Über die Chimärenbildung in Gerstenpflanzen nach Röntgenbestrahlung von Samen

Über die Chimärenbildung in Gerstenpflanzen nach Röntgenbestrahlung von Samen

(Aus dem Max-Planck-Institut fiir Ziichtungsforschung, Erwin-Baur-Institut, Koln-Vogelsang) Ober die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen nach Rontgenb...

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(Aus dem Max-Planck-Institut fiir Ziichtungsforschung, Erwin-Baur-Institut, Koln-Vogelsang)

Ober die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen nach Rontgenbestrahlung von Samen Von

Horst Gaul Mit 4 Abbildungen im Text Eingegangen am 1. Dezember 1958

I. Einleitung Die bei Pflanzen am meisten gebrauchte Methode zur Induktion von Mutationen beruht auf der Bestrahlung von Samen. Da die Embryonen dieser Samen vielzellig sind, haben die danlus entstehenden Xl-Pflanzen Chimarencharakter, sofern nach der Bestrahlung mutierte Embryozellen am Gewebeaufbau beteiligt sind. Wegen der durch die Bestrahlung auftretenden Totung von Embryonen ist der Pflanzenbestand wahrend des Wachstums meist ltickig. Bei Anwendung der iiblichen Aussaattechnik bestocken sich daher die XI-Getreidepflanzen im allgemeinen starker. Bereits STADLER (1928, 1930) beobachtete in seinen ersten Mutationsexperimenten an Gerste, daB eine Mutation im allgemeinen nur in einer einzigen Ahrennachkommenschaft einer XI-Pflanze herausspaltet. Die Geschwisterahren sind meist nicht mutiert. Die Mutationsfrequenz, die primar induziert wird, ist groBer als diejenige der Xl-Ahren, welche aus den bestrahlten Embryonen hervorgehen. Auch diese Erscheinung der Elimination von Zellen mit Oliromosomenmutationen beim Gewebeaufbau ist prinzipiell seit langem bekannt (z. B. SAX 1941, GAUL 1957e); sei es, daB diese Zellen todlich geschadigt sind, sei es, daB sie nur in der Zellteilungsrate benachbarten unterlegen sind und dadurch in der Zellpopulation allmahlich "verdrangt werden". Bei Gerste wendeten besonders GUSTAFSSON (1940) sowie FREISLEBEN und LEIN (1943) schon friih dieser Elimination von Mutationen zur Deutung ihrer Versuche ihr Interesse zu. Die letztgenannten Autoren folgerten, daB eine allzustarke Bestockung der Pflanzen die Haufigkeit von Faktormutationen in der X 2. durch bevorzugte Entwicklung weniger geschadigter Sektoren vermindert.

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KAPLAN (1951) fand Unterschiede in der Mutationshaufigkeit der .Ahren von langsten und kiirzesten Halmen und nannte die hierzu fUhrende Erscheinung der Elimination mutierter Gewebekomplexe "intraindividuelle Selektion" und "intrasomatische Selektion". MAC KEY (1951, 1954), CALDECOTT, FROLIK und MORRIS (1952), sowie CALDECOTT, BEARD und GARDNER (1954) kamen aus einem Vergleich der biologischen Wirkung von Rontgen- und Neutr?nen-Bestrahlung zu dem Ergebnis, daB an der Zellelimination nicht nur chromosomale, sondern auch extrachromosomale Ursachen entscheidend beteiligt sind. Die gleiche Folgerung ziehen auch EHRENBERG et al (1953), die auBerdem (vergleiche auch NYBOM et a11953) den EinfluB zahlreicher physiologischer Faktoren (Vorquellung der Samen, Sauerstoffkonzentration, Temperatur) auf die "intrasomatische Selektion" untersuchten. Es ist offensichtlich, daB das Schicksal der in den Embryonen indu· zierten Mutationen wahrend der Ontogenese von groBer Bedeutung fUr die Interpretation von Mutationsexperimenten ist. Durch die Vorgange bei der Zellelimination konnen die pri~aren Mutationsereignisse bis zur Registrierung in der X 2 -Generation quantitativ und qualitativ entscheidend modifiziert werden. Dariiber hinaus konnte cine gewisse Kontrolle dieser Vorgange einem der wichtigsten praktischen Anliegen der Pflanzenziichter dienen, der Erhohung der Mutationshaufigkeit. Die Zellelimination wahrend der Ontogenese ist nicht der einzige Faktor, der das primare Bild bis zur Ermittlung der Mutationen in der X 2 verandert. Auch in der Haplophase und in den jungen Zygoten, Embryonen und Keimpflanzen der X 2-Generation werden Mutationen durch Gonenkonkurrenz bzw. Zygoten- und Keimpflanzentod "herausgefiltert". Deshalb werden fUr diese Vorgange die folgenden Begriffe vorgeschlagen, die auch schon an anderer Stelle (GAUL 1957a, 1958c) gebraucht wurden: (1) "diplontische Selektion", (2)"haplontische Selektion" bzw. Elimination von Mutationen 1). Eine diplontische Selektion von Mutationen gibt es sowohl in der X 1 - als auch in der X 2 -Generation. In der Bestrahlungsgeneration lauft sie innerhalb des Sporophythen ab und betrifft diplontische Zellen oder Gewebekomplexe. In der X 2 -Generation wird sie durch das Absterben 1) Der Begriff "intrasomatische Selektion" erscheint deshalb nicht angebracht, weil der Terminus "Soma" oft als Gegensatz zur "Keimbahn" gebraucht wird. In Mutationsexperimenten sind aber meist gerade die Selektionsvorgange, welche die "Keimbahn" betreffen von Hauptinteresse. Der Terminus "intraindividuelle Selektion" wurde bereits 1944 von MICHAELIS im Zusammenhang mit Plasmonumkombinationen benutzt. Die oben vorgeschlagene Terminologie lehnt sich an die seit langem eingefiihrten (MUNTZING 1930) und verbreiteten Begriffe (vergleiche z. B. STEBBINS 1958) der diplontischen und haplontischen Sterilitat an.

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von ganzen diplontisehen Individuen, namlieh von Zygoten, Embryonen oder jungen Pflanzen verursaeht. In der vorliegenden Arbeit wird nur die diplontisehe Selektion der Xl' nieht die der X 2 untersueht. Deshalb solI der Einfaehheit halber im folgenden nur von "diplontiseher Selektion" gesproehen werden und dabei stets die Selektionsvorgange im Sporophythen der Bestrahlungsgeneration gemeint sein. Uber Beobaehtungen zur Bedeutung der haplontisehen Elimination von Mutationen wird in anderen Arbeiten (GAUL 1957a, 1958a) beriehtet. Trotz der interessanten Einblieke, die vor allem dureh die eingangs erwahnten Arbeiten, gewonnen werden konnten, besitzt man noeh keine genaueren Kenntnisse tiber die Chimarenbildung und die eigentliehen Vorgange bei der diplontisehen Selektion. Nieht zuletzt liegt das daran, da.f3 bei pflanzliehen Objekten die Kenntnisse tiber die Ontogenese noeh unzureichend sind. In der vorliegenden Arbeit werden Beobaehtungen tiber die Grii.f3e von Chimaren und tiber die Elimination mutierter Zellen dargestellt. Die Ergebnisse, welehe mit einer Reihe versehiedener Methoden gewonnen wurden, konnten dem Leser zunaehst divergierend erseheinen. AIle diese versehiedenartigen Einblieke in die Vorgange der Chimarenbildung lassen sieh jedoeh dureh eine Arbeitshypothese vo~erst erklaren. Urn die Bedeutung der einzelnen Beobaehtungen leiehter zu erfassen, ersehien es daher sinnvoll, die Arbeitshypothese, welehe aus diesen Ergebnissen entstand, zuerst, vor den eigentliehen experimentellen Resultaten, darzustellen.

II. Struktur des ruhenden Embryos und Arbeitshypothese zur Chimarenbildung Beim ruhenden Embryo der Gerste sind d·ie Koleoptile und bereits weitere 4 Blatter bzw. Blattprimordien zu erkennen (z. B. BONNETT 1935). In den Aehseln dieser Blatter sowie der Koleoptile entstehen die Seitenhalme. Zwei bis drei AehselknospenhOeker der altesten Blatter bzw. der Koleoptile sind bereits im ruhenden Embryo deutlieh zu erkennen. Die Anlage einer weiteren Aehselknospe nimmt ihren Anfang, wenn man flir Gerste gleiehe Verhaltnisse unterstellt, wie sie ROSLER (1928) flir Weizen fand. Vegetationskegel und Aehselknospenanlagen des Embryos sind in Abbildung 1 sehematiseh dargestellt; Koleoptile, Blatter und Blattprimordien sind in dieser Zeiehnung fortgelassen, da sie ftir die folgenden Ausflihrungen nieht von Interesse sind. Bei starkerer Bestoekung der Pflanzen entstehen weitere Seitenhalme in den Aehseln spater gebildeter Blatter des Hauptvegetationspunktes (als weitere Bestoekung erst en Grades) oder in neuen Blattaehseln der sieh weiter entwiekelnden Nebenknospen (als Bestoekung zweiten Grades). 1st die Bestoekung sehr umfangreieh - insbesondere aueh, wenn

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durch die zelltOtende Wirkung der Rontgenstrahlen nur ein Teil der Achselknospenanlagen entwicklungsfahig bleibt - so kann sicherlich auch eine teiIweise Bestockung dritten, vierten und hoheren Grades stattfinden. 1m allgemeinen tragt jeder Seitenhalm eine Ahre. _ - -OJ

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Abb. 1. Schematische Darstcllung der Organisation des Embryos, entsprcchend der Arbeitshypothese des Textes. Koleoptile, Bliitter und Blattprimordien sind - der besseren Ubersicht halber - fortgelassen und nur die Knospenanlagen in ihren Achseln dargestellt. DJ = Dermatogen-Initiale(n), CJ = Corpus-Initiale(n), Au Az usw. = erste, zweite usw. Achselknospenanlage, JK = Gebiet der interzellularen Konkurrenz.

Nach den histogenetischen Untersuchungen an Weizen (z. T. auch Hafer und Roggen, ROSLER 1928, ROTH 1957) und Hafer (KLIEM 1936, HAMILTON 1948) befinden sich an der Spitze des Corpus l ) im jungen Vegetationskegel, wie er im reifen Embryo vorliegt, nur eine oder wenige Initialen. Gleiche Verhaltnisse sollen fUr Gerste angenommen werden. Die bei den genannten Autoren strittige Frage, ob hier (a) in etwa gleicher Haufigkeit eine einzige Initialzelle und eine Initialgruppe vorkommen, oder ob (b) stets zwei bis vier Initialen vorhanden sind, soll im Rahmen der Arbeitshypothese zunachst offenbleiben. Diese Initialen bauen - nach den genannten Autoren - das gesamte zukiinftige Corpusgewebe auf, ungeachtet der Beobachtung, daB der altere Corpus mehrere Initialschichten besitzt. 1) Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Bezeichnungen "Corpus", "subdermatogen" usw. lehnen sich an die von ROSLER (1928) an; sie sind rein beschreibend gemeint.

