Botanisches Institut der Universitat Heidelberg und der Technischen Universitat Braunschweig
Beeinflussung der Bindung von lysinreichem und argininreichem Histon an DNS durch Wuchsstoffe DOROTHEE GRIESHABER-SCHEUBEL und GUNTER FELLENBERG Mit 9 Abbildungen Eingegangen am 5. Mai 1971
Summary Influence of growth substances on the binding of lysine-rich and arginine-rich histone to DNA The binding of histone to DNA will be influenced by some growth substances in NaCITris-buffer as well as in DSC-buffer. Important for the mode of action of the growth substances is the pH at the time of the interaction with the nucleoprotein. IAA loosens the binding of lysine-rich histone to DNA at low concentrations, while the binding of arginine-rich histone to DNA is loosened only by high concentrations. GA stabilize the binding of lysinerich histone to DNA at higher concentrations, while the binding of arginine-rich histone to DNA is loosened by the same concentrations. The results show, that different growth substances are able to loosen selectively the binding of special histone-components to DNA. It is discussed, that such a selectively loosening of special histone components may be the first step to transform the chromatin in a state where special RNA-synthesis may be induced if a suitable effector is present.
Zusammenfassung Die Histon-DNS-Bindung wird sowohl in NaCI-Tris-Puffer als auch in DSC-Puffer durch Wuchsstoffe beeinfluBt. Wichtig fur die Art der Wuchsstoffwirkung ist der pH zum Zeitpunkt der Wuchsstoffanlagerung an das Nucleoproteid. IES und GS konnen in bestimmten Konzentrationen selektiv die Bindung argininreicher oder lysinreicher Histone an DNS lockern. Da diese Histonfraktionen eine unterschiedliche Basenspezifitat besitzen, konnte dieser Wuchsstoffeffekt bestimmte Chromatinabschnitte in einen Zustancl versetzen, in clem RNS-Synthese induzierbar ist.
Einleitung Es wurde bereits mehrfach gezeigt, daB in Gegenwart von verschiedenen Wuchsstoffen die Bindungsfestigkeit der Histone an DNS vermindert wird (FELLENBERG 1969 a, b). Da das Losen der Histone eine Voraussetzung fiir die DNS-abhangige RNS-Synthese darstellt (z. B. BONNER u. Mitarb. 1968), sollte in weiteren in vitroVersuchen gepriift werden, ob das durch Wuchsstoffe induzierte Losen der Histone bei verschiedenen Histonfraktionen vollig gleichartig abHiuft oder ob verschiedene Histonfraktionen unterschiedlich reagieren. Daneben sollte gepriift werden, ob Wuchsstoffe auf das Nucleoproteid einen meBbaren Effekt ausiiben, wenn ein anderer als der bisher von uns verwendete NaCl-Tris-Puffer verwendet wird. Wiirde der Wuchsstoffeffekt auf das Nucleo-
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Wuchsstoffe und Bindung von Histonen an DNS
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proteid nur in einem bestimmten Puffergemisch auftreten, dann ware die Wahrscheinlichkeit gering, daB die in vitro-Versuche gewisse Rlickschllisse auf die Verhaltnisse in situ zulassen. Deshalb wurde nun, abweichend von frliheren Versuchen, der flir das Arbeiten mit Chromatin sehr haufig verwendete DSC-Puffer (BONNER u. Mitarb. 1968) gewahlt. Material und Methode Kalbsthymushiston (NBCo, Cleveland/Ohio) wurde mit Hilfe eines Athanol-1,25 n HCl (4 : 1 v/v) Gemisches in argininreiches und lysinreiches Histon aufgetrennt (vgl. JOHNS 1964, SPELSBERG u. SARKISSIAN 1968). Zur Rekonstitution der Nucleoproteide wurde DNS (hochpolymer) (NBCo, Cleveland/ Ohio) in DSC-Puffer (BONNER u. Mitarb. 1968) (1 mg/ml) und Histon in destilliertem Wasser (1 mg/ml) gelost. Die DNS-Lesung wurde anschlieBend auf 2 M NaCI gebracht und die Histonlesung unter Riihren zugegeben, so daB das Verhaltnis DNS : Histon 2 : 1 betrug. Nach 30 min wurde das Gemisch durch Gradientendialyse auf die Konzentration normalen DSCPuffers herunterdialysiert (BONNER u. Mitarb. 1968) und anschlieBend zum Entfernen ungeloster Bestandteile zentrifugiert. Die klare Lesung wurde mit DSC-Puffer auf eine Transmission von ca. 45 0/0 bei 260 nm eingestellt. Zur Koppelung mit Wuchsstoff wurde die Nucleoproteidlosung mit NaOH auf pH 8-9 gebracht und dann jeweils Proben von 10 ml mit 0,1 ml Wuchsstofflosung unterschiedlicher Konzentration versetzt und anschlieBend gegen DSC-Puffer (ohne NaOH) dialysiert. Die thermische Denaturierung erfolgte in einem Zeiss Spektralphotometer mit temperierbarem Kiivettenhalter. Die Aufheizdauer betrug etwa 10 min pro 1 0 C. Bei der angewendeten Versuchsmethodik konnen nur Temperaturdifferenzen tiber 0,5 0 C als signifikant angesehen werden.
