(Aus dem Botanischen Institut der Universitat Kiel)
Ober den Geotropismus der Sphagnen Von
Rule von Bismarck Mit 32 Abbildungen im Text (Eingegangen am 1. April 1959)
Einleitung und Methodisches Beobachtungcn tiber den Gcotropismus der Sphagnen wurden bisher nur beilaufig und zu Untersuchungen von Einzelfragen angestellt, so daB es zur Zeit an einer tTbersicht tiber die geotropischen und sonstigen tropistischen Reaktionen dieser Moosgruppe fehlen diirfte. Dieser Mangel wird insbesondere fiihlbar, wenn man die WachstumsYCrhaltnisse der Sphagnen als Torfbildner der Hochmoore studiert. Das Ausbreitungsvermogen gewisser Sphagnumrasen, die Wiederaufrichtung gelagerter Stammchen, die Unterschiede zwischen aufrechten und horizontalen Stammchenabschnitten, das Verhalten in Bult und Schlenken, auch die Strukturcn verschiedener Torfarten - das alles hangt mit den geotropischen Fahigkeitcn der Sphagnumarten zusammrn nnd lirB weiterr Untersuchungen angezeigt erscheinen. Aus den sparlichen Befunden in der vorliegenden Literatur geht nur hervor, daB nach PETSCHOW (1933) die Sphagnen rin negativ geotropisches Empfindungsvermogen besitzen und in den Kriimmungszoncn ,Statolithenstarke" aufweisen. GYORFFY (1954) glaubte nachweisrn zu konnen, daB die Pseudopodien dieser Moose nicht geotropisch, sondern nur phototropisch reagieren. In den Untersuchungen von 0YERBECK und HAPPACH (1957) wird sowohl der orthotrope Wuchs der Sphagnumpolster als auch die Fahigkeit der Wiederaufrichtung gelagerter Sphagnumpflanzen auf die Wirkung des negativen Geotropismus zuriickgefiihrt. Zur Ermittlung des tropistischen Gesamtverhaltens der Sphagnen muBten auBer geotropischen Versuchen auch noch weitere tropistische Erscheinungen, wie Photo- und Elektrotropismus, sowie Beobachtungen tiber die gesamte Lcbensweise der Pflanzen mit einbezogen werden, da alle dirse Vorgangr in einem engen inneren Zusammenhang stehen.
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!3rs~LIRCK
Die Versuehe wurden Yon Oktober 1954- bis Miirz 1B58 ausgefiihrt. lias Versuchsmaterial stammte hauptsiichlich aus dem Kaltenhofer Moor (11 km nordwestlich von Kiel) und aus dem Moor bei Rotenhahn (10 km siidlich
von Kiel). Als Hauptversuchspflanze diente 8phaqnum riparium - das nur an einem Pinzigen Standort im Kaltenhofer :Moor vorkommt, - wei! es sich sehr bald herausstellte, daB dieses das srhnellwiichsigste, stiimmigste und reaktionsfreudigste ~ioos war. Um aber einen t'berblick auch iiber das tropistische Verhalten der hiiufigeren Sphagnumarten zu gewinnen, wurden noch folgende Arten zu Vergleichen mit herangezogen (System nach P.\SCHER, SiiBwasserflora Mitteleuropas): Aus der Cymbifolia-Gruppe: Sphagnum palustre L.; 1, 2 / 8. papillosum .LT~DB.; 1, 2 I 8. magellanicum Bmn.; 1. Aus der Acutifolia-Gruppe· Sphagnum fimbrirdum WrLs.; 1, 2 1 8. rubellum WILs.; 1 1 8. rJcutifolium ERir.: 1, I (8. plumosum RriLL; 1) I (8. fuscum v. KLI~GG.; 3) . . \us der Squarrosa-Gruppe: Sphagn urn squa rrosum PERS.; l 2 / (8. teres A~GsTROnJ; 1 ). Aus der Cuspidata-Gruppe: Sphagnum ripari11m AxGSTRODI; 1 I 8. recurvum var. mucronatum W.IRST.; 1 I 8. CUS)Jidatum Enn. fo. plumos1mt Bn. eur.: 1 I (8. pulchrum WARNST.; 4 I 8. molluscum Bnt:CH.; 1). Aus der 8ubsecunda-Gruppe: Sphagnum subsecundum :\E~s.: 1 j (.'!. crmt(Jrfum i'cHn.z: +). Aus der Rigida-Gruppe: (Sphaguum com pactum DE C.I~DOLLE; 4). (1 = Kaltenhofer :Moor, 2 = :Moor bei RotPnhahn, 3 = Dosenmoor bei Einfehl, + = Wennbecker Moor.) Die eingeklammerten A.rten wnrden nur beiliiufig mit beobachtet, ohne dal5 systematische Messungen erfolgten. Die Versuchspflanzen wurden in GlasgefiiBen oder in Celluloidbehiiltern in Kultur gehalten und laufend mit frisch em Moorwasser versorgt so daB der pH-Wert des Kulturmediums den natiirlichen Bedingungen weitgehend entsprach und nur sehr geringen Schwankungen unterlag.
Den tropistischen Yersuchen muBten zunachst Wachstumsbeobachtungen und -messungen vorangehen, da tropistische Reaktionen fast immer mit Wachstumsvorgiingen verkni.ipft sind.
A. Das Sphagnumstammchen 1) I. Geotropismus 1. \Vachstumsmessnngen
Von OvERBECK und HAPPACH (1957) liegen bereits eingehende Untersuchungen iiber Gesamtzuwachs und Umwelteinfliisse vor. Daher wurden hier nur Messungen der zonalen Verteilung des Liingemvachstums der 1) Das zum Stiimmchen gehorige Pseudopodium wird an anderer Stelle behandelt (vgl. Abschnitt B, S. 66).
Gbrr den Geotropismus der Sphagnen
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Sphagnumstammchen vorgenommen, urn so die Lage der Wachstumszonen mit der der tropistischen Kriimmungen vergleichen zu konnen. Mit Hilfe feiner RuB-Vaseline-Markierungen wurden mit dem Horizontalmikroskop tiiglich die Liingenanderungrn drr Stammchen gemessen.
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1.11. Zeit in Tagen
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Abb. 1. :Zuwachs und Streekungszone einer S. n:parium-Pflanze. Versuehsraum mit Tagrslicht (20° C). Zuwachs in 14 Tagen = 3,05 em (pro Tag 2,16 mm). Die Kurven 1-14 geben die AbstiindP der l\farkiernngen an.
Bei S. riparium ergab sich pro Tag ein durchschnittlicher Zuwachs von 0,21 ctn, gemessen in der Zeit vom 25. 10. bis 8. 11. 195--!, wobri die Strekkungszonen den Abschnitt von etwa 0,4 bis 2 em unter dem Vegetationskegel umfaBte (Abb. 1). Die Messungen erfolgten im Versuchsraum bei Tageslicht. Ein analoges apikales Wachstum lag auch bei allen anderen untersuchten Sphagnumarten mit Zuwachsschwankungen zwischen 0,21 und 0,015 em pro Tag vor.
Rt:LE \'OX ll!RM.\RCK
2. Die geotropische Krtimmung )Jit den einfachsten Versuchsanordnungen - Inversstellung und Horizontallagerung der Pflanzen - wurde zuerst das VerhiiJtnis zwischen Wachstum und geotropischer Aufkrilmmung zeitlich bcstimmt. Bei geotropischer Reizung im Tageslichtraum durch Inversstellung - Aufhangung am basalen Teil - reagierten alle Pflanzen erwartungsgemiil3 mit einer Aufkri.immung urn 180°. jedoch zeitlich recht verschieden zwischen 2-3 unrl 1-l Tagen. und zwar nach allen Richtungen, ohne Anzcichen einer Wen dung zum jeweiligen Lichteinfall hin. Da die einzelnen Arten sehr unterschiedliche Wuchsfreudigkeit besa13en, erklaren sich hieraus die Zeitunter6lasscheibe schiedc in der Aufkrilmmung. Yon der Ausarbeitung bcDurchlocherte sonderer Vergleichskurven Glas\nude abgesehen. l
Uber den Geotropismus der Sphagnen
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Da eine storende phototropi- S riparium Zuwachs' 1,4 em in 7Tagen sche Beeinflussung bei diesen Ver- Zeit der Aufkrummung' 2 Tage suchen nicht eintrat (vgl. hieriiber 19H4.J S. 64), konnte das Leuchtstoffrohrenaggregat von 8 bis 20 Uhr 5cm cingeschaltet werden (300 Lux in Hiihe der Versuchspflanzen, vgl. OvERBECK und HAPPACH 1g57). Diese Anordnung entspricht den 5cm natiirlichen Lebensbedingungen drr S.l"ffcurvum Sphagnen am besten. Die eintretenden Aufkriim- Zuw.,1em in 7Tg. Zt. d. Aufkr.' 4 Tg. rnungen wurden auf einer optischen _...:.----<~ Bank in bestimmten Zeitabstan0 den mit einer Leica registriert und S. fimbria/urn mittels Vergr613erungsapparat unter Zuw.: 0,35 em tn 7Tg. 26.4. Nachzeichnung graphisch ausge- ZtdA~ ~2.4. 20.4. 19.4.fA) \vertet. ·o 5cm Die Versuche ergaben, daB die Spalustre Aufkriimmung urn goo zeitlich proZuw.' 0, 7 em in 20 Tg. portional der Wachstumsgeschwin- Zt. d. Aufk.' ca 10 Tg. digkeit verlauft, d. h., je gro13er der Zuwachs in der Zeiteinheit ist 0 5cm urn so schneller geht auch die Auf5. magellanicum kriimmung vor sich. Ein Vergleich Zuw.• O,lem in 19 Tagen der in Abb. 3 dargestrllten Einzrl- Zt. d. Au{I<.' ca;..1;:.3Ti:Jg:..----==-C:::...£,26.4. 22.4. brispiele zeigt dies ganz sinnfallig: ,C...-,.---r---.---,-----....!1::::9.1dAJ das schnellwiichsige Moos S. ripa0 5~ rium, mit einem Zuwachs von 1,4 em s. rubellum in 7 Tagen, kriimmt sich urn gor Zuw., 0,4cm m 26Tg. 16.5 schon in 2 Tagen auf, wiihrend bri ZtdAufk, ...' 0_ 1_4 _rg_._ _ _ _ _9. 5"'{· 2l4. 3o.•. dem langsam wachsenden S. rubeltHfAJ 0 · 5cm lum in 26 Tagen nur ein Zuwachs von 0,4 em und eine Aufkriimmung fAJ=Ausgangstage urn goo erst nach etwa 14 Tagen Abb. 3. Verlauf der geotropischen Kriimmungskurven. zu beobachten war. Die Tabelle 1 cnthalt cine iibersichtliche Zusammenstellung dieser Beobachtungsergebnisse. Der dieser Tabelle zugrundc gelegte zehntagige Zuwachs ist aus den Durchschnittswerten wiihrend drr Yersuchszeiten berechnet.
RULE VON BISM~\RCK
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Tahelle 1
8. 8. 8. 8. 8. 8. 8.
riparium. squarrosum. I"PCUI'V1!m h:mbriatum. palustre magellanicum rubellum
Aufkriimmungszeit um 90°
Zahl der Versuehspflanzen
Sphagnumarten
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1-2 2-3 3-4 4-5 bis 10 bis 13 bis 14
8 12 8 8 10 10 14
Tage Tage Tage Tage Tage Tage Tage
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Zeit der Versuehe (1954)
19. 4.-26. 26. 4.- 3. 19. 4.-26. 19. 4.-26. 19. 4.-16. 19. 4.-16. 19. 4.-16.
Durehsehn. Zuwaehs in 10 Tagen
4. 5. 4. 4. 5. 5. 5.
2,00 1,85 1,43 0,50 0,35 0,37 0,15
em em em em em em em
Die Abb. -! zeigt schlieBlich eine graphische Darstellung der gleichen Versuchsresultate in Gegeniiberstellung von Zuwachs und Aufkriimmungscm zeit en, wobei der zehntagige 2 .... Z1machs in gleicher Weise \ lwrechnet wurde. ' Diese Beobachtungen \ ergaben deutlich die Ab\ hangigkeit der geotropis 1 \ selwn Aufkriimmungszeiten \ \ nm der W achstumsgeschwindigkeit der einzelnen Sphagnumarten. Tm iibrigen ist festzuSrip. Ssqua. S rec. stellen, daB der geotropische 0.,.. Tage Kriimmungsverlauf bei den § 14 Sphagnen, ebenso wie es g"'u :3 im allgemeinen beim SproB E 10 , -~... 8 der hi:ihPren Pflanzen der ,, ~ 6 Fall ist, sich nur auf die '"'<: .. 4 wachstumsfahigen Zellen ~ i!. rler kurzen Streckungszone ~ beschrankt, die 0,2 bis 2 em Snp. Ssqua. S.rec. S.F1m. S.magl. S.pal. S.rub. nnterhalb des VegetationsAbb. 4. Vergleich zwischen Znwachs und geotropischen Aufkriimmungszeiten bei Yerschiedenen kegPls liegen. Die Kiirze Sphag-numarten. der W achstumszone hat zur Folge, daB die .KriimmnngPn sich in einem nrhaltnismaBig scharfen Knick vollziehen. Da es sich hier, wie bei den hi:iheren Pflanzen, um Wachstumskriimmungen hanrlelt, sind die geotropischen Kriimmungen irreversibel abgesehen von dem Ausgleich leichter Uberkriimmungsbewegungen, die auch bei den Sphagnen auftrPten ki:innen (siehe z. B. die raschwiichsigen Arten S. ripan:um, S. squraro.~um in Abb. ~). BPi riner rrnenten Horizontallagrrung
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tTber den Geotropismu~ der Sphagnen
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ist die Streckungszone bereits weiter nach oben, dem Vegetationskegel im gleichmaJ3igen Abstand folgcnd, verschoben und bildet daher tiber dem ersten Knick wieder einen neuen aus. 3. Reitcrgewichtsversnche lrberraschend und bemerkcmwert ist die betrachtliche Druckwirkung, die von den zarten Sphagnumpflanzchcn entwickelt werden kann, wenn bei ihrer geotropischen Aufkriimmung ein mechanischer Widerstand zu uberwinden ist. Das geht zuniichst a us Versuchen hervor, bei denen horizontal liegenden, an der Basis fixiertrn S. riparium-Stammchen hinter a dem Kopfchen das Gewicht cines aus Aluminium, Messing oder Bleil) gefertigten Reitcrs aufgelegt wurde (Abb. 5). Die in Abb. 6 dargestellte Kurve zeigt das Ergebnis dieser Reiterversuche. Hiernach liegt b die kritische Belastungsgrenze bei etwa 3,5 g. Die Aufkriimmung urn 90° wird durch die jrweiligen Belastungen erhcblich verzogert und erfordcrt schlieJ3lich bri der Grenzbelastung von 3,5 g einen Zeitranm von 12 Tagen. Ermittlungcn iiber das VPrhaltnis Eigengewicht (nnr des sich krummenden Pflanzenabschnittes) zur Hubkraft ergaben. Abb. 5. Schematische Darstellung der ReiterdaB die Pflanzen bPi der gro- gewichtsversuche. a) Aufsetzen des Reitergewichtes. b) Das Reitergewicht wird bei tropischen Aufkriimmung im- der geotropischen Kriimmung mit hochstande sind, etwa das Drei- his gehoben. c) Das Reitergewicht ist zu schwer, erst das Gewicht, Vierfache ihres Eigengewichtes die Pflanzeehedurchwachst sie sich aufkriimmt. hochzuheben. 1) Die Bleigewichte wurrlen mit einer Celluloidschicht iiberzogen da die sich bildenrlen Blt'iionen das Wachstum der Sphagnen stark beeintriirhtigen.
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RULE VON BISMARCK
Dicse Fahigkeit der Sphagnumpflanzen, verhaltnismii13ig groBe Lasten oder Hindernisse zu iiberwinden, die in der Natur durch auffallendcs Laub, Auflagerung andercr oder auch abgestorbencr Pflanzen cntstehen konncn, diirfte fur ihre Massenausbreitung und auch fiir ihr bedeutendes Transgressionswachstum - das von OvERBECK und HAPPACH 1g57 untersucht worden ist - von Bedeutung sein. Da in einem natiirlichen Sphagnumbestand die Pflanzen im dichten Verbande wachsen (bei 8. riparium etwa 110-120 Pflanzen pro 100 cm 2 ), so kann ein einheitIiches Moospolster doch bcachtliche I Geotrope Aufl
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Es handelt sich hierbei wahrscheinlich urn ganz ahnliche Verhaltnisse, wie sie in den Untersuchungen von OvERBECK (1926) und TABOR (1936) beobachtet und als ,Schnellkriimmungen" bezeichnet wurden, obwohl die fiir diese Schnellkriimmungen geforderte starre Fixierung in geotropischer Reizlage bei den Sphagnumstiimmchen nicht mi:iglich war. 4. U n tersuch ung zur Sta toli then theorie Ein immer noch diskutierter Deutungsversuch zur Aufnahme des tropistischen Schwerereizes stellt die Statolithentheorie von ~EMEC und HABEHLANDT (1900) dar. Auch iiber geotropische Reaktionen bei Moosen im Zusammenhang mit dem Auftreten von Statolithenstarke liegen bereits Beobachtungen und Untersuchungen von v. GuTTENBERG (1920) und insbesondere von seinem Schiller PETSCHOW (1933) YOr. Die Arbeit von PETSCHOW enthalt eine tabellarische Ubersicht iiber zahlreiche, geotropisch reagierende Bryophyten, bei denen im Gametophyten und Sporophyten einseitig gelagerte und umlagerungsfahige Statolithenstiirke festgestellt wurde. Nach PETscnow reagieren seine vier untersuchten Sphagnumarten (S. obtusum, 8. cymbifolium, S. cuspidat~tm, S. subnitens) negativ geotropisch und besitzen Statolithen in einer apikal gelegenen zentralen Zone des Stammchens. a) Statolithenzonen In allen untersuchten Sphagnumarten konnten statolitheniihnliche Gebilde in Form von gri:i/3eren Stiirkeeinlagerungen in den Plastidcn bestimmter Zellcn nachgewiesen werden. Methode: Die Pflanzen wurden nach BomN und ALLEX 24 Stunden fixiert, anschlieBend in 70proz. Alkohol ausgewaschen und iiber 60proz. und 30proz. Alkoholstufen in aqua dest. iiberfiihrt. Danach wurden Handschnitte hergestellt und unter dem Mikroskop mit einer Jodjodkaliliisung gefarbt, in Jodglyzerin eingebettet und mit Vaseline umrandet. So behandelte Praparatc waren bis zu 4 \Vochen gut haltbar. \V eitere Farbeversuche durch Aufhellung und Quellung der Starkekiirner durch X atriumsalizylat oder Chloralhydrat mit anschliel.lender J odjodkalifiirbung oder Fiirbung mit Chlorzinkjod fiihrten zu den gleichen Ergebnissen.
Untersuchungsergebnissc: Bei allen untersuchten Sphagncn tritt kurz unter dcm Vegetationskcgel im Abstand von durchschnittlich 0,5-2 em cine oft his zum Beginn des diinnwandigcn, farbloscn Markgewebes rcichende zentrale zylindrische Zone auf, die sich glcich cinem Zentralstrang durch die Streckungszone zieht, aber weder apikal- noch basalwarts ilber dicse hinausragt (Abb. 7).