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Letztere stammen von der "primaren" Initialzclle oder -gruppe abo Die Anlage einer Achselknospe beginnt mit der periklinen Teilungsaktivitat eines Zellenkomplexes im Corpus, nicht weit von dessen Spitze entfernt. In einem bestimmten Entwicklungsstadium hat der sekundare Vegetationskegel die gleiche Struktur wie der junge (primare) Hauptvegetationskegel: an der Corpusspitze befindet sich eine Initialzelle oder -gruppe, die dem gesamten Corpusgewebe den Ursprung gibt. Es wird nun angenommen, daB Embryosack- und Pollenmutterzellen im subdermatogenen Gewebe, namlich in der zweiten und dritten Zellschicht entstehen (ROSLER 1928, SHARMANN 1945, BONNETT 1953, BARNARD 1955, 1957) und in der Keimbahn von diesen Corpus-Initialen abstammen. Entsprechend der Anzahl von Blattern bzw. Primordien, die im fertigen Embryo ber2its vorhanden sind, macht die Arbeitshypothese weiterhin die Annahme, daB die Zellen, welche das generative Gewebe der ersten etwa 5 Ahren aufbauen, bereits differenziert sind. 1m Hauptvegetationskegel und den altesten Achselknospenanlagen uben diese Zellen bereits die Funktion der oben beschriebenen Corpus-Initialen aus. Bei den jungeren Achselknospen, deren Anlagen schon zu erkennen sind (etwa bis zur vierten), sind diese Initialen schon differenziert, auch wenn sie noch nicht jene entscheidende Tatigkeit ausuben. Die angenommene Organisation des Vegetationskegels ist schematisch in Abbildung 1, die auch zum besseren Verstandnis der weiteren AusfUhrungen dienen solI, dargestellt. Die Hypothese nimmt an, daB bei Ausfall dieser oder einer dieser Initialen an der Corpusspitze, Z. B. durch Strahlentod, eine unmittelbar benachbarte, nicht teilungsaktive Zelle meistens nicht mehr an ihre Stelle triW). Die schon ziemlich we it fortgeschrittene histologische Differenzierung erlaubt im Rahmen der Architektonik der Achselknospenanlage im allgemeinen nicht mehr solch eine Umgruppierung am Scheitel des Corpus. Auch die direkt uber der Corpus-Initiale gelegene Dermatogen-Initiale solI nicht (oder meistens nicht) in der Lage sein, durch Periklinalteilung eine neue, funktionsfahige Corpus-Initiale auszubilden. Gesetzt den Fall, es ist nur eine einzige Corpus-Initialzelle vorhanden und diese wird getotet, so stellt der betreffende Vegetationskegel haufig (oder immer) seine Entwicklung ein. Wird dagegen diese eine Initiale durch Strahlen genetisch oder extrachromosomal nur in ihrer Vitalitiit geschwacht, aber nicht getotet, so ubt 1) Dies soli in besonderem MaJ3e fiir die Corpus-Initialen geiten, die sich an der Spitze eines schon bestehenden Vegetationspunktes befinden. Aber entsprechendes wird auch - vielleicht etwas abgeschwacht - fiir die Initialen von jungen Achselknospen angenommen, deren Entwicklung im fertigen Embryo noch nicht so weit fortgeschritten, jedoch eingeleitet ist.

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sie we iter ihre Funktion aus. EnthiiIt sie z. B. eine subletale Chrom080menmutation so werden schlieBlich auch die ultimativ deszendenten Ei- und Pollenmutterzellen diese besitzen. Von entscheidender Bedeutung ist, da./3 solche mutierten "Allein-Initialen" konkurrenzlos dastehen. Eine interzelluUire Konkurrenz in der unterschiedlich geschadigten ZeJlpopulation, wie sie weiter unten, insbesondere bei den sptiter gebildeten "Seitenhalmanlagen", etwa von der fiinften an, postuliert wird, existiert hier nicht. Eher besteht eine gewisse "Alles- oder Nichts-Reaktion". Unterhalb eines Schwellenwertes dpr Schadigung arbeitet die Zelle weiter, oberhalb stellt mit ihr der ganze Seitenhalm seine Entwieklung ein. Da keine interzellulare Konkurrenz besteht, findet auch keine Zellelimination mutiertrr Zellrn statt, wenn diese noeh einen gewissen Grad von LebensHihigkeit brsitzen. Vielleicht werden solche starker geschadigten "Allein-Initialen" auch besonders (oder nur) dann zur weiteren Ausiibung ihrer Tatigkeit veranla./3t, wenn photoperiodische oder andere entwicklungsbesehleunigende Krafte stimulierend wirken. Es erseheint zur Zeit jedoch unrealistisch, die Moglichkeit einer Regeneration der Corpus-Initialen durch Nachbarzellen irgendwelcher Art vollstandig auszuschlie./3en (vergleiche z. B. die Verhaltnisse bei Dianthus Ga1·YOphyllus, SAGAWA und MEHLQUIST 1957). Die spater darzustellenden experimentellen Ergebnisse sind aber unter der Annahme einer solchen Regeneration nicht leicht 2U erklaren, jedenfalls wenn diese haufig vorkame. Zwar solI offenbleiben, ob nicht gelegentlich Nachbarzellen die Funktion stark geschadigter Zellen iibernehmen konnen; es solI aber angenommen 'werden, da./3 cine eigentliche interzdlulare Konkurrenz zwischen Corpus-Initialen und Nicht-Corpusinitialen zumindest stark eingeschrankt ist, und damit grundsatzlich andere Verhaltnisse als bei den spater gebildeten Seitenhalmen gegeben sind. - Auch mag erwahnt sein, da./3 fiir den Stillstand der Entwicklung einer Achselknospe nicht Bur der Schadigungsgrad der Initialzelle(n) verantwortlich zu sein braucht. Selbstverstandlieh kann hierbei auch der Schadigungsgrad anderer Gewebekomplexe eine Rolle spielen, was aber fiir die hier interessierenden Fragen nicht entscheidend ist. Bisher wurden allein die Vorstellungen des Ablaufes der diplontischen Selektion mutierter Zellen fiir den Fall dargestellt, da./3 nur eine einzige Initialzelle das Corpusgewebe aufbaut. Au./3erdem gelten diese Annahmen nur fiir den Hauptvegetationskegel und die ersten etwa vier Achselknospen. Was ist in folgerichtiger Weiterfiihrung der Hypothese zu erwarten, wenn hier eine Initialgruppe von zwei bis vier Zellen vorhanden ist? Man mu./3 sich zunachst dariiber im klaren sein, da./3 ein bedeutender Teil dieser Initialen bei den Strahlendosen, wie sie im allgemeinen in Muta-

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tionsversuchen verwendet werden, absterben. In dem einen dieser Arbeit zugrunde liegenden Experiment (GAUL 1957d, 1959) wurde bei den bestrahlten Embryonen die Frequenz von SproBspitzenzellen 1) mit Chromosomenmutationen ermittelt. Diese Zellen befanden sich im ersten mitotischen Zyklus der Keimung. In diesen beobachteten (sich teilenclen) Zellen sind auch sicherlich jene hier interessierenden Corpus-Initialen enthalten. Die geringste Haufigkeit war bei dem Versuchsglied 5000 r mit etwa 30 %"geschadigter Zellen" vorhanden; die gro Gte bei cler Serie 5 X 2000 r (= 10000r, fraktionierte Dosis) mit etwa 77 %. Bei dem anderen, im experimentellen Teil dieser Arbeit verwendeten Versuch (GAUL 1957b) wurden Wurzelspitzenzellen im ersten Mitosezyklus untersucht. Die geringste Frequenz "geschiidigter Zellen" lag hier bei einem Versuchsglied (C-C0 2-RHi) bei 23 % uncl die des am meisten geschadigten Versuchsgliedes (C0 2-R) bei 70%. "Geschacligte Zel1en" sind solche, die in der Anaphase entweder Chromosomenbrucken und/oder Fragmente zeigen. Beide Arten dieser Schadigung sind - wenn cytologisch zu beobachten - so grob, daB solche Zellen mit groBer Wahrscheinlichkeit im allgemeinenfruher oder spater absterben. Diese Elimination geht sehr schnell vor sich (GAUL 1957e). AuBer dieser Wirkung der Strahlen auf die Chromosomcn muB mit einer solchen auf plasmatische Bestandteile gerechnet werden, die der (ublichen) cytologischen Beobachtung nicht zuganglich ist. Die tatsachliche Totungsrate der Initialen durfte also eher groBer sein als in den obigen Zahlen zum Ausdruck kommt. Sind also 2, 3 oder 4 Initialen an cler Spitze des Corpus vorhanden, werden oft 1, 2 oder 3 davon durch die Bestrahlung getotet. Es wird nun angenommen, daB bei Ausfall dieser Initialen die verbleibenden allein ihre Funktion ubernehmen. Je hoher also die Strahlendosis, um so ahnlicher wird die Lage wegen der haufigen Zelltotung dem oben beschriebenen Modell mit nur einer Corpus-Initiale: Es wird haufig nur eine Initiale uberleben. Wenn diese mutiert ist, kann sie konkurrenzlos das Corpusgewebe aufbauen, aus dem ultimativ das generative Ahrengewebe entsteht. Aber auch bei schwachen Dosen, die mehr Initialen uberleben lassen, wird nur eine schwache Konkurrenzwirkung zwischen diesen Initialen innerhalb eines Corpusscheitels vermutet. Gesetzt den Fall, es seien z.B. zwei Initialen vorhanden, von denen die eine mutiert und in ihrer Vitalitiit etwas geschwacht ist. Dann wird angenommen, daB - im Rahmen der relativ starren Architektonik des Vegetationskegels - die geschwachte Initiale im allgemeinen nicht mehr aus ihrer Position am Scheitel des Corpus durch die bel) In diesen "SproBspitzen", die in Quetschpraparaten untersucht wurden, sind die Achselknospen und Biattprimordien einbeschlossen.

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nachbarte ungeschadigte Initiale verdrangt werden kann. Vielleicht behalt die geschwachte Initiale ihre Teilungsgeschwindigkeit durch Impulse von auBen bei; vielleicht gleicht sich die voll funktionsfiihig gebliebene Initiale etwas dem langsameren Teilungsrhythmus ihrer benachbarten an oder cine solche Synchronisierung tritt nicht oder nur wenig ein und der mutierte Sektor einer Ahre wird dadurch kleiner als der nicht mutierte. ZusammengefaBt bedeutet diese Vorstellung, daB bei den ersten etwa 5 Halmen die Elimination von mutierten (lebensfahigen) Initialen, aus denen letztlich das generative Ahrengewebe hervorgeht, relativ gering ist. Diese Zellen behalten - weitgehend konkurrenzlos - ihre Funktion. Grundsatzlich anders - so wird angenommen - liegen die Verhaltnisse bei den spater gebildeten Halmen etwa von der fUnften Achselknospe abo Die Entwicklung dieser Knospenanlagen ist im ruhenden Embryo noch nicht eingeleitet. Die Corpus-Initialen dieser spateren Achselknospen sind noch nicht determiniert. Diese Zellen gehOren zum Corpusgewebe des Hauptvegetati.onskegels (Bestockung ersten Grades) oder zu dem der Achselknospen (Bestockung hoheren Grades) und sind in einem peripheren Komplex in gewissem Abstand unter der Corpusspitze lokalisiert. In diesen Zellregionen liegt das eigentliche Feld der interzellularen Konkurrenz (siehe Abbildung 1), da die neue Knospenanlage durch Teilungsaktivitat zahlreicher solcher "Schiebezellen" eingeleitet wird (z. B. ROSLER 1928, KLIEM 1936). Zellen mit Chromosomenmutationen, Punktmutationen (Chlorophyllmutationen) oder extrachromosomalen Strahlenschaden werden hier oft in der Zellteilungsrate unterlegen sein und mehr oder weniger schnell -aus der Zellpopulation "verdrangt" werden. 1m Gegensatz zu den erstgebildeten etwa fiinf Halmen bzw. Ahren einer Pflanze findet hier also ein groBerer "Verlust" an mutierten und in der Vitalitat geschwachten Zellen statt. Diese Eliminierung hat eine verminderte Mutationshaufigkeit der spater gebildeten Ahren gegenuber den erstgebildeten zur Folge. Die oben angenommene Entwicklungsmechanik fiihrt zu bestimmten Vorstellungen uber die Art der Chimarenbildung. 1st bei den ersten etwa fiinf Halmanlagen nur eine Corpus-Initialzelle vorhanden oder lebensfahig, und enthiilt diese eine Mutation, so muB die Chimare jeweils das generative Gewebe einer ganzen Ahre einschlieBen. Wenn dagegen zwei oder mehr Initialen vorhanden sind, was nach der Hypothese haufig eintritt, und eine davon ist mutiert, so wird die Chimare nur einen kleineren oder groBeren Sektor der Eluten einer Ahre umfassen. Dagegen sind Chimaren, die das generative Gewebe von zwei odermehr Ahren einschlieBen, bei den spater angelegten Seitenhalmen zu erwarten. Entstehen z. B. aus den deszendenten Zellen einer mutierten Corpus-Initiale

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des Hauptvegetationskegels die 1nitialen von neuen, jiingeren Achselknospen, so werden diese Seitenhalme die gleiche Mutation wie der Haupthalm enthalten. 1st eine 1nitiale der ersten etwa vier Achselknospen(anlagen) mutiert, so konnen die hieraus entstehenden Bestockungstriebe zweiten Grades (und gegebenenfalls auch diejenigen noch hoheren Grades) die gleiche Mutation wie die Ausgangs-Achselknospe enthalten. ZusammengefaBt besagt die Hypothese folgendes: (1) Die 1nitialen der ersten etwa flinf Ahren (generatives Gewebe) einer Pflanze sind im dormant en Embryo bereits determiniert. Eine interzellulare Konkurrenz von mutierten und nicht mutierten Zellen ist hauptsachlich nur bei den undeterminierten 1nitialen spater gebildeter Ahren moglich. Die Eliminierung mutierter Zellen ist daher bei den erstgebildeten "Ahrenanlagen" der Keimpflanze wesentlich geringer als bei den spater entstehenden. (2) Da hiiufig mehr als eine Corpus-1nitialzelle vorhanden ist, sind Chimarcn innerhalb einer Ahre zu erwarten. (3) Bei spater entstehenden Seitenhalmen kann umgekehrt das generative Gewebe mehrerer Ahren auf eine Ausgangszelle im Embryo zuriickgehen. Die Sektorialchimare umfaBt dann mehrere Ahren einer Pflanze.

