Beitr. Path. Bd. 158,58-68 (197 6)
Uber die sogenannten abnormen Sehnenfaden des Herzens. Ein Beitrag zur Pathologie des Reizleitungssystems des Herzens. Von
Dr. S. Tawara, Japan.
Aus dem pathologischen Institut zu Marburg.
Bierzu 2 Figuren im Text. Beitr. path. Anat. 39, 563-584 (1906) Das Vorkommen sogenannter "abnormer Sehnenfaden" im Herzen ist gar nicht selten. Ktirzere Faden kommen sogar ohne Ausnahme in den Ventrikeln des menschlichen Herzens vor. Sie verbinden gewohnlich zwei neben- oder tibereinander liegende Trabekel oder Papillarmuskel mit der angrenzenden Herzwand. Da man sie in allen Herzen findet, so hat man sie bisher als ein nattirliches Vorkommnis betrachtet und weder Anatom und Physiolog noch Pl1tholog und Kliniker haben ihnen irgend eine Bedeutung zugesprochen, wii.hrend die Hingeren Faden schon oft von klinisch-pathologischer Seite als pathologisch bedeutungsvoll angesehen worden sind. Map hat sogar aHem Anschein nach unter dem Namen "abnorme Sehnenfaden" ausschlieBlich diese mehr oder weniger lang en Faden verstanden, welche zwei entfernte Punkte einer Herzhohle miteinander verbinden oder sich sogar zwischen den Wanden der Vorbof- und der Kammerhohle hinspannen (BROWICZ).1) Uber die Einteilung, Entstehungsweise, Verlaufsweise sowie patbologische und kliniscbe Bedeutung der abnormen Sehnenfaden Hegen bisher verschiedene Arbeiten vor. Da aber dieselben, soweit sie mir zuganglich waren, mit meinen Untersuchungen nicht im Einklang stehen, so will ich in dem folgenden Aufsatze den Versuch machen, yon einem neuen Standpunkte aus diese Frage zu klaren. 1) BROWICZ, Uber anomale Sehnenfaden im Herzen und deren eventuelle Bedeutung, Virchow's Archlv Bd. 145 S. 649.
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In einer anderweitig publizierten Arbeit 1) habe ich die Resultate einer genauen topographisch-anatomischen und histologischen Untersuchung des muskulosen, atrioventrikuIaren VerbindungsbUndels des Herzens (Hrs'sches BUndel) beim Menschen und bei einigen Saugetieren ausfUhrlich mitgeteilt. lch konnte im AnschluB an Hrs, BRAUNIG und RETZER feststellen, daB das Hls'sche BUndel in allen von mir untersuchten Herzen ohne Ausnahme vorhandeIi war, und konnte die frUheren Angaben dahin erweitern,.daB dieses BUndel nicht direkt in der Ventrikelscheidewand endigt, sondern in einem ganz gesetzmaBigen System Uber die Innenflache des rechten und linken VentrikeJs ausgebreitet ist. Dasselbe HiBt sich sowohl topographisch wie auch histologisch sicher, wenigstens beim Menschen und bei groBeren Saugetieren ~ von dem gewohnlichen Myocardium unterscheiden. Dber dieses eigenartige System sei hier nur ganz kurz folgendes erwahnt: Das atrioventriculare VerbindungsbUndel nimmt in der Vorhofsscheidewand seinen Ursprung. Es zieht durch das Septum fibrosum atrioventriculare hindurch nach dem Septum ventriculorum. Nachdem ~s eine kurze Strecke in einem geschlossenen BUndel verlaufen ist, teilt es sich , unterhalb der Pars membranacea septi, regelmaBig in zwei Schenkel, einen link en und einen rechten. Die letzteren verlaufen an den beiden oberflachlichen Schichten der Kammerscheidewand entlang nach unten. Der rechte Schenkel bildet dabei gewohnlich ein ganz kleines geschlossenes BUndel, welches nirgends mit der gewohnlichen Kammermuskulatur in Verbil1dung tritt, um erst in dem vorderen Papillarmuskel oder doch in der Nahe desselben sich in zahlreiche Zweige zu teilen und sich an der ganzen InnenfHiche des rechten Ventrikels zu verbreiten. Der Durchmesser des rechten Schenkels betragt ca. 1 mm oder noch weniger. Der linke Schenkel, welcher beim Menschen schon von Anfang an breiter als der rechte ist, verbreitet sich abwarts subendocardial in facherfOrmiger Gestalt und zieht hauptsachlich zum vorderen und hinteren Papillarmuskel. Von den beiden Papillarmuskeln aus erstrecken sich die Endausbreitungen des linken Schenkels tiber die ganze Innenflache des link en Ventrikels. Die Muskelfasern des V orhofsabschnittes des Verbindungssystems verbinden sich mit der gewohnlichen Vorhofsmuskulatur, und die End~usbreitungen der Schenkel verbinden sich in der subendocardialen Schicht der beiden Ventrikel mit den gewohnlichen Kammermuskelfasern, so daB tatsachlich Vorhofs- und Kammermuskulatur muskulOs verbunden sind. 1) Das Reizleitungssystem des Saugetierherzens, 1906, Gustav Fischer, J ena.