RL'LE YON Brs~IARCK
ln dil'8l'I' Zone lagen die Plastiden bei orthotropem Wuchs der .Moose imrnrr anf dt>n hasalrn Zrllwanden und waren reich mit Starkekornern angeftillt, wahrend die Plastiden auBerhalb dieser Zone, meist von kleinerem Umfang, diffus in den Zellen verteilt waren und nur wenig Starke (Assimilisationsstarke) fiihrten (Abb. 8 und 9). Diese zentral gelagerten Plastiden enthalten auBer den eingelagerten Starkekornern auch reichlich Chlorophyll und miiJ3ten demnach als Chloroplasten bezeichnet werden. Ihrer Funktion nach aber diirften sie Leukoplasten nahestehen, denn sie bilden, wie wir noch sehen werden (siehe S. 45 ), die Hauptmasse ihrer Starke (Reservestarke) wahrscheinlich nicht nur durch eigene AssiAbb. 7. Schematischer Liingsmilisation, sondern aus zugewanderten schnitt !lurch ein Sphagnumstiimmchen. Die Lage der StatolithenReservestoffen, wie dies z. B. bei Pellizone ist schraffiert eingezeichnet. ona Daveauana bekannt ist (A. DoDEL (,Holzkiirper" = 7.entralzylinder.)
Abb. 8. Ausschnitt aus einer Statolithenzone in Normallage (8. 1·iparium). Die Statolithen liegen aile auf den basalen Zellwiinden. In den Randzonen sind die Plastiden mit geringerer Stiirkeeinlagerung kleiner und diffus iiber die Zellen verteilt. (Mikroaufnahme, Vergr. 10 x 10.)
Abb. 9. AusschnittvergriiBerung aus Abb. 8 mit basal gelagerten Statolithen. Die dunklen kiirnigen Punkte in den Plastiden sind die mit Jod gefarbten Stiirkeeinlagerungen. (Mikroaufnahme, Vergr. 10x100, Marz 1955.)
Uber den Geotropisrnus der Sphagnen
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1892). Bei den griinen Plastiden auBerhalb dieser Zone handelt es sich durchweg urn Chloroplasten. Die Zellen dieser zentralen Zone, vor allem die innerhalb der Statolithenzone weiter basalwarts gelegenen, zeichnen sich durch groBere Aus~ maBe aus als die Zellen ihrer Umgebung und zeigen schon deutliche Vakuolen. Bei den einzelnen Sphagnumarten ist die beschriebene Zone verschieden stark und machtig ausgebildet. So ist sie bei den schnell wachsenden Sphagnen meist sehr ausgedehnt (1-2 em und oft auch noch Hinger), wahrend bei den langsamwiichsigen diese Zone sehr kurz sein kann (0,2 bis 0,6 em). Eine genaue MaBangabe fiir die einzelnen Arten laBt sich nur schwer erbringen, da fast alle tJbergangsstadien je nach den Jahreszeiten auftreten (vgl. S. 45). b) Statolithenbewegungen Nach einer geotropischen Reizung in Horizontallage konnte eine deutliche Verlagerung der starkefiihrenden Plastiden der zentralen zylindrischen Zone auf die dabei die Unterseite bildenden Zellwande beobachtet werden. Bei inverser Reizlage wanderten die Plastiden auf die friiheren Zelloberseiten. In den anderen Teilen der Pflanzen konnte keine sichtbare Verlagerung von Plasmaeinschliissen festgestellt werden (Abb. 10 und lla, b). .. Es ist anzunehmen, daB in dieser zentralen Zone die auffalligen groBen Plastiden samt ihren reichlichen Starkekornern den bei anderen Objckten oft beschriebenen , Statolithen" entsprechen; sie verhalten sich jedenfalls bei einer geotropischen Reizung rein auBerlich in ahnlicher Weise, wie dies in der von HABERLANDT und NEMEC beschriebenen ,Statolithentheorie" gefordert wird. Weiterhin werden wir daher diese Zonen als , Statolithenzonen" und die mit Reserve starke angefiillten Plastid en als ,Statolithen" bezeichnen. Eine weitere t.Tbereinstimmung mit den Untersuchungen von NEMEC und HABERLANDT ergab sich auch darin, daB jedesmal, wenn eine geotropische Kriimmung erfolgte, in dieser Region auch eine Statolithenzone nachgewiesen werden konnte. Derartige Statolithenzonen wurden ausnahmslos bei allen untersuchten Sphagnen festgestellt. Auch bei S. cuspidatum fo. plumosum, einem flutenden Moos, bei welchem die Kriimmungszone ganz dicht unter dem Kopfchcn liegt, bcginnt eine kurze, abcr dennoch gut ausgebildete Statolithenzonc noch iiber der Kriimmungszone und reicht bis in diese hinein. Wenn nun auch die angefiihrten Beobachtungen zeigen, daB statolithenartige Korper - und zwar sehr auffallende - Yorhanden sind, daB Flora, Bd. 148
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RuLE VON BISMARCK
sie, dem Zuge der Schwere folgend, in der Zelle verlagert werden, daB ihr Vorkommen auf die W achstums- und Krtimmungszonen beschrankt bleibt - so sind dies alles zwar Tatsachen, die sich den Forderungen der HABERLANDT-NEMEC schen Theorie bestens einftigen. Als beweiskraftig ftir dieselbe dtirfen wir sie aber noch ebensowenig betrachten wie in all den anderen Fallen, in denen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind. Wir werden spater noch darauf zurtickkommen.
Abb. 10. Liingsschnitt durch die Kriimmungszone eines 8. recurvum-Stenge!s, der sich gerade aus der Horizontallage urn 90° aufgekriimmt hat. Die Verlagerung der Statolithen ist in allen Phasen zu erkennen. (Mikroaufnahme, Vergr. 10x10.)
Abb. 11. Statolithenverlagerungen bei 8. riparium. (Mikroaufnahmen, Vergr. 10x100.) a) Be ginn einer Verlagerung ( Reizdauer 1 Stunde). b) Fortgeschrittene Verlagerung (Reizdauer 1 Y2 Stunde).
Im tibrigen werden die Befunde von PETSCHOW (1933) insofern bestatigt, als auch PETSCHOW Statolithenzonen bei Sphagnen (S. optusum, S. cymbifol'um [ = S. palustre], S. cuspidatum und S. subnitens) beobachtet hatte. Dagegen kann seine Behauptung, daB auBer der Ansammlung von Starke in diesen Zonen sonst keinc anderweitigc Starke in den tibrigen Zellen des Stammchens vorkame, nicht aufrechterhalten wcrden. Im Gegenteil konnen Starkekorner (Assimilisationsstarke) bei allen untcrsuchten Sphagnen in den Plastiden des Kopfchcns, der Randzone des Stammchens (Zcntralzylinder) und der Blatter, also auch auBerhalb der Statolithcnzone, nachgcwiesen wcrden. Allerdings fehlt diese Starke in den Wintermonaten von November bis Februar, Miirz. Sie wird wahrend
iiber den Geotropismus der Sphagnen
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der kalten Jahreszeit mit ihren ungtinstigen Assimilisationsbedingungen aufgebraucht (vgl. Naheres S. 42, Abschnitt Jahresperiodizitat). PETSCHOW hat Ieider nicht angegeben, zu welcher Jahreszeit seine Versuche durchgeftihrt wurden. 5. Klinostatenversuche Bisher wurde nur festgestellt, da13 die Sphagnen auf eine geotropische Reizung mit einer Krtimmungsbewegung antworten, die fiiT jede Art spezifisch schnell oder Iangsam ablauft. Um aber einen Anhalt tiber die GroBe der Prasentationszeit sowie der Reaktionszeit zu erhalten, wnrden Versuche auf dem Klinostaten 1 ) durchgeftihrt.
Abb. 12. CelluloidgefaB fiir Klinostatenversuche. G = Grundplatte; D = Deckplatte mit Luftltichern (L); Zr = Zwischenring, urn das Moorwasser (M) im rotierenden Gt'fiiB zu halten; Cr = Celluloidringe zum Festhalten der Versuchspflanzen (V); P = Bodenplatte mit Einsteckltichern (E) fiir die Versuchspflanzen (V); S = mit Moorwasser getranktes Siigemehl; A = Achse des Klinostaten. Fiir diese Versuche wurde ein GefaB aus Celluloid konstruiert (Abb. 12). Die Pflanzen muBten horizontal zur Klinostatenachse so angebracht werden, daB sie sich nicht durch ihr Eigengewicht verbiegen konnten. Sie durften aber auch nicht ihre Bewegungsfreiheit verlieren. Urn dies zu erreichen, wurde noch ein 2 em hoher Celluloidring urn jede Pflanze gelegt, in dem sie sich mit ihren Astchen stiitzen konnte. Der basale Teil der Pflanzen wurde in Sagemehl untergebracht, das bis zur Siittigung mit Moorwasser getrankt war. Urn ein Austrocknen zu verhindern und die notige Luftfeuchtigkeit zu erhalten, wurde eine kleinere Menge Moorwasser ins GefiiB gefiillt, welches jedoch nicht mit den Pflanzen in Beriihrung kam. Durch eine mit J,tichern versehene Deckplatte konnte Luft an die Pflanzen herantreten. Zu den Klinostatenversuchen konnteu nur die oberen 5 em von jeweils fiinf Versuchs1) Elektrischer Klinostat nach OvERBECK, gebaut von Mechaniker K. Botanisches Institut Frankfurt a. M.
3*
REIR,
3ti pflanz~n verwendet werden. Zur Bestimmung der Kriimrimngsrichtung wurden frine Rul.l-Vaseline-Markierungen angebracht.
Bei den Versuchcn, die alle in dcr Klimakammer (22° C) durchgefiihrt wurden, zeigte sich, daB bei S. riparium eine vorhcrgchende Horizontalreizung von 1,5 Stunden Dauer ausreichte, urn nach einer 12-18stiindigen Rotation auf dem Klinostaten (1 Uf20 Min.) den sichtbaren Beginn einer Kriimmungsreaktion hervorzurufen. Die Tabelle 2 enthalt ein Protokoll iiber die angestellten Versuchc und deren Ergebnisse. Hiernach kann die Prasentationszeit mit rund 90 Minuten angesetzt werden. Dir Rcaktionszeit betragt 12-18 Stunden. Nach 24-48 Stunden war cine deutliche Kriimmung von 30°-45° im Reizsinne zn beobachtcn 1). Vergleichende Untersuchungen an mikroskopischcn Schnitten von nicht auf den Klinostaten gebrachten Pflanzen ergaben eine ungcfahre zeitliche Dbereinstimmung zwischen dem Ablauf der Prasentationszeit und dem Beginn der Statolithenverlagerung. Ein innerer physiologischer Zusammenhang braucht hieraus jedoch nicht gcfolgert zu werden: Es wurden Pflanzen fixiert, die vorher einer Horizontalreizung von 30 Min., l Std., 1,5 Std., 2 Std., 2,5 Std. und 3 Std. Dauer ausgcsetzt waren. An den Schnittpraparaten konnte festgestellt werden, daB cine Statolithenvrrlagerung nach einer einstiindigen Rcizdauer eingesetzt hatte (Abb. lla). Sie konnte nach einer eineinhalbstiindigen Reizung im allgemeinen deutlich beobachtet werden (Abb. 11 b), und nach 2 Stunden war eine vollstandige Verlagerung immer erreicht. Bci Reizung in Inverslagen wanderten die Statolithen in rund 3 Stundrn auf die friiher obere, jetzt unten befindliche Zellwand. Die Wanderungsgeschwindigkeit der Statolithen im Plasma betragt bei S. riparium im Durchschnitt 0,045 mmf Std. bei einer durchschnittlichen ZellgroBc in der Statolithcnzone von 0,035 x 0,113 mm. Bei S. squarrosum muB rund 5 Stunden in horizontaler Lage gereizt werden, urn dann auf dem Klinostaten eine Kriimmungsreaktion zu erzielen. Die Prasentationszeit bctragt in diesem Fall annahernd 5 Stunden, die Reaktionszeit etwa 20-24 Stunden (siche Tabelle 2a). Weitere Versuche mit S. magellanicum, S. palustre und auch S. recurvum fiihrten aber zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Wenn bei diesen Pflanzen nach 2-6 Tagen Kriimmungen zu beobachten waren, so konnte keine einheitliche Beziehung zur vorangegangcnen Reizlage gefunden werden. 1) Zum Vergleich die PriisPntationszeit der Haferkol!'optile = 4 Min. 20 Sek. nnd die Reaktionszeit = 36 Min. bei 20° C nach RrTGERS; die Priisentationszeit der Vicia-Keimlinge = 6 Min. 30 Sek., die Reaktionszeit = 88 Min. bei 22° C nach BAcH'
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1/20
drehung pro Minute
I l_;m,
I
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keine lreine
30 30
4 Pfl. positiv 5 Pfl. positiv
180
kcine 4 Pfl. regellos 3 Pfl. regellos 5 Pfl. regellos
180
ungereizt ungereizt ungereizt ungereizt
keine 2 Pfl. positiv ( ?)
60 60
positiv positiv positiv positiv
4 3 5 t!
90 90 !10 100 Pfl. Pfl. Pfl. Pfl.
4 Pfl. positiv 5 Pfl. positiv
2 Pfl. positiv 5 Pfl. positiv
,1 Pfl. positiv
Reaktionen im Reizsinn
120 120
180 180
240
Klinostat. in .Minuten
VO:!"
Horizontalreizung
Tabelle 2 Klinostatenversuche Sphagnum riparium (1955)
!
--
ein~eitig
12-16
12-18
(nach 96)
0
(36--60)
-···
--
--
24
--·
diffus, zuweilen noeh einseitig? viillig diffus
diffus in allen Zellen undeutlirb, diffus diffus
-·
vereinzelt, unklar nnr!eutlich, diffus?
Be ginn bei etwa 50% Beginn deutlich
-
meist gut zu bcobachten schwach, undentlich gut zn beobachten
12--18 18-20 12-16 12
vollst. einseitig
vollst.
Statolithenverlagerungen na~h Versuchsende
deutlich einseitig schwach einsritig
I
I
I
12 H-18
14-16 H--18
12
' zeit ' in Stnnden
I He11ktions-
!
cr
0
,..,
-J
C):>
(J\:1
="" = "'=
"C
U2
<'C
P-
~
s
'E.
0
'""""'
"'
0
"'=
'"'"' P-
e:
38
RULE VON BISMARCK
Tabelle 2a Klinostatenversuche Sphagnum squarrosum (1956)
...:
Dauer der
~
I
Zahl der
pflanzen
Urndrehung pro Minute
Horizontalreizung vor Klinostaten in Minuten
.; Datum Versuche Versuchs....
>"'
in Tagen
Reaktionen im Reizsinn
Reaktionszeit in Stun den
-
1
24. 2.
5
5
1/20
180
keine
2
29. 2.
5
5
1/20
240
2 Pfl. schwach positiv
3
6. 3.
5
5
1/20
300
3 Pfl. positiv 20-24 1 Pfl. entgegengesetzt
4
12. 3.
5
5
1/20
300
3 Pfl. schwach positiv 1 Pfl. entgegengesetzt
bis 24
bis 24
Die Klinostatenversuche litten insofern an einer gewissen Ungenauigkeit, als es ungemein schwierig war, vollig kriimmungsfreie Stammchen genau parallel zur Klinostatenachse anzubringen und in dieser Lage zu halten. Auch war der Kriimmungsbeginn bei den einzelnen Arten zeitlich sehr verschieden. Er setzte erst nach verhaltnismaBig langer Zeitdauer ein, z. B. bei S. riparium nach 12-18 Stunden, bei S. squarrosum nach 20--24 Stunden, bei S. palustre nach 2-3 Tagen und bei S. magellanicum erst nach 3-5 Tagen. Da bei einer so langen Reaktionszeit viele Fehlerquellen auftreten konnen, sich die Pflanzen in dem KlinostatenversuchsgefaB auf so lange Zeit auch nicht gut erhalten und nicht voll reaktionsfahig bleiben, konnten durch diese Methode nur grobe Annaherungswertc erreicht wcrden. Weitere Versuche und theoretische Uberlegungen diirften ebenfalls dafiir sprechen, daB Klinostatcnversuche bei den Sphagnen keine geeigneten experimentellen Hilfsmittel darstellen, die Riickschliisse auf innere geotropische Vorgange, wie auf die Abhangigkeit der Georezeption von der Statolithenverlagerung, zulassen. Ungereizte S. ripariltm-Pflanzen, die parallel zur horizontalen Klinostatenachse rotiert wurden (1 U/20 Min. und 1 U/2 Std.), zeigten namlich nach 5 Tagen Rotation im mikroskopischen Bild eine vollig diffuse Statolithenanordnung (Abb. 13 und Tabelle 2, Versuche Nr. 14-17). An diesen Pflanzen wurden oft geringe, und zwar regellose, Kriimmungen beobachtet. Die gleiche diffuse Lagerung der Statolithenstarke wurde aber auch bei S. riparium beobachtt>t, das vor der 5tagigen Rotation (1 U/20Min.
tTber den Geotropismus der Sphagnen
39
und 1 U/2 Std.) einer 3stiindigen Horizontalreizung ausgesetzt war (siehe Tabelle 2, Nr. 18, 19). Die beobachtete diffuse Verlagerung der Statolithen wahrend einer 5tagigen Rotation am Klinostaten trat unabhangig davon auf, ob die Pflanzen einer vorhergehenden Reizung unterworfen waren oder nicht. Diese Erscheinung kann vielleicht in folgender Weise gedeutet werden: Bei Klinostatenversuchen ist cine Verlagerung der Statolithen wahrend der Rotation von ihrer W anderungsfahigkeit ( = W anderungsgeschwindigkeit) im Zellplasma und von der Umdrehungsgeschwindigkeit des Klinostaten abhangig. Da die Wanderungsgeschwindigkeit der Plastiden von S. riparium durchschnittlich 0,045 mmjStd. betragt - die Statolithen wiirden also fiir einen kreisformigen Verlagerungsumlauf im Zellplasma rund 4 Stunden benotigen -, werden diese Plastiden bei einer langsamen Umdrehung (in unseren Versuchen 1 U/20 Min.) der rhythmisch wechselnden Schwerkrafteinwirkung mit einer geringen pendelnden Bewegung urn die Ausgangslage herum folgen. Bei Abb. 13. 8. riparium. Diffuse Verlagerung einer Umdrehungsgeschwindig- der Statolithen nach 5tagiger Rotation am Klinostaten. Struktur, unterschiedliche Form keit von 1 U/2 Std. wird dieser und GroBe der Statolithen ist zu erkennen, V organg des Pendelns noch auch dir oft klumpenfiirmige Zusammenballung. wesentlich verstarkt werden. Hierzu kommt die Beobachtung, daB bei den Sphagnen die Statolithen Unterschiede in auBerer Form, GroBe und Menge der Starkeeinschltisse aufweisen (Abb. 13). Infolgedcssen mtissen diese pendelnden Bewegungcn bei den cinzelnen Plastiden vcrschieden stark ausfallen. Bei einer Iangeren Umdrehungsdauer werden diese Schwingungen sich durch Summation so ungleicher Impulse noch weiter vcrstarken, d. h., die urspriinglichen Lagen der Plastiden werden sich gegeneinander so weit verschieben, daB nach einer Rotation von 5 Tagen cine diffuse Verlagerung der Statolithen tiber die ganze Zelle zustande kommt. Die Richtigkeit d!eser Uberlegung diirfte sich aus den Ergebnissen der Tabelle 2 ablciten lassen, wenn wir die Versuche Nr. 3, 18 und 19 miteinander vergleichen. Besonders deutlich wird die diffuse Verlagerung der Statolithen bei der sehr langsamen Rotation von 1 U/2 Std. tiber 5 Tage (Versuch Nr. 19, Tabelle 2).