III. Material und Methode Das Material flir die vorliegenden Untersuchungen lieferten zwei Mntationsexperimente mit Hordenm vnlgare conv. distich on, Sorte Haisa II, die an anderer Stelle eingehend beschrieben werden. Die eine Arbeit (GAUL 1957b) wird im folgenden nur "erster Mutationsversuch", die andere (GAUL 1959) "zweiter Mutationsversuch" genannt. An den zitierten Stell en finden sich auch methodische Angaben. Weitere zusatzliche Methoden, die dort nicht beschrieben sind, werden im folgenden Text zu gegebener Zeit dargestellt. Es sei nur noch einmal hervorgehoben, daB die (in X 2 herausspaltenden) Chlorophyllmutationen als Test auf Punktmutationen dienten. Sic wurden nnch dem von GUSTAFSSON (1940) angegebcnen Schema einklassifiziert.



IV. Ergebnisse

1. Cytologischer Nachweis von Chimarenbildung innerhalb oiner Ahre durch markierte Chromosomen Embryozellen, die nach Rontgenbestrahlung reziproke Translokationen enthalten, werden vermutlich nicht oder nur wenig wahrend der Ontogenese eliminiert, da hierdurch die Vitali tat del' Zellen im allgemeinen nicht be·einfluBt zu sein scheint. Jedenfalls sind solche Translokationen ein in den Flora, Bd. 147

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Pollenmutterzellen der Ahre haufig und leicht feststellbarer Typ von Chromosomenmutationen. Sie sind in der Metaphase I der Reduktionsteilung bequem in Form von typischen IV-, V-, VI- usw. Chromosomenverbanden oder auch als Pseudoisochromosomen zu beobachten (GAUL 1957b). Mit Hilfe von Embryozellen, die durch solche Translokationen markiert sind, kann deshalb die Chimarenbildung untersucht werden. Enthalten aIle Pollenmutterzellen einer Ahre die gleiche Chromosomenmutation, so kann man daraus folgern, daB das generative Gewebe der gesamten Ahre aus nur einer Embryo7.elle hervorgegangen ist. Enthiilt dagegen ein Sektor die Chromosomenmutation, ein anderer nicht, so muB die Ahre auf zwei oder mehr Ausgangszellen zuruckgehen, (wenn man nicht sekundare oder spontane Mutationen als Ursache unterstellt). Nun ist es Ieider - jedenfaUs auf einfache Weise - methodisch nicht miiglich, eine griiBere Zahl von Eluten einer Ahre wahrend der Metaphase I zu untersuchen. Es befinden sich meistens nur cine oder wenige Eluten gleichzeitig in diesem Stadium. Die Reduktionsteilung beginnt etwa in der Mitte der Ahre und schreitet von hier aus nach oben und nach unten fort. Jedoch gelingt es gelegentlich, bei der (zweizeiligen) Gerstenahre an vier Stollen Metaphasen I zu untersuchen: linke und rechte Ahrenhalfte oben, sowie linke und rechte Ahrenhalfte unten. Die Abbildungen 2-4 7.eigen schematisch drei Beispiele, bei denen 4 bzw. 5 Eluten an verschiedenen Stellen einer Ahre untersucht wurden. Die Ahre in Abb. 2 enthielt in jeder Ahrenhalfte 13 Eluten. Es konnten auf jeder Ahrenseite in der 3. Elute von unten und in der 4. von oben Metaphasen I beobachtet werden. In diesem Fall enthielten die Pollenmutterzellen aus den vier Ahrenregionen aIle die gleiche Translokation. Aus Abbildung 3 kann dagegen gefolgert werden, daB das generative Gewebe dieser Ahre chimarisch ist. Die rechte Ahrenhalfte enthalt eine Translokation, die linke dagegen nicht. Diese Ahre ist vermutlich aus 2 (oder mehr) Embryozellen hervorgegangen. Die Abbildung 4 zeigt, daB hier del' mutierte Sektor anscheinend den griiBeren Teil del' Ahre umfaBt und del' nichtmutierte nul' einen kleineren. In den beiden Mutationsexperimenten, die diesel' Arbeit zugrunde liegen, konnten zusammen an 1171 Xl-Ahren P.ollenmutterzellen in del' Metaphase I (oder in del' Diakinese) beobachtet werden. Hiervon enthielten 235 Ahren mindestens in einer Anthere Translokationen. Zeigte die erste Anthere einer Ahre, bei del' es gelang, Metaphasen I zu beobachten, das normale Bild von 7 Bivalenten, so wurden keine weiteren Eluten dieser Ahre untersucht. Hatten die Pollenmutterzellen diesel' ersten Anthere jedoch eine Translokation, so wurde angestrebt, miiglichst viele Regionen del' Ahre mit del' Frage zu untersuchen, ob diese letzteren auch die gleiche

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Chromosomenmutation enthielten. Meist konnten dann in jeder untersuchten Elute die Pollenmuttrrzellen von allen 3 Antheren beobachtet werdrn. Bei 121 Ahren war es moglich, mehr als 1 Elute zu untersuchen . .Jedoch konnten nur bei 18 Ahren 4 oder mehr verschiedene Stellen der Ahre beobachtet werden (Tab. 1), von denen die Abbildungen 2-4 drei solcher FaIle demonstrieren. Allgemein zeigte sich, daB bei chimarischen Ahren GroBe und Lage des mutierten (bzw. nichtmutierten) Srktors sehr variab?l ist. Es ist nicht etwa so, daB die eine (z. B. die linke) Ahrenseite die Translokation enthalt, und die andere (z. B. die rechte) nicht. Der mutierte Sektor kann auch oben odrr untcn in der Ahre bcide Ahrenseiten umfassen. Auchkann er, ebenso wie der nichtmutierte Sektor, n ur irgendeinen kleineren Teil der Ahrc einschlieBen, der anscheinend an beliebiger Stelle der Ahre gelagert ist. Grundsatzlich ahnlich wie in den Beispielen (Abb. 2-4) 2 3 4 erfolgte bei den 4fach unter- Abb. 2-4. Beispiele von Chimarenbildung in suchten Ahren (Tab. 1) die Gerstenahren, die aus Samenbestrahlung hervorgingen. Die zur Ahrenachse schrag stehenden Beobachtung der Elutrn (1) Striche stellen Bliiten dar. Die Kreisfliichen links oben und (2) rrchts oben, und Quadrate zeigen diejenigen Bliiten an, deren Antheren in der Metaphase I untersucht werden sowie (3) links unten und (4) konnten. In Bliiten mit Kreisflache wurden rechts unten. Von den 18 so I) Bivalente und 1 Translokationsring von + Chromosomen beobachtet, in Bliiten mit untersuchten Ahren konnten Quadrat \yurden 7 BiYalente gefundcn. bei lOan allen (4 oder mehr) Stellcn nur Polhmmutterzellen mit der gleichen Translokation beobachtet werdrll (Tab. 1). Hieraus kann gefolgert werden, daB das gesamte generative Tabelle 1 Chimarenbildung an XcAhren. Die Embryozellen, aus denen diese Ahren entstanden, sind durch Translokationen markiert Anzahl der Ahrenregionen, an denen Metaphase I beobachtet werden konnten An 4 und mehr Bliiten An 3 Bliiten An 2 Bliiten

Anzahl der untersuchten Ahren

Anzahl der Ahren' ohne Chimaren

Anzahl der Ahren mit Chiman'n

18 27 76

10 18

8 9

60

16 15*

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Gewebe dieser .Ahren genetisch gleich ist. Diese .Ahren scheinen nicht chimarisch zu sein, und man kann annehmen, da.6 das generative Gewebe der ganzen .Ahre aus einer einzigen Embryozelle entstanden ist, welche die tiberall in der .Ahre beobachtete Translokation enthielt. Bei 8 von den 18 .Ahren wurde ein lVIosaikcharakter der .Ahre beobachtet (Tab. 1). 1, 2 oder 3 der 4 untersuchten Bltiten enthielten die gleiche Translokation, die anderen hatten 7 Bivalente oder, in einem einzigen Fall, eine andersartige Translokation. Diese 8 .Ahren mu.6ten aus je 2 oder mehr Embryozellen entstanden sein. Es solI nun noch bemerkt werden, da.6 die 10 als genetisch einheitlich beobachteten .Ahren nicht mit vollstandiger Sieherheit keinen Chimarencharakter hatten. Es ist denkbar - wenn aueh etwas unwahrseheinlich -, da.6 sieh gelegentlieh au.6erhalb der 4 untersuehten .Ahrenregionen solche befinden, welehe Translokationen nieht enthalten. Daher mu.6 gefolgert werden, da.6 von den 18 untersuehten .Ahren hoehstens 10 aus einer Embryozelle entstanden sind und mindestens 8 aus 2 (oder mehr) Zellen. Das Zahlenmaterial ist nieht gro.6 genug, urn quantitative Folgerungen zu ziehen. Doeh kann vermutet werden, daB das generative Gewebe der untersuehten .Ahren - grob geseben - in 50% der FaIle aus einer Embryozelle entstand und in 50 % aus zwei oder mehr. Es ist zu erwarten, daB bei denjenigen .Ahren, von denen nur die Antheren von 3 oder 2 Bltiten beobaehtet werden konnten (Tab. 1), oft ihre ehimarisehe Natur nicht erkannt wurde. Die nieht untersuehten Regionen werden manehmal keine Translokation enthalten haben. Diese 27 -+- 76 .Ahren geben also nur qualitative Information, da der Versuch einer wahrseheinliehkeitstheoretisehen Interpretation nieht unternommen wurdf'. Immerhin zeigen auch diese Ergebnisse (Tab. 1), daB das generative Gewebe einer .Ahre nieht selten aus 2 (oder mehr) Embryozellen hervorgeht. Es sei noeh erwahnt, daB gelegentlieh eine Chimare aueh eine Bltite in zwei genetiseh verschiedene Sektoren teilen kann. In einigen Fallen hatte nur 1 oder 2 der 3 Antheren die Translokation, die andere(n) nicht. 2. Genetischer Nachweis des Chimareneharakters einer .Ahre mit Hilfe der Spaltungsverhaltnisse von lVIutanten (Erreehnung der durchsehnittliehen Gro (;Ie eines mutiertenAhrensektors) In der Gersten-lVIutationsgenetik werden die in X 2 herausspaltenden (verschiedenartigen) Chlorophyllmutationen oft als Test auf "Punkt"- oder "Faktormutationen" angesehen (GAn 1958a). Doeh zeigen die Spaltungsergebnisse gelegentlich ein gewisses Rezessivendefizit im Vergleieh mit dem