60 Bisher war nur ein kurzes Stuck des Verbindungssystems, vom Vorhof bis zur Kammerscheidewand, bekannt. Der ubrige weitaus grol3te Teil des Systems war als solches unbekannt geblieben, obgleich aueh er in der Tat teilweise schon vor ca. 60 Jahren zufallig von PURKINJE 1) bei gewissen Tieren gefunden und dann von zahlreiehen Forsehern immer wieder histologiseh eingehend untersueht wurde. Die sogenannten PURKINJE'Sehen Faden stell en namlieh die Kammerausbreitungen des Verbindungssystems dar. Da aber, wie ieh in meiner oben erwahnten Arbeit bewiesen habe, das histologisehe Bild der Endausbreitungen des Systems in den Herzen der versehiedenen Tiergruppen sehr verschieden ist und z. B. beim mensehliehen Herzen ganz anders geartet ist, als das von PURKINJE yom Sehafherzen gegebene Bild, so ware es besser, nicht ohne wei teres den Namen "PURKINJE'Sehe Faden", der nur fUr die Herzen der Huftiere seine GUltigkeit hat, auf die Endausbreitungen des Kammerbiindels des Verbindungssystems in den Herzen aIler Saugetiere auszudehnen.
1m folgenden fuhrt Tawara Arbeiten fruherer Autoren uber abnorme Sehnenfaden auf und diskutiert deren Relevanz . .Mein eigener Fall betrifft ein Praparat, welches dem hiesigen pathologischen Institut yon auswarts zugesandt worden ist. Es handelt sich um das Herz eines 23 jahrigen Mannes, iiber dessen Krankheit folgende kurze klinisehe Angaben mitgesandt wurden: Patient, der in friiheren J ahren mehrfach an Gelenkrheumatismus erkrankt gewesen ist, litt an einem schweren Herzfehler, dessen klinisches Bild das der Aorteninsufficienz war. Trotz der Herzbeschwerden fuhr e1' fUr das Gesehaft, in welch em er angestellt war, ein Geschaftsdreirad, welches nur mit groBer Anstrengung zu treten war. Hierdurch erschOpfte er sich vollends und wurde im voIlkommen matten Zustande un serer Anstalt zugefiihrt. Es traten hier bald schwere stenocardische Anfalle auf und drohte das Herz ganz auszusetzen, welches stan dig durch Excitantien unterstiitzt wurde. Wiihrend des 10 tagigen Aufenthalts im Krankenhause fanden dann mehrere Anfalle mit hochgradiger Dyspnoe und beinahe vollstandiger Pnlslosigkeit statt, sowie am 2. Tage eine scheinbare Haemoptoe, so daB, da eine genauere Lungenuntersuchung den Patienten sehr qualte und deshalb unterlassen wurde, mit Wahrscheinlichkeit Tuberkulose diagnostiziert wurde. Indessen muB es sieh, wie die Autopsie ergibt, urn Stauungssputum gehandelt haben. Bei einem spateren Anfall trat plotzlieh der Tod ein. Pathologiseh·anatomiseher Befund: Makroskopisehe Diagnose: Endocarditis ehroniea deformans aortica 1) PURKINJE, Archiv fur Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin 1845.
