Über den einfluss agroklimatischer unterschiede auf den getreideanbau in Europa

Über den einfluss agroklimatischer unterschiede auf den getreideanbau in Europa

Agricultural Meteorology - Elsevier PublishingCompany,Amsterdam- Printed in The Netherlands Review OBER DEN EINFLUSS AGROKLIMATISCHER UNTERSCHIEDE AU...

959KB Sizes 5 Downloads 60 Views

Agricultural Meteorology - Elsevier PublishingCompany,Amsterdam- Printed in The Netherlands

Review OBER DEN EINFLUSS AGROKLIMATISCHER UNTERSCHIEDE AUF DEN GETREIDEANBAU IN EUROPA 1 P. THRAN

Christian-Albrechts-Universiti~t, Kiel (Deutschland) (Eingegangen den 22. Dezember, 1965)

SUMMARY

On the influence of agro-climatic differences on cereal growing in Europe The differences in climates appear in various varieties of agriculture and corn growing in the numerous countries of Europe on account of the important influence which climate has for plants. In the expanding economic territory of Europe the agriculturists are interested in these facts now because, at the indigenous markets, "strange climates" as marks of competition for agricultural produce shall appear. The plants' dependence on climate comes from the physiological processes in the plants which receive their energy, inorganic substance and guidance of fuv,ction from the atmosphere. A "special agroclimate" which should be determined, represents the "related to the effect" statement about the appearance, which is caused by the atmospheric environment, of the sort or type of plants concerned. According to experience, one may criticize after the functions of dependence an existing climate with regard to aptitude, productivity and risk for certain cereals. Gradations of optimal aptitude to non-aptitude permit numerical classifications of individual agroclimates in Europe. The grower of cereals is interested in the possibility of spreading one sort, therefore he must know the climatic sensibility as well as the climatic range and the frequency of useful or detrimental weather occurrences which might set in. Necessary data about climate in Europe are contained in the Agro-Climatic Atlas of Europe (THRAN and BROEKHUIZEN, 1965).

ZUSAMMENFASSUNG

Wegen des bedeutenden Einflusses, den das Klima als Umweltfaktor fiir Nutzpflanzen einnimmt, pr~igen sich die Unterschiede des Klimas in der mannigfachen Verschieden1 Vortrag zur 15-Jahr-Feier des "Nederlands Graan Centrum" am 29. Oktober, 1965, Utrecht (Niederlande).

Agr. MeteoroL, 3 (1966) 369-383

370

P. THRAN

b_eit der Landwirtschaft und des Getreidebaues in den einzelnen Landschaften Europas aus. Im erweiterten europ~iischen Wirtschaftsraum interessieren sich die Landwirte jetzt fiir diese Tatsachen, da aufden heimischen M~irkten "fremdes Klima'" als Konkurrenzmerkmal fiir landwirtschafdiche Erzeugnisse auftreten wird. Die Abh~ingigkeit der Pflanzen vom Klima riihrt von den physiologischen Vorg~tngen in den Pflanzen her, die ihre Energie, anorganische Materie und Funktionssteuerungen v o n d e r Atmosph~ire erhalten. Ein bestimmbares "spezielles Agroklima" stellt sich dar als "wirkungsbezogene" Aussage fiber die vonder atmosph~irischen Umwelt verursachten Erscheinung an der betreffenden Pflanzenart oder -sorte. Je nach den erfassbaren Abh~ingigkeitsfunktionen l~isst sich ein vorhandenes Klima beziiglich der Eignung, Ergiebigkeit und des Risikos fiir bestimmte Getreidearten beurteilen. Abstufungen yon optimaler Eignung zur Ungeeignetheit gestatten zahlenm~issige Klassifizierungen der einzelnen Agroklimate in Europa. Der Getreideziichter ist an der Verbreitungsm6glichkeit fiir eine Sorte interessiert. Daher muss er sowohl die Klima-Empfindlichkeit einer Pflanze kennen als auch die klimatische Streuung und die H~iufigkeit des Eintretens niitzlicher oder sch~idlicher Wetterereignisse in einzelnen Gebieten Europas. Erforderliche U nterlagen ~iber das Klima in Europa enth~ilt der Agro-Climatie Atlas of Europe (THRAN und BROEKHU1ZEN,1965).

Jedem Kenner Europas sind die Unterschiede gegenw~irtig, die der Getreideanbau in Europa nach Art der Durchf'dhrung, der Leistung sowie des Risikos aufweist. Durch das Studiurn einschl~igiger Statistiken oder durch Reisen kommen die Verschiedenheiten agronomischer Art in den einzelnen Landschaften Europas klar heraus. Es zeichnen sich Gebiete ab, in denen haupts~ichlich Weizen zum Anbau gelangt oder aber Roggen, Gerste, Haler, Reis bzw. K6rnermais. Lander mit Wintergetreideanbau stehen anderen mit Kulturen yon Sommergetreide gegeniiber. Weitere Hinweise auf r~iumlich geordnete Unterschiede in den Saatterminen, Vegetationszeitspannen, Fl~ichenertr~igen, Qualit~iten, Arbeitsaufwand und Erntemethoden oder gar Aufbereitungs- und Lagerm~thoden brauehen bier gar nieht erw~thnt zu werden. 13berall in Europa finden sich Unterschiede derart, dass jeder Landwirt als Antwort auf allgemein gehaltene Ratschliige zur Bemerkung berechtigt ist: "Bei uns ist es aber anders". Jedem Einsichtigen f~illt die Rolle des Klimas auf, das dem Landwirt in den einzelnen R~iumen Europas die M6glichkeiten fiir den Anbau bestimmter Getreidearten bietet bzw. begrenzt und ihn zur Wahl bestimmter Sorten anleitet. Die klimatischen Gegebenheiten stellen eben eine der vier Hauptfaktoren fiir die Art einer Landwirtsehaft dar, denn sowohl der Boden als auch die Pflanze, der Mensch und das Klima bestimmen die Wirtsehaftsform und die Leistung eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHEUNTERSCHIEDEUND GETREIDEANBAU