(Tber die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen usw. ~

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: 1-Verhaltnis. Die Spaltungsverhaltnisse von Chlorophyllmutationen kiinnen am besten an der Nachkommenschaft von X 2 - und X 3-Pflanzen untersucht werden, die den Faktor der mangelhaften Farbstoffausbildung heterozygot enthalten. MOH und SMITH (1951) untersuchten 650 heterozygote X 2und 5653 heterozygote X 3- Pflanzennachkommenschaften mit397bzw. 581 unabhangig entstandenen Chlorophyllmutationen. Die Untersuchungen wurden hauptsaehlich an Hordeum vulgare durchgefiihrt, zu einem geringen Teil auch an Trit1;cum durum. Es zeigte sich, da13 sowohl die Entstehungsart (Atombombe, Riintgenstrahlen, spontan) als aueh die Spezies zumindest keinen wesentlichen Einflu13 auf die Spaltungsverhaltnisse ausiiben. 1m einzelnen finden sich gelegentlich Mutationstypen, die sowohl ein signifikantes Rezessivendefizit als auch einen deutlichen Rezessiveniiberschu13 gegeniiber einem 3: 1-Verhaltnis zeigen. In nahezu 80% der FaIle lie13 sich keine Abweichung von einer 3 :l-Spaltung nachweisen. Als Mittelwert der Gesamtuntersuchung ergab sich sowohl in X3 a18 in X 4 , da13 Mutanten mit einer Haufigkeit von 20 % herausspalten. Dieses sehwache Defizit, gegeniiber den nach der Mendelregel erwarteten 25 %, zeigt, da13 manehmal Faktormutationen haplontisch oder zygotisch eliminiert werden. Es kann seine Ursaehe in riner gelegentlichen Kopplung von Faktormutationen mit Chromosomenmutationen oder in pleiotropen Effekten des mutierten Gens haben. Diese sorgfiiltig aus einem gro13en Material gewonnenen Ergebnisse von MOH und SMITH (1. c.) sollen den folgenden Uberlegungen zugrunde gelegt werden, zumal sie grundsatzlieh ahnlich sind wie die anderer Autoren (vergl. z. B. HALLQUIST 1924, DE HAAN 1933, GUSTAFSSON 1938, HOLlVr 1954). Es wird daher angenommen, daB der Mittelwert der Mutantenspaltung bei 20 % liegt. Man kiinnte zunachst erwarten, da13 diese Frequenz von 20 % auch in den Xl-Ahrennachkommenschaften auftritt. Die Chimarenbildung innerhalb einer XI-Ahre ist aber die eine Ursache, welche dies en Wert verandert. 1st nur ein Teil der Ahre mutiert, so ist ein kleinerer Wert als 20 % zu erwarten, da die herausspaltende Anzahl von Mutanten nicht nur anf die X 2-Pflanzen des (unbekannten) mutierten Xl-Ahrensektors bezogen wird, sondern auf die Anzahl der X 2-Pflanzen der gesamten Xl-Ahrennachkommenschaft (mutierter + nichtmutierter Sektor). In dem ersten Mutationsexperiment der vorliegenden Untersuchung waren von insgesamt 6025 X 2 Pflanzen, die aus mutierten Xl-Ahren stammten, 1108 Mutanten; d. h. die Mutantenfrequenz war hier, als Folge des teilweise chimarischen Charakters der Xl-Ahren, kleiner als 20%, namlich 18,4%. Es ist aber noeh ein anderer Faktor wirksam, del' wiederum diesen Wert von 18,4 % verandert, wenn die hier interessirrende "echte" Mutanten-

220

HORST GAUl.

frequenz betrachtet werden solI. Dieser Wert 18,4 % ist namlich beziiglich der "wahren" Mutantenfrequenz verzerrt; die hier interessierende Mutantenhaufigkeit mu.B kleiner eein. Die Verzerrung (bias) hat ihre Ursache in der teilweise zu kleinen Nachkommenschaftsgro.Be mutierter Xl-Ahren. Infolge der Strahlensterilitat haben manche Xl-Ahren nur wenige (z. B. 1, 2 oder 3) Samen ausgebildet. Die zu kleine Nachkommenschaftsgro.Be bewirkt einerseits, da.B oft mutierte Xl-Ahren nicht als solche erkannt werden, weil zufallig keine Mutantcn herausspalten. Sic nat andererseits innerhalb der X IAhrennachkommenschaften mit mindestens 1 herausspaltenden Mutante cine zu gro.Be Mutantenfrequenz zur Folge. Denn hat eine XI-Ahre z. B. nur 1 Korn ausgebildet und hieraus entwickelt sich zufallig eine Mutante (d. h. die mutierte Ahre wird als solche erkannt), so ist die Mutantenfrequenz p' in dieser Xl-Ahrennachkommenschaft 100 %. Bei den mutierten Xl-Ahren mit 2 Kornern kann, wenn sie als mutiert erkannt werden, p' nicht unter 50 % sinken. Von den jeweils 2 X 2 -Pflanzen einer solchen Ahrennachkommenschaft ist mindestens 1 Pflanze mutiert. Raben die Xl-Ahren 3 Korner, so iEt p' gleich oder grijfjer als 33 1/3 % usw. Es ist oHensichtlich, da.B die "Kornzahl je Xl-Ahre" einen nicht unerheblichen EinfluB auf den p' - Wert ausiibt. Je gro.Ber die Xl-Sterilitat, d. h. je gro.Ber der Anteil von Ahren mit nur wenig Kornern ist, um so gro.Ber mu.B allein aus dieser Ursache die Mutantenfrequenz innerhalb der als mutiert erkannten Xl-Ahrennachkommcnschaften werden. Der p' - Wert stellt also cine Uberschatzung der wahrcn Mutantenfrequenz p dar. p' kann definiert werden als die beobachtete MutantenfrequEllz innerhalb der als mutiert erkannten X1-Ahrennachkommenschaften. p, die "wahre", gesuchte Mutantcnfrequenz dagegen wird definiert als die unbekannte Mutantenfrequenz, die innerhalb aHer mutierten Xl-Ahrennachkommenschaften, d. h. der als mutiert erkannten und der nicht erkannten, auftreten wiirde. p ist - mit anderen Wort en - die Mutantenflequenz, die innerhalb del' mutierten Xl-Ahrennachkommenschaften auftreten wiirde, wenn diese aHe eine sehr gro.Be Nachkommenschaftsgro.Be (theoretisch eine unendlich gro.Be Kornzahl je Xl-Alire) hatten. Von Interesse ist daher del' p- Wert, nicht del' p' - Wert; denn del' letztere zeigt Abhangigkeit von del' Strahlensterilitat, die wiederum in erster Linie ein Ergebnis del' angewandten Dosis ist. Da diese Erscheinung in del' Literatur oft bei den verschiedensten FragesteHungen nicht beriicksichtigt wird, soIl das Ausma.B del' Verzerrung des p' - Wertes durch die Tabelle 2 demonstriert werden. In del' Fertilitatsklasse 10-20% haben hier die mutierten Xl-Ahren z. B. im Mittel 2,3 Korner je Ahre ausgebildet. Die beobachtete Mutantenfrequenz p' diesel' Fertilitatsklasse war 88,9 % (Tab. 2).

Uber die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen usw.

In der Fertilitatsklasse 90-100 % wurden dagegen durchschnittlich 20,3 Korner jl' Ahre ausgebildet und die Mutantenfrequenz war 16,7%. Dieser letzte Wert p' = 16,7% kommt dem unbekannten Wert p ziemlich nahe, da die Nachkommenschaften in diesel' Fel'tilitatsklasse schon relativ gro.13 sind. Es ist nun moglich, mit Hilfe statistischer Methodcn den Wert p aus p' zu schatzen. Del' Weg dieser Rechnung wird an anderel' Stelle (GAUL 1958a) ausfUhrlich dargestellt. Wird nach der dort angegebenenMethode gerechnet, so ergibt sich bei dem hier verwendeten Mutationsversuch fUr p ein Schatzwert, der bei 15,5 % liegt 1). Diese Mutantenfrequenz wiirde also in den mutierten X1-Ahrennachkommenschaften auftreten, wenn die zu kleinen Nachkommenschaftsgro.l3en den (beobachteten) Wert von 18,4% nicht verzerren wiil'den. Da.13 der Wert von 15,5 %kleiner ist als die durch MOH und SMITH (1951, s. oben) gefundene Fl'equenz von 20 %, kann nun seine Ursache nur noch in dem Chimarencharakter der mutiel'ten Xl-Ahren haben. Wenn namlich 1) In der zitierten Arbeit (GAUL 1958a) wird fiir den gleichen Versuch (GAUL 1957b) ein anderer Schatzwert von p errechnet, namlich 12,3 %. Dieser p- Wert - einer anderen Fragestellung dienend wurde aber unter Zugmndelegung einer Mutantenfrequenz errechnet, die auf die in Xl ausgebildeten Korner der mutierten Ahren bezogen war. In ocr vorliegenden Arbeit interessiert dagegen die Mutantenhaufigkeit, welche auf die tatsachlich vorhandenen X 2 -Pflanzen der mutierten Xl-Ahrennachkommenschaften bezogen ist. Die Anzahl vorhandener X 2 -Pflanzen ist etwas kleiner als die Anzahl in Xl ausgebiIdeter Korner, vor allem weil nicht aile Samen keimen und weil wahrend der Verarbeitung des Materials unfreiwiIIig Korner veriorengehen (GAUL 1958a). Daher ist der p'-Wert groBer, wenn er sich auf die vorhandenen X 2 -Pflanzen bezieht, als wenn er auf der Anzahl ausgebildeter Xl-Korner beruht. GIeiches gilt entsprechend fiir p.

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o o,....,

I

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o

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c

221

222

HORST GAUL

nur ein Sektor einer Ahre mutiert ist, muB der p- Wert kleiner als 20 % werden, da die Mutanten auch auf die X 2 - Pflanzen, welche aus dem nicht mutierten Xl-Ahrensektor stammen, bezogen werden. 20o/t 0 gibt daher direkt iiber die mittlere GroBe cines 15,5% mutierten Xl-Ahrensektors AufschluB. Sie bedeutet, daB in dies em Versuch im Durchschnitt von den Bliiten del' mutierten Xl-Ahren nur 77,5% dem mutierten Sektor angehOrten. Nimmt man an (siehe vorhergehenden Abschnitt IV, 1), daB in diesem Versuch das generative Gewebe einer Ahre in del' einen Halfte der Falle aus 1 und in der anderen aus 2 Zellen hervorgegangen ist, so miiBte die durchschnittliche GroBe eines mutierten Ahren100% +50% sektors genau 2 = 75 % der Bliiten umfassen. Grundsatzlich Die Relation

ist also zwischen den direkten cytologischen Beobachtungen iiber die Chimarenbildung an den mutierten Xl-Ahren (siehe Abschnitt IV, 1) und den (indirekten) Folgerungen aus den genetischen Spaltungsergebnissen gute . tlbereinstimmung vorhanden. Fiir eine quantitative Bewertung kommt jedoch der letzteren Methode die groBere Bedeutung zu, da hier ein groBes Zahlenmaterial zugrunde liegt. Del' experimentell gefundene Wert von etwa 77,5 % kann jedoch auch dadurch erklart werden, daB die Ahren (generatives Gewebe) haufiger als zu 50 % auf eine Ausgangszelle zuriickgingen und entsprechend in den anderen Fallen auf mehr als 2 Zellen. Auch muB die Moglichkeit im Auge behalten bleiben, daB bei chimarischen Ahren im Durchschnitt der mutierte Sektor kleiner sein konnte als der normale. Wendet man die gleiche Methode zur Errechnung der durchschnittlichen GroBe eines mutierten Ahrensektors auch fiir den zweiten Mutationsversuch an, so kommt man zu etwas anderen Ergebnissen. Der geschatzte p-Wert liegt hier bei etwa 20%. Hieraus folgt, daB in diesem Versuch die mittlere GroBe eines mutierten Ahrensektors wohl nahezu 100 % del' Bluten einer Ahre war. Welche Ursachen hat dieser Unterschied gegeniiber del' GroBe von 75-80% in dem ersten Mutationsversuch? Die Differenzen zwischen den beiden Versuchen sind in direkter tlbereinstimmung mit .der Hypothese (Teil II). Die tlberlebendenrate in dOer Xl-Generation (aller zusammengefaBten Versuchsglieder) war im erst en Versuch ,46,9%, im zweiten Versuch dagegen nur 22,0%. Diese groBere Totungsrate von ganzen Keimlingen im zweiten Versuch bedeutet aber auch, daB wesentlich mehr Corpus-Initialen getotet wurden. Wo bei den erstangelegten etwa 5 Halmanlagen mehr als je eine Corpus-Initiale im Embryo vorhanden (bzw. determiniert) war, blieb deshalb im zweiten

Uber die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen usw.