40
Rru; voN Brs)'[ARCK
Inwieweit sieh aber die Prasentations- und Reaktionszeiten beeinflussen lassen, zeigten Versuche auf einer Zentrifuge in der Klimakammer bei 22° C. 6. Zentrifugenversuche Zur Versuchsdurchfi.ihrung diente eine Holzscheibe mit 25,5 em Durchmesser, die mit einem regulierbaren Elektromotor in horizontale Umdrehungen versetzt werden konnte. Die Versuchspflanzen wurden auf dem Rand der Scheibe in senkrecht befestigte Reagenzglaser gesteckt, die mit einem in Moorwasser getrankten Wattebausch abgeschlossen wurden. Nach der Forme! f = -!n 2 • n 2 • r (entnommen a us RAWITSCHER 1932) lassen sich die GriiBen der Fliehkrafte - auf g (Erdbeschleunigung = 9,81 m · sec- 2 ) bezogen - errechnen: f/g = 4,024 · n2 • r; wobei f = Fliehkraft, n = Tourenzahl pro Sekunde, r = Radius in Metern = 0,11 m (bis zur Mitte der Reagenzglaser gemessen) bedeutet. Die Kraft, die aber tatsiichlich auf die Pflanze einwirkt, wiirde sich erst a us der Resultante ( der Fliehkraft und der Erdanziehung) ergeben, doch darf diese wohl bei unseren Versuchen ve~nachliissigt werden.
In zwei Versuchsserien wurden je acht S. riparium-Pflanzen mit 1,2 g, 4,9 g, 11,1 g, 19,6 g und 30,7 g i.iber verschieden lange Zeitabschnitte gereizt1 ). AnschlieBend wurden jeweils fiinf von den acht Pflanzen am Klinostaten rotiert (1 U/20 Min.), urn eine zu erwartende Kri.immungsreaktion beobachten zu ki.innen. Die restlichen drei Pflanzen sind sofort fixiert worden. Spater wurden dann bei diesen in mikroskopischen Schnitten die Verlagerungen in den Starkezonen untersucht (siehe Tabelle 3). Es traten Verlagerungen der Statolithen nur bei Reizungen mit Fliehkraften von 1,2 g i.iber 1 Std., 2 Std., 4 Std.; 4,9 g iiber 30 Min., 1 Std., 2 Std.: 11,1 g iiber 20 Min., 30 Min., 1 Std. in Richtung der Fliehkrafteinwirkung auf. Bei Fliehkraften mit 11,1 g war in den groBen Zellen, der Statolithenzonen bereits eine Plasmaverlagerung bis -anhaufnng in der Fliehkraftrichtung zu beobachten. Da diese Zellen meist eine Vakuole ausdifferenzicrt hatten, war dies gut zu beobachten. Wurden noch gri.il3ere Kriifte, i.iber 30,7 g bis 490 g, angewendet, so zeigten nicht nur die Statolithenzonen Lageveranderungen, sondern auch die Zellinhalte der gesamten ~lanze begannen sich einseitig 1) Zum Vergleich: Es verwendeten PEKELHARTXG (1909) ( zitiert nach RAWITSCHER 1932) bei Avenakoleoptilen Fliehkrafte zwischen 0,08 g und 58 g; JosT und STOPPEL (1912) bei Versuchen mit LU]Jinus nlbus- und ricia Fnbu- Wurzeln Krafte von 1,9 g bis 350 g.
Uber den Geotropismus der Sphagnen
41
zu verlagern, so daB Schadigungen des Pflanzenorganismus unvermeidlich waren, auch wurde das Wasser wahrend der Rotation aus den Hyalinzellen herausgezogen, so daB die Pflanzen sehr schnell vertrockneten und weiB wurden. Bei den Versuchen am Klinostaten konnte bei rund 70% der Versuchspflanzen eine Kriimmungsreaktion entgegen der Fliehkraft deutlich beobachtet werden. Hierbei ergab sich entsprechend der Steigerung der Zentrifugalkrafte, daB sich die Priisentationszrit vrrkiirzrn lieB, unrl zwar bei 1,2 g auf 1 Std., 4,9 g auf 30 Min., 11,1 g auf 20 Min., 30,7 g anf 20 Min. Tabelle 3 Zentrifugenversuche (mit Sphagnum riparium) Fliehkraft in g
Dauer der Versuche
Statoli then verlagerungen
Kriimmung gegen Fliehkraftrich tung von 10 Pfl.
1,2
30 1 2 4
Min. Std. Std. Std.
nicht festzustellen deutlich einseitig vollkommen einseitig vollkommen einseitig
keine 6 Pflanzen 7 Pflanzen 7 Pflanzen
4,9
20 30 1 2 7
Min. Min. Std. Std. Std.
andeutungsweise deutlich einseitig vollkommen einseitig vollkommen einseitig vollkommen einseitig
2 7 7 9 8
10 20 30 45 6
Min. Min. Min. Min. Std.
andeutungsweise deutlich einseitig vollkommen einseitig vollkommen einseitig vollkommen mit Plasmaverl.
10 Min. 20 Min. 2 Std. 20 Min. 2 Std.
undeutlich vollkommen mit Plasma veri. vollkommen mit Plasma veri.
11,1
19,6
30,7 I
total mit Plasmaanhiiufung total mit Plasmaanhaufung
Reaktionszeit
Pflanzen Pflanzen Pflanzen Pflanzen Pflanzen
Die Reaktionszei t schwankte bei allen Versuchen zwischen 12 und 20 Stunden
keine 0 Pflanzen
8 9 7 2 6 10
Pflanzen Pflanzen Pflanzen Pflanzen Pflanzen Pflanzen
I
7 Pflanzen 5 Pflanzen I
Dagegen konnte eine meBbare Beeinflussung der Reaktion durch die GroBe der Fliehkraft nicht festgestellt werden. Bis zum sichtbaren Kriimmungsbeginn dauerte es z. B. bei S. Tiparium mindestens 12 Std., meistens 20 Std., gleichgiiltig, ob mit 1,2 g oder 30,7 g tiber 2 Std. oder
-12
RULE VON BISMARCK
selbst 7 Std. lang gereizt wurde. Diese Zeitspanne entspricht ganz dem normalen Ablauf einer geotropischen Krtimmungsreaktion. 7. Jahresperiodizitat a) Kulturversuche Die durchgeftihrten Beobachtungen und Versuche in der Natur und in Kulturen (auch in Dauerkulturen) mit normalen und herabgesetzten Temperaturen (Eisschrankversuche) bestatigen die Ergebnisse von OvERBECK und HAPPACH (1957), daB die untersuchten Sphagnen keine autonome Jahresperiodizitat im Streckungswachstum aufweisen. Zu ahnlichen Ergebnissen an Moosen kamen auch LACKNER (1939), ROMOSE (1940) und JENDRALSKI (1955). Eine Erklarung ftir dieses Verhalten ergibt sich wahrscheinlich daraus, daB der normalerweise dauernd feuchte Standort der Sphagnen und ihre auBerordentliche Widerstandsfahigkeit gegen extreme Temperaturverhaltnisse ihnen eine oft bis zum Gefrierpunkt des Wassers gehende Assimilation ermoglicht. Autonome jahreszeitliche Ruhepausen, wie die von HAGERUP (1935) bei Bryophyten beobachtete Sommer- und Winterruhe, sind ihnen fremd. Es besteht jedoch insofern cine unregelmaBige Periodizitat, als Assimilation und Wachstum sich unmittelbar nach den Umweltbedingungen rich ten: Kalte, Lichtmangel und Trockenheit verlangsamen zwar je nach dem Grad der auBeren Einfltisse den AssimilationsprozeB und die Reaktionsfahigkeit bis zur Sistierung aller Lebensvorgange; bessern sich aber die Umweltsverhaltnisse, so setzen die Lebensvorgange unverztiglich wieder ein. H. BuRGEFF (1956) beschreibt zwar die groBen Schwierigkeiten einer auf sterilen Sphagnen aus Sporen gezogenen Sphagnumkultur. So konnte er fcststellen, daB ftir das Wachstum der Sphagnen bestimmte Pilze, Mortierella-Arten oder solche cines im Moor weit verbreiteten peritheziumbildenden Penicilliums erforderlich sind. Weiter weist BuRGEFF darauf hin, daB bei solchen Kulturen cine Bewasserung durch den Regen fehlt, der cine dauernde Auslaugung der Pflanzen von oben bewirkt. Jedoch gelang es mit stammigen, frisch aus dem Moor geholten Sphagnumpflanzen bei sorgsamster Pflege und Anwendung optimaler Bedingungen (im Sommer Kultur auf der Dachterrasse des Institutes im Freien, im Winter im Versuchsraum bei Tageslicht und zeitweiliger ktinstlicher Belichtung und standiger Erneuerung des Moorwassers sowie Besprtihung der Versuchspflanzen mit frischem Moorwasser) einen groBen
Uber den Geotropismus der Sphagnen
43
Teil der verwendeten Pflanzen his zu 18 Monaten ununterbroehen am Leben sowie waehstums- und reaktionsfahig zu halten. Immer wenn die Pflanzen eine Lange von 15 em erreieht hatten, wurden sie von der Basis her auf 8 em gekiirzt. Der Zuwaehs wahrend dieser Dauerversuehe war, abgesehen von geringfiigigen Sehwankungen, die wohl auf gewisse Unregelma13igkeiten in der Versorgung zuriiekzufiihren sind, kontinuierlieh. Er erreiehte aber nieht die von OvERBECK und HAPPACH (1957) in ihrer Tabelle 2 angenommenen Hoehstwerte fiir das Waehstum im Freien (Spalte IV: S. ripari1~m 60,2 em, S. recurvum 36,8 em). Auszug aus der Tabelle 2 von OvERBECK und HAPPACH 1957, S. 345: Jahreszuwachs einiger Torfmoose in Zentimetern im Kaltenhofer Moor vom 23. 11. 1954 bis 19. 11. 1955
I Sphagnumart
S. riparium S. recurvum
Mittel aller Werte
II Mittel der 3 Hochstwerte
Korrigiert unter Annahme dauernd guter Wasserversorgung I III IV I Mittel Mittel der aller 3 HochstWerte werte
28,5
44,2
43,2
60,2
11,6
29,4
15,9
36,8
Jedoeh war der Gesamtzuwaehs unserer Dauerkultur wahrend einer Jahresperiode erheblieh gro13er als der von OvERBECK und HAPPACH (Spalte I) geme~sene Jahreszuwaehs an Freilandpflanzen, wie dies aus Tabelle 4 folgt. -,. Tahelle 4 Zuwachswerte einer Dauerkultur von 18 Monaten vom Marz 1955 bis Oktober 1956 (in Zentimetern) Sphagnumart
J ahreszu wachs
Zuwachs in 18 Monaten
S. riparium. .
47
8. recurvum
31,6
41,2
39,8
55,3
. 8. squarrosum.
66,3
Theoretisch IieBe sich aus der Tabelle 1, S. 28, ein Hoehstwert fiir einen Jahreszuwachs fiir 8. riparium auf 73 em, S. rrcunum auf 52,5 em, S. squarrosum auf 67,5 em erreehnen, allerdings unter der Annahme eines fortlaufenden, gleichmaBigen Waehstums fiir diese in Kultur gehaltenen Sphagnumpflanzen.
Ebenfalls sprieht fiir das Fehlen einer autonomen Jahresperiodizitat, da13 die in den Wintermonaten eingefrorenen Sphagnumpflanzen naeh dem Auftauen sofort mit Assimilation und Waehstum einsetzen. Da13 jedoeh derartigen Sphagnumkulturen Grenzen gesetzt sind, wie dies bereits die Versuehe von BuRGEFF gezeigt haben, ergibt sieh daraus,
RULE YON BISMARCK
daB bei Klimakammerkulturen mit kiinstlicher Belichtung nur anfanglich ein guter Zuwachs zu messen war. Nach dreimonatiger Versuchszeit trat fast immer eine Verlangsamung des Wachstums ein. Die Pflanzen wurden geil und kiimmerten. Die geotropischen Reaktionen, die wahrcnd solcher Kulturen laufend iiberpriift wurden, verhielten sich dementsprcchend. Sie waren wahrend der ersten drei Monate annahernd normal, verlangsamten sich aber entsprechend der Wachstumsabnahme. b) Mikroskopische Befunde Von den in der Klimakammer bei kiinstlichem Licht gezogenen Pflanzen wicsen nach einer drei monatigen Kulturzeit die geil gewordenen und nicht weiter lebensHihigen in den mikroskopischen Schnitten keinerlei Starke auf, 'vveder in den zentralen Statolithenzonen noch in den Randzonen. Die in ihrer Lebenskraft nur geschwiichten, aber noch trage reagierenden Pflanzen besaBen dagegen noch geringe Reste von Starke in den Statolithenzonen, die dann ganz dicht unter dem Vegetationspunkt lagen (bei S. riparium 0,6-1,1 em). Die Randzont>n waren dagegen bei diesen Pflanzen vollig starkefrei. Offenbar hatten diesc Pflanzen die Starke zur Lebenscrhaltung verbraucht und reichte die Kulturbedingung der Klimakammer zur Neubildung nicht aus.
a
Abb. 14a. Ausschnitt aus einer Statolithenzone von 8. recun;um, Freilandpflanze (8. 2. 1956). Die Starke ist bis auf geringe Reste bereits abgebaut. (l\fikroanfnahme, Vergr. 10 x 10.)
b
Abb. 14 b. YergriiBerung von Zellen der Statolithenzone der !!leichen Pflanze. Xur schwach sind die pnnktfiirmigen Reste der angefiirbten Starke zn erkennen. ( Ylikroaufnahme, Vergr. 10 x 100.)
Uber den Geotropismus der Sphagnen
-!5
Bei den im Versuchsraum unter Tageslicht kultivierten Pflanzen waren dagegen die Statolithenzonen mit Starkekornern nach 3 Monaten noch gut ausgebildPt (bei S. riparium 1-2,5 em). Die Randzonen waren jedoch im allgemeinen starkefrei. Wahrscheinlich HHH sich das TagPslicht nicht durch das von uns angewandte Kunstlicht ersPtzen. Mikfoskopische Schnitte von Freilandpflanzen, die im Winter ( JanuarjFebruar 1956) unmittelbar nach ihrer Entnahme aus dem Eise angefertigt wurden, ergaben in fast allen Fallen einen negativen Starkebefund. Nur bei ganz vereinzelten Exemplaren zeigten sich in den Plastiden der Statolithenzonen schwarz gefarbte punktfiirmige Reste von Starke, die bei starker VergriiBerung (Olimmersion) noch zu erkennen waren (Abb. 14a. b). Auch diese Befunde deuten darauf hin, daB die zentralen Statolithenzonen hauptsachlich als Starke-Speicherzentren ftir den organischen Aufbau dienen. Bei ungiinstigen Assimilationsbedingungen, Abb. 15. Ausschnitt aus einer besonders in der lichtarmen. kalten Statolithenzone von S. recurvum. Freilandpflanze (27. 6. 1956). Die winterlichen Jahreszeit, wird langsam reichliche, angefarbte Starke ist in alle Starke abgebaut, zuletzt in den dieser Zone deutlich zu erkennen. (MikroaufnahmP. Vergr. 10 x 10.) Statolithenzonen. DaB solche Zusammenhange zwischen Starkeanhaufung und besonderen physiologischen Umbauprozessen bestehen kiinnen, ergibt sich aus den Arbeiten von C. ZoLLIKOFER (1927 und 1929). c) JahreszeitlichH Starkeauf- und -abbau Dber den Starkeauf- und -abbau liegen bereits Unt!'rsuchungen an anderen Bryophyten von H. RANKEN (1914) vor. Versuche an Freilandpflanzen, die zur Uberpriifung des Starkeauf- und -abbaues in den Statolithenzonen der Sphagnen im Verlauf eines Jahreszyklus angestellt wurden, stimmen im wesentlichen mit den Untersuchungrn von RANKEN iiberein. Die Beobachtungen Prgaben, daB Ausdehnung und Starkeeinlagerung mit der Jahreszeit zunimmt, im August und SeptPmber ein Maximum erreicht, urn bis zum Januar wieder abzunehmen. Im Frbruar ist die Starke aus d!'n Statolitlwnzonen oft viillig wrschwundrn.
-1-6
RULE VON BISMARCK
Langandauernde, nahe dem Gefrierpunkt liegende Temperaturen, wie sie hauptsachlich in den ersten Wintermonaten auftreten, konnen einen restlosen Starkeabbau herbeiftihren, wahrend ein plOtzliches Gefrieren den Abbau der Starke hemmen kann, weil dann nach RANKEN sofort eine ,Kaltestarre" eintritt (vgl. auch Eisschrankversuche, S. 47). Selbst bei den Temperaturen urn den Nullpunkt herum zeigen die Sphagnen noch aktive Lebensau13erungen. Ein vollstandiges Aussetzen des Stoffwechsels kann selbst in vollig eingefrorenem Zustand nicht angenommen werden, da die Pflanzen sofort nach dem Auftauen ihr Wachstum fortsetzen und auch auf geotropische Reize reagieren. Auffallend hierbei bleibt jedoch die Tatsache, dal.l die Sphagnen im Freien, wochenlang viillig eingefroren und oft durch eine dicke Schneedecke verdunkelt allerdings nicht in absoluter Dunkelheit -, diese Zeit iiberdauerten und sofort nach dem Auftauen ihre Assimilation aufnahmen und reaktionsfahig blieben. Es miiJ.lten hier noch weitere Versuche einsetzen, inwieweit eine Atmung und damit eine Lebenstatigkeit unter diesen Bedingungen noch aufrechterhalten wird. Fest steht, dal.l die Sphagnen diesen Lebensbedingungen standhalten nnd nicht absterben.