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et mitralis. lnsuffieiens des Ostium aortae. Wandendocarditis des link en Ventrikels. Passive Dilatation der Aortenbahn des linken Ventrikels. A bnormer Sehnenfaden. Hypertrophie und Dilatation des reehten Ventrikels. Braune Induration der Lungen. Stauungsorgane. - Mikroskopiseh lieB das Herz eine hoehgradige Verfettung erkennen. Herdbildungen fan den sieh in den vorliegenden Sehnitten nicht. Niere und Milz erwiesen sieh als sehr blutreieh, aber frei von sonstigen Veranderungen. Der Pigmentgehalt der Lungen war entgegen der makroskopischen Diagnose ein relativ ml1.Biger. Schwerere Veranderungen wiesen auch sie nicht auf. . . . . Der langste Zweig, der sich an den Papillarmuskel ansetzt und der nichts anderes als die eigentliehe Fortsetzung des Hauptstranges ist, betragt ca. 3 cm. \Venn man also den Hauptstrang von seinem Ursprung bis zur Ansatzstelle seines langsten Zweiges miBt, so betragt die ganze Lange des Stranges ca. 7 em.
nd
Fig. !. Der linke Ventrikel ist nach der gewohnlichen Sektionstechnik geotfnet. Der vordere Papillarmuskel heftet sich an dem dnrchtrennten und im Bilde nach rechts gezogenen Schnittlappen an, so daJ3 er hier nicht sichtbar ist. Die hintere Papillarmuskelgruppe besteht aus zwei im Bilde sehr gnt sichtbaren Muskelfortsittzen. Das Herz war ziemlich stark dilatiert und leieht hypertrophiert, es ist im Bilde ungefahr nm die Halfte verkleinert. vsd und vsp Die reehte und die hintere Aortentasehe. a Abnormer Faden, dessen distales Ende sich in mehrere Zweige teilt, von denen nur ein Teil im Bilde sichtbar ist, wahrend der iibrige grot!ere Teil hier verborgen bleibt. e Starke endokarditische Schwielen. b, c, d,fu. g siehe Text.
Die netzartig gestaltete Ursprungsstelle des Hauptstranges an dem Septum setzt sich naeh abwarts in eine auch in der Photographie deutlieh erkennbare Falte fort, von welcher facherfOrmig divergierende Seitenaste (c) gefleehtformig mit den Trabekeln des unteren Absphnittes der Kammer-
scheidewand in Verbindung treten. Der freie Rand der FaIte ist strangformig verdickt. Dieser Strang lauft direkt bis zum hinteren Papillarmuskel und schrag auf demselben entlang bis zu seiner Wurzel (d). Die in der Photographie sichtbaren weiBen streifigen Flecken unterhalb der rechten Aortentasche, welche bis zur Ursprungsstelle des Hauptstranges reichen, sind die Folgen einer chronischen Endocarditis parietalis (e). Von der unteren bogenfOrmig verIaufenden Grenze der endocarditischen Verdickungen sieht man 3-4 schattenhaft angedeutete weiBliche Streifen (f) nach vorn unten verlaufen, wo sie in das trabekulare N etzwerk (g), welches den vorderen Papillarmuskel umgibt, ubergehen. Es sind samtlich subendocardial verIaufende Bundel des atrioventrikularen Verbindungssystems. Uberblicke ich nun die in der Literatur angefiihrte Falle von Fadenbildnng in menschlichen Herzen, welche man in vier Hauptgruppen, namlich: 1. Val vulare Sehnenfaden, 2. Die Fadennetzbildungen in VorhOfen, 3. Fadenbildungen an den Semilunarklappen und 4. Sehnenfadenartige Gebilde an der Innenflache der Ventrikel oder solche Faden, welche sich quer durch den Ventrikelraum ausspannen, einteilen kann, so scheint mil' beziiglich der drei ersten Gruppen die genetische Erklarung heute nicht mehr auf Schwierigkeiten zu stoBen. Die Entstehung der normalen (valvularen) Sehnenfaden ist aus der Entwieklungsgesehiehte bekannt. Es konnen naturlieh aueh an dies en valvularen Sehnenfaden kongenitale oder erworbene MiBbildungen vorkommen, auf welche