371

Derartige Einsichten bestehen allerdings schon seit geraumer Zeit. Sie mussten sich einstellen, nachdem ein Volk ffir ein bis zwei Generationen in einem Lebensraum sesshaft wurde. Uns sind Ausserungen der Assyrer und Babylonier bekannt, die auf den Einfluss der Jahreswitterung bezfiglich der Getreideertr/ige und der Marktlage berichten. Die Griechen lehrten schon 350 v. Chr. in den Hochschulen fiber die Witterungswirkung auf Feldfrfichte. Ein italienischer Hochschullehrer weist um etwa 1775 auf diese Erkenntnisse des Theophrast von Athen hin mit dem Satze: "dass das glfickliche Wachstum und das Gedeihen des Ackerbaues nicht sowohl vonder Erde, vom Bearbeiten, vom D~ingen abhangt, sondern vielmehr von der richtigen Temperatur der Jahreszeiten, yon der Beschaffenheit des Luftkreises, von der W~irme, vonder Feuchtigkeit, yon der Austeilung des Regens in gewissen Umst~.nden und in gewissen Monaten, vonder Richtung, St~irke und Dauer der Winde", usw. Jedoch blieb es bei ahnungsvollen Bemerkungen fiber den Einfluss von Wetter, Witterung und Klima auf die Kulturpflanzen und die Landwirtschaft. Selbst ein so grosser Kenner der Vegetationsformen auf der Erde--Alexander von Humboldt--muss feststellen, dass "zahlenm/issig handfeste Unterlagen fiber die Klimate und erst recht fiber die Beziehungen zwischen Klima und Landwirtschaft fehlen". Er verlangt daher 1847 die Einrichtung eines wissenschaftlichen meteorologischen Institutes mit der Begrfindung, "dass alle klimatischen VerSnderungen und meteorologischen Prozesse mit den Kornpreisen und einem grossen Teil der Gewerbe in innigem Zusammenhang stehen. W~irm~ und Feuchtigkeit sind die wichtigsten Elemente des Pflanzenlebens und ohne numerische Angaben des Masses ihrer Ver/inderung in verschiedenen J'ahren und Landschaften ist alles Raisonnement fiber die Ursachen des Misswuchses ein leeres Gespr~ich. Es ist hier einer der glficklichen F/file, wo die Erweiterung meteorologischer Kenntnisse unmittelbar mit dem praktischen Nutzen ftir Ackerbau, Gewerbe und Medizinalwesen zusammenh~ingt." In der Zeit Alexander y o n H u m b o l d t ' s begannen England und Russland, Frankreich und schliesslich auch Deutschland an vielen Orten mit meteorologischen Messungen. So land eine bedeutende Erweiterung des Messnetzes statt, das an einigen wichtigen Orten Europas schon frtiher bestand: De Bilt (1735), Petersburg (Leningrad) (1743), Stockholm (1756), W a r s c h a u (1803), Christiania (Oslo) (1816), Paris (1821), Bergen (1821), G e n f (1826), D o r p a t (1845). lJbrigens stellte in Kiel der Professor der Mathematik und Magister der Philosophie S. Reyher die erste instrumentelle Wetterbeobachtungsreihe von 1679 bis 1714 auf, die jedoch erst 1851 erneut fortgesetzt wurde. Bald stellte es sich damals heraus, dass lange Zeiten verstreichen mtissen, ehe Angab~n tiber "den mittleren Zustand und den gewOhnlichen Verlauf der Witterung a m gegebenen Ort tiber l~ingere Zeit" gemacht werden k6nnen. Die Atmosph~ire besitzt die M~3glichkeit zu einer Ftille von Kombinationen der einzelnen Wetterelemente innerhalb gleicher Zeitabschnitte im Verlauf von vielen ~rahren. Erst nach etwa 70 Jahren der Messungen gelingt die A n g a b e tiber die Mittelwerte, die Extremwerte sowie die H/iufigkeitsverteilungen meteorologischer Elemente an einem Orte mit geniigender Sicherung. Der frith schon gefasste Gedanke, meteorologisches Geschehen mit landwirtschaftlichen Ereignissen zu koppeln, konnte also erst in diesem Jahrhundert zur Verwirklichung gelangen. In der langen Zwischenzeit fiihrten wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Boden- und Dtingerkunde, der Erzichung yon kandwirten und auch der Botanik zu erheblichen Verbesserungen landwirtschaftlicher Betriebsleistungen. Die Kenntnisse der Umweltabh/~ngigkeit von Pflanzen schien unerheblich zu sein. Es bestanden auch keine Notwendigkeiten, auf die Leistungen der Landwirtschaft in fremden, fernen Landschaften Rticksicht zu nehmen. Fremdes Klima trat auf dem heimischen Markt als K o n k u r r e n z m e r k m a l

Affr. Meteorol., 3 (1966) 369 383

372!