Versuch hiiufig nur noch je eine am Leben. Die Folge ist, daB - nach der Hypothese - das generative Gewebe solcher Ahren nicht chimarisch sein kann. Der Umfang eines mutierten Ahrensektors wird daher dureh die hohere Totungsrate der Initialen durehsehnittlieh groBer. Hinzu kommt, daB im zweiten Versueh die Bestoekung etwa doppelt so stark war wie im ersten, namlieh 6,3 gegenuber 3,2 Ahren je Pflanze. Die groBere Totungsrate des zweiten Versuehes wird auch bewirkt haben, daB ganze Seitenhalmanlagen ihre Entwicklung haufiger als im ersten Versuch einstellten. 1m Zusammenhang mit der groBeren Bestoekung kann daher angenommen werden, daB im zweiten Versuch viel haufiger als im ersten spater angelegte Seitenhalme zur Entwieklung kamen, deren Anlagen im fertigen Embryo noeh nieht vorlagen. Fur diese spater gebildeten Seitenhalme wurde aber in Teil II angenommen, daB hier oft - umgekehrt -- mehrere Ahren (generatives Gewebe) eine gemeinsame Ausgangszelle haben. Innerhalb des reproduktiven Gewebes einer solehen Ahre kann hier also keine Chimarenbildung stattfinden. 3. Untersuehung der Chimarenbildung mit Hilfe von doppelt mutierten Ahren Nach der Bestrahlung von Gerstensamen wird gelegentlich beobaehtetdaB in einer Xl-Ahrennaehkommenschaft zwei versehiedene Chlorophyllmutationen herausspalten. Solehe doppelt mutierten Ahrennaehkommenschaften konnen aus zweierlei Grunden des Zufalls erwartet werden. (1) In der Embryozelle, welche das generative Gewebe einer Ahre oder eines Ahrensektors aufbaut, konnen gelegentlich zufallig zwei verschiedene Gene, die an der Chlorophyllbildung beteiligt sind, mutiert sein. (2) Geht das generative Gewebe einer Ahre aus zwei oder mehr Embryozellen hervor, so ist zu erwarten, daB in seltenen Fallen beide Initialen eine (untersehiedliehe) Mutation enthalten. Aus den Xl-Ahrennaehkommensehaften konnen also deshalb zwei versehiedene Mutationen herausspalten, weil aus Grunden des reinen Zufalls entweder jede Zelle des generativen Gewebes der Ahre bzw. des Sektors zwei Mutationen enthalt (Ursaehe 1) oder weil beide Ahrensektoren je eine Mutation besitzen (Ursache 2). Die Tabelle 3 zeigt, daB in dem ersten Mutationsexperiment von insgesamt 503 mutierten Xl-Ahren 1) 11 zwei und 1 drei versehiedene Mutationen enthielten. Beim zweiten Versueh entfallen dagegen auf 931 mutierte Ahren auch nur 11 Ahren mit zwei Mutationen. Die Anzahl Mutationen je 100 Xl-Ahren war im ersten Versueh 4,21, im zweiten 6,12. Eine Erreeh1) Hierin sind nicht die Ahren der unbestrahlten Kontrolle enthalten.



224

HORST GAUL

Tabelle 3 Anzahl von X1-Xhrennachkommenschaften mit 0, 1, 2 und 3 Mutationen

Versuch 1 Versuch 2

X1-Xhren mit I 2 Mutationen

o Mutationen

1 Mutation

11756 14467

491 920

I

11 11

3 Mutationen

1 0

nung der zufalligen Erwartung doppelt mutierter Ahren (nach Ursache 1 und 2) basiert aber auf der zweiten Potenz der Mutationsfrequenz. Es soUte deshalb im zweiten Vers nch eine wesentlich groBere Frequenz von doppelt mntierten Ahren als im erst en erwartet werden, wenn in beiden Versuchen die Ursachen (1) und (2) gleich wirksam waren; d. h. vor aHem, wenn in beiden Versuchen gleich haufig mutierte Ahren aus zwei oder mehr EmbryozeUen hervorgegangen waren. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall. Innerhalb der mutierten Ahren traten im ersten Versnch 2,4% mehrfach mutierter auf, im zweiten Versuch dagegen nur 1,2 %. Dieses kann am besten dadurch erklart werden, daB im zweiten Versuch, im Gegensatz zum ersten, viel mehr Ahren auf nur eine AusgangszeUe im Embryo zurlickgehen, wodurch die Ursach') (2) kaum wirksam werden kann. Wegen der verhiiltnismiiBig geringen Anzahl doppelt mlltierter Ahren wird auf eine genauere wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation verzichtet. Jedoch stehen die Ergebnisse in Dbereinstimmung mit den Folgerungen aus Teil IV,2), wo angenommen wurde, daB im zweiten Versuch viel me hI' Ahren (generatives Gewebe) auf nur eine Ausgangszelle des Embryos zuruckgehen als im ersten. 4. Chimaren, die mehrere Ahren einer Pflanze einschlieBen In den Abschnitten IV, 1), 2), 3) wurde gezeigt, daB Xl-Ahren nicht selten einen mutierten und einen nicht mutierten Sektor besitzen. Hieraus entstand die Annahme der Arbeitshypothese, daB das generative Gewebe einer Ahre oft aus zwei oder mehr Embryozellen hervorgehen kann. Aus dem folgenden ergibt sich nun, daB - umgekehrt - der mutierte Sektor gelegentlich auch mehrere Ahren einer Pflanze einschlieBen kann. Nach der Hypothese kann dieser Fall bei starker Bestockung eintreten. Solche Chimaren schlieBen spater entstehende Seitenhalme mit ein. Xl-Pflanzen, bei denen zwei oder mehr Ahren die gleiche Mutation enthalten, sind deshalb vor allem bei dem zweiten Mutationsversuch zu erwarten. Hier wurden, gegenuber dem ersten Experiment, im Durchschnitt fast doppelt so viel Ahren je Pflanze ausgebildet. AuBerdem war hier die Totungsrate von Initialen viel groBer, wodurch die zur Entwicklung kommenden Seiten-

Uber die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen usw.

225

halme Ofter als im ersten Versuch zu den spiiter gebildeten gehorten. Nach der Hypothese miiBten also beim zweiten Versuch, im Verhiiltnis zum ersten, Pflanzen mit mehreren gloich mutierten Ahren viel hiiufiger vorkommen. Hat dne XI-Pflanze zwei oder mehr Ahren, in deren Nachkommenschaft phiinotypisch gleiche oder iihnliche Mutationen wie albina, viridis, xantha usw. herausspalten, so kann die Ursache hierfii,r auch rein zufiillig sein. 1st jedoch die Hiiufigkeit von Xl-Pflanzen mit zwei und mehr Ahren gleichen Mutationstyps groBer als aus Griinden des Zufalls zu erwarten wiire, so liegt die Ursache darin, daB diese Ahren jeweils aus einer gemeinsamen Embryozelle entstanden sind. 1m zweiten Versuch liiBt sich nun eine solche auBerzufiillige Frequenz von Xl-Pflanzen mit zwei und mehr Ahren gleichen Mutationstyps nachweis en. Eine Schiitzung der Frequenz von Pflanzen, die rein zufiillig mehrert' Ahren gleichen Mutationstyps haben, ist mit Hilfe der binomischen Verteilung zwar prinzipiel einfach. Jedoch setzt die Rechnung einige Annahmen voraus und diese mogen etwas problematisch sein. Sie betreffen vor aHem die Hiiufigkeit der Ahren, deren generatives Gewebe aus zwei oder mehr Zellen des Embryos entstanden ist. Nun konnte auf S. 222 die durchschnittliche GroBe eines mutierten Ahrensektors im zweiten Versuch auf nahezu 100 % der Bliiten einer Ahre geschiitzt werden. Hieraus folgt, daB der Anteil von Ahren, die auf mehr als eine Zelle zuriickgehen, gering ist. Dieses Ergebnis steht auBerdem in Ubereinstimmung mit Teil IV, 3). Es wird daher der Einfachheit halber die zufallsgemiiBe Erwartung auf der Grundlage errechnet, daB alle Ahren dt'r Pflanze jeweils aus einer Embryozelle hervorgegangen sind, Der Fehler, der hierdurch entsteht, kann als unbedeutend angesehen werden. Seine Beriicksichtigung wiirde die Ergebnisse und ihre Folgerungen wahrscheinlich nicht wesentlich beeinflussen. Der Rechnungsgang wird hier nicht numerisch durchgefiihrt und solI im folgenden nnr in seinen Grundziigen dargestellt werden. Er setzt eine Ordnung des gesamten Materials von Versuch 2 in XI-Pflanzenklassen mit den verschiedenen Ahrenzahlen je Pflanze voraus. Es wurde also eine Tabelle angelegt, welche die Anzahl Xl-Pflanzen mit 1 Ahre, mit 2, 3, 4 UAW. Ahren erfaBt. Es kamen z. B. vor: 407 Pflanzen mit einer Ahre, 337 Pflanzen mit zwei, 261 mit drei, 240 mit vier Ahren usw. Der groBte Bestockungsgrad wurde bei einer Pflanze mit 38 Ahren beobachtet. In jeder Pflanzenklasse (mit 1, 2 usw. Ahren) wurde die Anzahl von Mutationen je 100 Xl-Ahren ermittelt. Tabelle 4 steUt eine Zusammenfassung des gesamten Materials dar. Sie zeigt, daB die Mutationsfrequenz (auf der Basis von "Mutationen je 100 Xl-Ahren") in den Klassen als gleich angesehen

H"ORST GAUL

226

Tabelle 4 Bestockung und Mutationshaufigkeit im Versuch 2 (Pflanzenklassen mehrerer Bestockungsgrade zusammengefaBt) Xl-Pflanzen mit 1-5 Ahren 16-10 Ahren 111-20 Ahren 21-38 Ahren Anzahl der Xl-Pflanzen Anzahl der dazugehOrigen Xl-Ahren Anzahl Mutationen Anzahl Mutationen je 100 Xl-Ahren

1465

713

423

54

3924 222

5513 310

5880 333

1287

5,66

5,62

5,66

5,98

77

werden kann1 ). Fur die Frequenz der einzelnen Mutationstypen (albina, viridis, :rantha usw.) trifft das gleiche zu, was hier nicht dargestellt wird. Dieses Ergebnis erleichterte den folgenden Rechengang zur Schatzung der Frequenz von zufallig auftretenden Pflanzen mit zwei oder mehr Ahren gleichen Mutationstyps. Mit Hilfe der Binomialverteilung wurden in jeder rinzelnen Pflanzenklasse die erwartete Anzahl von Pflanzen mit 2, 3, 4 usw. Ahren gleichen Mutations typs errechnet. Da die Mutationshaufigkeit P ("Anzahl Mutationen je 100 Xl-Ahren") in allen Klassen als gleich angesehen werden kann, brauchten die in den Rechengang eingehenden Potenzen von p und q = 1 -- p nur ein einziges Mal errechnet zu werden2). AUerdings muB naturlich die Bestimmung der erwarteten Anzahl von Pflanzrn mit 2, 3, 4 usw. Ahren gleichen Mutationstyps getrennt fUr aUe beobachteten Mutationstypen, albina, viridis, ;rantha, alboviridis usw., durchgefUhrt werden. D. h., daB hierbei die Mutationsfrequenzen der einzelnen Mutationstypen, wie Pa fUr albina, Pv fUr viridis, Px fUr xantha usw., zugrunde gelegt werden mussen. Entsprechendes gilt fUr die q-Werte. Beispiel: Wie groB ist die erwartete Anzahl von Xl-Pflanzen mit zwei albinaAhren in der Pflanzenklasse mit 5 Ahren? Es waren 220 Pflanzen mit 5 Ahren vorhanden. Die (in allen Klassen als gleich a,ngenommene) Mutationshaufigkeit fiir albina war Pa = 0,024289 ("Anzahl albino-Mutationen je 100 Xl-Ahren"). Entsprechend ist q a = 0,975711. Die erwartete Anzahl von Xl-Pflanzen mit 2 albina-Ahren ist dann 220 .

(~) . p;. q~

= 1,2056.

Tabelle 5 zeigt eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Differenz von 135 beobachteten gegenuber 82,4 zufallsgemaB erwarteten Pflanzen 1) Die einzelnen Versuchsglieder dieses Experimentes zeigen jedoch teilweise eine schwache Tendenz der Zunahme und teilweise eine del' Abnahme der Mutationsfrequenz nach den Klassen starkerer Bestockung hin. Auf die Darstellung und Interpretation dieser Erscheinung wird hier verzichtet. Bei einer Zusammenfassung des Versuches, wie sie in Tabelle 4 erfolgt ist, HiBt sich !rein Unterschied in del' Mutationsfrequenz nachweisen. 2) Bestiinde ein unterschiedlicher p- Wert fiir die verschiedenen Klassen, so miiBte fiir jede Klasse der dazugehiirige p- und q- Wert verwendet werden.