Ergebnisse 1. Einfluft von lysinreichem, argininreichem und Gesamt-Histon auf den Schmelzpunkt der DNS
AIle 3 Histonkomponenten erhohen deutlich den Schmelzpunkt reiner DNS (Abb. 1). Am wirksamsten erhoht lysinreiches Histon den Tm-Wert der DNS, wah%
30
§
DNS
DNH
~
I"\l
]
DNH-/ys
.~ 40
DNH-arg
c:
.~
E
111
ec:
t-.;:
5O+--~-----r-----r-----r--..---...,......._--J
30 '0 50 60 70 80 90 100 °c Abb. 1. Schmelzkurven von DNS und Komplexen von DNS mit Gesamthiston (DNH), lysinreichem Histon (DNH-lys) und arginreichem Histon (DNH-arg); (DNS/Histon = 2); Puffer: DSC.
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rend argininreiches Histon den Tm-Punkt nur geringfiigig schwacher erhoht als Gesamthiston. Diese Befunde stimmen mit denjenigen von HUANG u. Mitarb. (1964) iiberein, bei denen ebenfalls lysinreiche Histonfraktionen den Schmelzpunkt der DNS starker erhohen als Gesamthiston, wahrend argininreiche Histonfraktionen den Schmelzpunkt der DNS nicht ganz so wirksam erhohen wie Gesamthiston. 2. Ein{luft von lES, GS und Kl auf verschiedene Nucleoproteide
Der Schmelzpunkt von Nucleoproteiden aus DNS und Gesamthiston wird auch in DSC-Puffer durch IES und GS gesenkt (Abb. 2, 3). KI veranderte die Stabilitat des Nucleoproteids nicht signifikant. TmoC TmoC
71
DNH
72
DNH
72
K 71
K
70
70 69 69 68
5.7-10-8
-10-7
.10-5 ·10-6 MIL 1£5
Abb.2
2.8.10- 8
Abb.3
Abb. 2. Tm-Punkte von Nucleohiston (Gesamthiston) unter dem EinfluB verschiedener IESKonzentrationen. Die Koppelung des Wuchsstoffes erfolgte in alkalisiertem DSC-Puffer, die Denaturierung in normalem DSC-Puffer. Abb. 3. Tm-Punkte von Nucleohiston (Gesamthiston) unter clem EinfluB verschieclener GSKonzentrationen. Versuchsbedingungen wie bei Abb. 2.
Nucleoproteide aus DNS und lysinreichem Histon bzw. argininreichem Histon reagieren anders auf verschiedene Wuchsstoffkonzentrationen als Nucleoproteide aus DNS und Gesamthiston. Der Komplex lysinreiches Histon-DNS wird durch geringe IES-Konzentrationen in seiner Stabilitat geschwacht, wahrend die hochste IES-Konzentration keinen Effekt mehr zeigt (Abb. 4). Niedrige GS-Konzentrationen verandern die Stabilitat des Komplexes geringfiigig, wahrend hohere GS-Konzentrationen dessen Stabilitat erhohen (Abb. 5). Kinetinzugabe war wiederum wirkungslos. Eine umgekehrte Beeinflussung durch verschiedene Wuchsstoffkonzentrationen zeigt der Komplex DNS-argininreiches Histon. Sowohl IES als auch GS konnen nur in hoheren Konzentrationen die Stabilitat dieses Komplexes vermindern (Abb. 6, 7). KI zeigte keine Wirkung.
3. Beein{lussung des Nucleoproteids durch lES bei unterschiedlichem pH-Wert Wird IES nicht in basischem DSC-Puffer, sondern im sauren DSC-Puffer mit einem DNS-Gesamthiston-Komplex zusammengebracht, dann wird nur noch durch
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niedrige IES-Konzentrationen der Schmelzpunkt stark vermindert, hohere IES-Konzentrationen stabilisieren dagegen den Komplex (Abb. 8). Das Wirkungsoptimum der IES ist demnach schon bei viel geringerer Konzentration erreicht als bei einer Koppelung im basischen Milieu. Versucht man IES im sauren Milieu an ein Nucleoproteid aus DNS und argininreichem Histon zu koppeln, dann ist nur noch eine Tmoe 71,
DNH-lys
K
73
72 71 .10-7
5.7 '10- 8
'10-6
MILIES
'10- 5
Abb. 4. Tm-Punkte von Nucleohiston (lysinreiches Histon) unter dem EinfluB verschiedener IES-Konzentrationen. Versuchsbedingungen wie bei Abb. 2. 75~----------------,
DNH-lys
Tmoe 71,
K
73
72 2.8,10- 8
'10- 7
'10- 6
MILGS
'10- 5
Abb. 5. Tm-Punkte von Nucleohiston (lysinreiches Histon) unter dem EinfluB verschiedener GS-Konzentrationen. Versuchsbedingungen wie bei Abb. 2. Tmoe 72 71
73
DNH-arg
DNH-arg
Tmoe 72
K
K 71
70 70 69
5.7,10-8
'10- 7
.10-5 .10- 6 MILIES
69
Abb.6
2.8.10-8
'10- 7
'10-6
.10-5
MILGS
Abb.7
Abb. 6. Tm-Punkte von Nucleohiston (argininreiches Histon) unter dem EinfluB verschiedener IES-Konzentrationen. Versuchsbedingungen wie bei Abb. 2. Abb. 7. Tm-Punkte von Nucleohiston (argininreiches Histon) unter dem EinfluB verschiedener GS-Konzentrationen. Versuchsbedingungen wie bei Abb. 2.