ich aber hier nieht eingehen will. Die zweite Gruppe, die Fadennetzbildung in Vorhofen, besonders im reehten muB naeh den grundlegenden Untersuchungen OHIARI'S auf abnorme, wenn aueh sehr luekenhafte, nur dureh Faden dargestellte und zum Teil verschobene Residuen der Vald. venosa dextra und des Septum spurium zuruekgefuhrt werden. Nach LOOSER solI das Septum an der Bildung der Netze gewohnlieh nieht beteiligt sein. Auch PRZEWOSKI kommt auf Grund seiner Untersuchung zu der Ansehauung, daB es sieh bei der Fadenbildung im rechten Vorhofe urn solehe abnorme Restbildung handelt. Aueh die Sehnenfadennetze in der Gegend der Fossa ovalis mussen nach ihm auf Entwicklungsstorungen bei der Anlage der entspreehenden Septen zuruekgefuhrt werden. Hierher gehoren aueh wohl die FaIle, welehe von BROWICZ als eine besondere Kategorie aufgefiihrt worden sind. N aeh ihm sollen die betrefl'enden Faden teils in der Vorhofs- teils in der Kammerhohle liegen; aber die wenn aueh knappe Besehreibung der beiden von ihm aus der Literatur
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zitierten FaIle zeigt deutlich, daB es sich gar nicht urn Fadenbildungen handelt, welche von der Vorhofswand bis zur Ventrikelwand reichen, sondern urn Faden, welche in der Umrandung der Fossa ovalis entspringen und sich an die VorhofshOhle des Tricuspidalsegels bzw. an den Rand desselben ansetzen. Entweder handelt es sich bier urn eine Entwicklungsanomalie oder aber urn eine sekundare Verwachsung jener von CHIARl beschriebenen Faden mit dem Tricuspidalsegel, wie sie nach CHIARl'S Mitteilung infolge chronischer Endocarditis vorkommen konnen. Au c h die d r itt e Kat ego r i e d e r Fad en, namlich die an den Semilunarklappen beobachteten Gebilde sind so gut wie einstimmig entweder auf angeborene Defekte der SchlieBungsrander oder auf sekundare Zerst6rungen durch endocarditisch-ulcerose Prozesse zurtickgeftihrt worden. Selbst weitgehende DurchHicherungen des SchlieBungsrandes der Klappen, welche zur faden- oder netzfarmigen Umgestaltung derselben ftihren, und sicherlich auch ohne Mitwirkung eines endocarditischen Prozesses zur Beobachtung gelangen konnen, brauchen nicht immer, wie bekannt, klinische Symptome hervorzurufen. Gesellt sich zu einer sol chen Klappenanomalie eine Endocarditis hinzu, so ist spater schwer zu sagen, wieviel von den loch- oder fadenformigen Bildungen auf das Konto angeborener oder ohne bemerkbare Ursache entstandener Anomalien und wieviel auf dasjenige der ulcerosen Endocarditis zu setzen ist. Auch der Fall von ROHRLE scheint mir, obgleich er tiber die Genese des Fadens nichts Sicheres sagen konnte, wie der zweite Fall POSCHARlSSKY'S, zu dieser Kategorie zu gehoren. Der von ihm beschriebene Faden entspricht einer MiBbildung der Valv. semilunaris sinistra aortae. 1m Gegensatze zu den relativ einfachen Erklarungen, welche die bisher erwahnten abnormen Fadenbildungen der zweiten und dritten Kategorie gefunden haben, staBt man bei der De u tun g de r a bnorm en 8ehnenfadenbildungen der vierten Kategorie, also derjenigen Faden, welche an der Wand der VentrikelhOhle oder durch den Ventrikelraum ausgespannt sind, bei den bisherigen Autoren auf die verschiedenartigsten Deutungen.D a B jed 0 c h k e i ned e rselben der Wahrheit nahekommt, mochte ich in folgendem beweisen und eine einheitliche Erklarung ftir aIle diese sog. abnormen Sehnenfaden in den Ventrikeln geben. Zunachst muB ich allerdings den Ausdruck "Sehnenfaden" bemangeln; denn es wird dadurch unwillktirlich der Eindruck hervorgerufen, als wenn es sich wirklich um Gebilde handelt, welche mit den echten valvularen Sehnenfaden auch histologisch identifiziert werden miiBten. In Wirklichkeit liegt es aber anders. Wahrend die besten Lehrbiicher der Anatomie und Histologie (HENLE'S und V. KOLLlKER'S), mit deren Angaben meine eigenen Untersuchungen vollig tibereinstimmen,