P. THRAN

noch gar nicht in Erseheinung. Wegen der Produktion innerhalb einer abgegrenzten Landschaft fiel der nattirlich vorhandene Einfluss des Klimas auf den Anbau von Kulturpflanzen nicht auf. Es fehlten ja die Vergleichsm/Sglichkeiten. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich ge~indert! Der Lebens- und Informationsraum weitete sich gewaltig. Die M~glichkeiten zu Vergleichen fordern Erkl~irungen der Unterschiede heraus. Allgemeine Ratscb.l~ige bezi2glich der Bodenbearbeitung, Diingung, Arten- und Sortenwatd, Bearbeitung und Sch~idlingsbek~impfung zeigten sich nicht iiberall in Europa in gleicher Weise anwendbar. Die Erzeugungskosten fiir gleiche Mengen je Fl~iche wiesen grosse Unterschiede aut; selbst wenn Diingerpreise, Maschinenstunden und Arbeitsl6hne gleichgesetzt werden. Gef~ihrliche Situationen der Witterung sehen in den einzelnen L~indern Europas verschieden aus. In einigen Gebieten bringt harter Winterfrost, in anderen winterliche Nasse oder wieder woanders sommerliche Dtirre bzw. sommerliche Starkregen die grossen Sch~den. Manehe Landwirte mtissen sp~te Fr~ste im Friihjahr, andere mangelnden Sonnenschein im Herbst fiirchten. Das Wetterrisiko nimmt iiberall verschiedene Formen an. Zudem hat sich die Ergiebigkeit von Massnahmen der Bodenverbesserung, der Dtiagung und Ztichtung wegen ihres bereits hohen Wirkungsniveaus beziiglich der Ertragssteigerungen und Risikoverminderungen so stark verringert, dass nun nach einem anderen ertragsbestimmenden Faktor gesucht werden muss, der sich sozusagen "im Minimum" befindet. Die Beschiiftigung mit dem Umweltfaktor Klima vermag offenbar Verbesserungen im Landbau zu bringen, besonders dann, wenn die Zusammenh~inge zwischen den Zust~inden in der Atmosph~ire sowie dem Klima im Pllanzenbestand einerseits uad den Waehstumsvorg~ingen in den Nutzpflanzen andererseits zur Untersuchung gelangen. J'etzt mag eine deraxtige Forschtmg auch Ergebnisse bringen, nachdem die klimatischen Gegebenheiten ermessen sind trod jedem zur Verfiigtmg stehen, sich aber auch die biologischen, physiologischen und genetischen sowie phytopathologischen Kenntnisse gegeniiber vergangenen Zeiten erweitert haben. Wir wissen heute, dass den Eigenschaften der Pttanze Eigenarten des Klimas entsprechen. Die Pilanze besitzt die M6glichkeiten des Wechsels von t~itigem zu ruhendem Leben, der Regelung beziiglich der Energieaufnahme und des Stoffwechsels. Hierzu parallel besteht die Weehselhaftigkeit des Wetters. Die Pflanze besitzt die Mtigliehkeit aus den Grundsubstaxtzen chemisch hochwertige Stoffe zu formen; die Fermente, Hormone, Biotine, Vitamine, t~le, Fette. Terpene, Caline, Pektine, Chlorop!asten, usw. Fiir diese wichtigen, das Wachstum regelnden Stoffe, wird Energie aus der Atmosph~ire ben~Stigt (Abb. 1). Die Permeabilit~t der ZeUwtinde, die Durchl[issigkeit der Plasmodesmen und Fibrillen, die Viskosit~t des Protoplasmas, ja aueh die Zirkulation des Saftstromes in der Pflanze h~ingen yon der Temperatur ab. Die Reaktionsgesehwindigkeiten der biochemisehen Prozesse sind wetterabhh'ngig (Abb.2). Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHE UNTERSCHIEDE UND GETREIDEANBAU

REAKTIONSABLAUF

373

(ZEITLICH)

Abb.l. (1) Energiezufuhr ist auch erforderlich, wenn Endprodukt geringere W~irmet6nung aufweist, als Ausgangsprodukt. Fermente beniStigen Aktivierungsenergie. (2) Die Wandlung hochwertiger Stoffe aus Assimilationsgrundsubstanz (C~H1206) zu Wirkstoffen mit h6herer W~irmetiSnung erfordert Energiezufuhr, die zu grossem Teil aus der Atmosphere stammt. Zum Beispiel: Fermente Coferment-A-Dehydrogenase 1600 kcal./mol. Aminase 1900 kcal./mol. Carboxylase 2200 kcal./mol. Hormone Bios I 680 kcal./mol. Traumatin 1700 kcal./mol. lndolylessigs~iure 1100 kcal./mol. Vitamin B2 2200 kcaL/mol. Bios II (a-Biotin) 1400 kcal./mol. Auxin-a 2500 kcal./mol. Vitamin B1 1700 kcal./mol. Karotin > 5000 kcal./mol. Diese Angaben der Warmet6nung stellen nur ungef~ihre Werte dar. Fig.l. (1) Supply of energy is necessaly in case the final product shows less heat capacity than the original product. Enzymes need energy for activation. (2) The conversion of high-qual tty compounds from basic assimilates (hexose sugar C0H 120,) into active substances with higher heat capacity demands energy supply that mainly comes from the atmosphere. For example: Enzymes Coenzyme I-dehydrogenase 1600 kcal./mol. Aminase 1900 kcal./mol. Carboxylase 2200 kcal./mol. Hormones Bios I 680 kcal, mol. Traumatin 1700 kcal./mol. Indolylacetic acid 1100 kcal, tool. Vitamin B2 2200 kcal./mol. Bios II (a-biotin) 1400 kcal.j tool. Auxin-a 2500 kcal./mol. Vitamin BI 1700 kcal.~mol. Carotene > 5000 kcal./mol. N.B. These are only rough values. Translation of German terms: Energiegehalt = energy content; Reaktionsablauf (zeitlich) = progress of reaction (in process of time); bentitigte Aktivierungs-Energie = required energy for activation; Energieberg = energy barrier; Spontan-Katalyse -- spontaneous catalysis; KontaktKatalyse = contact catalysis; Fermenl-Katalyse -- enzyme catalysis; Ausgangslage = starting level; Endlage = final level.

Agr. MeteoroL, 3 (1966) 369-383

374

w12

P. THRAN

'- .

g

.

.

7

10

.

.

.

.

.

.

.

~

20

I

30 40 TEMPERATUR T

i

_._J 50 °

Abb.2. Einflussder Temperatur auf die Reaktionskonstante K, mit der die Reakdonsgeschwindigkeit beschrieben wird. Fig.2. Influenceof temperature on reaction index K used in the description of reaction velocity. Translation of German terms: Reaktionskonstante -= reaction index; Temperatur ~= terr~perature. Also: Grundlegende Vorg~iage in der Pflanze regelt die Witterung; die Atmosph~ire bietet Energie, Materie urtd Funktionsm6glichkeiten fiir alle Pflanzen. Auf diesem Gebiete der Bioklimatologie muss im Interesse der Landwirtschaft noch weiter geforscht werden. Allerdings kommen wir wohl nicht weiter bei dem Bestreben, die Getreideerzeugung rentabler und risiko~irmer zu gestalten, wenn in allen Landcn ohne Verbindung untereinander geforscht wird. Standige Vergleiche der Gedanken, der Ergebnisse, der Produkte, der Methoden und der Kr~ifte sind dringerad vonn6ten. In einem Institut wie diesem, dem Niederliindischen Getreidezentrum, gelingt die vergleichende Vereinigtmg der an diesem Problem mitarbeitenden Menschen. Es ist die belebende Energiequette. Sie tat sich zur rechten Zcit auf in einem echten europ~iischen Geiste gebiindelter, auf das Gemeinsame gerichteter Einzelanstrengungen. Die Definition des Begriffes Klima gab ich bereits. Das Wort Agroklima muss nun erkl~irt werden. Bei der Besclareibtmg und zahlenm~issigen Festsetzung einzelner Agroklimate dient die Pflanze ats "Mass der Dinge". Allgemeine Agroklimate h~ingen mit den verschiedenen Wirtschaftsformen der Landwirtschaft zusammen. Das Agroklima fiir Viehwirtschaft sieht anders aus als das fttr den Getreidebau oder Hackfruchtbau bzw. Pfiugwirtschaft, usw. SpezieUe Agroklimate stelaen im Zusammenhang mit einzelnen Nutzpflanzenarten. Es gibt Gersten-Agroklimate, Weizen-Agroklirnate oder Agroklimate fiir Kartoffeln, Milchviehwirtsehaft, Mastviehwirtschaft, usw. Die M0glichkeiten einer linearen Aufgliederung des allgemeinen Klimas rtach physikalisch-mathematischen Skalen bestehen bei den speziellen Agro-Klimaten

Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHEUNTERSCHIEDEUND GETREIDEANBAU

375

nicht. D o r t stellten die O p t i m u m f u n k t i o n e n nach E. A. Mitscherlich und B. B a u l e - Hyperbel bzw. Parabelfunktionen--die Ordnungsskalen dar. Neuere Bearbeiten von BO~OUSLAWSKI und SCHNEIDER (1962) ergaben sogar ganz komplizierte Polygonziige fiir die W i r k u n g der einzelnen meteorologischen Elemente innerhalb eines Klimagebietes auf die Erzeugnisse von Nutzpflanzen. A n g a b e n fiber das Ausmass eines speziellen Agroklimas beinhaltert stets eine "wirkungsbezogene Aussage" fiber die v o n d e r atmosph~irischen Umwelt verursachte Erscheinung an der betrachteten Pflanzenart bzw. -Sorte. Die Skala des Agroklimas bezitzt--im Gegensatz zu der des "reinen" K l i m a s - zwei absolute Grenzen, die den beiden "Letalwerten" in der Beziehung eines meteorologischen Elementes z u m Pflanzenleben erttsprechen, z.B., K~iltetod-Hitzetod; Diirretod-N/issetod. Fiir jede Pflanze liegen die Letalwerte an verschiedenen Skalenstrichen des "reinen" Klimas. Zwischen diesen beiden Kardinalpunkten liegt mindesterts ein Optimalpunkt, bei dessert Vorhandenseirt die Pflanze h6chste Leistungen zeigt (Abb. 3). Optimales Agroklima fttr eirte spezielle Pflanze stellt einert wohldefinierten einzigen Wert dar..rede kleinste Abweichung von diesem Optimalwert ergibt Minderungen der Pflanzenleistungen. In speziellen Diagrammen mit zwei oder drei D i m e n s i o n e n - - d e n Isokarpendiagrammen--liisst sich das A g r o k l i m a fiir eine Pflanzenart oder -Sorte darstellen (Abb.4).

Y

w

HOCHSTMOGLICNER ERTRAG OHNE SCH~DIGER A-

:3u_

OPTIMUM

/

',

BEREICNDER ANBAUWORDIG KEtT

IN. GROSSE

DES

i , - '

~ MAX.

KL]MAELEMENTS

Abb.3. Fl~ichenertrag als Funktion eines Klimaelementes (nach MITSCHERLICH,1954). y - - A ' ( 1 - - 1 0 - c x ) . l O ~kx~

e Wirkungsfaktor, k - Schiidigungsfaktor, A = theoretischer H6chstertrag bei fehlender Sch/idigung. Fig.3. Yield per unit of area as a function of a climatic factor (after MITSCHERUCH,1954). y -- A " (1--10-cx) • 10-kx~ c =- factor of the effect, k - factor of damage, A - theoretical maximum yield without damage. Translation of German terms: Ertrag je Fl/iche -- yield per unit of area; Gr6sse des Klimaelements -- measure of climatic factor; h~chstm(Sglicher Ertrag ohne Sch/idiger = maximum yield without damage; Rentabilitatsgrenze -- limit of earning capacity; Bereich der Anbauwfirdigkeit = range of growing ability. A~r. Meteorol., 3 (1966) 369-383

376

P. THRAN

l

:

.,.-

}

NIE DEI~ S C H L A G

Abb.4. lsokarpendiagramm. Die Linien gleichen Ertrages, die lsokarpen, bilden Ellipsen um den Optimumhereich. Fig.4. Isocarp diagram. Linesfor the same yield (isocarps) form ellipsesaround the optimum. Translation of German terms: Temperatur = temperature; Niederschlag = precipitation; Rentabilit/itsgrenze = limit of earning capacity. Selbstverst~indlich lassen sich aueh eine Reihe andere Darstetlungsarten oder auch Formeln finden, in denen"wirkungsbezogene"Wertangaben des Agroklimas wiedergegebenwerden. Man kann daher von ausgezeichnetem, gutem, mtissigem, schlechtem oder fehlendem Weizenklima sprechen und innerhalb eines weiten Raumes agroklimatische Unterschiede bez/.iglich einer Getreideart oder -Sorte feststellen. Innerhalb eines Gebietes mit optimalem Weizenklima wird im Laufe vieter 5ahre am haufigsten derjenige Witterungsverlauf beobachtet, bei dem in harmonischer (Jbereinstimmung mit der ungestOrten Entwicklung der Pflanze jeweils stets die W~irme, der Sonnenschein, der Niederschlag, die Verdunsttmg, ein K~ilteschock, eine Hitzewelle usw. zur rechten Zeit im rechten Ausmass dem Weizen dargeboten wird. Je mehr das Agroklima Abweichungen irgend eines oder auch mehrerer Elemente zu einem oder mehreren Zeitabschnitten zeigt, je unharmonischer der Witterungsverlauf gegeniiber der Pflanzenentwicklung erscheint, desto mehr muss eine Abwertung des Agroklimas erfolgen. (0brigens spielt dabei die Richtung der Abweichungen keine grosse Rolle. Durch besondere BewertungsgrOssen fiir einzelne Wachstumsabschnitte, fiir einzelne meteorologisehe Elemente, ftir manche Richtungen der Abweichungen lasst sich eine Verfeinerung der Aussageskala des speziellen Agroklimas herstellen. Dadurch trtigt man der Wetterernpfmdlichkeit einzelner Kulturpflanzenarten oder auch -Sorten Rechnung (siehe THRAN, 1952). Vergleiche von Leistungen verschiedener Pflanzensorten besitzen ohne Beziehung auf gleiches Agroklima keine echte Aussagekraft. Vergleiehe der Leisttmgen einer Sorte in verschiedenen Anbaugebieten gelingen ohne FeststeUung der Untersehiede des Agroklimas nicht (Abb.5). Derartige Agroklimate erfordern zu ihrer Festlegung jedoch siehere Angaben Agr. Meteorok, 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHEUNTERSCHIEDE UND GETREIDEANBAU