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Stabilisierung der Histon-DNS-Bindungen durch hahere IES-Konzentrationen zu beobachten, wogegen bei einer Koppelung im basischen Milieu eine Verminderung des Tm-Wertes auftritt (Abb. 9). 72
A
Tmoe 71
70 69
-
B 72
72 71
70
A
TmOC 71
~
~
I""""
,....
70
~
-
69 69 68
71,
n
68
c
71
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70
73
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Abb.8
72
69
71
68
70 -'-.....I...-L--lL....L---'--'---.....I...-L----.I K 5.7,10-8 '10-7 .10-6
MIL IES
67
,....
-
-
K 5.7'10-8 -10-7 -10- 6 '10- 5
Abb. 9
MIL IES
Abb. 8. Tm-Punkte von Nucleohiston (Gesamthiston) unter dem EinfluB verschiedener IESKonzentrationen. A. Koppelung der Wuchsstoffe in alkalisiertem DSC-Puffer, Denaturierung in normalem DSC-Puffer. B. Koppelung der Wuchsstoffe und Denaturierung in normalem DSC-Puffer. C. Koppelung der Wuchsstoffe in 1 M NaCI + 2,5 . 10-3 M Tris (pH 8,7), Denaturierung in 0,014 M NaCI + 2,5 . 10-3 M Tris (pH 8,7).
Abb. 9. Tm-Punkte von Nucleohiston (argininreiches Histon) unter dem EinfluB verschiedener IES-Konzentrationen. A. Koppelung der Wuchsstoffe in alkalisiertem DSC-Puffer, Denaturierung in normalem DSC-Puffer. B. Koppelung der Wuchsstoffe und Denaturierung in normalem DSC-Puffer.
Diskussion Ahnlich wie in NaCI-Tris-Puffer (FELLENBERG 1971) wird auch in DSC-Puffer (BONNER u. Mitarb. 1968) unter dem EinfluB von IES und GS die Stabilitat von
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Nucleohistonen vermindert. Lediglich Kinetin, das bereits im NaCI-Tris-Puffer nur einen schwachen Effekt zeigt, verliert im DSC-Puffer seine Wirkung vollig. Starker als eine Veranderung der Pufferzusammensetzung modifiziert der pH-Wert des Puffers zum Zeitpunkt der Wuchsstoffapplikation die Wirkungsweise des Wuchsstoffs auf die Stabilitat des Nucleoproteids. Diese Befunde machen es wahrscheinlich, daB auch in situ an das Chromatin angelagerte Wuchsstoffe, wie IES und GS, die Stabilitat des Nucleoproteids vermindern konnen (vgl. FELLENBErRG, 1969 c). Man muB jedoch damit rechnen, daB pH-Anderungen im Zellkern auch den Wirkungsmodus der Wuchsstoffe am Chromatin varlleren. Bei gleichbleibendem Puffer und pH-Wert zeigten IES und GS zum Teil deutlich unterschiedliche Wirkung auf Nucleohistone. Daruber hinaus kann ein und derselbe Wuchsstoff Nucleohistone mit verschiedenen Histonkomponenten in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Die Beeinflussung der Bindungsfestigkeit der verschiedenen Histonkomponenten an DNS wird dabei deutlich von der Wuchsstoffkonzentration mitbestimmt. IES und GS konnen demnach selektiv die Bindung einzelner Histonfraktionen an DNS lockern bzw. stabilisieren. Dieser Befund ist insofern wichtig, als verschiedene Histonfraktionen unterschiedlich fest an DNS gebunden sind (HUANG u. Mitarb. 1964) und damit die DNS-abhangige RNS-Synthese unterschiedlich wirksam hemmen (VENDRELY und VENDRELY 1966, KosLov und GEORGIEV 1970). Ferner ist durch die Untersuchungen von OLINS u. Mitarb. (1967) gezeigt worden, daB die Art der basischen Seitenketten eines Proteins (Arginin oder Lysin) fur eine differentielle Stabilitat der A-T- bzw. C-G-Paare sorgen. Histon-Wuchsstoff-Konjugate konnen wahrscheinlich nicht als Effektoren im Sinne des Jacob-Monod-Modells aufgefaBt werden (FELLENBERG 1970). Durch ein selektives Losen bestimmter Histonkomponenten von der DNS werden die betreffenden DNSBereiche moglicherweise noch nicht aktiv, sie werden dadurch aber zumindest in einen Zustand versetzt, in denl sie bei Anwesenheit eines spezifischen Effektors RNS synthetisieren konnen. Frau MARIE-THERESE BAUER danken wiir fur ihre Mitarbeit.
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