ausdrueklieh betonen, daB diese eehten Sehnenfaden auBer der endoeardialen Hulle aussehlieBlieh aus Bindegewebe und elastisehen Fasern bestehen, laBt sieh aus den Angaben der Autoren (BROWICZ und ROSSLE) leieht nachweisen, daB sie entweder makroskopiseh oder mikroskopiseh Muskelfasern auf groBere Strecken in den sogenannten abnormen Sehnenfaden gefunden haben. Leider geniigen die Angaben der anderen Autoren nieht, um zu entseheiden, ob in allen Fallen Muskelfasern in diesen abnormen Sehnenfaden vorhanden gewesen sind. GewiB ist ein Teil dieser Falle schon deswegen nieht histologiseh untersucht worden, weil die Priiparate, wie aueh mein Fall, als Demonstrationsobjekte der Sammlung einverleibt werden sollten. Wenn mich nun auch die histologischen Untersuchungen in meiner Deutung der von den verschiedenen Autoren beschriebenen abnormen Sehnenfiiden im Stich lassen, so glaube ich auch ohne dieses Hilfsmittel allein auf Grund der makroskopischen Beschreibungen oder der beigegebenen Abbildungen mit Sieherheit behauptenzukonnen, daB aIle dieseFalIe von abnormenSehnenfadenbildungen in den Ventrikeln niehts anderes darstellen, wie angeborene Anomalien in der Verlaufsriehtung der Hauptzweigbundel des muskulosen atrioventrikularen Verbindungssystems, und zwar handelt es sich fast stets um solche Anomalien, fiir die wir an den Herzen der Tiere, besonders Kalb, Sehaf und Hund, physiolog i s c h e V 0 r b il d e r b e sit zen. Um diese Behauptung zu beweisen, bedarf es einer kurzen Besprechung jener Falle, welehe genauer beschrieben oder mit Abbildungen belegt sind. Hierzu gehOren die Arbeiten von ROSSLE, WINKLER und POSCHARISSKY. Wie ich oben kurz angefiihrt habe, verlaufen beim Menschen der rechte und linke Schenkel des Verbindungssystems an den beiden Seitenflaehen der Kammerseheidewand abwarts und treten dann in Form kleiner trabekularer Balken zu den Papillarmuskeln hiniiber; dabei ver· breitert sich der linke Schenkel abwarts sehr stark, so daB seine facherformige Ausbreitung fast die ganze Kammerscheidewand naeh unten zu einnimmt. Wenn nun meine Auffassung riehtig ist und die abnormen Sehnenfaden niehts anderes sind, als von der Wand losgeloste und frei dureh den Ventrikelhohlraum hindurehziehende Bundel des atrioventrikularen Verbindungssystems, so miissen die abnormen Sehnenfaden stets eine bestimmte Riehtung aufweisen, sie miissen namlieh von der Kammerseheidewand ausgehen und nach den Papillarmuskeln oder doeh wenigstens naeh der Wandpartie, welche in der Nahe der Papillarmuskeln liegt, ziehen. Eine andere Riehtung, etwa sagittal von vorn nach hinten, also eine direkte Verbindung der vorderen und hinteren Parietal wand des linken Ventrikels wird unmoglich sein. Mit dieser Voraussetzung stimmen nun die 0 ben e r wah n ten