Weitere Einblicke in den Starkeauf- und -abbau konnten dadurch gewonnen werden, daB im Winter (Januar und Februar) in Kultur genommene Sphagnum-Pflanzen, mit auBerst magerer Starke in den Statolithenzonen, im Versuchsraum bei einer Temperatur von 20° C und Tageslicht bereits nach 6 Tagen mit Starke ausgebildete Statolithenzonen aufwiesen. Bei zusatzlicher Beleuchtung mit zwei 40-Watt-Lamp en (taglich 12 Stunden) erfolgte die Regeneration der Statolithenzonen bereits nach 3-4 Tagen. Bei zusatzlicher Dauerbeleuchtung ZUlli Tageslicht erreichten die Statolithenzonen nach etwa 14 Tagen schon eine Ausdehnung und Starkeanhaufung, wie sie bei den im Freien wachsenden Pflanzen nur wahrend der Sommermonate unter den besten Wachstumsbedingungen zu finden ist. Bemerkenswert ist, daB die Starke der Statolithenzonen immer als letzte abgebaut wird. Nach ihrem Verschwinden wird sie auch als erste wieder aufgeftillt, ehe in den Randzonen und BHittern Starke nachzuweisen ist. Weiterhin konnte auch beobachtet werden, daB geotropische Verlagerungen der Statolithen erst dann eintraten, wenn groBere Starkemengen in den Plastiden aufgespeichert sind. In den Randzellen der Statolithenzonen, in denen sich weniger Plastiden mit geringeren Starkeeinschltissen befinden, geht die Verlagerung nur sehr zogernd und oft auch gar nicht mehr vor sich, da diesen Plastiden zur Uberwindung des zahfltissigen Plasmas offenbar das notige Gewicht fehlt. Im Februar und Marz 1956 aus dem Eis im eingefrorenen Zustand entnommene Pflanzen (S. riparium, S. recurvum, S. squarrosum), die nach
Dber den Geotropismus der Sphagnen
47
mikroskopischen Befunden an Kontrollpflanzen keinerlei Starke enthielten, krtimmten sich nach dem Auftauen im Versuchsraum geotropisch bereits in 2-3 Tagen urn 90° auf. R.ANKEN beweist ferner durch Versuche mit Mnium cuspidatum, M. punctatum und Catharinea undulata, daf3 durch niedrige Temperaturen die Starke nicht nur abgebaut und verbraucht wird, sondern auch teilweise als Zucker gespeichert werden kann. Die Pflanzen konnen dann im dunklen ( !) Thermostaten in einigen Stunden wieder Starke regenerieren. Inwieweit bei den Sphagnen ein ahnliches physiologisches Verhalten vorliegt, ist nicht naher untersucht worden, doch konnte beobachtet werden, daf3 starkefreie Sphagnen - auch im Dunkeln - in kurzer Zeit Starke aufzubauen vermogen (siehe S. 49). d) Eisschrankversuche 1956/1957 Die bisherigen Beobachtungen lief3en bereits vermuten, daf3 die Sphagnen auch ohne das Vorhandensein von Statolithen zu geotropischen R.eaktionen befahigt sind. Urn dies weiterhin zu sichern, wurde auch versucht, die Sphagnen durch niedere Temperaturen im Eisschrank starkefrei zu machen. C. ZoLLIKOFER (1918) hat versucht, Statolithenstarke bei hoheren Pflanzen durch Dunkelkultur zum Verschwinden zu bringen. Ein entsprechendes Verfahren bei den Sphagnen erwies sich ftir uns als nicht durchftihrbar, da die Moose sehr schnell vergilbten und vollig reaktionstrage wurden. Bei den Eisschrankversuchen 19571 ) wurde in einem normalen Eisschrank die Temperatur so reguliert, daB sie wahrend rler Dauer der Beobachtungszeit (10 Wochen) zwischen 0° C und 2-3° C schwankte. Zur kiinstlichen Beleuchtung wurde eine Neonrohre (6 Watt) angebracht, die taglich 4 Stunden (nach 4 Wochen Versuchszeit sogar nur 2 Stunden) in Betrieb war. Fiir die notige Luftzufuhr wurde durch tagliches Offnen der Eisschranktiir gesorgt. Temperatur und Luftfeuchtigkeit wurden laufend iiberwacht und registriert (Temperaturdurchschnitt 2° C; Relative Luftfeuchtigkeit durchschnittlich 71%, mit Schwankungen zwischen 60 und 80%). Die Versuche wurden hauptsachlich mit S. riparium, aber auch unter Einbeziehung von S. SI)Uarrosum und S. recurvum ausgefiihrt. Aus raumlichen Griinden konnten nur etwa 250 Pflanzen im Eisschrank untergebracht werden. Sie wurden in mit Moorwasser gdiillten VersuchsgefaBen in orthotropem Wuchs gehalten. ZusammEn mit diesen Versuchspflanzen wurde auch eine groBere Anzahl zur Kontrolle dienender Pflanzen am 19. Februar 1957 frisch aus dem Moor beschafft. Der mikroskopische Befund ergab fiir die Kontrollpflanzen bei allen drei Sphagnumarten gut erkennbare Statolithenzonen mit Starke, die zwar in Anbetracht der sehr zeitigen Entnahme aus dem Moor nicht sehr stark ausgebildet waren, aber immer noch oder schon wieder Starke enthielten. 1) Der sehr milde Winter 1956/57 verhinderte Versuche an Freilandpflanzen.
RULE VON BISMARCK
Zur Durchfiihrung dieser Versuche wurden nach 14, 28, 42 und 60 Tagen jedesrnal zwei Gruppen der irn Eisschrank untergebrachten Pflanzen einer geotropischen Reizung durch Horizontallegen unterworfen, und zwar gleichzeitig sowohl irn Eisschrank selbst als auch nach Entnahrne irn verdunkelten Versuchsraurn bei 20° C. Die Ergebnisse waren folgende: Irn Eisschrank unterblieben bei S. squarrosum und S. recurvum aile geotropischen Reaktionen. Erst nach Einschaltung hoherer Ternperaturen (von 5° C ab) reagierten diese heiden Sphagnurnarten wieder geotropisch negativ und kriirnrnten sich auf (vgl. S. 54, Ternperaturversuche). Bei S. riparium dagegen trat diese Reaktion auch unter den Eisschrankbedingungen, also bei einer Ternperatur zwischen 2 und 3° C ein. Die Pflanzen brauchten allerdings in allen vier Untersuchungspartien 15-18 Tage, urn sich aus der Horizontallage urn 90° aufzukriirnrnen. Die rnikroskopische Untersuchung erst der letzten Partie der 8.riparium- Pflanzen, die sich also 60 Tage lang irn Eisschrank befunden batten, ergab, daB von zehn VerAbb. 16. Zwei stark vergroBerte Ausschnitte aus der stiirkefreien Statolithenzone einer 8. ripariumsuchspflanzen nur noch Pf!anze, die 60 Tage orthotrop im Eisschrank gezwei ganz geringe Spuren zogen worden ist. Die einseitige basale Lage der nun stiirkefreien Plastiden ist hier zwar gut zu einer Starkefarbung in den erkennen, doch ist sie nicht immer so deutlich ausStatolithenzonen aufwiegepriigt (vgl. mit Abb. l1 und 14). sen, wahrend die iibrigen vollig starkefrei waren. Ferner zeigte von zehn Pflanzen, die nach der Aufkriirnrnung irn Eisschrank fixiert und untersucht wurden, nur noch eine Pflanze eine kaurn erkennbare Starkespur. Ebenso konnte · bei S. recu.rvum und 8. squarrosum nach 60tagigern Verbleiben irn Eisschrank keine Starke rnehr nachgewiesen werden. Die Lage und Abgrenzung der friiheren Statolithenzonen war in mikroskopischen Schnitten noch gut zu erkennen. Sichtbar waren auch die Umrisse der nun stiirkefrei gewordenen Plastiden. Diese Plastidenhiillen zeigten bei orthotrop gewachsenen Pflanzen noch teilweise die gleiche basale Lagerung wie mit Starke gefiillte Statolithen (Abb. 16). l'\ach Horizontallagerung der Pflanzen war keine deutliche einseitige Verlagerung zu beobachten. Im mikroskopischen Bild war nur eine mehr
Uber den Geotropismus der Sphagnen
49
oder weniger diffuse Verteilung zn erkennen. DaB diese leeren Plastiden die Rolle der Statolithen iibernornmen haben kiinnten, erscheint unwahrscheinlich.
Aus diesen Befunden diirfte sich ergeben, daB dieS. riparium-Pflanzen geotropische Reaktionen und Aufkrtimmungen auch ohne das Vorhandensein von Starke in den Statolithenzonen ausftihren, daB also die Ver' lagerung von Starkekornern in diesem Faile ftir die AuslOsung der geotropischen Reizkette nicht verantwortlich sein kann, sondern als Parallelvorgang angesehen werden muB. Im Verdunklungsraum (20° C) erfolgte die geotropische Aufkrtimmung bei allen drei Sphagnumarten erheblich schneller. Bei S. riparium dauertc eine Aufkrtimmung urn 90° rund 3 Tage, bei S. 1·ecurvum 7 Tage und bei S. squarrosum 10-12 Tage. Die mikroskopische Untersuchung ergab im Gegensatz zu den im Eisschrank verbliebenen Pflanzen eine Zunahme der Starke hauptsachlich in der Statolithenzone. Aus dieser Beobachtung muB gefolgert werden, daB die Sphagnumpflanzen - wie wohl tiberhaupt allgemein bei Moosen (RANKEN 1914) - bei hoheren Temperaturen (rund 20° C im Versuchsraum) Starke auch ohne Zufiihrung von Licht aufzubauen vermogen. Dieser Starkeaufbau vollzieht sich fast nur in der Statolithenzone, und zwar nur in den ersten 14-20 Tagen. Spater ist infolge der ,Hungerbedingungen" wieder ein Abbau und vor aHem ein Ktimmern der Pflanzen zu beobachten. 8. Klimakammer- und Temperaturversuche Inwieweit die Temperatur tatsachlich das Wachstum und die geotropische Reaktionsfahigkeit der Sphagnen beeinfluBt, zeigen die vier folgenden Vergleichskulturen mit S. riparium, S. recurvum und S. squarrosum. Jede Kulturreihe cnthielt etwa 250 Pflanzen. Die Versorgung der Pflanzen erfolgte in mit Moorwasser gefiillten Glasschalen, in denen eine Wasserspiegelhiihe von 6 em unter den Moosgipfeln konstant gehalten wurde. Urn den Pflanzen miiglichst ungestiirte und gleichmiiBige Wachstumsbedingungen zu verschaffen, wurden sie in einzelnen Biindeln zu 15 bis 20 Exemplaren, nach Arten getrennt, in geriiumigen, oben und unten offenen Celluloidzylindern untergebracht (nach OvERBECK und HuPACH 1957), die mit ihrem FuB in den Moorwasserschalen standen. Aile Pflanzen waren, um gleichmiiBige Beobachtungen zu erzielen, vorher auf 8 em Lange gekiirzt worden.
1. Eine Kultur auf der Dachterrasse des Institutes, die etwa den Naturbedingungen mit stark wechselnder Temperatur und Luftfeuchtigkeit entsprach. Die Mittelwerte der Temperatur lagen bei 19° C, die der relativcn Luftfeuchtigkeit bei 74 %· 2. Eine Klimakammerkultur mit durchschnittlichcr Tempcratur von 22° C und einer durchschnittlichen relativen Luftfeuchtigkeit von 68 %· Flora, Bd. 141
4
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RtiLE VON BISMARCK
3. Einc Klimakammerkultur mit einer konstanten Tempcratur von 10° C und 86% relativcr Luftfeuchtigkeit (Institut fiir Meereskundc ). 4. Eine Klimakammerkultur mit konstanter Temperatur von 5° C und 77% relativer Luftfeuchtigkeit (Institut fUr Meereskunde ). Nach 14, 27, 48 und 56 Tagen wurde der ZuSphagnum riparium wachs der Pflanzen bestimmt. Die Mittelwerte der MeJ3ergebnisse wurden graphisch eingetragen und sind aus Abb.17 ersichtlich. Diesen Kurven seien noch Zuwachsmessungen gegenlibergestellt, die wahrend der Eisschrankversuche 1957 durchgefiihrt wurden (Abb. 18). Hierbei wurden Wachstumsmessungen an Pflanzen vorgenommen, die einmal tiber Sphagnum squarrosum E ,D 60 Tage im Eisschrank <.> 5 .,,'""~ .s., bei durchschnittlicher --:::-- ,-t: Temperatur von 2° C und ,:;:;:$' '-' ~ -----~ 71% relativer Luftfeuchtig""'_.a- ., __..o-~ ..,,:::::,.~ ....... ....-.o...... • keit, zum andern in der ·-·~ Klimakammer bei 5° C und rund 74% relativer Luftfeuchtigkeit kultiviert Sphagnum recurvum wurden . E Aus all diesen Ver... 5 "" .s., ,;,-..., suchen geht eindeutig hero'""'' ,D' .J;: .... vor, daJ3 die Temperatur ,~ .~·--· ~ :;;f.~_,.. das Wachstum der Sphag~ , o•""' nen wesentlich beeinfluJ3t. Die Ergebnisse sind durch20.6.56 10 zo 30 40 50 60 ---•Zeif in Tagen aus miteinander vergleicho----oK/imakammerkultur 22° C 10°C bar, da die anderen beeino---oDachferassenkultur 19°C flussenden Faktoren, wie o-·-·-Kiimakammerkultur 5°( Luftfeuchtigkeit, BelichAbb. 17. Zuwachskurven der Sommerpflanzen bei tung, pa-Wert, Wasservier verschiedenen Temperaturbedingungen.
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Uber den Geotropismus der Sphagnen
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spiegdhohe, bei allen Versuchen in den gleichen GroBenordnungen lagen und soweit wie moglich einander angeglichen waren. Hiernach laBt sich folgendes feststellen: 1. Mit einer Temperaturabnahme ist eine Verringerung des Langenzuwachses der Sphagnen verbunden. 2. Bei konstanter Klimakammertemperatur von 10° C ergab sich ein groBerer Zuwachs als bei einer Dachterrassenkultur mit wechselnder Temperatur, deren Durchschnitt bei 19° C lag. Diese Wachstumsdifferenz der im Freien wachsenden 3 Pflanzen diirfte vor allem Sphagnum riparium • - -~ auf unterschiedliche Wit::::::.:~::::::. ::::~:::::~ .o terungsbedingungen zuriickzufiihren sein, wie E 3 Wind, groBeren Wasser'-' Sphagnum squarrasum verlust bei Luftfeuchtig-~ 2 _.__..-o keitsschwankungen und ~.-.=::::::::::g::::-.:::::::::.............. ~ Anderungen der Transpirationsintensitat beim Wechsel zwischen Tag und Sphagnum recurvum 2 Nacht. .o-·-·-·-·-·.....0 ·":'::":':~::=..a..·····························.O 3. Die Sphagnen zei19.2.57 10 20 30 40 50 60 gen bei 2° C noch einen, Zeit in Tagen <>-·-·-<>Klimakammerkultur 5°C wenn auch sehr geringen O••••••••••••oOfisschranhi
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RuLE vox
BIS)IARC'K
66tagiger Zuwachs der 60tiigiger Zuwaehs der ., Sommerpflanzen" , Winterpflanzen" (Klimakammer 5° C) (Klimakammer 5° C) S. riparium 5,5 em S. riparium 1,6 em S. squarrosurn = 2,0 em S. squarrosum = 0,8 em S. recurvurn = 3,5 em S. recu1·vum = 0,6 em \Veiterc erganzende Waehstumsmessungen im Verdunklungsraum, im Versuehsraum mit Tageslicht (teils aueh mit zusatzlieher ktinstlieher Beliehtung, zwei 40-Watt-Lampen) und in der Klimakammer (22° C) mit rein ktinstlicher Belichtung (Leuehtstoffrohrenaggregat) ergaben einen z recht unterschiedlichen Zuwachs ftir die Versuchspflanzen. In Abb. 19 sind die Wachstumsmessungen ftir eine Reihe solcher Kulturen zusammengestellt. Fur diese Kulturen mit S. riparium wurden die 8-12 em langen Pflanzen immer frisch aus dem Moos be20 10 30 schafft. Die Temperaturen schwankZeit in Tagen ten zwischen 18 und 22° C, die Abb. 19. Ausgleichsgeraden der Zurelative Luftfeuchtigkeit zwischen wachswerte von 8. riparium bei sechs verschiedenen Kult.urbedingungen. Die 60 und 80%. Der WasserspiegelGeraden sind teilweise unter Annahme stand 4 em unter den Mooskopfen. eines gleichbleibenden Wachstums auf 30 Tage ergiinzt worden (gestrichelte KurUm die Dbersicht zu wahren, wurden ven). Weitere Beschreibung im Text. nur die Ausgleichsgraden gezeichnet; der Zuwachs ist auf 30 Tage berechnet. Die Kurven 1-6 ergeben sich aus folgenden Kulturen: Kurvr 1
Verdunklungsraum o}me Licht1 ); Versuchszeit vom 19.1. bis 14. 2.1957: Zuwachs: 11,8 em.
Kurve "
Tageslicht; es wurden nur 2--3 em lange stammige Kiipfchen verwendet (Wasserspiegel 2 em): Versuchszeit vom 9. 7. bis 14. 8. 1956; Zuwachs: 10,4 em.
1) Zu Kurve 1 ist zu bemerken, daB die Pflanzen erst 6 Tage zusiitzlich zum Tageslicht (18 Stunden) belichtet wurden, ehe sie in den Verdunklungsraum iiber· fiihrt wurden. Der auffallend groBe Zuwachs (bis zu 50%) halt aber nur 3, hiichstens 4 Wochen an. Die Pflanzen wurden dabei sehr geil, blaBgriin und verkiimmerten nach einer liingeren Versuchszeit. - Eingehende Untersuchungen iiber Etiolementerscheinungen bei Moosen fiihrte FITTING (1942) durch.
Uber den Geotropismus der Sphagnen Knne 3
53
Tageslicht mit zusatzlicher kiinstlieher Beliehtung (18 Stun den pro Tag); Versuchszeit vom 19. 1. bis 1-!. 2. 1957; Zuwaehs: 9,3 em
Knrn -!
Klimakammer, 22° C, mit kiinstlicher Beliehtung; Versuchszeit vom 20. 6. bis 26. 7. 1956; Zuwachs: 8 em. KnrYe 5 Nur Tageslicht im Versuehsraum; Versuehszeit vom 19. 1. bis 14. 2. 1957; Zuwaehs: 7,5 em. Kurve 6
Verdunklungsraum mit kiinstlicher Belichtung (zwei 40-Watt-Lampen); Versuchszeit vom 10. 6. bis 3. 7. 1956; Zuwachs: G em.