Uber die Chimarenbildung in Gerstenpflanzen usw.

227

Tabelle 5 Frequenz von Xl-Pflanzen mit mehreren Ahren gleichen Mutationstyps (Versuch 2)

erwartet

beobachtet

Xl-Pflanzen ohne gleich mutierte Ahren Xl-Pflanzen mit 2 gleich mutierten Ahren Xl-Pflanzen mit 3 gleich mutierten Ahren XcPflanzen mit 4 gleich mutierten Ahren Xl-Pflanzen mit 5 gleich mutierten Ahren Xl-Pflanzen mit 6 gleich mutierten Ahren Xl-Pflanzen mit 7 gleich mutierten Ahren Summe Xl-Pflanzen mit mehreren gleich mutierten Ahren *) Nicht genau errechnet, nur grob geschatzt

%der erwarteten von den beobachteten

2572,6 102,1 75,9 74,4 7,3 31,7 6,I 0,6 5,0 0,1 4 xlO- a * 4 X 10- 1 * 2XlO- 4 * 1 X 10- 2 *

2520

98 23

~

9 2 1 2 1

135

82,4

61,0

mit zwei und mehr gleich mutierten Ahren bei einer Gesamtpflanzenzahl von 2655 ist bei P < 0,001 (X 2 = 34,65; FG = 1) signifikant. Bei diesem x2-Test wurden nur zwei Klassen benutzt: Xl-Pflanzen ohne gleichmutierte Ahren und Xl-Pflanzen mit zwei oder mehr gleichmutierten Ahren. Der x2-Test gewinnt an Scharfe, wenn statt zwei Klassen drei verwendet werden, namlich (a) Xl-Pflanzen ohne gleich mutierte Ahren, (b) solche mit zwei und (c) solche mit drei bis sieben. Dann ergibt sich ein noch hoherer Wert: X2 = 113,69 (FG = 2, P < 0,001). Hieraus wird gefolgert, daB die beobachtete Frequenz von Xl-Pflanzen mit mehreren Ahren gleichen Mutationstyps auBerzufallig groB ist. Je groBer die Anzahl von Ahren gleichen Mutationstyps einer Pflanze ist, um so starker wird die Abweichung des beobachteten Wertes von dem erwarteten (Tab. 5, letzte Spalte). Diese Erscheinung unterstreicht noch die Annahme einer auBerzufalligen Ursache der Haufigkeit von mehreren Ahren gleichen Mutationstyps bei einer Pflanze. Die auBerzufallige Frequenz kann dadurch erklart werden, daB im zweiten Versuch verhaltnismaBig oft aus einer EmbryozeIle zwei und mehr Ahren (generatives Gewebe) entstanden sind. Dieses Ergebnis steht in Ubereinstimmung mit der Arbeitshypothese, da relativ viele Ahren dieses Versuches zu den spater gebildeten gehorten, wie oben gezeigt wurde. 1m Gegensatz zum zweiten Versuch, wurde im ersten eine viel gering ere Haufigkeit von Xl-Pflanzen mit mehreren Ahren gleichen Mutationstyps beobachtet. Wahrend im zweiten Versuch die Frequenz solcher Xl-Pflanzen 135 ) bezogen auf aIle vorhandenen Xl-Pflanzen, war, kamenim 5,08% ( 2655'

228

HORST GAUL

21 ). . erst en Versuch nur 0,55 % ( - - vor. Bei einer Bewertung dieses gro13en 3841 . Unterschiedes zwischen den beiden Versuchen muB allerdings die geringere Gesamtmutationsfrequenz und die oben erwahnte geringere Bestockung des ersten Experimentes beriicksichtigt werden. 1m zweiten Versuch kamen 6,12, im ersten 4,21 "Mutationen je 100 Xl-Ahren" vor. Diese kleinere Mntationsfrequenz sowie die geringere Bestockung im ersten Experiment bewirken, daB gegeniiber dem zweiten Versuch wesentlich weniger Xl-Pflanzen erwartet werden, die rein zufallig zwei odeI' mehrere Ahren gleichen Mutatiollstyps haben. Die beobachtete Anzahl von Xl-Pflanzen mit mehreren Ahren gleichen Mutationstyps war im ersten Versuch nm 21; der Arbeitsaufwand zm Errechnung der zufallig zu erwartenden ist jedoch nicht unbetrachtlich. Von einer exakten Berechnung wmde daher bisher Ahstand genommen. An Hand der durchschnittlichen Anzahl von Ahren je Pflanze, sowie mit Hilfe einer Reihe weiterer Uberlegungen, die hier nicht im einzelnen dargestellt werden sollen, erschipn es jedoch moglich, die gesnchte Anzahl grob zu schatzen, hz\\,. einzugabpln. Die in diesem Versuch erwartete Anzahl von Xl-Pflanzen, die zufallig zwei oder mehr Ahren glEichen Mutationstyps haben, Iiegt danach vermutlich zwischen 14 und 18. Selbst, wenn sie tatsachlich nm 14 srin wiirdp, was kaum anzunehmen ist, ware die Differenz zu den beobachteten 21, 8tatistisch nicht nachzuweisen (P> 0,05; X2 = 3,03; FG = 1). DaB im prsten Versuch auBerzufallig Xl-Pflanzen mit mehreren Ahren gleichen Mutationstyps vorkommen, kann daher wahrscheinlich nicht bewiesen wprden. Die Annahme ist berechtigt, daB solche Pflanzen beim ersten Vprsuch, im Gegensatz zum zweiten, nur selten oder iiberhaupt nicht auBerzufallig auftreten. Auch die Ergebnisse des ersten Versuches scheinen daher Ubereinstimmung mit del' Arbeitshypothese zu zeigen; nul' in relativ scltenen Fiillpn gingen in dicsem Versuch aus jeweils einer Embryozelle mphrere .Ahrpn hervor, da die weitaus meisten Ahren zu den erstgebildeten dcr X1-Pflanzpn gehortpn (siehe oben). 5. Zusammenhang von Bestockung und Mutationshaufigkeit Die Frage (FnEIsLEBEN und LEIN 1943), ob eine starke Bestockung der Xl-Pflanzen zu vcrminderter Mutationsfrequenz fiihrt, wurde an beiden dipscr Arbeit zugrunde liegenden Experimenten untersucht. Bpim ersten Mutationsversuch diente hierzu das Versuchsglied R (GAUL 1957b). Dies stpUt die Rontgenkontrolle (ohne Zusatzbehandlung mit Sekundal'faktorell) dar. Dieses Versuchsglied war - wie jedes anderein 65 1m langen Reihen (Wiederholungen) zufallig iiber das Versuchsbeet

Uber die Chimiirenbildung in Gerstenpflanzen usw.

229

verteilt. Bekanntlieh haben die am Rande jeder Reihe stehenden Pflanzen im allgemeinen eine starkere Bestoekung als diejenigen inmitten des Bl'standes. Von dem Versuehsglied R wurden 116 "Randpflanzen" geerntct. Sic hatten durehsehnittlieh 8,3 Ahren je Pflanze ausgebildet; die "Niehtrandpflanzen" dagegen nur 2,9. Die mittlere Fertilitat (Kornansatz) der Randpflanzen betrug 68,48%, diejenige der Niehtrandpflanzen 64,67 % (Tab. 6). Diese Differenz is t naeh einem t-Test - bei P < 0,05 1 ) signifikant. Die Haufigkeit von Chlorophyllmutationen in der X 2 wurde in Frtihbeetlagen ermittelt. Hierbei handelte es sieh urn cine von dem eigentliehen Versueh (GAUL 1957b) getrennte Aussaat, sowohl fUr die Randpflanzen als aueh fUr die Niehtrandpflanzen. Die Randpflanzen haben, wahrseheinlieh als eine Folge der starken Bestoekung, eine urn etwa 30 % verminderte Mutationshaufigkeit gegentiber den Niehtrandpflanzen (Tab. 6). Ein x2-Test ergibt allerdings keine eindeutige Signifikanz fUr dic Differenz der Mutationsfrequcnzen (P < 0,1; X2 = 2,89; FG = 1). Tabelle 6 Wirkung des Standraumes auf Bestockung, Fertilitiit von Xl-Pflanzen und auf die Frequenz von Chlorophyllmutationen in der Xz-Generation Anzahl Xc Pflanzen

I Anz. Ahren je Pflanze

1953 eng weit

650 116

2,92 8,27

1954 eng weit

319 320

6,25 8,10

Jahr und Standraum

I ausgelegter Anzahl I

Mutanten

64,67 68,48

15640 9000

0,59 0,42

62,04 64,54

25096 34481

0,91 0,69

%

Fertilitiit

Samen in X z

%

Die Ergebnisse aus dem zweiten Mutationsversueh (GAUL 1959) sind den obigen grundsatzlieh ahnlieh. Aus diesem Experiment interessiert hier das Versuehsglied, dessen Samen naeh viersttindiger Vorquellung mit 5000r bestrahlt worden waren. Naeh der Bestrahlung wurden die Korner in zwei Portionen geteilt und die Aussaat erfolgte in zwei versehiedenen Legeabstanden der Korner in den Reihen des Versuehsbeetes, namlieh mit 2 em und 4 em Abstand. Zwischen den Reihen blieb der Abstand mit 20 em bei beiden Serien gleieh. Die beiden Serien, deren Korner also absolut gleieh behandelt worden waren, werden entspreehend ihrem engeren und weiteren Abstand wahrend des Waehstums der Xl als 5000 rEa und 5000 rEb bezeiehnet (vergleiche GAGL 1958a, 1959). Dieser Standraumversueh (in split 1) 0,02 < P < 0,025.

230

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plot Anlage)l) sollte vor alIem die Bedeutung der Bestockung fUr die

Mutationshaufigkeit prufen. Bei der Ernte waren die mittleren Abstande zwischen den Xl-Pflanzen bei 5000 rEa 2,6 cm und bei 5000 rEb 4,9 cm. Entsprechend hatten die Versuchsglieder durchschnittlich 6,3 und 8,1 Ahren je Pflanze ausgebildet. Auch bei diesem zweiten Mutationsversuch zeigt sich, wie beim ersten, daB die starkere Bestockung der Xl-Pflanzen zu einer ErhOhung der durchschnittlichen XI-Fertilititt und einer Reduzierung der Punktmutationsfrequenz in Xl fUhrt (Tab. 6). Jedoch laBt sich, im Gegensatz zum erst en Versuch, fUr die Fertilitatsunterschiede eine klare Signifikanz hier nicht nachweisen (t = 1,65, FG =38, was gerade etwas oberhalb des P = 0,1Punktes liegt). Der Unterschied in der Frequenz von Punktmutationen mag als signifikant angesehen werden (P < 0,005, X2 = 8,69, FG = 1). Jedoch kann dies nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es wird namlich an anderer Stelle (GAUL 1958a) ausfUhrlich darauf hingewiesen, daB der x2-Test bei dem hier verwendeten Bezugssystem "Mutanten je 100 Xl-Pflanzen" nicht vorhandene Signifikanz vortauschen kann, da keine Unabhangigkeit der El'e'gnisse vorliegt. Gleiches gilt auch fUr den obigen X2-Test der Mutantenhiiufigkeit von Randpflanzen und Nichtl'andpflanzen des ersten Versuches. Vermehrte Bestockung der Xl-Pflanzen scheint also - nach den Ergebnissen - zu verbesserter Fertilitat und geringerer Frequenz von Punktmutationen der Xl-Ahren zu fUhren. Allerdings laBt sich eine Signifikanz fUr diese Annahme z. Z. nur zum Teil nachweisen. Doch weisen die numel'ischen Ergebnisse von zwei unabhangigen Versuchen in die glei che Richtung (Tab. 6). Hierdurch gewinnt die Annahme an Berechtigung. Sie wird weiterhin durch die Ergebnisse einer Untersuchung, die an anderer Stelle dargesteUt ist (GAUL 1958a), gesttitzt. Dort wird die Beziehung von Punktmutationsfrequenz und Fertilitatsklasse (Samenansatz) der Xl-Ahren untersucht. Wahrend in dem umfangreichen Material stets eine weitgehende Unabhangigkeit zwischen dem Sterilitatsgrad der einzelnen Xl-Ahren und del' Mutationsfrequenz vorhanden war, zeigte nur das Versuchsglied 5000 rEb eine Tendenz der Abnahme der Mutationshaufigkeit nach den oberen (guten) Fertilitatsklassen. Dies ist das gleiche Glied des vorliegenden zweiten Versuches, das - wie gezeigt - auch eine durchschnittlich geringere Mutations1) Auch die Samen der anderen Glieder dieses Versuches wurden in zwei verschiedenen Abstiinden ausgelegt. Wegen der groBen Totungsrate bei dies en Serien (die aIle eine stiirkere Dosis als 5000 r erhalten haben), welche einen liickigen Abstand zur Folge hatte, und im Zusammenhang mit der spiiten Aussaatzeit sowie dem direkten EinfluB der Bestrahlung auf die Bestockung, waren hier aber die durch den Standraum bedingten Bestockungsmoglichkeiten anscheinend in jedem Fall optimal.