B.eschreibungen und Abbildung vom Fall ROSSLE'S durchaus iiberein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ROSSLE selbst stellt tiber die Entstehung der Faden folgende Hypothese 1) auf: "Tritt namlich, wie in unserem FaIle, zu einer hochgl'adigen Aorteninsufficienz eine solche der Mitralis. so wird in der Diastole del' linke Ventrikel von zwei Seiten von hereinstiirzendem BIut plotzlich gefiillt, von seiten des linken Vorhofes natiirlich mehr und plOtzlicher als bei schluBfahiger Mitralis ; das BIut scheint sich dann dUl'ch Wirbelbildung auch hinter die Trabeculae carueae zu wiihlen, die zwischen ihnen liegenden Recessus auszudehnen. Hierdurch werden gl'oBere und kleinere Muskelbalken von del' Wand abgedl'angt und dadurch, daB sie nun von mehrerell Seiten dem tibermaBig auf ihnen last end en BIutdruck erliegen, nicht einfach wie sonst so oft bei Herzdilatationen und wie auch hier an der wenig ausdehnungsfabigen, weil dem Zwerchfell aufliegenden hinteren Wand abgeplattet, sondern die Druckatrophie wirkt von allen Seiten, so daB sie statt zu fiachen , zu runden bindegewebigen Strangen werden, wobei die gleicbzeitige durch die Erweiterung del' HerzhOhle stattfindende, Auszerrung auch eine nicht geringe Rolle spielen mag." Was schlieBlich me i ne n e i g e n en Fall betrifi't, so laBt sich bei Betrachtung der Ursprungsstelle des ahnormen Sehnenfadens sofort erkennen, daB derselbe genau in der Verlaufsrichtung des linken Schenkels des Verbindungssystems liegt und daB der angebliche Sehnenfaden nichts anderes ais die direkte Fortsetzung eines starkeren Biindels des linken Schenkels ist, welches bis zum vorderen Papillarmuskel hiniibertritt. Wenn meine Behauptung zutrifi't, daB alle hisher beschriebenen sogenannten abnormen Sehnenfaden in den Ventrikeln und zwar nicht nur die groBeren langeren durch den Ventrikelraum verlaufenden, sondern auch die kleinen kurzen, oft netzartig verbundenen, welche wie ein Spinngewebe den Spitzenteil des Ventrikels tiberziehen konnen oder einfach zwischen zwei Trabekeln ausgespannt sind, nichts anderes sind ais Verlaufsbahnen und EndausbreitllIlgen des atrioventrikularen Verbindungssystems, welche anomalerweise aus ihrer subendocardialen Lage herausgehoben und in den Ventrikelhohlraum hinein verlagert sind, wie es bei den meisten Tieren Regel ist, 80 erhebt sich die zweite Frage, ob ein solcher abnormer Verlauf des Verbindungssystems, der sieherlich auf angeborener Anlage beruht und eine lIiBbildung darstellt, auch sonst eine pathologische Bedeutung gewinnen kann. Damit komme ieh auf die Pathologie des Verbindungssystems tiberhaupt. T awara fiihrt an: 1. Rascher Obergriff endocarditischer Prozesse auf abnorme Sehnenfiiden wegen exponierter Lage. 5 Beitr. Path. Bd. 158
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2. Starke Ventrikeldilatation fuhrt zur Zerreipung der Bundel. 3. Praedilektionsstelle fur Ablagerung von thrombotischem Material. Ob nun intra vitam die Diagnose eines abnorm verlaufenden VerbindungsbUndels, d. h. der fadenformigen frei verlaufenden Seitenaste desselben moglich ist, muB ich dahingestellt sein lassen. Da, wie wir annehmen, das Verbindungssystem den Reiz von der Vorkammer zur Kammer leitet, mithin den Hohepunkt seiner Erregung iiberschritten hat, ehe die Kammer ihre Kontraktion begin nt, 80 kann ich mir nicht gut vorstellen, wie bei der Kontraktion der Ventrikel durch die Bewegung' des schon erschlafften Fadens ein musikalischer Ton, auf welchen von klinischer Seite ein gewisser Wert gelegt worden ist, entstehen kann. Eher scheint diese Annahme fUr die Diastole, insbesondere fUr die Prasystole der Kammer zuzutreffen. Endlich will ich noch kurz die Frage streifen, welche pathologische Prozesse das nor m al verlaufende atrioventrikulare Verbindungssystem treffen konnen. Es liegt hier selbstverstandlich sehr nahe fUr gewisse FaIle von plotzlichem Herztod, insbesondere aber fiir den sogenannten Herzblock oder den ADAMS STOKEs'schen Symptomenkomplex eine