Schon diese Beispiele zeigen Wachsturnsunterschiede von fast 6 em m 30 Tagen. Dagegen blieb bei diesen sechs verschiedenen Kulturbedingungen die geotropizo• 41 sche Aufkrii.rnrnungszeit urn 90° recht konstant zwischen 24 und 36 Stunden. Wenn die geotropische Aufkriirnrnungszeit von der Wachsturnsgeschwindigkeit z' 11 abhangt, diese aber wiederurn durch die 10 15 5 i!.O Auflmimmungszeit um 90° in Tagen ____., Ternperatur stark beeinfluBt werden kann, Abb. 20. Der TemperatureinfluB auf die geotropische Kriimmung bei 8. ripaTium, 8. TecuTvum und 8. squaTrnuB auch die geotropi- rosum. (1) = Eissehrank bei 2° C, (2) = Klimakammer sche Reaktion durch 5° C, (3) = Klimakammer 10° C und (4) = Klimakammer 22° C. Ternperatureinfliisse variiert werden ki:innen. Urn dies zu iiberpriifen, wurden S. riparium-, S. recnnmm- und S. squarrosum- Pflanzen 4 W ochen lang folgenden Ternperaturbedingung!'n ausgesetzt: 1. irn Eisschrank 2. m der Klirnakarnrner 3. m der Klirnakarnrner J. m der Klirnakarnrner Die Pflanzm wurden unter gleichbleibenden Kulturbedingungen horizontal gelegt und die Zeiten der Aufkriirnrnung urn 90° bestimmt. Die durchschnittlichen .MeBwerte sind in Abb. 20 zu Kurven ausgewertet. Aus diesen ergibt sich, daB S. riparium bei d!'n til'f!'n Temperaturen von
:)-1-
RULE VON BISMARCK
2' C immcr noch eine wenn auch sehr langsame - Aufkriimmung innerhalb von 15--18 Tagen auszufiihren vermag, wahrend bei S. recurvum und 8. squarrosnm eine Aufkriimmung um 90° erst bei Temperaturen von 5c C inncrhalb von 13 bzw. 14 Tagen zu beobachten war. DaB die Aufkriimmungszeit irnrner von der augenblicklich herrschenden Ternperatur abhangt, zeigt folgender Versuch: Wurden die geotropischen Kriimmungsversuche nach vierwoehigem Aufenthalt in Eissehrank oder Klimakarnrner (5° C bzw. 10° C) im Verdunklungsraurn bei 20° C durehgefiihrt, so erfolgte die Aufkriirnrnung unter den neuen hoheren Ternperaturen wieder schneller. S. riparium kriimmte .sich so, statt in 15-18 Tagen irn Eissehrank, sehon in 3 Tagen und statt in 7 Tagen in der Klimakarnrner (5° C) innerhalb von 2 bis 3 Tagen auf. Ein Nachhinken der aus dem Eisschrank entnornmenen Pflanzen war festzustellen, doch diirfte dies auf eine erforderliehe langere Anpassung an die hOhere Temperatur zuriickzufiihren sein. Bei S. recurvum ergaben sieh ahnliehe W erte, die in Tabelle 5 wiedergegeben sind: Tabelle 5 Ternperaturabhiingigkeit der geotropischen Aufkriimrnung urn 90° (Zeit in Tagen) Eisschrank (2o-3o C)
Sphagnurnart 8. riparium. 8. riparium irn Vorbereitungsraurn1)
Klirnak. W C)
18
7
3
2-3
Klimak. (22° C)
Klirnak. (10° C) I
1-2
4
2
I
-
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keine
S. reCUITUm
8. rerecun:um irn Vor-
i
bereitungsraurnl)
I
7
8. squarrosum. . . . . 8. squarrosum irn Vor-
bereitungsraurn1) . . .
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13
6
6
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14
7
7
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I
3-4
I
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2-3
Eine Beeinflussung der geotropisehen Reaktionsgesehwindigkeit dureh das Licht (Tageslicht, kiinstliche Belichtung, zusatzlich kiinstliche Belichtung zum Tageslicht, verdunkelt) war bei optirnalen Kulturbedingungen nicht zu beobachten (siehe S. 64, Phototropismus). Urn festzustellen, ob S. riparium-Pflanzen bei noch tieferen Ternperaturen, urn den Null-Punkt, iiberhaupt noch einen geotropischen Reiz aufnehmen konnen, wurden in fiinf Versuchsreihen je fiinf S. ripariumPflanzen horizontal im Eisschrank bei etwa 0° C gelegt. 1) Nach vierwochigern Aufenthalt unter den verschiedenen Ternperaturbedingungen wurden die Versuchspflanzen irn Verdunklungsraurn bei 20° C horizontal gelegt und die Aufkriimrnungszeiten urn 90° bestirnrnt.
Uber den Geotropismus der Sphagne~
55
Eine Horizontallegung im Eisschrank fiihrte, selbst nach einer Reizdauer von 20 Tagen, zu keiner Kriimmungsbewegung, schon allein deshalb nicht, weil die Pflanzen bei dieser Temperatur wegen ihres hohen W assergehaltes erstarrt sind. Trotzdem konnte im mikroskopischen Bild cine Statolithenverlagerung beobachtet werden. Urn aber zu ermitteln, ob dennoch ein geotropischer Reiz perzipiert worden ist, wurden die Pflanzen nach einer ausreichenden Prasentationszeit im Eisschrank von 24, 48 und 72 Stunden auf dem Klinostaten 4 Tage lang in der Klimakammer bei 22° C rotiert (1 U/20 1\Iin.). Da wahrend dieser Versuche von 25 Pflanzen nur sieben leichte, aber unregelma.Bige Kriimmungen zeigten (nicht im Sinne einer geotropischen Reaktion), so darf wohl der Schlu.B gezogen werden, da.B bei Temperaturen urn 0° C kein Reiz mehr aufgenommen werden kann1 ). 9. Plagiotrope Umstimmung? In der Natur la.Bt sieh leicht beobachten, da.B verschiedene raschwiichsige Sphagnumarten sehr nasser Standorte nur mit den apikalen Abschnitten des Stengels eine senkrechte Orientierung in den 1\Ioospolstern zeigen, wahrend die alteren Stengelteile horizontal und meist genau parallel gerichtet liegen (Abb. 21 ). OvERBECK und HAPPACH (1957) haben diese Erscheinung fiir S. recnrvum und S. riparium genauer beschrieben; sic ist auch Abb. 21. Teilweise ausgeriiumter 8. recurvum-Bestand im Friihjahr 1956. Deutlich ist die parallele an S. cuspidatum, S. squar- Horizontallagerung der basalen Stiimmchenabrosum und S. subsecund7tm schnitte zu Prkennen, wahrend die Kiipfchen eine orthotrope Wuchsrichtung aufweisen. zu bcobachten. Die langsam wachsenden Arten trockenerer Standorte, Yornehmlich der Bulte, zeigen diesen schroffen Gegensatz eines aufrecht stehenden und eines liegenden Stengelabschnittes dagegen nicht oder nur unregelma.Big und undeutlich. 1) Nach Fertigstellung der vorliegenden erschien eine Arbeit von L. BRAUNER und HAGER (1958), in der berichtet wurde. daB bei Keimlingen von Helianthus annuus eine bei + 4° C induzierte geotropische Polarisation noch selbst nach 12stiindiger Wartezeit bei Zimmertemperatur nachklingt. Der scheinbare Widerspruch kann an den in meiner Arbeit verwendeten noch tieferen Temperaturen von 0° C Iiegen.
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ReLE vo:-<
Bis~BRCK
Wie kommt bei den oben genannten Arten die unterschiedliche Orientierung des apikalen und des basalen Stengelteiles zustande? ,Was die Kniestelle betrifft" - schreiben OvERBECK und H~HPACH -, ,so liegt sie offenbar in derjenigen Entfernung vom Gipfel, in der das Absterben des Stammchens beginnt. Dieses verliert hier schon meist sein frisches Griin, und wahrend die aufgerichteten Teile wenig Biegungsfahigkeit besitzen (bei 8. riparium sind sie oft sprode wie Glas), werden die Stammchen vom Knie an abwarts mehr oder weniger schlaff und biegsam. Es ist also wohl die zunehmende Last der durch negativen Geotropismus orthotrop wachsenden Stammchen, welche in den biegsam werdenden unteren Abschnitten das Umsinken und Horizontallagern bewirkt." - Anderseits erwahnen die gleichen Autoren, daB man im Friihjahr nach der Schneeschmelze, aber auch zu vorgeschrittener Vegetationsperiode, nicht selten Rasen mit nur sehr kurzen orthotropen Stammenden antreffe, bei denen auch unterhalb der Kniezone die voile Turgeszenz, verbunden mit frischgriinem Aussehen, erhalten sei.
Schlossen OvERBECK und HAPPACH im wesentlichen auf rein mechanische Ursachen fiir das Umsinken dieser Sphagnumrasen, so sind diese doch nicht experimentell erwiesen, und namentlich der letztgenannte Fall HiBt noch die Denkmoglichkeit offen, daB vielleicht auch , Umstimmung" des Geotropismus, namlich von orthotroper zu plagiotroper Einstellung, mitspielen konnte. Bei Untersuchungen iiber den Geotropismus der Sphagnen darf diese Frage nicht unberiicksichtigt bleiben. Fiir eine experimentelle Klarung dieser Frage war die Uberlegung maBgebend, daB, wenn eine plagiotrope Umstimmung vorliegen sollte, diese sich auch in Kulturen zeigen miiBte, wenn die Pflanzen durch seitliche Abstiitzung oder durch Verminderung des Eigengewichtes vor dem mechanischen Umsinken durch Gewichtszunahme bewahrt wiirden. Zu diesem Zweck wurden in gut mit Tageslicht belichteten, zugedeckten GlasgefaBen S. riparium-Pflanzen im los en Verband gezogen, die a her einen seitlichen Halt an ausgespannten Faden und an benachbarten Pflanzen finden konnten. Wahrend einer 3monatigen Beobachtungszeit war jedoch stets ein gleichmaBiger orthotroper Wuchs his zu 15 em iiber dem Wasserspiegel zu messen, also fast eine doppelte Wuchshohe wie im Freien1 ). Erst danach trat ein Schlaffwerden und Absterben der unteren Stengelteile ein, die als auBeres Zeichen eine braunlich-weiBliche Farbung annahmen. (Die Vermutung liegt nahe, daB sich die Pflanzen aus ihren basalen Stammchenabschnitten mit ernahren und diese abbauen, da ihnen Nahrstoffe bei diesen Kulturen nur in sehr geringen Mengen zur Verfiigung stehen.) 1) Im Freien betriigt der orthotrop wachsende Strngelabschnitt bei 8. riparium selten mehr als 8-10 em, bri 8. squarrosum hochstens 8 em, bei 8. recun;um etwa G-8 em.
Uber den Geotropismus der Sphagnen
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Wurde in weiteren Versuchen -in gut belichteten Glaszylindern durch standige Nachfiillung und auch Erneuerung des Moorwassers der Wasserspiegel immer dicht unterhalb der Kopfchen gehalten, so daB die Pflanzen praktisch im Moorwasser schwammen und dadurch spezifisch Ieichter wurden, so konnten Wuchshohen mit grtin bleibenden und assimilationsfahigen Stammchen his sogar tiber 30 em erzielt werden. N atiirlich spielen bei solchen Versuchen die bedeutend giinstigeren Kulturbedingungen und besonders wohl die gleichmiiBige hohe Luftfeuchtigkeit eine Rolle, doch konnten bei Kontrollversuchen unter gleichen Bedingungen mit isoliert wachsenden 8. riparium-Pflanzen nur Wuchshiihen bis 10 em, hiichstens 11 em gemessen werden. Hierbei konnte auch oft beobachtet werden, daB die ganze Pflanze bei einer Lange von 10-11 em an der Basis umsank- sich horizontallegte- und erst wieder in der Wachstumszone, dicht unterhalb des Kiipfchens begann, sich aufzukriimmen.
Da aber diese Versuchsergebnisse zu einer eindcutigen Klarung der aufgeworfenen Fragcn allein nieht ausreichend erschienen, wurden auch noch Untersuchungen iiber die Stabilitatseigenschaften der Stammchen vorgenommen, und zwar hinsichtlich der bestimmenden Faktoren: a) der Biegefestigkeit (abschnittsweise) und b) der Turgordehnung. a) Biegefe s tig kei t 1. Urn diese prtifen zu konnen, wurden S. riparium-Stammchen 2 em weit tiber eine horizontal gelegte feste Unterlage hinausgeschoben. Auf die Mitte des nun freischweffl'lschwebender benden Abschnittes wurde dann AbschniH ein Reitergewicht (2 g) gesetzt. 1:;-!em ==-:1 ~ -Ausganglage Durch genaue vferfache Mes;;{~ -"J,n- blelbende Biegung · R-? ~ -----.t__ · -Durchb1equng mlf sungen mit dem HorizontalmikroReitergewich1 {Rl skop: vor dem Aufsetzen des Abb. 22. Schema der Versuchsanordnung Rcitergewichtes, zur Zeit des fiir die Biegefestigkeit. Aufsetzens, nach 1 Minute Wartezeit und nach Abnahme des Gewichtes, wurde die Durchbiegung bei Belastung und ihr zurtickbleibender Anteil bestimmt (Abb. 22). Nach Abschneiden dieses Stammchenteiles wurde sodann mit dem Vorschieben des Stammchens urn jeweils 2 em fortgefahren, his schlieBlich die Biegefestigkeit der einzelnen Abschnittszonen fiir die ganze Lange des Stammchens ermittelt war. Aus der graphischen Darstellung Abb. 23a geht hervor, daB in einer Zone von 5 bis 9 em unterhalb des Kopfchens die Stabilitat des Stammchens stark herabgesetzt ist und ihrcn Tiefpunkt bei etwa 7 em hat. Gerade in dieser Zone findet auch normalerweisc das Umsinken der Freilandpflanzen statt. Verstandlich erscheint aurh die reeht schwache Stabi-
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RULE VOX BISMARCK
litat des apikalen Stammehenabsehnittes (1-3 em). Befindet sieh doeh hier am au13ersten Ende das verhaltnisma13ig sehr sehwere Kiipfehen, zum andern sind die Zellen dieser Zone (Streckungs- bzw. Waehstumszone) in einem noeh sehr jugendliehen Stadium. Auffallend dagegen ist bei dies en Pflanzen die . Stabilitatszunahme unterhalb der , Kniezone" 5 4
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Abb. 23. Biegefestigkeitsversuche mit 8. riparium. Dicke Kurven = Durchbiegung beim Aufsetzen des Gewichtes (2 g); diinne Kurven = Durchbiegung nach 1 Minute Wartezeit; gestrichelte Kurven = bleibende Biegung nach Fortnabme des Gewichtes. a) Versuche mit Winterpflanzen, die am 14. 2. 1958 aus dem Moor beschafft waren (Mittelwertskurven von 7 Pflamen). b) Versuche mit Kulturpflanzen (4 Wochen), die sprodere Stengel - ahnlich den Sommerpflanzen - aufwiesen (Mittelwertskurven von 10 Pflanzen). Weitere Beschreibung im Text.
im Absehnitt von 7 bis 11 em! Erst naeh Erreiehen einer Lange von tiber 12 em verliert der Stengel seine Stabilitat mehr und mehr und wird bei 17-20 em meist sehon so miirbe und zerbreehlieh, da13 er z. B. bei Entnahme der Pflanzen aus dem Moor sehon ohne weiteres brieht. Fur diese Biegeversuehe wurden die S. ripa.rium- Pflanzen Mitte Februar 1958 wahrend einer kurzen frostfreien Periode aus dem Moor
Cber den Geotropismus der Sphagnen
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besehafft. Bei diesen Pflanzen fiel die ausgesproehcn gute Elastizitat dcr Stammehen auf, die ganz im Gegensatz zu der Sprodigkeit dcr Sommerpflanzen steht. tTbereinstimmend hiermit zeigt die gestriehelte Kurvc der gleiehen Abb. 25a, die die zuriickbleibendc Dehnung nach der Belastung vcransehaulicht, daB die Stammchen schr clastisch sind und ihre urspriingliehe Ausgangslage fast wiedcr erreichen. Nur im Abschnitt der Kniezone, dem der sehwachsten Stabilitat, tritt eine starkere bleibende Dehnung auf. 2. Mit S. Tiparium-Pflanzen, die zur gleichen Zeit aus dem Moor beschafft waren (14. 2. 1958), wurde noeh cine weitere Versuehsreihe unternommen. Die Pflanzen waren jedoeh vorher erst 4 W oehen im Versuchsraum bei Tageslieht in Kultur gehalten worden. Im Unterschied zur vorbesehriebenen Versuchsdurchfiihrung wurdc jeweils nur 1 em von dem 2 em freisehwebenden Teil der Pflanzc abgesehnitten und das Stammchcn nur jeweils urn 1 em weiter vorgesehoben. Dadureh lieB sieh eine genauere Bestimmung der Durehbiegung fiir noch kleinere Absehnitte erreichen. Als Ergebnis dieser zweiten Untersuchungen konnte festgestellt werden, daB, im Gegensatz zur ersten Versuehsreihe, die Pflanzen dureh die Kulturzeit einen guten Teil ihrer Elastizitat verloren hatten und wesentlieh sproder waren. Die Durehbiegung der einzelnen Abschnitte, die Abb. 23b wiedergibt, nimmt jetzt fast gleichlaufend mit der Lange des Stammehens zu, und im Abschnitt von 13 bis 15 em tritt bei Belastung mit 2 g meist ein sehlaffes Umknickcn des freisehwebenden Teiles ein. Die Schwankungen der Mittelwertskurven (Abb. 23b) sind auf teilweise recht erheblich abweichende Mel3werte bei einzelnen Pflanzen zuriickzufiihren, die dadurch zustande kamen, daB nicht immer ganz gerade gewachsene Stammchen zur Messung verwendet werden konnten. Durch Kriimmungen im Stammchen treten Spannungsdifferenzen auf, die oft zu abweichenden Werten fiihren.
Bei Beurteilung der Biegefestigkeit des Stammehens darf wohl cin gleichmaBig ansteigender Kurvenverlauf angenommen wcrden, der ergibt, daB mit zunehmender Lange des Stammehens seine einzelnen Absehnitte einer meehanisehen Belastung immer wcniger Widerstand leisten. Als Bestatigung kann aueh der entsprcchend par allele Vcrlauf der gestriehelten Kurve (Abb. 23 b) angesehen werden. Diese Kurve stellt die zuriickbleibende Dehnung nach Fortfall der Belastung dar. Aus eincm Vergleich der Resultate der heiden Versuchsreihen kann wohl gefolgert '.Ycrden, daB dureh Frosteinwirkungen das SphagnumStammchen im Winter andere Elastizitatseigensehaften erhalt als im Sommer.
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RuLE vo"'
Bls1L\HCK
b) Messung der Turgordehnung Fiir diese Versuehe wurden die genauen Langen fiir kleine Stengelzylinder (etwa 4 mm) unter dem Mikroskop im Moorwassertropfen bestimmt, die aus dem Stammehen in bestimmten Abstanden (s. Me13punkte der Abb. 24) herausgesehnitten waren. Sodann wurden die vermessenen Stammehenabsehnitte 24 Stunden in osmotiseh wirksame Losungen gelegt (0, 7 bzw. 1,0 mol Rohrzuekerlosung, 2 mol bzw. einer 0, 7 mol RohrzuekerlOsung isotonisehe KN0 3 -Losung), urn ansehlie13end die eingetretenen Verkiirzungen zu messen, die in Abb. 24 dargestellt sind. Hiernaeh mu13 eine stark!' Turgordehnung in dl'n oberen Stammehenabsehnitten 15
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Mittelwert von 2 Pflanzen- KN03 2mo/
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10 15 Lange der Pflanzen in em
20
Abb. 24. Messun~en der Turgordehnung mit 8. riparium (Februar 1958). Besehreibung im Text. x = Die KN0 3 -Liisung ist isotonisch mit einrr 0.7 mol Rohrzuekt'rliisung.
herrsehen (0,5-3 em unterhalb des Kopfehens, Waehstumszone), wahrend etwa ab 4 em die Turgordehnung Iangsam, aber stetig zum basalen Stengelteil hin abnimmt, so da13 wir in der Zone des rmsinkens nur noeh eine sehwaehe Turgordehnung finden. Auffallend bleibt aber der kurze, schwache Anstieg der Turgordehnuug bei einer Stammchenliinge von 7-9 em, den aile Kurven mehr oder weniger deutlich wiedergeben. Dieser Anstieg fallt gerade mit der /':one zusammen, in der normalerweise das Umsinken der Pflanzen stattfindet.