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frequenz gegenuber der schwacher bestockten Schwesterserie 5000 rEa hatte. Die Ergebnisse·der vorliegenden Arbeit und die oben genannten (GAl'L 1958a) stehen in voller Ubereimtimmung mit der Hypothese (Teil II), die annimmt, daB bei groBer Bestockung Mutationen durch die interzellulare Konkurrenz besonders stark eliminiert werden. Ergebnisse aus der Literatur stiitzen weiterhin die Hypothese (siehe Diskussion).

V. Diskussion 1. Chimarenbildung Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung fUhrten zur Aufstellung einer Arbeitshypothese uber den Verlauhler Chimarenbildung. Mit dieser eingangs (Teil II) dargestellten Hypothese lassen sich zunachst die vorliegenden Resultate, die aus zwei unterschiedlichen Mutationsexperimenten stammen, befriedigend erklaren. CALDECOTT und SMITH (1952) untersuchten bei Gerste cytologisch mit einer ahnlichen Methode wie in dieser Arbeit (Teil IV, 1), die Xl-Ahren auf Chimarencharakter. Sie kommen, im Gegensatz zu dieser Arbeit, zu dem Ergebnis (S. 239) "that all the sporophyte tissue on a spike usually results from a single cell". Jedoch wird berichtet, daB 7 Ahren chimarisch waren. In diesen Fallen muB das generative Gewebe aus mehr als einer Embryozelle hervorgegangen sein. Leider geht aus der Arbeit nicht eindeutig hervor, welche und wie viele Bluten einer .Ahre jeweils untersucht wurden. Je weniger Bluten einer Ahre beobachtet werden, um so seltener wird der Chimarencharakter einer .Ahre entdeckt (Tab. 1). Werden hauptsachlich spater gebildcte Ahren fUr die cytologische Untersuchung fixiert, so sind diese im allgemeinen nicht chimarisch, wie aus der vorliegenden Untersuchung gefolgert wurde. Doch ist es nicht ganzlich ausgeschlossen, daB zwischen Varictaten ein Unterschied darin besteht, ob und wie oft das generative Gewebe einer .Ahre auf ein oder mehrere Embryozellen zuruckgeht (siehe auch Scite 233 und 237). Auch ist es nicht unmoglich, daB die Aufzuchtbedingungen eine Rolle spielen. Jedoch sprechen die von CALDECOTT und SMITH (1. c., S. 239) mitgeteilten genetischen Spaltungsergebnisse der Chlorophyllmutationen eher dafUr, daB auch in ihrem Material haufig mehr als eine Ausgangszelle vorhanden war. Die beobachtete Frequenz p', mit der aus Xl-Ahrennachkommenschaften Mutantcn herausspalteten, war 15,1 %. Dieser Wert stellt aber stets eine Uberschatzung der "wahrpn" Mutantenfrequenz p dar (siehc Teil IV, 2 und Tabelle 2). Die unverzerrte Mutantenhaufigkeit p ist wahrscheinlich auch in jenem Material um einige wenige Prozent kleiner als p' = 15,1%. Flora, Ed. 147

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Da bei X 2- und Xa-Nachkommenschaften etwa 20% zu erwarten sind (MOH 20
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mehrerer Ahren eine gemeinsame Ausgangszelle, wie aus der Histogenese des Embryos gefolgert werden kann (Teil II). Je starker also die Strahlendosis und je groBer die Bestockung, um so mehr Ahren (reproduktives Geweb e) der Pflanzen haben nur cine Ausgangszelle im Embryo. Es ware wiinschenswert, die im Anfang der Arbeit dargelegte Hypothese nicht nur genetisch und cytogenetisch, sondern auch histologisch zu priifen und gegebenenfalls zu modifizieren. Wie bereits in der Einleitung erwahnt, ist iiber die Entwicklungsmechanik der Sporophyten-Generation von Spermatophyten nicht allzu viel bekannt. Oft genug sind sogar die Beobachtungen am gleichen Objekt widerspruchsvoll. So beobachteten z. B. ROSLER (1928) bei Weizen und KLIEM (1936) bei Hafer, daB der Seheitel des Corpus eines jungen Vegetationskegels etwa gleich haufig VOn einer und mehreren Initialzellen eingenommen wird. Dagegen fand ROTH (1957) bei Weizen stets nur eine und HAMILTON (1948) bei Hafer stets mehrere Initialen. Es wird seit langem verbreitet angenommen, daB die Embryosackmutterzelle im subdermatogenen Meristem entsteht (z. B. ROSLER 1928, SHARMANN 1945). Dann muB, zumindest bei Gerste und anderen Gramineen, das gleiche auch fUr Pollenmutterzellen zutreffen. Embryosaek- und Pollenmutterzellen miissen im allgemeinen genetisch gleich sein, sonst wiirden naeh Samenbestrahlung die rezessiven Punktmutationen erst in der Xa-Generation, statt, wie beobachtet, in der X 2 herausspalten. Tatsachlich beobachteten neuerdings BONNETT (1953) bei Mais und BARNARD (1955) bei Weizen iibereinstimmend, daB sieh sowohl Embryosack- als auch Pollenmutterzellen subdermatogen herleiten. Beide Autoren fan den fUr die Makrosporen-Mutterzcllen eine Entstehung in der zweiten Zellschicht. Die Mikrosporen-Mutterzellen gehen nach BARNARD (1. c.) bei Weizen auf die zweite und dritte Zellschicht zuriick, nach BONNETT (1. c.) bei Mais auf die dritte und tiefere Zellschichten. Die Annahme der Arbeitshypothese ist also berechtigt, daB die Keimbahn der Embryosack- und Pollenmutterzellen zu jenen Corpus-Initialen des jungen Vegetationskegels zuriickfUhrt, welche das gesamte subdermatogene Gewebe aufbauen. Die Methoden der vorliegenden Arbeit konnen nllr begrenzte Information zu der Frage liefern, wieviel Initialen am Scheitel des Corpus eines jungen Vegetationskegels bei ungehinderter Entwicklung vorhanden sind. Denn durch die Bestrahlung ist - wie oben ausgefiihrt - ein groBer Teil dieser Zellen getotet worden. Die Moglichkeit jedoch, daB stets nur eine scheitelzellenartige Initiale vorhanden ist, scheidet fUr Hordeum distich on (Sorte Haisa II) aus, wenn die angenommene Keimbahn tatsachlich existiert, was recht wahrscheinlich ist. Die haufig vorkommende Bildung von Sek16*

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torialchimaren konnte sonst kaum erklart werden. Ob bei ungestorter Entwicklung stets mehrere oder abwechselnd cine und mehrere InitialzeUen vorhanden sind, kann nicht entschieden werden. ,Tedoch spricht der Gesamteindruck der Ergebnisse eher dafiir, daB es nur sehr wenige Ze11en sind. Zumindest als Folge der Bestrahlung mit den in dieser Arbeit verwendeten Dosen muB angenommen werden, daB oft nur eine tiberlebende Initiale vorhanden ist und nur in t;eltenen Fallen mehr als zwei. 2. Diplontische Selektion Von praktischer Bedeutung sind die VorsteUungen der Hypothese (Teil II) tiber den Ablauf der aiplontischen Selektion mutierter Zellen. Danach ist die Elimination mutierter Ze11en wahrend der Ontogenese bei den erstgebildeten etwa 5 Ahren einer Pflanze wesentlich geringer als bei den spater entstehenden. In beiden Versuchen dieser Arbeit zeigten tatsachlich die Ahren starker bestockter Xl-Pflanzen eine gro.Bere Fertilitat und eine gering ere Frequenz an Punktmutationen. Die starkere Bestockung beruhte a11ein auf einem groBeren Legeabstand der Xl-Korner bzw. groBerem Standmum der Xl-Keimpflanzen bei sonst gleicher Behandlung wie die wenig bestockten Vergleichspflanzen. Bereits FREIS LEBEN und LEIN (1943) folgerten aus ihren Versuchen, daB eine "a11zu starke Bestockung" der Pflanzen, infolge groBeren Standraumes, zu einer bevorzugten Entwicklung von Ahren fiihrt, die weniger Chromosomen- und Punktmutationen enthalten. Diese frtihe Beobachtung der Autoren ist - nach Ansicht des Verfassers nicht gentigend beachtet worden. Es finden sich in der Literatur kaum yo11standige Angaben tiber z. B. die Aussaatzeit, den Standraum der X lPflanzen bei Aussaat und Ernte, den Grad der Bestockung und ahnliches. Unterschiedliche Versuchsglieder eines Versuches haben oft, infolge verschiedener Totungsrate, einen anderen Standraum und eine andere Bestockung. Vergleiche zwischen solchen Versuchsgliedern tiber die Mutationshaufigkeit konnen daher leicht zu falschen Ergebnissen fiihren. In Dbereinstimmung mit der Hypothese befinden sich z. B. auch die Daten, die von MAC KEY (1951, Tab. 1 und 3) publiziert wurden. 1947 hatte die 5000 r-Serie 3,5 und die 20000 r-Serie 10,2 Ahren je Pflanze ausgebildet. Die Ursache fiir die groBere Bestockung bei 20000 r liegt in der groBeren Totungsrate und dem damit verbundenen groBeren Standraum. Nach der bekannten Proportionalitat von Dosis und Punktmutationsfrequenz soUte bei 20000r eine etwa viermal so groBe Haufigkeit von Chlorophy11mutationen erwartet werden. Tatsachlich ist sie annahernd gleich, d. h. numerisch sogar etwas kleiner (4,2 gegentiber 4,4 Mutationen je 100 Xc Ahrennachkommenschaften). In den anderen Jahren, 1948 und 1949, liegen

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die Verhaltnisse ahnlich. Offensichtlich bewirkt bei hohen Dosen die starkere Bestockung, im Zusammenhang mit der gro13eren Totungsrate von Initialen, daB vorwiegend nur spater angelegte Seitenhalme zur Entwicklung kommen. Bei diesen aber vcranla13t die interzellularc Konkurrenz einen enormen Verlnst an mutierten Zellon. Es ist an anderer Stelle (GAeL 1957a) gezeigt worden, da13 bei etwa gleich gro13er und ma13iger Bestockung aller Dosisserien sich keine Abweichung von einer linearen Dosisabhangigkeit der Punktmutationen nachweisen la13t 1). Dieser Versuch schlo13 einen gro13en Dosisvariabilitatsbf'reich ein. Die hier dargelegte Vorstellung iiber die diplontische Selektion konnte in ihren Grundziigen iiber die Gerste hinaus generell fiir die Bestrahlung von vegetativen Pflanzenteilen Bedeutung haben. Beim Baumobst z. B. fiihrten bisher einfache Bestrahlungen von Reisern mit anschlie13ender Pfropfung und ahnliche Methoden fast zu einem vollstandigen Verlust aller primar induzierten Mutationen im Laufe der weiteren Entwicklung. Dieses Ergebnis resultiert aus der interzellularen Konkurrenz, welche zu einer Elimination mutierter ZeUen fiihrt. Bei Ribes nigrurn ermoglicht erst neuerdings die Riickschnitt- und Isolierungsmethode (BAUER 1957) praktische Erfolge fUr die Mutationsziichtung. Die Grundziige dieser Methode konnen genercll Bedeutung haben. Beim Baumobst wandte ZWINTZSCHER (1955) cine spezieUe Isolif'rungsmethode von bestrahlten Knospen mit Erfolg an. Die Ergebnisse dioser Autoren ordnen sich gut in die dargelegte VorsteUung ein. Urn den Verlust von primiir induzierten Mutationen einzuschranken, kommt es darauf an, die interzellulare Konkurrenz weitgehend zu reduzieren. Keinc oder schwache interzellulare Konkurrenz ist nach der Hypothese stets dann zu erwarten, wenn wahrend der Bestrahlung nur eine oder wenige InitialzeUen eines neu entstehonden Triebes vorhanden sind. Die geringste Wirksamkeit df'r diplontischen Selektion ist daher bei Bestrahlung von solchen Primordien, jungen Knospen oder sogenannten "schlafenden Augen" zu erwarten, die moglichst wenig Initialen besitzen. 1m Idealfall soUte dasjenige Gewebe, wf'lches spiiter von Interesse ist, zum Zeitpunkt der Bestrahlung nur durch eine einzige Initiaizelle reprasentiert sein. Hauptvegetationspunkte von Knospen an bestrahlten Reisern besitzen sicherlich mehrere Initialschichten mit vielen Zellen. 1m Laufe der Weiterentwicklung solcher Vegetationspunkte werden daher mutierte ZeUen weitgehend verdrangt. Die hochste Mutationsrate erhielt BAuER (1957) bei Trieben, die sich aus der Basis der bestrahlten Knospe "regenerierten", nachdem 1) AuBerdem wurde das statistisch nicht verzerrte Bezugssystem: "Anzahl Mutanten je 100 X 2-Pflanzen" verwendet (GAUL 1957c, 1955a).