377

(a) des K l i m a s (b) der A b h / i n g i g k e i t s f u n k t i o n e n einer Pflanze beziiglich der m e t e o r o logischen Elemente. Diese Abh/ingigkeitsfunktionen sind n u r zu erhalten, wenn agrarstatistische Artgaben vorliegen. D a s ist bisher nicht i m m e r der Fall gewesen. Hier im Niederl~indischen G e t r e i d e z e n t r u m lassen sie sich a b e r einsamraeln. A u c h hierbei b e m e r k t m a n die Niitzlichkeit und N o t w e n d i g k e i t dieser Stiftung. N u n zu den T a t s a c h e n im Getreidebau Europas. In verhNtnism~issig klarer Weise grenzen sich Gebiete v o n e i n a n d e r ab, in denen zur H a u p t s a c h e entweder Roggen, Haler, Gerste u n d Weizen bzw. Reis o d e r K 0 r n e r m a i s z u m A n b a u gelangen (Abb.6). Roggen in der W i n t e r f o r m geh0rt im wesentlichen in die Gebiete mit d e m 0 b e r gang v o m m a r i t i m e n z u m kontinentalen Klima. K u r z e a b e r d o c h s o m m e r w a r m e Vegetationszeiten mit winterlicher T r o c k e n z e i t und S o m m e r r e g e n sowie mit Tagl~ingen tiber 131/2 S t u n d e n bei Oberschreiten der ÷ 5 ° G r e n z e bieten offenbar die besten A n b a u b e d i n g u n g e r t . A n d e r e G e t r e i d e a r t e n liefern zu geringe Ertr~ige bzw. unterliegen zu h o h e m Risiko d u r c h wirtterliche Verh~iltnisse und zu kurzer Vegetationszeit. Die A n z a h l der Tage mit T e m p e r a t u r m i t t e l n y o n > + 5 ° liegt in diesen R~iumen bei 120. Die R e g e n m e n g e n der Vegetationszeit sind nicht sehr h o c h (arides Klima).

Z LO I

=~

~TIMU M

~EREICH I"

LL

KLIMA SCHAOENSNAKTOR

KSF

Abb.5. Die Summe aller Schfidigungen durch klimatische Elemente, die nicht dem Optimum in den einzelnen Wachstumsabschnitten der Pflanze entsprechen, bildet den KSF. Dieser weist engen Zusammenhang mit dem F1/ichenertrag auf, wenn D/ingung and Pflege sowie Bodenart unver/indert bleibt. Sorte a in Klima 1 besser als Sorte b; im Klima 2 gleich aber unsicherer; im Klima 3 ist a schlechter als b. Oft wird die QualitS,t einer Sorte nur im Optimumbereich beurteilt. Fig.5. The factor KSF is formed by the sum of total damage caused by climatic factors. This factor shows a close relationship with the yield per unit of area in the case of unchanged manuring, growing practice and soil type. Variety a in climate 1 better as variety b. In climate 2 the same but uncertain. In climate 3 variety a worse than b. Often the quality of a variety is only judged within the range of optimum. Translation of German terms: F1/ichenertrag = yield per unit of area; Klimaschadensfaktor climate-damage factor; Optimumbereich = range of optimum; Agroklimate = agroclimates; Empfindlichkeitsbereich = range of sensibility.

Agr. MeteoroL, 3 (1966) 369-383

378

ot )

17

P. THRAN

.

.

.

.

_7-~.~" :9

8

5 20

- 7 . ~

P

/I

'JL----7 40 60 ~0 I00 120 140 NIEDERSCHLAGSMENGE JAHR IN CM

Abb.6. Verbreitungsareale der Getreidearten in einem Klima-Diagramm. Genaue Abgrenzungen sind nur in komplizierteren Diagrammen mOglich. Fig.6. Areas of distribution of cereal crops in one climate diagram. A detailed limination of these areas is only possible by more specifieddiagrams. Translation of German terms: Temperaturmittelwert = mean temperature; Niederschlagsmenge Jahr - total yearly precipitation; Mais = maize; Reis = rice; ausser Weizen auch Roggen besides wheat also rye; Roggen und Haler = rye and oates; Hafer :- oats; Weizen - wheat. Die Gerste braucht ebenfalls keine lange Vegetationszeit und innerhalb dieser Wachstumsspanne keine hohen Mitteltemperaturen..redoch mfissen mittagliche Temperaturen m~$glichst hoch liegen. Sie bentStigt hohen Lictttgenuss. Die Tagl~nge soll bei Beginn des Wachstums 15 Stunden fiberschreiten, sofern es sich um die Sommerform handelt. Wintergerste ist leichter an andere Klimabedingtmgen anzupassen. Vor allem gibt es bei ihr auch gute Kurztagssorten. Sie braucht genfigend Regenmengen, da sie zu den Getreidearten gehiSrt, die innerhalb der ktirzesten Zeit das Gewicht des Samenkoms im Verhiiltnis zum Gewicht gereifter K6rner am st~irksten vervielfacht. Der Hafer liebt regenreiche und sommerkfitde Gebiete. Seine beiden Unterarten verteilen sich auf Langtag- und Kurztagriiume. Obwohl er keine Winterfri$ste vertr~igt, beni$tigt die Hafersaat kurzzeitig schwache Fr/~ste um die Keimung zu beginnen. Der Weizen steltt hohe Anspriiehe an die W~irme und Lange der Vegetationszeit. An 165 Tagen muss die Temperatur fiber + 5 ° liegen. Genfigend Niederschlag muss fallen, um stiindigen Niihrstoffrtachschub aus dem Boden zu sichern. Obwohl Weizen hohe Mittagstemperaturen besonders zur Zeit der Komausbildung liebi, schadet ihm liingere Dfirre und Hitze sehr. Er muss nach dem Auflaufen etwas Frost erhalten, damit ~ihrentragende Halme schossen. Reis bentRigt viet Wasser und W~irme, wogegen der K6rnermais in seinem Wasserbedarf bedeutend niedriger liegt. Beide Pflanzen lieben den kurzen Tag bei Beginn der Vegetation. Die Mittagstemperaturen sollen fiber 25 ° ffir liingere Zeitspannen liegen.

Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHE UNTERSCHIEDE UND GETREIDEANBAU

379

Es stellte sich aber heraus, dass durch Massnahmen der Zfichtung und des Anbaues sowohl vergangener Zeiten als auch der letzten 100 Jahre eine Verwischung der genannten Grenzen erfolgte. Das Ziel der Ziichtung und die Erfordernisse der Wirtschaft sind auch heute noch darauf gerichtet, zu enge Grenzen der Arten- und Sortenverbreitung zu beseitigen, die durch 6kologische Gegebenheiten bestehen. Manche Rtickschl/ige mussten Zfichter und Landwirte hinnehmen, wenn der gar nicht passende Witterungsverlauf zu Missernten ftihrte. Nicht immer begriffen die Betroffenen, dass "kein Lebewesen ungestraft seinen heimatlichen Klimabezirk verlassen kann', wie K6PPEN(1931) lehrte. Sollen derartige Unternehmungen gliicken oder aber in vern6nftigen Massen vorgenommen werden, so sind subtile Kenntnisse der Klimaeigenarten Europas erforderlich. Hierbei kommt es besonders auf die "wirksamen" Klimaelemente und die "kritischen" Schwellwerte bezfiglich der Kulturpflanzen an.

Die Eigentiimlichkeiten des Klimas in Europa leiten sich aus der Breitenlage des Kontirtentes und der F o r m ab, sowie aus den umgebendert Meeresfl~ichen. Die in jeder Jahreszeit verschieden gerichtete und starke Windzirkulation transportiert Wasserdampf auf das Festlartd. Verschieden temperierte Luftmassen beherrschen zeitweise das Wetter einzelner Landschaften. Die Niederschlagsmengen erreichen in Kiistenn~ihe die h6chsten Werte mit iiber 1000 m m im Jahr. lnmitten des russischen Gebietes fallen rmr 500 600 mm. Dazwischen gibt es zahlreiche Oberg~inge (THRAN und BROEKHUIZEN, 1965, Karte 313). Die mittlerert Jahrestemperaturen erreichen natiirlich im Norden viel geringere Werte als im Siiden, jedoch k o m m t es mehr auf die Temperaturen w~ihrend der Wachstumszeit an (THRAN und BROEKHUIZEN, 1965, Karten 101-112, 168). Im Norden Europas betr~igt die Temperatursumme der 6 Wachstumsmonate 70'-Einheiten--also etwa 11.5 ° Mitteltemperatur--, in Mitteldeutschland 100 °Einheiten in 7 Monaten (12.8"). In Westfrankreich 130°-Einheiten in 10 Monaten (13.0°). In Westrussland 100°-Einheiten in 7 Monaten (12.8~3. In lrland 120 c in 11 Monaten (11.0:); in der Po-Ebene 150 ° bei 9 Monaten (15.5°). Bei der Berticksichtigung der Tagl~ingen und der "W~irme'w~ihrend der Anwesenheit von Licht" ergibt sich kaum eine Benachteiligung beziiglich der Energiezufuhr in den n6rdlichen Zonen. Dort assimilieren Pflanzen an fast 20 Tagesstunden (THRAN und BROEKHUIZEN, 1965, Karte 180). Die kiihlsten Vegetationszeiten befinden sich im Nordwesten Europas, die w~irmsten im Mittelmeer im Bereich der Po-Ebene. Im Winter sinken die Temperaturen um so tiefer ab, je welter das Gebiet im Osten liegt. Der Wirtter ist um so milder, je welter die Landschaft sich im Siidwesten befindet. Frost an einzelnen Zeitabschnitten gibt es jedoch fast fiberall in Europa (THRANund BROEKHUIZEN, 1965, Karte 166, 167). Im Sommer kommen Tagesh6chstwerte der Temperatur im Mittelmeergebiet bis zu 40 ~ vor; 30 ° gibt es stidlich der Ki~stenlinie Nordfrankreichs bis nach dem Baltikum him allerdings mit Aussparungen in Norddeutschland und Jtitland. In Mittelschweden und in Stidostengland finden sich abet auch derartig sommerwarme Landschaften. Die Zeitabschnitte mit der grOssten Niederschlagsmenge sind nicht einheitlich. Im Frtihsommer fallen 80-100 m m auf dem n6rdlichen Balkan und irt Siidrussland.