Aus all diesen Befunden darf wohl gefolgert werden, da13 im wesentliehen die Stabilitatsverhaltnisse der Stammchen die W aehstumshohe
tiber den Geotropismus der Sphagnen
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der Sphagnumpflanzen bestimmen. Das verhaltnismaBig schwere apikale Kopfchen kann hierbei auf das basalwarts immer unstabiler werdende Stammchen geradezu wie ein Hebel wirken, insbesondere in lockeren Sphagnumbestanden. Es erscheint somit verstandlich, daB das Stammchen in der Zone der schwachsten Stabilitat umknickt, also bei S. ripariurn bei etwa 7-9 em. Ferner darf bei dies en Vorgangen nicht iibersehen werden, daB durch einen dichten ,KronenschluB" der Sphagnumkopfchen die Lichteinstrahlung stark absorbiert wird, so daB selbst bei lockeren Verbanden wie wir sic bei S. riparium, S. recurvum und S. squarrosum antreffen das Licht nur bis zu einigen Zentimetern Tiefe fiir eine C0 2-Assimilation ausgenutzt werden kann (vgl. OvERBECK und HAPPACH 1957, S. 359). Die Auswirkung des Lichtmangels in den unteren Schichten ist an den Pflanzen schon auBerlich daran zu erkennen, daB in einer Tiefe von 7 bis 9 em die Stammchen und die Blatter ihr frischgriines Aussehen verlieren. In dieser Entfernung vom Kopfchen beginnen dann die Pflanzen auch abzusterben. Auch die Tatsache, daB man selbst bei vorgeschrittener Vegetationsperiode nicht selten Sphagnumrasen mit nur kurzen orthotropen Stammenden antrifft - wie dies auch OvERBECK und HAPPACH beobachtet haben - und unterhalb der Kniezone noch voile Turgeszenz und frischgriines Aussehen vorhanden ist, laBt sich aus den besonderen Lebensbedingungen der Sphagnen erklaren: Umweltseinfliisse - wie im Winter und Friihjahr vor"iegend eine Schnee- und Eisdecke oder im Sommer und Herbst vor allem Wind und Stiirme - konnen ein Umsinken ganzer Sphagnumrasen herbeifiihren. Raben die Sphagnumpflanzen eine gewisse GrenzhOhe erreicht und damit auch an Stabilitat eingebiiBt, so kann ein WindstoB einen ganzen freistehenden Sphagnumverband in einer Richtung niederdriicken. DiC' nun einmal horizontal niederliegenden Stammchen haben aber n u r die Fahigkeit zu einer geotropischen Wiederaufrichtung, die sie n u r innerhalb der kurzen Wachstumszo!le ausfiihren konnen, so daB der noch iibrige griine Stengelteil eine parallele horizontale Lage beibehalt. Diesem mechanischen Umknickvorgang - der die Unterschiede zwischen aufrechten und horizontalen Stammchenabschnitten bedingt muB bei den genannten Sphagnumarten (S. riparium, S. recttrvum, S. squarrosum, S. cuspidatum, S. subsecundum) auch eine besondere biologische Bedeutung zugeschrieben werden (OvERBECK und HAPPACH). Diese Sphagnumarten erhalten dadurch die Fahigkeit zu einem Transgressionswachstum und konnen sich damit sogar tiber Moosra3en anderer
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RULE VON B!Sll'L\RCK
Sphagnumarten und Pflanzen hinweg ausbreiten. Auch bleiben die Mooskopfchen immer in einem begrenzten Abstand vom Moorwasserspiegel, wodurch ein ausreichender W assernachschub von unten her gesichert ist. - SchlieBlich fiihrt gerade diese horizontale parallele Lagerung der basalen Stammchenabschnitte zu den bekannten schichtweisen Torfablagerungen. 10. Wuchsstoffversuche W enn das pflanzliche Streckungswachstum allgemein durch , W uchsstoffe" irgendwelcher Art reguliert wird, so ist nicht anzunehmen, daB darin die Sphagnen eine Ausnahme machen. Ebenso ist es wahrscheinlich, daB auch bei der geotropischen und phototropischen Reaktion der Sphagnen der Wuchsstoff-Chemismus eine Rolle spielt. Spezielle Untersuchungen sind mir nicht bekannt geworden 1 ). Es liegt auch auf der Hand, daB sich Sphagnumstammchen auf Grund ihres morphologisch-anatomischen Baues nur schlecht fiir Untersuchungen iiber die Bildung und Wirksamkeit arteigenen Wuchsstoffes eignen. Im folgenden sei iiber einige Versuche mit den bekannten synthetischen Wuchsstoffen - Indolylessigsaure (Heteroauxin) und Indolylbuttersaure - bei einseitiger Darbietung und die dadurch hervorgerufenen Kriimmungsreaktionen bei Sphagnen berichtet. Als einzig geeignet erwiesen sich nur Wuchsstoffpasten, obwohl auch diese Versuche unter einer gewissen Unsicherheit litten, da auch bei Verwendung von Pasten ein Diffundieren des Wuchsstoffes durch den Hyalinzellenmantel urn den Stengel herum zwar verzi:igert, aber auch nicht ganz zu vermeiden war. Diese Pasten wurden nach RuGE (1951) hergestellt und kamen in folgenden Konzentrationen zur Anwendung: 0,02 moljl; 0,002 moljl; 0,0002 moljl und 0,00002 mol/l. Diese Pasten wurden zunachst langs des ganzen Stammchens der Versuchspflanzen aufgetragen, urn die Gesamtreaktion der Pflanze zu beobachten. Zur besseren Anhaftung der Pasten erwies es sich hierbei als zweckmaBig, eine schmale flache Rinne in die Hyalodermis mit einer 1) In der Literatur finden sich nur wenige Angaben tiber das Vorkommen von Wuchsstoffen bei Rryophyten. So konnte OvERBECK (1934) in der Seta von Pellia epiphylla keinen selbstgebildeten Wuchsstoff nachweisen. Doch gibt SoDING (1952) Wuchsstoffvorkommen bei Thallus von Calypogeia und bei Seten von Laubmoossporogonen an; Heteroauxin ford ere Auswachsen und Rhizoidbildung bei Marchantia-Brutkiirpern, die Teilung der Scheitelzelle bei Calypogeia und die Trockensubstanzbildung bei Funaria-Protonema. FITTING (1942) und besonders HALBSGUTH (1953) befassen sich mit Wuchsstofffragen bei Marchantia (Dorsiventralitatsproblem). BuNNING (1953) schreibt nur allgemein, daB Wuchsstoffe auch bei Farnen, Moosen, Pilzen und Algen festgestellt wurden.
Uber den Geotropismus der Sphagnen
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feinen Nadel zn ziehen, in welche die Paste bei einiger tibung eingedriickt werden konnte. Die Astchen konnten zum groBten Teil zur Seite geschoben werden, so daB nur sehr wenige entfernt werden muBten. Kontrollversuche mit angeritzten Pflanzen zeigten keinerlei Beeintrachtigung in ihrer Reaktionsweise. Es stellte sich sehr bald heraus, daB die Pflanzen iiberhaupt nur in den Kriimmungszonen und nur auf Indolylessigsaure reagierten. Die Reaktionen auf die angegebenen Wuchsstoffkonzentrationen wurden in drei Versuchsreihen mit je 20 orthotrop wachsenden S. riparium-Pflanzen beobachtet. Bei Anwendung von 0,02-molfl-Wuchsstoffpasten zeigte sich nach 18-24 Stunden eine deutliche Einkriimmung zur wuchsstoffbestrichenen Seite hin, die im Verlauf der folgenden Tage so zunahm, daB Einrollungen tiber 360° zustande kamen. Erst nach 8-10 Tagen schien die Wuchsstoffwirkung abzuklingen, so daB jetzt wieder oberhalb der irreversibel gewordenen Krtimmungen das Stammchen orthotrop weiterwuchs. Die Sphagnumpflanzen verhielten sich bei diesen hohen Konzentrationen also ahnlich wie die Wurzeln hi:iherer Pflanzen (25% der Pflanzen zeigten keine Reaktion). Bei Konzentrationen von 0,002 molfl scheint ein Umkehrpunkt vorzuliegen, da hierbei rund 60% der Pflanzen in entgegengesetztem Sinne reagierten. Sie krtimmten sich - allerdings ohne Einrollungen - nach der dem Wuchsstoffauftrag abgewandten Seite hin, wahrend 30% gar keine Reaktion zeigten und nur 10% mit einer schwachen Krtimmung zur wuchsstoffbestrichenen Seite hin antworteten. Bei Auftrag von 0,0002 molfl Wuchsstoffpasten konnte bei etwa 50% der Pflanzen nur eine schwache Kriimmung zur nichtbehandelten Seite hin beobachtet werden, wahrend 50% orthotrop weiterwuchsen. Bei einer Konzentration von 0,00002 molfl reagierten tiberhaupt nur noch 10% mit einer schwachen Kriimmung nach der dem Wuchsstoff abgewandten Seite. Aus obigen Versuchen geht hervor, daB bei hohen Wuchsstoffkonzentrationen tiber 0,002 molfl die Flanken mit aufgetragener Wuchsstoffpaste sehr viel schwacher wachsen als die frei gebliebenen Flanken. Wie sich die Wachstumsgeschwindigkeiten der antagonistischen Flanken im Vergleich zu normalen, nichtbehandelten Pflanzen verhalten, ist nicht ohne weiteres zu sagen. Wahrscheinlich hat der stark dosierte Wuchsstoff eine Hemmwirkung. Gleichzeitig besteht die Moglichkeit, daB das Wachstum der Gegenseite gegeniiber dem normalen gesteigert wird, da im Zuge der Diffusion quer durch das Stammchen (oder auf dem durch die Hyalodermis) der Wuchsstoff eine schwachere, wachstumsfordr,rnde Konzen-
64
RuLE voN
B1s~L\RCK
tration erreicht haben konnte. Nur subtile Wachstumsmessungen der antagonistischen Flanken konnten diese Frage klaren. Sicher ist der SchluB, daB die gebotenen Konzentrationen unter 0,002 mol/1 in der Tat eine Forderung der Zellstreckung bewirkten. Uber das Vorkommen arteigener Wuchsstoffe, tiber den Ort ihrer Bildung oder Aktivierung sowie einen Transport im Sphagnumstammchen wissen wir nichts. Nur das kann gesagt werden, daB auch dekapitierte Sphagnen, sowohl im Tageslicht wie auch im Dunkeln, sich geotropisch aufkrtimmen. Die Kopfchenspitze scheint also hierftir als etwaige Wuchsstoffquelle entbehrlich zu sein.
II. Elektrotropismus Elektrotropische Kriimmungsreaktionen in elektrostatischen Kraftfeldern mit Feldstarken zwischen 600 Voltjcm und 3000 Voltjcm konnten bei den Sphagnen nicht festgestellt werden 1 ). DaB trotz zahlreicher differenzierter Versuchsanordnungen keinerlei Kriimmungen weder zum positiven noch zum negativen Pol auftraten, beruht sehr wahrscheinlich auf der besonderen morphologischen Struktur des Sphagnumstengels. Der auBere, saure Wassermantel in den toten Hyalinzellen rund um das Sphagnumstammchen bildet einen guten Leiter und laBt so im Inn ern- in den lebenden Zellen des StPngels vermutlich einen kraftfeldfreien Raum entstehen.
III. Phototropismus Uber den EinfluB von Licht und Dunkelheit auf die Entwicklung von Bryophyten liegt eine Reihe von allerdings sich oft widersprechenden Beobachtungen vor (vgl. FITTING 1942). Soweit es sich tibersehen HiBt, sind spezielle phototropische Untersuchungen an den Sphagnen noch nicht durchgeftihrt worden. Unsere Versuche zielten ausschlieBlich darauf hin, die gegenseitige Beeinflussung von Photo- und Geotropismus zu erfassen. So wurde eine groBere Anzahl von Pflanzen (S. riparium, S. recurvum, S. squarrosum, S. palustre, S. magellanicum) einer geotropischen Reizung durch Horizontallegen ausgesetzt und 4 Wochen lang unter verschiedenen Belichtungsbedingungen auf das Reaktionsverhalten hin beobachtet, und zwar: 1. bei volliger Verdunklung, 2. bei schwacher Belichtung (40-Watt-Lampe, Abstand 20 em) 1) Positive Versuche in elektrostatischen Kraftfeldern sind bereits von LETTELlER 1899; P1ccARD 1904; BRAUNER und BuNNING 1930; AMLONG 1934, bei Vicia Faba-Wurzeln, Avena-Koleoptilen und Helianthus annuus-Hypokotylen ausgefiihrt worden.
Uber den Geotropismus der Sphagnen
65
(Abdecken der anderen Seiten durch a) einseitig (600 Lux) b) von oben (600 Lux), schwarzen Pappka~ton), 3. bei starker Belichtung (Leuchtstoffri.ihrenaggregat) von oben (2200 Lux), -!. bei vollem Tageslicht a) auf der Dachterrasse des Institutes, b) im Versuchsraum (diffuses Licht), c) einseitig am Fenster (Abdeckung der anderen Sciten mit schwarzem Pappkarton), 5. bei Belichtung mit Tageslicht von unten durch eine Celluloidplatte mit Hilfe cines Spiegels,
6. bei Belichtung von unten mit einer 60-Watt-Lampe, Abstand 20 em (1400 Lux). Die geotropische Aufkrtimmung der Sphagnumstammchen urn 90° stellte sich in allen Fallen, auch bei seitlicher Belichtung und Belichtung von unten, fast gleichzeitig und normal ein, ohne da13 sich bei diesen Reaktionen phototropische Einfhisse oder Kompensationserscheinungen bemerkbar machten. Der Grund hierftir kann in dem - anderen Pflanzen gegentiber verhaltnisma13ig tragen - tropistischen Rcaktionsvermi.igen der Sphagnen liegen. Da13 bei den Sphagnen phototropische Einfhisse aber doch nicht vi.illig fehlen, sondern, wenn auch in sehr abgeschwachter Wcise, wohl stets mitbeteiligt sind, ergaben folgende Versuche: Wurden in verdunkelten Versuchsgefa13en S. riparium-Pflanzen nur durch ein eingeschnittenes Seitenfenster (2 x 4 em) kiinstlich oder mit Tageslicht belichtet, so erfolgte auch in diesem Faile zunachst nur cine normale geotropische Aufkrtimmung mit orthotropem Weiterwuchs wahrend der ersten 5 his 6 Tage. Erst nach Ablauf dieser Zeit wurde auch cine geringe Wendung des Kopfchens zum Lichteinfall hin beobachtet, die erst nach 8 his 9 Tagen durch cine deutliche Krummung zur Lichtquelle hin ausgepragter wurde. Da13 auch die Lichtintensitat einen Einflu13 aus~bt, ging daraus hervor, da13 die Pflanzen bei Weitcrftihrung dieses Versuches mit seitlicher Belichtung (60-Watt-Lampc, Abstand 15 em) im vorderen Teil des 20 em langen Versuchsgefa13es bei 1700 bis 1400 Lux nach 8 Tagcn cine positive Krtimmung zum Licht hin aufwiesen, wahrcnd die im hinteren Teil des Versuchsgefa13es befindlichen Pflanzen, wo nur noch 1000 Lux gemessen wurden, sich negativ - von dem Lichteinfall weg - gckrtimmt hatten. Derartige Erscheinungen bei verschieden starker Liehteinwirkung sind bekannt (SoDING 1952). Flora, Bd. 148
5
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RFLE VON BISMARCK
Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen kann dahin zusammengefaBt werden, daB bei den untersuchten Sphagnumarten die geotropischen Reaktionen bei den Stiimmchen erheblich starker sind als die phototropischen. Einc Begrtindung dicser physiologischen Reaktionsweise kann wohl nur in einer Anpassung an die besonderen Lebens-, Standort- und Umweltbedingungen der Sphagnen gesucht werden. Diese Anpassungsfiihigkeit der Sphagnen hat sich noch weiter entwickelt: Sobald es sich im Dienst der Fortpflanzung urn die Bildung der Pseudopodien mit den Sporophyten handelt, tiberwiegt bei diesen das phototropische Reaktionsvermogen, das sich als wirkungsvoller fiir die Entwicklung und die Aufgaben dieser besonderen Pflanzenorgane erweist als die zu einseitige geotropische Reaktionsfiihigkeit der Stiimmchcn. (Niiheres hiertiber bringt der folgende Abschnitt.)
B. Das Pseudopodium und der Sporophyt IV. Das Pseudopodium Im Gegensatz zu den Bryalrs fehlt dem nur in die Kapsel und den kurzen FuB gegliederten Sporogon der Sphagnales die Ausbildung einer Seta. Die Funktion einer solchen, niimlich die Sporenkapsel tiber das Niveau der bebliitterten Stiimmchen frci in den Luftraum zu erheben. tibernimmt bei den Sphagnales (ebenso bei den Andreales) das Pseudopodium. Dieses wiiehst als blattloses seitliches Astchen aus dem Gametophyten heraus. Ehe wir auf das tropistische Verhalten des Pseudopodiums cingehen, seien einige Beobachtungen iiber sein Wachstum mitgeteilt. l. Allgemeine Bco bachtungcn tiber die Pseudopodiencntwicklung In der freien Natur begann wahrend der heiden Untersuchungsjahre 1955 und 1956 die sichtbarc Kapselentwicklung bei den untersuchten Sphagnumarten S. sqnarrosum, S. recurvum, S. fimbriatum und S. acutifolittm etwa Mitte Juni, wiihrend bei S. magellanicum, S. papillosum und S. palustre diese erst Mitte bis Ende Juli zu beobachten war. Die Pseudopodiumstreckung setzte bei dies en Moosen dann jeweils 3-4 Wochen spater ein. Aus den Angaben GvoRFFYS (1954) ist zu entnehmen, daB er seine in der Zeit vom 17. bis 26. Juni 1946 vorgenommenen Versuche mit 2-3 em la,ngen, im Wachstum begriffenen Pseudopodien der Sphagnumart S. recurvum · var. amblyphyllum anstellte, so daB der Beginn der Pseudopodiumstreckung in diesem Fall etwa 4 Wochen friiher, als sich aus den eigenen Beobachtungen ergibt, anzusetzen ist. Da die Versuche GYORFFYS am Hochmoor Biirmoor in Osterreich, Salzburg, Kreis
Uber den Geotropismus der Sphagnen
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Obernhof, ausgefiihrt wunlen, bPruhen diese Zeitunterschi!'fle bei drr Pseudopodiumrntwicklung wahrscheinlich auf unterschiedlichen klimatischpn BedingungPn.