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der primare Trieb zurtickgeschnitten wurde (Wurzelstock-Selektion). Diese Triebe werden aus dormanten Knospenanlagen entwickelt, von den en man annehmen kann, daB sie zum Zeitpunkt der Bestrahlung eine noch einfache, nur aus verhiiltnismaBig wenig Zellen zusammengesetzte Struktur besitzen. Auch geschadigte Initialen konnen hier deshalb - weitgehend konkurrenzlos - mutierte Triebe aufbauen. Es kann erwartet werden, daB bei vielen Objekten ein mehrfaches Entfernen der makroskopisch sichtbar werdenden Knospen (und ahnliche Methoden) var der Bestrahlung und die darauf folgende cBestrahlung nur der dormanten Knospen zu mindestens gleich gtinstigen Ergebnissen flihrt als wenn die Selektion nach der Bestrahlung erfolgt. Wenn die dargelegten Anschauungen richtig sind, sollten jedenfalls aIle technischen MaBnahmen benutzt werden, welche die Isolierung von solchen Seitensprossen ermoglichen, die sich zum Zeitpunkt der Bestrahlung in einem ganz bestimmten, noch relativ unentwickelten Stadium befinden und tiber moglichst wenig Initialzellen verftigen. Nach der "Eine-Initialzelle-Theorie" sind hOchste Mutationsraten durch Isolierung von Trieben zu erzielen, deren Ausgangszellen nach der Bestrahlung nur einer begrenzten interzellularen Konkurrenz unterworfen waren. Ftir die bei Gerste beobachtete Abnahme der Mutationsfrequenz mit zunehmender Bestockung solI noch eine andere Erklarungsmoglichkeit erwahnt werden. Unterschiedliche Zellkomplexe im Embryo haben sicherlich einen verschiedenen "physiologischen Zustand". Dieser aber kann bekanntlich (vergleiche z. B. GAUL 1958b) die Strahlenempfindlichkeit erheblich modifizieren. Die Zellen, welche das generative Gewebe der ersten Ahren aufbauen, konnten eine groBere Strahlensensibilitat haben als diejenigen der spater entstehenden Seitenhalme. In der erstgenannten Kategorie von Zellen wtirden dadurch bei gleicher Strahlendosis mehr Mutationen entstehen. Zweifellos hat solch eine Erklarung der Beobachtungen viel flir sich und solI auch bei weiteren Untersuchungen im Auge behalten werden. Doch wird die Richtigkeit einer Hypothese, welche alle dargestellten Ergebnisse nur auf dieser Basis erklaren wollte, zur Zeit flir etwas unwahrscheinlicher angesehen als die "Eine-Initialzelle-Theorie". DaB aber auBer dem Mechanismus, der in der vorliegenden Arbeit als Erklarung bevorzugt wird, auch der Faktor der unterschiedlichen Strahlenempfindlichkeit wirksam ist, erscheint durchaus moglich. Ftir eine Kontrolle der diplontischen Selektion bei verschiedenen Objekten sind eigentlich genaue histogenetische Kenntnisse unerlaBlich. Da diese zumeist unzureichend sind, soUten - bei der Bestrahlung von vegetativen Teilen - wenigstens die vorhandenen Vorstellungen tiber die histo-

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logische Struktur bei der Technik der Mutantenselektion zugrunde gelegt werden. Es muB in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daB der Vegetationspunkt bei den hOheren Pflanzen erhebliche Unterschiede in der histologischen Struktur aufweisen kann. Selbst Arten der gleichen Gattung haben oft ein unterschiedliches Entwicklungsschema, wie schon BrDER (1928) mit seinen Schiilern zeigte. In neuerer Zeit untersuchte THIELKE (1951) eine groBere Anzahl von Gramineen-Spezies und fand hier solche mit zwei- und einschichtiger Tunica, wahrend der Scheitel von Saccharum officinarum aus nacktem Corpusgewebe besteht. Es ware demnach nicht ganzlich unmoglich, daB sich auch Varietaten derselben Spezies in ihrer Entwicklungsmechanik etwas unterscheiden. Die Hypothese tiber den Ablauf der diplontischen Selektion bei Gerste nimmt an, daB bei Absterben der Corpus-Initialen meist auch nicht die direkt dartiber befindlichen Dermatogen-Initialen durch Periklinalteilungen neue Corpus-Initialen abscheiden konnen. Doch kann dieses vorerst nattirlich nicht mit Sicherheit behauptet werden (vergleiche auch S. 212). Zwar konnte vor einiger Zeit die Kontinuitat der verschiedenen Schichten (germ layers) des Vegetationspunktes mit einer elegant en Methode, namlich durch colchicininduzierte Periklinalchimaren, -einwandfrei bei Datura gezeigt werden (SATINA, BLAKESLEE und AVERY 1940). Auch demonstrierten diese Autoren (SATINA und BLAKESLEE 1941, 1943) gleicherweise, daB bei Datura tatsachlich Karpel und Stamen in erster Linie aus Corpusgewebe entstehen. Doch mehren sich Befunde, daB bei anderen Pflanzen nicht eine solche Stabilitat der Schichten des Vegetationspunktes zu bestehen braucht (Literaturtiberblick bei FOSTER 1939, GIFFORD 1954, CLOWES 1957).

VI. Zusammenfassung Unter Berticksichtigung histogenetischer Untersuchungen aus der Literatur wurde die folgende Arbeitshypothese aufgestellt, welche die vorliegenden Ergebnisse befriedigend erklaren kann: Die Zellen, welche die ersten etwa 5 Ahren 1) einer Pflanze aufbauen, sind im fertigen Embryo schon weitgehend determiniert. Es sind dies die Corpus-Initialen des Hauptvegetationspunktes und der ersten etwa 4Achselknospen. Die Frage, ob hier abwechselnd eine und zwei bis vier Initialzellen vorliegen oder ob es stets eine Gruppe von sehr wenigen ist, bleibt vorerst offen. Nicht selten sind jedenfalls zwei (oder mehr) Initialen vorhanden, was - bei den etsten etwa 5 Ahren - zur Chimarenbildunginnerhalb der Ahre fiihren kann. 1) Es ist stets nur das generative Gewebe gemeint.

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Geht aus den deszendenten Zellen einer mutierten Initiale das Corpusgewebe neuer Achselknospen hervor (bei starker Bestockung), so entsteht eine Sektorialchimare, die mehrere Ahren umfaBt. Wird die Totungsrate der Initialen infolge groBerer Strahlendosis groBer, so bleibt von den CorpusInitialen der ersten etwa 5 Ralmanlagen oft nur noch jeweils eine oder gar keine am Leben. Zumindest in der Mehrheit der Falle kann keine benachbarte Zelle an die Stelle der getoteten Initiale treten. Mit zunehmender Dosis gehen also (a) von den erstangelegten etwa 5 Ahren immer mehr nur auf eine Initiale zuriick; die mittlere GroBe eines mutierten Ahrensektors nimmt deshalb zu. Weiterhin (b) sterben immer mehr von den ersten Achselknospen(anlagen) ab; dafiir konnen neue Seitenhalme angelegt werden. Bei diesen gehen (c) in zunehmendem MaBe zwei und mehr Ahren einer Pflanze auf nur eine Initiale zurtick. Die diplontische Selektion mutierter Zellen hat ihre groBte Wirksamkeit bei den spater entstehenden Ahren, deren Initialen noch nicht determiniert sind. Rier liegt das eigentliche Feld der interzellularen Konkurrenz. Deshalb ist hier die Elimination mutierter Zellen sehr stark. Bei den erst en etwa 5 Ahren herrscht dagegen eine "Alles oder Nichts"-Reaktion vor. Sind die Initialen todlich mutiert, stirbt mit ihnen oft oder immer die ganze Ahrenanlage abo Sind sie lebensfahig mtttiert, wenn auch geschiidigt, besteht keine oder nur eine eingeschrankte Konkurrenz. Oft ist nur eine (zumindest tiberlebende) Initiale vorhanden, die im Rahmen der Architektonik der jungen Achselknospe nicht mehr aus ihrer Position am Scheitel des Corpus verdrangt werden kann. Ahnliches kann aber bei Vorhandensein von zwei oder mehr Corpus-Initialen angenommen werden. Die Folge ist, daB bei den erstangelegten Ahren die Mutationshiiufigkeit wesentlich groBer ist als bei den spater entstehenden. Dem experimentellen Teilliegen zwei Mutationsexperimente zugrunde. 1m erst en Versuch war die Dberlebendenrate der Xl-Pflanzen 46,9% und es wurden 3,2 Ahren je Pflanze ausgebildet. 1m zweiten Versuch war, infolge starkerer Strahlendosen, die Uberlebendenrate nur 22,0%, die Bestockung dagegen fiihrte zu 6,3 Ahren je Pflanze. Folgende Ergebnisse wurden gewonnen: 1. Cytogenetische Untersuchungen an Xl-Ahren zeigten, daB ein mutierter Sektor eine ganze Ahre umfassen kann oder - im vorliegenden Fall etwa ebenso haufig - nur einen Teil einer Ahre. 2. Ein Vergleich der Spaltungshaufigkeit von Mutanten in X z mit der in spateren Generationen ermoglichte es, die mittlere GroBe eines mutierten Ahrensektors im ersten Mutationsexperiment auf 75-80 % und im zweiten auf nahezu 100% der Bltiten einer Ahre zu errechnen.

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3. 1m ersten Versuch war die Frequenz von XcAhren mit zwei (verschiedenen) Mutationen gr613er als im zweiten, obwohl die Gesamtmutationshaufigkeit des ersten Versuches unterhalb der des zweiten lag. 4. Umgekehrt konnte nur im zweiten Versuch eine au13erzufiilllge Frequenz von Pflanzen mit zwei oder mehr Ahren gleichen Mutationstyps nachgewiesen werden. 5. In Versuchsgliedern beider Experimente konnte gezeigt werden, da13 starke Bestockung, infolge eines gr613eren Standraumes, zu einer verbesserten Fertilitat und zu einer verkleinerten Frequenz von Punktmutation en der Xl-Ahren fiihrt. Fiir kritische Durchsicht des Manuskriptes und damit verbundene wertvolle Diskussionen, gelegentlich einer Studienreise in die USA., mochte ich meinen besonderen Dank sagen: Frau Professor Dr. KATHERINE ESAU, University of California, Davis, Herrn Professor Dr. O. L. STEIN, Montana State University, Missoula und Herrn Doktor A. H. SPARROW, Brookhaven National Laboratory, Upton, Long Island, New York. Gleicher Dank gilt meinen Kollegen aus dem Max-Planck-Institut fiir Ziichtungsforschung, Koln-Vogelsang: den Herren Doktoren F. BARTELS, R. BAUER, M. ZWINTZSCHER und H. HILL~fANN.

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Anschrift des Verfassers: Dr. H. GAUL, Koln-Vogelsang, Max-PlanckInstitut fiir Zilchtungsforschung.