Agr. Meteorol., 3 (1966)369-383

380

P. THRAN

Der Juli bringt mit 80-90 mm dem mittleren Russland, Polen und Deutschland die h~zhsten Regenmengen. An den Kiisten Europas regnet es am meisten im Herbst und Winter. Ausnahmen gibt es im Nordosten Frankreichs. Dort ist der Juni, im Siidosten das Friihjahr am regenreichsten. Sehr unangenehm wirkt sich in den Niederlanden, Jiitland und Ostpreussen die Regenzeit im August aus. Dort steht dann die Weizenernte an. Auch in Schweden und Finland f~illt der meiste Regen im August, jedoch an weniger Regentagen und mit geringeren Mengen. Die regeniirmsten Zeiten treten aUgemein von bestimmtem Kiistenabstand an im Winter auf. Die sommerliche Trockenzeit priigt das Klima im Mittelmeer, Spanien und Siid- sowie Westfrankreich. Ein trockenes Friihjahr verzeichnen die Britischen Inseln, Nordfrankreich, die Niededande, Nordwestdeutschland, JiJtland, SiJdschweden und Norwegen (THRANund BROEKHUIZEN,1965, Karten 502-506). Die Vielfalt der einzelnen Klimate ist je Fl~icheneinheit am gr~Ssstenin den Kiistenzonen. Ab etwa 500 km landeinw~irts nimmt das Klima eine grOssere Uniformitat an. Die Ostsee wirkt'dabei jedoch wie eine grosse Meeresfl~iche ebenfalls variierend auf die Umgebung. Nun kommt es bei den Beurteilungen der Anbauwiirdigkeit fiir einzelne Getreidearten oder -Sorten auf die besondere Beachtung der Einflusskr~ifte einzelner klimatisober Elemente oder Klimakombinationen an--also auf das allgemeine Agroklima. Die Eigenart eines Agroklimagebietes l~isst sich dutch einige Zahlenangaben beschreiben. Jedes der vielen Agroklimagebiete kann mit Klassenziffern beziiglich der Eignung fiir den Anbau einer speziellen Pflanze versehen werden. Die Unterschiede einzelner Gebiete stellen sich dann als Differenzen der Klassenziffern dar (bzw. als Quersumme der Unterklassendifferenzen). Dabei braucht man nicht auf den klimatisch gegebenen Witterungsverlauf in der Vegetationszeit zu verzichten. Es gibt M/Sgliehkeiten, die Wittenmgsabweichungen einzelner Zeitabschaitte zwischen mehreren Landschaften in Zahlen festzulegen (TrmAN und BROEKnUtZEN, 1965, S.12, 13). So vermag ein Ziichter abzusch~itzen, in welchem der zahlreichen AgroklimaUnterprovinzen er mit seiner Sorte Erfolg haben kann. Obrigens zeigt es sich auch, dass offenbar eine Anzahl von Eigenarten bisheriger Ziichtungen mit dem speziellen Agroklima des Zuchtstandortes zusammenhangt. Ein bedeutendes Problem stellt die Frage der "tlkologischen Streubreite" dar. Von zwei Faktoren hiingt das Verbreitungsareal einer Sorte ab: (a) Von der Empfindlichkeit einer Pflanze gegeniiber den Wittenmgseinfliissen. Dabei kommt es auf die Abst~nde der Letalpunkte bzw. wirtschaftlieh tragbaren Miaimumpunkte in dem Ptmktionsdiagramm bzw. Isokarpendiagramm voneinander an. Sten/Szische Pttanzen haben geringen Abstand der beiden Kardinalpunkte und eine steile Parabelkurve zwischen ihnen; Eury/Szische Sorten besitzen weit voneinander liegende Kardinalpunkte; (b) Von der Dichte klimatischer Unterschiede innerhalb eines Raumes. In Gebieten Europas, die auk"kurze Streeken vide Linien gleicher um einen Einheits-

Agr. MeteoroL, 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHEUNTERSCHIEDE UND GETREIDEANBAU

381

schritt voneinartder abweichertder meteorologischer Elemente aufweisen, wird auch eine eury6zische der Witterung gegeafiber unempfindliche Sorte kein grosses Areal einnehmen k6rmen. Andererseits vermag eine stert6zische Sorte weite Verbreitungsareale zu besiedeln, wenn eine grossftachige Lartdschaft mit nur sehr geringen Unterschieden des Agrokfimas ihr zur Verffigung steht (Abb.7). Die gr6ssten Probleme stellen sich dem Getreidezfichter, der im eigerten Klimabereich Sorten f~ir fremde Klimagebiete herzustellen beabsichtigt. Er muss etwas fiber die Abwandlungen des Phanotyps einer Sorte in anderen Tagl~ngenund Agroklimabereichen wissen, damit er bei Selektionen die richtigen F o r m e n ausliest. Auch Abwandlungen im Entwicklungstempo k o m m e n vor, die bekannt sein mfissen. Sehr zu beachten sind die irt den einzelnen Agroklimar~iumen verschieden auftretenden H~iufigkeitsverteilungen der agroklimatischen Elemente. Mit Hilfe statistischer Argumertte ffir die Streuung, Amplitude, Schiefe und so weiter lassen sich Urteile fiber das Ausmass der Belastung ftir eine Pflartze angebert. Die "(3kovalenz" einer Sorte muss u m so gr6sser ausgelegt seirt, je st~irker die Werte eines oder mehrerer Agroklimaelemente um das rechnerische Mittel oder den h~ufigsten Betrag schwanken. Vor allem k o m m t es auf die H~iufigkeit des Auftretens von gef~ihrlichen Wetterepisoden wie Kahlfr6ste, Hitzest6sse, Stfirme, Hagelschlage, Dfirrezeiten und Starkregenperioden an. In j e d e m der Agroklimagebiete gibt es deutliche Unterschiede derartiger Unwetterereigrtisse. Allerdings bestehen auch Unterschiede in der H~iufigkeit des Auftretens von

~ 15° mz

~

9 E

mc~ ©:z

m ,~

~

o

o~ 3o

UrgTE~tSC~rEDLICHKEIT

DES

KLIMAS/KM 2

Abb.7. Die Gr6sse des geographischen Verbreitungsareals einer Sorte hfingt nicht nur von der Klima-Empfindlichkeit tier Sorte ab, sondern auch yon der Unterschiedlichkeit des Agroklimas innerhalb einer Fl~icheneinheit. Fig.7. The magnitude of areal distribution of a variety not only depends on itslsensibility for a special climate but also on the measure of distinction of the agroclimate per unit of area. Translation of German terms: 6kologische Empfindlichkeit (Abstand zwischen zwei Kardinalpunkten) -- ecological sensibility (distance between two cardinal points); Unterschiedlichkeit des Klimas -- measure of distinction of climates; Gr6sse des Verbreitungsareals -- magnitude of areal distribution; gross/hoch = high; mittel = medium; gering -- low.

Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

382

P. THRAN

niitzlichen Wetterereignissen: Zeitabschnitte mit optimalen Verdunstungswerten bei feuchtem und warmem Boden, mit fOrderlichem Wetter zum Bliihen, Reifen und zur Ernte. Es gibt noch viele Untcrschiede im Agroklima Europas, die zu einer Ungteichheit in den Anbaumethoden und Erfordernissen der Pflege sowie des Pttanzen~hutzes fiihren. Man braucht nur an die verschieden grossen Aufwendungen fiir die Bereitung des Saatbettes, fiir die Aussaat und fiir die Friihjahrspflege zu denken. Es kann auf Unterschiede hingewiesen werden, die bei der Sorgfalt des Einhattens yon Terminen bei allen Diinge- und Pflanzenschutzmassnahmen in eirtzelnen Gebieten auftreten. Im allgemeinert braucht ein Landwirt um so weniger sorgf/iltig und fachgerecht vorzugehen, je mehr das Agroklima eines Gebietes dena Optimum der betreffenden Art oder Sorte entspricht. Dann nimmt einmal der Aufwand fiJr die Arbeitsverrichtung nur einen kleinen Anteil an dem bereinigten Rohertrag ein--der Anbau wird rentabler--, zum anderen wirken sich Fehler in der Bearbeitung trod Pftege kaum ertragsmindernd aus. In Gebieten mit nicht so richtig passendem Agroklima liegen die Ertr/ige bei gleichen oder sogar hOheren Arbeitsunkosten niedriger, die Rentabilit~it ist fraglich. Jeder Fehtet bei der Pflege r~icht sich dann. Sehr wesentlich sind auch Unterschiede zwischen einzelnen Agroklimatert beziiglich der Unterstiitzung einzelner ertragsbildender Faktoren. In einigen Klimagebieten kommt es ohne weiteres zur Bildung einer hohen Pflanzenzahl je Fl~iche, in anderen gelingt die Bildung ahrentragender Halme besser, oder dutch besondere Witterungsvorg~inge zur rechten Zeit entstehen stets lange gut mit Bliit'chen besetzte ~hren. Die Befruchtung macht irgendwo weniger Schwierigkeiten. Letale Reduktionen am Kornansatz nach der Blfite kommen weniger vor und in manchen Gebieten entsteht ein hohes Korngewicht. Es gibt zahlreiche Landschaften, in denen l~ingst nicht alle diese Ertragsfaktoren begiinstigt durch Witterungsereignisse v611ig zufriedenstellend verlaufen. Die vollkommene Aussch6pfung des Ertragspotentiales findet nur an wertigen Standorten start. Viele Agroklimaprovinzen bieten nur einem Teil der einzelnen Entwicklungsstufen des Getreides die benOtigten Witterungswerte. Der Pflanzenziichter muss auf diese Urtterschiede RiJcksicht nehmen, wenrt er seine Sorte zu Ansehen in einzelnen Landschaften bringen will. Er wird um Versuchsfelder in mehreren unterschiedlichen Agroklimaten nicht herumkommen. Der praktische Landwirt muss sich beziiglich der Sortenauswahl und der Pflegemethode beraten lassen. Vor allem bei den modernen Hilfsmitteln der Landwirtschaft (Feldberegnung, Frostschutz, Bodenbeheizung, Blattdiingung und Hormongaben) darf er allgemeine Erfahrungen nut tibernehmen, wenn die Sonderheiten des einzelnen Agroklimas in ihren Wirkungen auf die besonderen Massnahmen bekannt sind. Es muss somit bei zahlreichen Versuchsfeldern und bei Beratungseinheiten in den verschiedenen Landschaftsr~iumen bleiben. Natiirlich fiihten wir uns wegen der Folgen der Verschiedenheit zahlreicher Agroklimagebiete bedriiekt. Abet die Mannigfaltigkeit bietet doch Vorteile ftir den Markt. Jeder Einzelwunsch l~isst sich befriedigen. Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383

AGROKLIMATISCHE UNTERSCHIEDE UND GETREIDEANBAU

383

Auch die grosse Unbest/indigkeit der agroklimatischen Elemente im Laufe vieler Jahre hat nicht nur Nachteile. Ohne die st~indigen Schwankungen der Umweltbedingungen g~ibe es keine Widerstandskraft der Pflanzen gegen extreme Ereignisse. Diese Eigenart der atmosph/irischen Umwelt fiihrte bisher zu den Naturselektionen von Landsorten und besonderen Unterarten. Was bisher die Natur tat--von uns nicht verstanden--werden wit in Zukunft durch wissenschaftliche Methoden fortftihren, wobei wir die Wirkungen des Klimas auf die Pflanzen jedoch begreifen miissen. Wir stehen erst am Anfang der agrarklimatischen Forschung. Wir ahnen erst die M6glichkeiten, durch Betrachtung der Wirkungen des Klimas auf Kulturpflanzen der Landwirtschaft helfen zu k6nnen. Viele Wissenschaftler werden sich in Zukunft mit diesen Problemen besch/iftigen miissen. Es wird gut sein, wenn diese Arbeit von vielen Gesichtspunkten aus angegangen wird. Aber ganz sicher muss ein st/indiger Gedankenaustausch stattfinden an einer geeigneten Stelle. Hier nun in dieser "stirtung Niederl/indisches Getreidezentrum" besteht der Oft des vergleichenden Zusammenlegens. Von hier aus gingen schon viele Anregungen aus. Von diesen M~innern, die die "Souver~tnit~it der Initiative" auf ihr Partier schrieben, land eine Anfeuerung der einzelnen Wissenschaftler statt. Viele einzelne Frtichte zeigen sich bereits. Das Ziel ist ebenfalls erkennbar, allerdings auch die Weite des noch vor uns liegenden Weges.

DANKSAGUNG

Ich habe zu danken Herrn Feekes, der mit unb/indigem Optimismus und freundlicher Gewalt mich an die Arbeit stellte und mir den Idealismus einfl0sste. Herrn Broekhuizen danke ich ganz besonders fiir die ausserordentliche Mtihe und Sorgfalt bei allen unseren Arbeiten. Ohne ihn w/ire der nun vor uns liegende Agro-Climatic Atlas of Europenicht zustande gekommen. Ausser Herrn von Rosenstiehl und Herrn Rtitgers gibt es noch zahlreiche andere Menschen, die ihre Arbeit in dieser Angelegenheit freudig zur Verftigung stellten. Ich nenne vor allem Herrn Erich Liebmann. Vor Ihnen allen verbeuge ich mich mit ehrlich empfunnedem Dank und in Hochachtung vor ihrem Wirken.

LITERATUR

BOGOUSLAWSKI,E. V. und SCHNEIDER,B., 1962. Die dritte Ann~iherung des Ertragsgesetzes. 1. Mitteilung. Z. Acker Pflanzenbau, 114 (3) : 221-236. KOPPEN, W., 1931. Grundriss der Klimakunde. Walter de Gruyter, Berlin, 388 S. MITSCHERLICH, E. A., 1954. Bodenkunde fiir Landwirte, Forstwirte und Gdrtner. Paul Parey, Berlin, 173 S. THRAN, P., 1952. Kurze Erkl~irung der Wetter-Ertragsrechnung. Ber. Deut. Wetterdienstes U.S.Zone, 32 : 99-101. THRAN, P. and BROEKHUIZEN,S. (Editors), 1965. Affro-climatic Atlas of Europe. PUDOC, Wageningen/Elsevier, Amsterdam, 294 pp.

Agr. Meteorol., 3 (1966) 369-383