Unter Klimakammerbedingungen war cs jedoch mi:iglich, die Pseudopodienentwicklung aller gcnanntcn Arten zu bceinflussen, den Beginn entweder vorzuverlegen oder zu verzi:igern. In der Klimakammer bei 22° C setztc die Entwicklung bei den Anfang April aus dem Moor bcschafften Pflanzen schon Mitte Mai ein. Die ersten reifen Kapseln platzten bereits am 10. Juli 1955, wahrend im Freien der Kapselsprung erst Ende Juli bis in den August hinein erfolgt ware. Bei S. recurvum-Pflanzen, die schon im Januar 1956 in Kultur genommcn waren, konnte beobachtct werden, daB sich bereits Ende April Pseudopodien und reife Kapseln entwickeltcn. An schattigen Pliitzen im Moor konnten auch noch geschlossene Kapseln von S. magellanicum Anfang September aufgefunden werden. ~iedrigc Temperaturen verzi:igern ebenso wie das Streckungswachstum der Stammchcn (s. S. 49ff) -- auch die Pseudopodienstreckung und die Kapselentwicklung, wie dies aus den heiden Abb. 25a und b am Beispiel von S. squarrosum hervorgeht. Unter konstanter Tempcratur von 5° C konnte die Kapselreife um rund 30 Tage hinausgezi:igert werden. Dicsc Verzogerung nahm bis zu 44 Tagen zu, wenn die Pflanzen schon mit sehr fruhen Kapselentwicklungsstadien diesen Temperaturbedingungen ausgesetzt waren. Dies veranschaulicht sehr deutlich ein Vergleich der heiden Abb. 25 a und b. Die Pseudopodienentwicklung bei einer Kultur im Freien auf dem Balkon des Institutes und auch einer Kultur in der Klimakammer bei 22° C liiuft etwa parallel mit der Entwicklung an drn Standorten im Moor. Fiir die weiteren geotropischen und phototropischen Versuchsreihen war die Wachstumsverzi:igerung in der Klimakammer bei eincr Temperatur von 5° C von Vorteil, da auf diese Wcisc stets passendes Untersuchungsmaterial in allen Entwicklungsstadicn bcreitgestellt werden konnte. Die Beobachtung der Pseudopodienentwicklung in den Klimakammcrn wie auch in der freien Natur ergab, daB in gleichen Zeitabschnitten das Wachstum der Pseudopodien wesentlich gri:iBer ist als das ihrer Stammchen, wie dies die Aufstellung der durchschnittlichen Wachstumswertc von S. squarrosum zeigt: Temperatur
5° C Klimak. 10° c: Klimak. 22° c Klimak. Bnlkon- Kultur
Wachstum der Pseudopodien in Tagrn em
20 14 9 10
3 3 3 3
I.
Ill
Wachstum der Stiimmchen em Tagen
20 14 9 10
0,7 1,5 1,2 0,8
Datum (1956)
16. 8. 3. 3.
5*
7.- 4. 7.-21. 7.-12. 7.-13.
8. 7. 7. 7
RULE VON BISMARCK
8ehr auffallend war die Abhangigkeit der Pseudopodienstreckung von der Belichtung. Messungen der Lichtintensitat wurden in diesem Zusammenhang zwar nicht ausgefiihrt, doch zeigte es sich immer wieder, daB bei einer gewissen Beschattung schr viel groBere Pseudopodiumlangen erreicht wurden als im vollen Tageslicht. Betrugen z. B. bei S. sqnarrosum dit> EndHingen im vollen Licht normalerweise 3-4 em, geplatzte Kopseln in% 1
~--:ja;/
: ] Ps.3cm
I
/II
Ps.2cm
Ps1~
grUn
, ·''.,,
/
Beginn d. Ps.-Streckung Kapseln braun Kapseln friiunlich . sitzend1
i-\-~5~,/
/
•
//
//
.j...__...,.".,.,.----------'
(26.6.56)
10
20
30
,,' ,/'
40
a
,/
50
Zeit in Tagen
60
70
----1~
geplotzte Kapseln
::1• Ps.3cm Ps.2cm
Ps.1cm Begmn d. Ps.-Streckung Kapseln braun Kapselnrbriiunlich sitzend) grun (26.6.56)
b
10
20
30
• die ersten Kopseln plotzlen Ps. • Pseudopodium
40
50 Zeit in Tagen
60
70
----1~
Abb. 25. 'l'emperaturbeeinflussung der Pseudupudien- und Kapselentwicklun~. a) Friihes Entwicklungsstadium mit noch vollig griinen, sitzenden Kapseln. b) Spates Entwicklungsstadium mit schon sich braunlich farbenden Kapseln. Auch hier hatte die Pseudopodienstrecknng noch nicht bpgonnen.
wurden bei beschatteten Pscudopodien bis zu 6 em erreicht. Es zeigte sich also der gleicht> Effekt der Wachstumshemmung durch das Licht, wic er bei der hoheren Pflanze bekannt ist. Eine iibersichtliche Zusammenstellung der Beobachtungen iiber die Pseudopodiumentwicklung gibt Tabelle 6 wieder.
I
Endliinge der gestreekten Pseudopodien
.\ nfang Aug-ust
O,fi-1 CUI ! maximal R em)
Anfanf( Juli
Mit!t' .luni
S. llt'uhfolil•nr
Anfang S11pt.
1-3 em (maximal 5 em)
Mitte .Juli
En
8. polustre.
Anfang Rnpt.
1-3 em (maximal 5 em)
Mitte .Juli
Ende .Juli
8. pr1pillosum
Anhng Sept.
Die Beobachtnngen er£o!gten im Kaltenhofer !\loor nnd im Moor bei Rotenhalm.
Juli
1-2,5 em (maximal 4 em)
~;nde
.luli
8. mr1yellaniwm .
E1Hie J nli
0,5-1,5 em (maximal 3 emJ
Anfang Juli
Mitte Juni
Ende .Juli
Ende .Juli
Platzen der Kapseln
1-2 em (maximal 4 em)
S. fimbriaturn
Anfang J : - r - - - - 3 - 4 em (maximal 6 em) Anfang .Juli
Mitte .Juni
Mitte Juni
!
recu rvurn
•
~....,~.
.
Beginn der Pseudopodiumstreekung
~qu11rrosnrn
Beginn der sichtbaren 1\apselbildnng-
8.
Sphagnumarten
Tabelle 6 Pseudopodienentwieklung (Beobachtungen der Jahre 1955 und 1956)
4 -8
3--7
3-7
1-B
5--8
ll---10
9-12
Anzahl der Pseudopodien an einer Pflanze
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C:.
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; <11<
"0
r:n
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0
"'.... p. "':=
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~:
70
RULE VON BISMAHCK
Korrelative Einfliissc zwischen der Sporogonbildung und dem Wachstum der Stammchen konnten fUr die Sphagnen nicht festgestellt werden. Wahrend die Ausbildung von Bltiten und Friichtcn das W eiterleben vieler Pflanzen verktirzt oder auch zum ErlOschen hringt, crgaben die Vcrsuche mit den Sphagnen, daB bei ihnen durch die Bildnng und Reifung ihrer Fortpflanznngsorgane keine W achstumshemmungen an ihren vegetativen Organteilen zu beobachten waren. Die Stammchen wuchsen gleichmaBig ohne Anzeichen eincr Unterbrechung weiter, auch wenn die Kapseln aufgesprungcn waren und die Pseudopodien dann abstarben. Die beigeftigten Wachstnmskurvcn (Abb. 26) von S. squarrosurn - einmal ohne Pseudopodirn nnd Kapseln, zum andern mit diesen -- Yeranschaulichen dies. 8 E 6
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10
20
30
50 Zeit in Tagen
Abb. 21i.
WachstnmsYer~lf'ich
.,.
bei 8. squarrosurn: a) nicht frnchtende Pflanzen, b) fruchtende Pflanzen.
Diese Beobachtungen iiber die Pseudopodium-Sporogonentwicklung stehen im Einklang mit den Feststellungen von LACKNER (1939), die er an einer groBen Anzahl von Laubmoosen in OstpreuBen durchgeftihrt hat. So konnte LACKl\"ER ebenfalls die Sporogonentwicklung durch auBere Einfliisse, wie Temperatur und Lichtintensitat, beeinflussen; auch er hat eine hemmende Wirkung der Sporogonentwicklung auf das W achstum des Gametophyten nicht beobachtet.
Cber den Geotropismus der Sphagnen
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2. Mikroskopische Untersuchungen PETSCHOW (1933) schreibt, daB bei den Pseudopodien der Sphagnales die Starkeuntcrsuchung meist erfolglos blieb; nur bei 8. obtusum fand er in einem Langsschnitt ,in allen Zellen ein geringes Vorkommen von Starkeki:irnern, die uberall cinseitig an den physiologisch unteren Wanden lagen". Im Gegensatz hierzu wiesen nach unseren eigenen Befunden aile Pseudopodien der untersuchten Arten (8. squarrosum, 8. 1·ecurvum, 8. fimbriatttm, 8. magellanicum, 8. papillosum und 8. palustre) Starke auf. Allerdings hangt das AusmaB und die Verteilung der Starkefuhrung vom Entwicklungsstadium der Pseudopodien ab. In anatomischer Hinsicht konnten wesentliche Unterschiede zwischen den Pseudopodien der einzelnen Arten nicht beobachtet werden, auBer daB - je nach dem Habitus ihrer Mutterpflanzen - auch die Pseudopodien kraftiger und gri:iBer oder zarter und klPiner ausgebildet waren. Als ein besonders geeignetes Beispiel zur Veranschaulichung der mikroskopischen Befunde in sechs verschiedenen Entwicklungsstadien erwiesen sich die Pseudopodien von 8. squarrosum. Die Untersuchungen der anderen Arten ergaben ahnliche Resultate. Es seien daher nur die Ergebnisse fUr 8. squarrosum angefiihrt : 1. Jungstes Stadium. Beginn der Pseudopodiumstreckung mit etwa 2-3 mm langen Pseudopodien. In den noch sehr kleinen plasmareichen Zellen konnte nur wenig Starke in rcgelloser Verteilung nachgewiesen werden. 2. Junges Stadium. Pseudopodien 3-6 mm lang: in diesen konnte immer reichlichcs Vorkommen von Starke beobachtet werden. In den basalen Teilen befand sich meist schon eine Starkeanhaufung, doch enthiclten auch die iibrigen Zellen des Pseudopodiums Starkeki:irner. Sie konzentrierten sich bcrcits in den zentralen Region!'n und erweckten den Anschein einer statolithenahnlichen Verteilung. :3. Mittleres Stadium. Pseudopodien etwa 10 mm lang. Auch diesc enthielten reichlich Starke mit einer Anhaufung im basalen Teil, ebenfalls sehr statolithenzonenartig angeordnet. 4. Weiter fortgeschrittenes Stadium. Pseudopodien.16-20 mm lang (Abb. 27 a, b). Starke fand sich hier in fast allen Z!'llen vor, jcdoch war ihre Konzentration in den zentralen Teilen noch ausgcpragter als bei den jungeren Stadien. Lageanderungen der Pseudopodien zogen im allgemeinen entsprechende Verlagerungen der Stiirkeki:irner nach sich, jedoch fanden sich fast immer noch einige mit Starke angefiillte Plastiden, die diffus in den Zellen verstreut lagen (Abb. 28).
12
Ht'LE VON ilJS)L\RCK
o . •\lteres Stadium. Pseudopodien 20-30 mm lang. Wahrend dieses Stadiums verschob sieh die Statolithen fiihrcnde Zone zusammen mit der Wachstumszone vom basalen Teil Iangsam aufwarts, urn schlicBlich beim fast ausgewachsenen Pseudopodium dicht unter dem SporogonfuB zu liegcn. Glciehzeitig wurde die Starke im basalen Teil abgebaut und war in diesem nieht mehr nachwcisbar. 6. Ausgcwachsenes Pseudopodium mit ge.Abb. 27. a) Liingsschnitt durch ein 18 mm langes platzter Kapsel. Wenn Pseudopodium von 8. squarrosum. Auch hier konin diesem Stadium iiberzentriert sich die Starke hauptsiichlich in der zentralen Zone, ohne daB jedoch eine so deutliche Abhaupt noch Starke nachgrenzung wie bei der Statolithenzone des Stiimmweisbar war, so war sie chens in Erscheinung tritt. (Mikroaufnahme, Vergr. 10 x 10.) b) Vergrotlerung a us der gleir hen nur noch in schwacher Zone. Die angefarbten, stiirkehaltigen Plastiden Ausdehnung unter dem zeigen eine deutliche Tendenz zu einer basalen Lagerung. (Mikroaufnahme, Vergr. 10 x 40.) SporogonfuB zu finden. Meistens war aber die Starke in diesem Stadium bereits vi.illig abgebaut und als Baumaterial verbraucht. Nach vorstchenden Befunden ist anzunehmen, daB PETSCHOW nur altere oder ausgewachsene Pscudopodien untersucht hatte. Nach GoEBEL (1930) ist das Pseudopodium eine Abb. 28. Eine Zelle aus der zentralen Zone eines Umbildung des Stamm20 mm Iangen Pseudopodiums von 8. squarmsum mit einseitig verlagerten , Statolithen". Das Pseudochengewcbes, das infolge podium war einer 3stiindigen Horizontalreizung eines Reizes unterhalb des ausgesetzt gewesen, doch ist hier die Verlagerung der Plastiden nicht so einheitlich ausgepriigt wie befruchteten Archegoniums bei den StiimmchPn. (Mikroaufnahme, angclegt wurde. In dicses Vergr. lOx 100.) Gewebe von embryonaler Beschaffenheit bohre sich aber der in seiner Stielbildung gehemmtc Embryo nicht ein und hi.ihle es auch nicht aus. Daher konne sich dieses Gewebc
ttber den Geotropismus der Sphagnen
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spater - bei eintretender Reife der Kapsel - strerken. Es sei also eine ,umgebildete Vaginula". Eigene mikroskopische Beobachtungen ergaben, daB dieses embryonale (meristematische) Gewebe erst vor dem Austroeknen des schon fast reifen Sporogons beginnt, sich in der Anfangsphase durch haufige Zellteilungen zu vermehren und dureh Langenstreekung der Zellen zum Pseudopodium auszmvaehsen. Im basalen Teil Prreichen die Zellen zuerst ihre EndgroBen, die oft mehr als die doppelte Lange der ausgewachsenen Stammchenzellen betragen (Endlangen der Pseudopodiumzellen bis 0,22 mm). Als Baumaterial wird die reichlieh vorhandene Starke abgebaut, auch erfolgt die Zellstreckung auf I\.osten der Zellmembranen, die sieh stark dehnen und in den ausgewachsenen Zellen sehr diinn werden. In dem basalen Teil beginnen die Zellen oft viillig ihre Plasmasubstanz aufzubrauchen, so daB schlieBlieh nur noch die leeren Membranhiillen vorhanden sind. Nach diesen mikroskopischen Untersuchungen verschiebt sieh die Zone des starksten Wachstums, wie auch an lebenden Pseudopodien beobachtet, wahrend der Pseudopodiumstreckung allmahlich vom basalen Teil an apikalwarts. W enn auch keine systematischen Messungen der Zellangen und Auszahlung der Zellen wahrend der einzelnen Strekkungsphasen der Pseudopodien vorgenommen werden konnten, so zeigen diese Beobachtungen doch cine unverkennbare Ahnlichkeit mit den genau belegten Ergebnissen der Untersuchungen iiber die Streckung des Sporogonstieles von Pellia epiphylla, die von OVERBECK (1934) durchgefiihrt wurden. Hiernach beginnt die Streekung der Seta, wie auch bei den Sphagnen die Pseudopodiumstreckung, hauptsachlieh an der Basis. Sodann schiebt sich der Abschnitt starkster Verlangerung Iangsam zum oberen Abschnitt Abb. 29. Liingsschnitt durch den SporogonfuB (Sp) und den apikalen der Seta vor, wobei das Baumaterial zum Pseudopodiumteil (Ps) von 8. griiBten Teil - wenn auch nicht aus- squarrosum. Die obersten Zellreihen des Pseudopodiums bleiben als schlieBlich - von den bereits vorhande- meristematisches Gewebe (M) bis nen Membransubstanzen und der anfang- zur Reifp des Sporogons funktionstiichtig. (.Mikroaufnahme, Vergr. lieh reichlichen Starkeeinlagerung geliefert 10 X 10.)
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RuLE voN BrsM.IHC'K
wird. Wahrend aber bei den Jungermanniales nach Anlage der Seta eine weitere Vermehrung der Zellen durch Zellteilungen nicht stattfindet, liegen die Verhaltnisse bei den Pseudopodien etwas anders: Bis zu einer Pseudopodiumliinge von etwa 10 mm behalten die Zellen ihre Teilungsfahigkeit. Erst dann wachsen sie durch Streckung, vom basalen Teil beginnend, auf ihre endgiiltige Lange aus. Jedoch bleiben unter dem kurzen SporogonfuB der Sphagnumpseudopodien immer zwei bis sechs Schichten kleiner meristematischer Zellreihen vom Pseudopodiumgewebe erhalten (s. Abb. 29), so daB das Pseudopodium die Moglichkeit einer noch weiteren Streckung hat. Auf diesC' Weise konnen die Pseudopodien bis zu den beachtlichen Langen von 6 bis 7 em auswachsen, urn so zum Licht tiber die Moospolster oder iiber den 1.Yasserspiegel zu gelangen. 3. Tropistische Reaktionen nicht isolierter Pseudopodicn In der Literatur fanrl ich Hinweise auf das tropistische Verhalten der Sphagnumpseudopodien nur bei PETSC'How (1933) und GYORFFY (1954). Ersterer beschrankt sich auf Bemerkungen, daB er beim horizontal gelegten Pseudopodium von S. obtusum am Licht eine Aufkriimmung beobachtet habe, was fiir ein geotropisches Empfindungsvermiigen spree he; letzterer gibt in einer knrzen Mitteilung fiir Sphagnum amblyphyllum an, daB im Wachstum begriffene Pseudopodien nicht geotropisch, dagegen positiv phototropisch reagieren. Die Sachlage war also unklar und schloB vor allem jede Verallgemeinerung fiir andere Sphagnumarten aus.
