¨tsindikatoren, deren Ergebnisse in diesem Jahr von allen Krankenha¨usern im Qualita¨tsbericht verpflichtend dargestellt werden mu¨ssen oder zur Vero¨ffentlichung empfohlen werden. Weiterhin werden in laienversta¨ndlicher Form die Versorgungsbereiche vorgestellt, zu denen diese Indikatoren geho¨ren. Von der U¨bersichtstabelle unter www.bqs-online.com/public/bqsfp/ qifp/uetabelle aus ko¨nnen u¨ber aktive Links alle Interpretationshilfen und Versorgungsbereiche direkt angesteuert werden. Die Texte wurden gemeinsam von Mitarbeitern der Verbraucherzentrale Hamburg, der BQS-Fachgruppen und der BQS erarbeitet. Daru¨ber hinaus liefert die Seite Erla¨uterungen zum allgemeinen Versta¨ndnis von Qualita¨tsindikatoren, zu den Qualita¨tsberichten, zum BQS-Verfahren sowie Wissenswertes zum Stellenwert von Qualita¨tsindikatoren bei der Auswahl eines Krankenhauses.

’’

’’

Z.a¨rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 605–609 www.elsevier.de/zaefq

[24] Kondrup J, Rasmussen HH, Hamberg O, Stanga Z. Ad Hoc ESPEN Working Group. Nutritional risk screening (NRS 2002): a new method based on an analysis of controlled clinical trials. Clinical Nutrition 2003;22:32–336. [25] Wirth R, Miklis P. Bioelectric impedance analysis in the diagnosis of malnutrition. Z Gerontol Geriatr 2005;38:315–21. [26] Stratton RJ. Should food or supplements be used in the community for the treatment of disease-related malnutrition. Proceedings of the Nutrition Society 2005; 64:325–33. [27] Grundsatzstellungnahme Erna¨hrung ’’ und Flu¨ssigkeitsversorgung a¨lterer Mensche , Abschlußbericht Projektgruppe P 39 des Medizinischen Dienstes der Spitzenverba¨nde der Krankenkassen, Juli 2003. [28] Salva A, Corman B, Andrieu S, Salas J, Vellas B. International Association of Gerontology/International Academy of Nutrition and Aging Task Force. Minimum data set for nutritional intervention studies in elderly people. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2004;59:722–3. ’’

[12]

elderly men: The Honolulu Heart Program. Int J Obesity 1999;23:395–402. Pirlich M, Schuetz T, Norman K, Gastrell S, Lu¨bke HJ, Bischoff SC, et al. The German hospital malnutrition study. Clin Nutr 2006;25:563–72. Davalos A, Toni D, Iweins F, Lesaffre E, Bastianello S, Castillo J. Neurological deterioration in acute ischemic stroke: potential predictors and associated factors in the European cooperative acute stroke study (ECASS) I. Stroke 1996;30:2631–6. De Groot CPGM, van Staveren WA. Undernutrition in the European SENECA studies. Clin Geriatr Med 2002;18:69–708. Covinsky KE, Martin GE, Beyth RJ, Justice AC, Sehgal AR, Landefeld CS. The relationship between clinical assessments of nutritional status and adverse outcomes in older hospitalized medical patients. J Am Geriatr Soc 1999;47:532–8. Milne AC, Avenell A, Potter J. Meta-analysis: Protein and energy supplementation in older people, Ann Intern Med 2006;144:37–48. Bauer JM, Volkert D, Wirth R, Vellas B, Thomas D, Kondrup J, et al. Diagnosing malnutrition in the elderly. Dtsch Med Wochenschr 2006;131:223–7.

Magazin

Die Informationen sollen Patienten auf der einen Seite unterstu¨tzen, mo¨glichst viel Nutzen aus den wertvollen Informationen, die die Qualita¨tsberichte liefern, ziehen zu ko¨nnen. Auf der anderen Seite wird aber auch deutlich gemacht, dass die Informationen aus den vero¨ffentlichten Indikatorergebnissen bei der Auswahl eines Krankenhauses als alleinige Informationsquelle nicht ausreichen, da sie nur Teilaspekte der Versorgung erfassen.

Korrespondenzadresse: Dr. med. Klaus Do¨bler BQS Bundesgescha¨ftsstelle Qualita¨tssicherung gGmbH Abteilungsleiter Medizin und Pflege Kanzlerstraße 4 40472 Du¨sseldorf E-Mail: [email protected]

609