pathologische Veranderung des Systems, wenn auch natiirlich nicht immer, als Ursache anzunehmen. Leider bietet die gewohnliche Sektionsmethode des Herzens sowie die iibliche mikroskopische U ntersuchung gerade der AuBenwande der Ventrikel nur wenig Gewahr dafiir, daB die krankhaften Veranderungen des Systems gefunden werden. Da die wesentlichste funktionelle Starung, welche durch die Unterbrechung des Hauptstammes des Verbindungssystems hervorgerufen wird, wie es durch die einwandsfreien HERING'schen Tierexperimente 1) bewiesen ist, in der Dissoziation zwischen der V orhofs- und der Kammerkontraktion besteht und es nach der Verlaufsweise des Systems sehr wohl denkbar ist, daB eine partielle Zerstorung oder Verdrangung des Systems diese Veranderung der Kammerrhythmik oder des Pulses verursacht, so wiirde in solchen Fallen eine mikroskopische Untersuchung des Verbiudungssystems von seinem Anfangsteil in der Vorhofsscheidewand an bis zur TeilungssteUe in der Kammerscheidewand und dann weiter eine solche des link en Schenkels ungefahr bis zur Mitte der Kammerscheidewand und des rechten Schenkels bis zum vorderen Papillarmuskel notig sein. Aber eine derartig umfangreiche Untersuchung an Serien- oder wenigstens Stufenschnitten, welche notwendig sind, weil der Hauptstamm und der. rechte Schenkel des Verbindungssystems sehr klein sind und deshalb selbst durch einen einzigen kleinen Krankheitsherd gelegentlich vollig zerstort werden konnen, erfordert schon recht viel Zeit und stOBt wegen der unangenehm harten Beschaffenheit des Septum fibrosum atrioventriculare auf oft unerwartete Widerstande. 1) PflUger's Archiv Bd. 108 p. 267 1905 und Bd. 111 S. 298 1906.
Es Hint sich nicht leugnen, daB gerade an del' Stelle, wo das Verbindungsbiindel sich in beide Schenkel teilt, also dicht unterhalb der Pars membranacea septi eine entziindliche Zerstorung desselben, wenigstens des link en Schenkels durch eine Wandendocarditis, wie sie gelegentlich durch Anschlagen des affizierten :Mitralsegels erzeugt wird, moglich ist. In meinem oben erwahnten Falle vom abnormen Verlauf des linken Schenkels des Verbindungssystems waren gerade an del' UrsprungssteUe desselben starke schwielige Veranderungen zu sehen, die sich auch auf die frei verlaufenden Faden des Schenkels fortsetzten. Es ist nicht ausgeschlossen, daB die indem klinischen Berichte er" wahnten Anfalle von Stenocardie und Aussetzung des Pulsus auf diese Veranderung zuruckzufuhren sind, weil es in diesem Falle moglich ist, daB das ganze Biindel des link en Schenkels odeI' doch ein groBer Teil desselben durch diese endocarditische Affektion in :Mitleidenschaft gezogen worden ist. Es sei hier nebenbei bemel'kt, daB die Endocarditis parietalis je nach ihrem Sitze sehr verschiedene Bedeutung fUr die Funktionsstorung des Herzens haben kann. Und zwar wird diejenige, welche sich in del' Nahe del' Pars membranacea septi entwickelt, am gefahrlichsten werden, weil sie unter Umstanden den ganzen linken Schenkel des Verbindungssystems schadigen kann, wahrend diejenige, welche sich in dem unteren Teil del' Scheidewand odeI' in del' Parietal wand entwickelt, nul' partielle Lasionen des Schenkels hervol'gerufen wird. Es ist selbstverstandlich, daB del' linke Schenkel wie auch del' rechte Schenkel gelegentlich auch durch andere Prozesse zerstort werden kann; dafiir liefert uns H. LUCE 1) ein schOnes Beispiel, indem er bei einem unter dem ADA.M-STOKEs'schen Symptomenkomplex verstorbenen Manne ein ausgedehntes' Sarkom im oberen Teil der Kammerscheidewand fand. Neben