Eigene Versuche: Zur Priifung des geotropischen Verhaltens wurden zunachst Pseudopodien gewahlt, die mit der Mutterpflanze in Verbindung standen. Die Versuche wurden im Dunkeln ausgefiihrt, urn phototropische Reizungen auszuschlieBen. Durch Horizontallagerung der Stammchen kamen auch die Pseudopodien in geotropische Reizlagen, die je nach der Stellung der Pseudopodien urn das Stammchen hcrum, teils ebenfalls horizontal waren, toils auch cinen Winkel zur Horizontalen aufwiesen. Es zeigte sich, daB die langgestieltcn, am basalen Teil mit Hiillblattcrn umgcbenen drahtartigen PseudopodiC'n zC'itlich und raumlich anders reagierten als ihre Stamm chen. Zeitlich erfolgte die Aufkri.immung der Pseudopodien bis zu 90° bei den sehr schnell wachsenden Sphagnen (S. squarrosum, S. recurvum) fast gleichzeitig mit der Aufkriimmung der Stammchen, jedoch stets etwas beschleunigter. Bei den Iangsam wachsenden Sphagnen (S. palustre, S. papillosum, S. magellanicum) dagegen crreichten ihre Pseudopodien bis zur Vollendung der Aufkriimmung einen Vorsprung von 5 bis 8 Tagen. Kurze, etwa 1--2 em lange Pseudopodien reagierten dabei immer schneller als 3-5.cm lange. Der raschere Kriimmungsverlauf gegeniiber dem Stamm-
i'ber den Geotropismns der Sphagnen
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chen hangt offenbar damit zusammen, daB dcm in Streckung befindlichen Pseudopodium auch die groBere Wachstumsgeschwindigkeit zukommt. Auch raumlich geht die geotropische Reaktion der Pseudopodien in anderer Weise vor sich alH bei den gcotropischen Bewegungcn ihrer Stammchen: Die Beobachtungcn an 1-2 em und Hingcrcn Pseudopodien haben ergeben, daB die geotropische Kriimmung am auffalligsten im apikalen Teil beginnt und dann Iangsam auf die basalen Abschnitte des Pseudopodiums ubergreift. In der Endphase weist der Kriimmungsbogen keinen so markanten Knick wie bei den Stammchen auf. sondern verlauft in einem verhaltnismaBig weiten Bogen, wenn eine Aufkriimmung des apikalen Teiles urn 90° erreicht ist. Dil' Abb. 30 zeigt diese Endphase der geotropischen Aufkrummung von Pseudopodium und Stammchen, aus der auch tl"berkrummungen ersichtlich sind, die verstandlicherweisc bPi diesen Reaktionen sehr leicht auftreten. Die Hauptstreckungszone befand sich bei diesen Pseudopodil'll bereits im apikalrn Abschnitt. Die Grunde fiir die~e Abb. 30. Endphase einer selbstiindigen geotropianders als bei Stiimmchen schen Aufkriimmung der Pseudopodien von S. verlaufende Form der geo- squurrosum am 3. Beobachtungstag. Die Kopfchen haben die Aufkriimmung nm tropischen Bewegung sind der Mntterpflanzen 90° noch nicht !(anz vollendet. darin zu sehen, daB das Pseudopodium in sPiner ganzen Lange in das Streckungswachstum eintritt und also aile Zellen des Pseudopodiums an der Reaktion beteiligt sind, wahrend dies flir das Stamm chen nur fiir seine kurze Wachstumszone zutrifft. WeitHe Versuchr mit S. Hquarrosum, S. magellanicum und S. papillosum erwiesen die besondere Empfindlichkeit der Pseudopodien fUr phototropische Reize: Pflanzen mit l-2 em lang entwickelten Pseudo-
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ReLE Yox BisM.IRCK
podien wurden verdunkelt und durch Horizontallegen geotropisch gereizt. Erst nachdem sich die Pseudopodien und auch die Kopfchen der Pflanzen urn 90° anfgerichtet hatten und orthotrop weiterwuchsen, wurde eine einscitige Belichtung dureh cin Fenster (2 x4 em) cingesehaltet (60-WattLampr, Abstand 20 em vor dcm Pappkarton, Lichtabfall innerhalb des 20 em langen Pappkartons von 700 auf 50 Lux). Nach l bis 3 Tagen war eine dentliehe Wen.dung nur der Pseudopodien zur Liehtquelle hin zu beobaehten, wahrend die Stammehen selbst in dieser Zeit keinen phototropischen Einflu£ zeigten und vertikal wciter wuehsen (Abb. 31a, b). (Vgl. hierzu aber S. 64 phototropisehe Reaktionen der Stamm chen!) Aueh bei dieser phototropischen Reaktion scheint die Lichtintensitat eine gro£e Rolle zu spielen, da die Pseudopodien, die nahe an der Lichtquelle standen (dicht hinter dem Fenster Abb. 31. Auf einseitige phototropische Reizungen des Pappkartons bei etwa reagieren die Pseudopodien bedeutend schneller 700 Lux), sehr viel schneller als ihre Mutterpflanzen, die praktisch noch die orthotrope Wuchsrichtung beibehalten haben (8. auf den Reiz reagierten squarrosum). a) zeigt die sehr starke Kriimmung (1 Tag, Abb. 31 a) als die der Pseudopodien zur Lichtquelle nach einer Verhinteren Pflanzen, die etwa suchszeit von 24 Stunden. Die Pflanzen standen etwa 20 em von der Lichtquelle entfernt, bei rund 20 em weiter von der Lieht700 Lux. b) zeigt die sehr vie! schwachere Kriimmung der Pse Lldopodien -- bei gleicher Versuchszeit quelle entfernt waren ~, die 40 em von der Lichtquelle (etwa 50 Lux) (3 Tage bei rund 100 bis entfernt standen. Xahere Beschreibung im Text. 50 Lux; Abb. 3lb). Vorstchende Versuche fiihren also zu einem anderen Ergebnis als die von GYi:iRFFY: Sie zeigen sowohl ein negativ geotropisehes wie aueh ein positiv phototropisehcs Reaktionsvermogen. Da indessen GYORFFY nur von der :Mutterpflanze abgetrcnntP Psendopodien benutzte, habe ieh aueh das Verhalten isolierter Pseudopodien naehgeprtift.
Uber rlen Geotropismus der Sphagnen
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4. Tropistische Reaktionen isolierter Pseudopodien
Dicht am Stammchen abgeschnittcne Pseudopodien konnten in kleinen Bechcrglasern oder auch in Petrischalen, auf klein geschnittenen, feuchten bis nassen Sphagnumstiickchen derselben Art, gut kultiviert werden. Ebenso gelang eine mit Moorwasser angesetzte Agar-Agar-Kultur. Als wichtig erwies es sich, da~ der artspezifischc pH-Wert eingehalten wurde. So lie£ sich die ganze Entwicklung der Pseudopodien vom Beginn der Streckung ab, mit einem Langenzuwachs von 2 bis 4 em, bis zum Platzen der Kapseln nach 14 bis 20 Tagen beobachten. In folgenden Versuchen wurden je drei BechergHiser mit 20-25 Pseudopodien der einzelnen Sphagnumarten 1. verdunkelt horizontal gelegt, 2. in aufrechter Stellung einer einseitigen Lichtquelle ausgesetzt (60-Watt-Lampe, Abstand 20 em, 700 Lux). Die Tabellc 7 enthalt in iibersichtlicher Zusammenstellung das Ergebnis dieser Versuche. Es ergibt sich hieraus, da£ die Pseudopodien auch isoliert nicht nur sehr lebhaft phototropisch reagieren, wie dies GYORFFY bereits beschrieben hatte, sondern auch auf geotropische Rrize ansprechen, wie es PETSCHOW vermutet. Die geotropischen und phototropischen Reaktionen der isoliertm1 Pseudopodien laufen etwa in der gleichen Zeitspanne ab wie bei den mit der Mutterpflanze in Verbindung gebliebenen Pseudopodien. Wie aus der Tabelle 7 zu ersehen ist, verliefen jedoch die geotropischen Reaktionen keineswegs einheitlich. Verschiedene Arten, wie S. fimbriatum und S. acutifolium, blieben in ihren Reaktionen gegeniibcr den anderen Arten erheblich zuriick. 10 % reagierten iiberhaupt nicht, etwa 20 % zeigten nur schwachere Kriimmungen zwischen ~0° und 60°. Ob bei diesen Pseudopodien allein eine ungeniigende Wasserwrsorgung durch die Basis vorliegt, erscheint fraglich, da sich immer sehr schnell in den zugekorkten Hechergliisern, in denen diese Versuchr durchgefiihrt wurden. eine hohe relative Luftfeuchtigkeit (75-85 ~ 0 ) einstellte.
Die isolierten Pseudopodien sprachen, ebenso wie die an der Mutterpflanze belassenen, auf einseitige phototropische Reize schneller und besser an als auf geotropische. Wurden die isolierten aufrecht stehenden Pseudopodien von S. squarrosum, S. palustre, S. magellanicum und S. recurvum durch einen Pappkarton verdunkelt und nur durch ein seitliches Fenster mit einer 60-Watt-Lampe im Abstand von 20 em belichtet, so kriimmten sie sich schon nach 20 bis 24 Stunden deutlich zur Lichtquelle hin. (S. fimbriatum, S. papillosurn und S. acutifolium reagierten langsamer auf eine einseitige Lichtreizung -- innerhalb von 2 Tagen.) Wurden sic
bis 5 Tage
S. palustre. .
S. acutifolium
B Tage
8. papillos u m
Tago
il-
S. 111/Ufellanieum
-·~
4 Tage
8. j1:mbriatmn
.~·.
3 'rage
2-3 Tage
Pseudopodien an der M utterprlanze
2-3 Tage 3-4 Tage 4--5 Tage
2-3 Tage bis 5 Tage
4-5 Tao-e
lil Tage 'l'
10 Tagc
4c--5 Tage
Tagu
a Ta~e bis 5 Tage
4--5 Tage (nur 65%)
-~
(nur 70~1,)
Mutterpflanzen allein, zum Vergleich
Isolierte Pseudopodien
Dauer der geotropischen Aufkriimmung um 90° aus der Horizontalen, verdunkelt
rrcurvnm
8. squarrosum
Sphagnumarten
Tabelle 7 Reaktionen der Pseudopodien
his zu 2 Tagen
24 Stunden
1--2 Tagl'
2-! StundPn
his zu 2 Tagen
24 Stunden
20 Stunden
Pseudopodien an der l\lutterpflanze
bis zu 2 Tagen
24 Stunden
1-2 Tage
2-1 Stunden
bis zu 2 Tagen
24 Stunden
20 Stunden
Isolierte Pseudopodien
Dauer der phototropischen Kriimmung um 90° aus aufrechter Stellung zu einer seitlichen Lichtquelle (60- Watt-Lampe, Abstand 20 em)
-1
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tTber den Geotropismus der Sphagnen
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darauf von der entgegengesetzten Seite belichtet, so crfolgte binnen -1-8 Stunden wieder eine Umkehr zum neuen Lichteinfall hin, diesmal urn 180°. Diese Reaktion erlahmte erst nach einer dreimaligen Umkehr urn 180°. Besonders eindrucksvoll war aber das Verhalten sowohl der isolierten als auch der mit der Mutterpflanze verbundenen Pseudopodien nach dem Aufplatzen der Sporenkapseln, also nach Beendigung des Fortpflanzungsvorganges: jede geotropische und phototropisrhe Reaktionsfahigkeit erlosch schlagartig mit dem Kapselsprung. Die Pseudopodien verharrten dann in dem jeweiligen Krummungsstadium, in dem das Platzen der Kapseln eintra.t, wobei die erreichte Lange der Pseudopodien keine Rolle spielte (Abb. 32). Dieser Vorgang ist biologisch verstiindlich: Die Abb. 32. W~_hrend einer phototropischen Kriimmung der Pseudopodien von 8. squarrosum erfolgte Aufgabe der Pseudopodien die Kapseliiffnung. Schlagartig erlischt jede weitere und der Sporenkapseln als Reaktion. Die Pseudopodien verharren in dem bei dem der Kapselsprung Fortpflanzungsorgane ist Kriimmungsstadium, eingetreten war. mit dem Kapselsprung erfiillt. Weitere Reaktionen werden uberfhissig: das Streckenwachstum erlischt und die Pseudopodien beginnen abzusterben. Bei dies en Rcaktionen der Pseudopodien scheidet off en bar eine Bceinflussung durch das Stiimmchen aus, da in Kultur gehaltene isoliertc Pseudopodien ihre vollc Entwicklung bis zur Reife der Sporenkapsel fortzufiihrcn vermi:igen und photo- wic geotropisch reagieren. Es kann daher wohl nur ein EinfluB durch den Sporophyten in Frage kommen. Diesc Vermutung wird durch den nachstehenden Versuch gestutzt: Von einer groBen Anzahl 1~2 em langcr S. squarrosum- Pseudopodien (isoliert und auch an der Mutterpflanze belassen) wurden die Sporophyten1 ) abgeschnitten. Diese so ,geki:ipften" Pseudopodien wurden durch Horizontallegen sowohl unter Yerdunklung einer geotropischen als auch am Licht einer kombinierten photo-geotropischen Reizung ausgesetzt. Bei rund 60% der so behandelten Pseudopodien blieb jede Reaktion aus. 1) Hierbei wurde auch der kurze SporogonfuJ3 mit einem kleinen Stiick dPs apikalen Pseudopodiumgewebes abgeschnitten.
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RvLE VON Brs~L\RCK
Bci dem anderen Teil (40 %) traten zwar photo-geotropisehc Krummungen auf, jedoeh in erheblieh sehwaeherem MaBe als bei nieht dekapitierten Kontrollpscudopodien, wobei die geotropisehen Krummungen bcsonders sehwaeh ausfielen. Bei erneuten Reizungcn blieben alle Reaktionen jedoeh vollig aus. Wurden in einer weiteren Versuehsreihe, die in gleieher Weise dunihgefuhrt wurde, nur die Kapseln abgesehnitten, so konnte zwar bei 60% der Pseudopodien noeh eine schwache Reaktion beobachtet werden, doch blieb auch hier bei erneuter Horizontallagerung jede weitere Krummungsbewegung aus. Auf mangelnde Wasserzufuhr kann das Ausbleiben der Reaktionen kaum zuriiekgefiihrt werden, da alle diese Versuehe in zugedeekten Petrischalen vorgenommen wurden, in den en 75--85% relative Luftfeuchtigkeit herrschtr. C. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorliegende Arbeit bezweckte, ein moglichst umfassendes Bild der tropistischen Reaktionen der Sphagnen, insbesondere ihres geotropischen Verhaltens, zu gewinnen. Zur Durchftihrung dieser Aufgabe wurden die wesentlichen Organe der Sphagnumpflanzen, also der Gametophyt und die Pseudopodien mit den Sporophyten, auf geotropische, elektrotropische und phototropische Reaktionen hin untersucht. Die anatomisch-morphologische Struktur der Sphagnen setzte jedoch diesen Versuchen von vornherein gewisse Grenzen. Von den wahrend einer tiber dreijahrigen Beobaehtungs- und Versuehszeit erzielten Ergebnissen seien die bemerkenswertesten zusammengefaBt: l. Das naturliche Waehstum der Sphagnen riehtet sieh nach den jeweiligen Standorts-, Temperatur- und Umwcltsbedingungen, kann aber unter Kultur- und Laboratoriumsverhaltnissen zu einem abweiehenden Verlauf veranlaBt werden (ununterbrochenes Waehstum bis zu 18 Monaten, WuehshOhen mit orthotropen, assimilationstiichtigen S. riparium-Stammehenabsehnitten bis zu 15 em, im Moorwasser schwimmend bis zu 30 em). 2. Beobaehtungen in der Natur und Kulturversuehe erbraehten keinen Beweis fiir das Auftreten autonomer jahresperiodischer Einfliisse und fiir eine plagiotrope Umstimmung der Sphagnumstammehen. Die parallele Horizontallagerung der basalen, alteren Stammehenabsehnitte bei verschiedcnen raschwuehsigen Arten laBt sieh auf meehanisehe Ursaehen zuriickfiihren. Dies ergaben u. a. Versuehe iiber die Bicgefestigkeit und Messungen der Turgordehnung. 3. Der negative geotropisehe Kriimmungsverlauf beschrankt sieh nur auf die waehstumsfahigen Zellen der 0.2-2 em (maximal 3 em)
Uber den Geotropismus der Sphagnen
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unterhalb des Vegetationskegels gelegenen kurzen Streckungszone (Strekkungszone = Kriimmungszone). 4. Die geotropische Aufkriimmung urn 90° verlauft entsprechend der Wachstumsgeschwindigkeit der Sphagnen verhaltnisma13ig Iangsam: zwischen 1-2 Tagen (S. riparium) und 14 Tagen (S. rubellum). Sie ist von den jeweiligen physiologischen Zustanden der Pflanzen und von den Umweltsbedingungen abhangig. Bei einer Temperatur von 2° C betragt z. B. die Aufkriimmungszeit bei S. riparium 15-18 Tage. 5. Phototropische Einflusse beriihren den geotropischen Kriimmungsverlauf bei dem Gametophyten nur unwesentlich, wirken sich dagegen . erheblich starker bei den Pseudopodien aus. Die geotropischen und phototropischen Reaktionen der Pseudopodien wcisen zeitliche und raumliche Unterschiede gegeniiber den Stammchen auf. 6. Bei allen untersuchten Sphagnumarten wurden mit Starke angefiillte Plastiden (Statolithen) in dem zentralen Stammchenabschnitt der Kriimmungszone (Statolithenzone) festgestellt. Nach einer geotropischen Reizung konnte immer cine entsprechende Yerlagerung nur dieser Plastiden beobachtet werden. Da es jedoch gelang, durch natiirliche Winterverhiiltnisse und Eisschrankversuche starkefrei gewordene Sphagnen (S. riparium, S. recurvum, S. sqttarrosum) zu einer geotropischen Aufkri.immung zu bringen, kann die von HABERLANDT und NEMEC aufgestellte Statolithentheorie zumindest fur die genau untersuchte Sphagnumart riparium wohl nieht mehr aufrechterhalten werden. 7. Die durch Klinostatenversuche fUr die Sphagnumarten ermittelten Prasentations- und Reaktionszeiten sind im Vergleich mit anderen Pflanzen auffallend lang. Zentrifugenversuche mit starkeren Fliehkraftcn ermoglichten nur cine Verkiirzung der Prasentationszeit. 8. S. riparium-Pflanzen vermochten his zu 3,5 g betragende Gewichte bei eine'r geotropischen Aufkriimmung hochzuheben, d. h. das drei- his vierfache Eigengewicht des Aufkriimmungsabschnittes der Pflanze. Hoheren Belastungen folgten nach Entfernung der Behinderung sehr schnell verlaufende Aufkriimmungsbewegungen. 9. Auf synthetischen Wuchsstoff ({3-Indolylessigsaure) reagiert S. riparium. Dabei bewirken Konzentrationen tiber 0,002 molfl cine Wachstumshemmung der Konkavseite (wuchsstoffbestrichenen Seite) oder cine Forderung der Konvexseite, wahrend bei Konzentrationen unter 0,002 molfl der entgegengesetzte Fall eintritt. 10. In elektrostatischen Kraftfeldern zeigen die Sphagnen keinerlci Kriimmungsreaktionen. Flora, Bd. 148
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11. Mit der Offnung der Sporenkapsel (Kapselsprung) erlischt jede geotropische und phototropische Reaktionsfahigkeit der Pseudopodien, wahrend das Stammchen selbst hiervon unberiihrt bleibt. Es miiBte das Pseudopodium, das morphologisch zum Gametophyten gehort (es besitzt wie dieser auch eine zentrale Zone mit umlagerungsfahigen, starkereichen Plastiden, wenn auch nicht so deutlich ausgepragt), seinem physiologischen Verhalten nach eigentlich zum Sporophyten gerechnet werden. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. OvERBECK, mochte ich aufrichtigen Dank aussprechen fiir das gestellte Thema, fiir sein stets groBziigiges Entgegenkommen, seine Unterstiitzung und hilfsbereite Beratung sowie auch fiir die Uberlassung eines Arbeitsplatzes in seinem Institut. Fiir Rat und Hilfe habe ich besonders Herrn Prof. Dr. HoFFMANN und Herrn Prof. Dr. ScHLIEPER zu danken, die mir eine Reihe von Versuchen im Institut fiir Meereskunde ermoglichten. Auch Herrn Prof. Dr. PRECHT und Herrn Dr. STRAKA danke ich fiir ihre Hilfsbereitschaft, ebenso auch Herrn Dr. KNOOP und Herrn Dr. HAAS fiir die Uberlassnng der Gerate zu den elektrotropischen Versuchen.
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Anschrift des Verfassers: RuLE voN BISMARCK, Kiel, Dtisternbrooker Weg 17, Botanisches lnstitut der Universitat ..
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