ZerstOrungen del' Schenkel kommen auch diejenigen des Hauptstammes des Verbindungssystems durch verschiedene Krankheitsprozesse (Abszesse, Entziindungen, Schwielenbildungen, Geschwiilste, Gummata usw.), welche sich dicht unterhalb del' Pars membranacea septi und del' hinter en Aortentasche oder im Septum fibrosum atrioventriculare und in del' angrenzenden Vorhofsscheidewand entwickeln, in Betracht. Es geniigt aber die makroskopische Betrachtung allein nicht, sondern es bedarf genauerer mikroskopischer Serienuntersuchung, ob wirklich das Bundel zerstort odeI' nul' zur Seite gedrangt worden ist. Erst durch solche genaue mikroskopische Untersuchung wird es moglich sein, auch an solchen Fallen, wo makroskopisch gar keine Veranderungen im Gebiete des Verbindungsbiindels gefunden werden, die Ursache mancher Herzstorungen festzustellen. Freilich konnen auch solchegenau durchgefiihrten Untersuchungen resultatlos verlaufen. 1) H. LUCE, Deutsches Archiv fur klinische Medizin Bd. 74 p. 370 1902.
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Bisher habe ich nur ein einmal Gelegenheit gehabt, ein menschliches Herz mikroskopisch zu untersuchen, bei welchem intra vitam auf Grund der exakten klinischen Untersuchung eine Veranderung des Verbindungsblindels angenommen werden muEte. Ich verdanke das .Material Herrn Prof. H. E. HERING, der klinisch an dem betrefi'enden Patienten atrioventrikulare Extrasystole 1) festgestellt hatte. Die genauere Krankengeschichte diese Patienten wurde von Dr. FRANK unter dem Titel "Zur Frage der traumatischen Entstehung von Herzmuskelerkrankung" in Nr.8 der Prager med. Wochenschrift (1905) verofi'entlicht. In dies em Herzen konnte ich bei allgemeiner Lipomatose des Herzens nur eine sehr starke Auseinanderdrangung der }Iuskelfasern des Verbindungsblindels durch abnorm entwickeltes Fettgewebe kurz vor seinem Eintritt in das Septum fibrosum und in dem noch geschlossen verlaufenden A bschnitte in der Ventrikelscheidewand konstatieren. Diese Fetteinlagerung war stellenweise sehr hochgradig, wie ich sie in keinem meiner liber 30 zahlenden Kontrollpraparate, bei denen das Verbindungsblindel auch in Serien zerlegt war, finden konnte. Die Muskelfasern waren jedoch noch erhalten, leider infolge del' zu spat vorgenommenen Fixierung bistologisch zu sehr verandert, so daB etwaige feinere Veranderungen nicht mehr festzustellen waren. Wenn es auch in diesem FaIle denkbar ist, daB die Adipositas des Verbindungsbiindels storend auf die Funktion des Systems eingewirkt hat, und der Fall von LUCE fast mit Sicherheit annebmen laBt, daB die Bradycardie infolge del' Zerstorung des Verbindungsbiindels durch Sarkom entstanden ist, so sind doch weitere systematische Untersuchungen des Systems in anderen Fallen des ADAM-STOKEs'schen Krankheit dringend notig, urn festzustellen, wieweit etwa nachweis bare pathologische Veranderungen des Blindels und seiner Zweige jenem Phanomen. zugrunde liegen. , 1m AnschluB an diesen Aufsatze sei nocb ein anderer Fall bier erwahnt, der sich nicbt nur durch einige abnorme Faden in dem linken Ventrikei, sondern auch durch den besonders gut sichtbaren subendocardialen Verlauf des linken Schenkels des atrioventrikularen Verbindungssystems auszeichnet. Es handelt sich urn ein braunatrophisches Greisenherz, welches von auswarts dem hiesigen lnstitut zugeschickt worden war und als Demonstrationspraparat in der Sammlung aufbewahrt wird (Fig. 2).
1m folgenden bespricht Tawara diesen Fall, ohne aber nochmals auf die Pathologie des Reizleitungssystems einzugehen.