Übersichtsarbeit Diagnostik und Therapie von Handverletzungen in Mannschaftssportarten

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REVIEW / SPECIAL ISSUE Orthopaedics Traumatology Sports Orthop. Traumatol. 32, 340–348 (2016) ß Elsevier GmbH www.SOTjournal.com http://dx.doi.org/1...

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REVIEW / SPECIAL ISSUE

Orthopaedics Traumatology

Sports Orthop. Traumatol. 32, 340–348 (2016) ß Elsevier GmbH www.SOTjournal.com http://dx.doi.org/10.1016/j.orthtr.2016.11.001

and

Zusammenfassung Die Hand geh€ort aufgrund ihrer exponierten Position und des aktiven Einsatzes im Ballsport zu den h€aufig verletzten K€orperregionen. Im professionellen Sport entfallen sportart€ubergreifend bis zu 10% der Verletzungen auf den Handbereich. Neben den auch bei anderen Sportarten anzutreffenden Verletzungsmechanismen wie Sturz oder Zugbelastung kommt beim Ballsport zus€atzlich die Verletzung durch axiale Stauchungstraumen durch den Ball zum Tragen. € In dieser Ubersichtsarbeit liegt der Fokus auf den ballspezifischen Verletzungen, die von distal nach proximal aufgearbeitet werden. Von entscheidender Bedeutung ist nicht nur die Wahl der ad€aquaten Therapie – konservativ oder operativ – sondern auch, wann der (Profi-) Sportler zur€uck zum Sport kehren kann. €rter €sselwo Schlu Handverletzungen – Ballsport – Return to Play

K. Fehske et al.

Diagnosis and Treatment of Hand-injuries in Team sports Abstract Injuries of the hand are common sportsinjuries. Up to 10% of all injuries in professional ball sports involve the hand and are caused mainly by falls on the finger or dynamic grasping. In ball sports axial compression injuries are common. This review article focuses on ballsport-specific hand injuries which are discussed from proximal to distal. It is mandatory to choose the adequate therapy – conservatively or operatively – for a timely return to sport. Keywords Hand injuries – ball sports – return to play.

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REVIEW / SPECIAL ISSUE

€ Ubersichtsarbeit Diagnostik und Therapie von Handverletzungen in Mannschaftssportarten

Kai Fehske, Rainer Meffert, Rafael Jakubietz Klinik fu¨r Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universita¨tsklinikum Wu¨rzburg Eingegangen/submitted: 18.09.2016; u¨berarbeitet/revised: 01.11.2016 Online verfu¨gbar seit/Available online: 05.07.2016

Einleitung Die Hand ist ein taktiles Sinnesorgan mit sensorischen Afferenzen und motorischen Efferenzen, die u¨ber einen reflektorischen (spinalen) und einen willku¨rlichen (cortikalen) Regelkreis gesteuert wird. Damit spielt sie beim (Mannschafts-)Sport eine zentrale Rolle. Bereits kleinste Einschra¨nkungen eines Fingers ko¨nnen die Qualita¨t und Leistungsfa¨higkeit einschra¨nken oder zur Spielunfa¨higkeit fu¨hren. In den meisten Mannschaftssportarten ist die volle Funktionsfa¨higkeit von Hand und Finger von entscheidender Bedeutung fu¨r den Umgang mit dem Ball. Beispielsweise im Basketball wird auch die nichtdominante Hand als Stabilisator beim Werfen und Passen beno¨tigt, um pra¨zise zielen zu ko¨nnen. Gegnerkontakt, Stu¨rze oder auch Ballkontakt fu¨hren ha¨ufig zu Handund Fingerverletzungen im Profi- und Breitensport [29]. In dem Verletzungsreport der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, bei der alle Vertragssportler der vier großen Mannschaftssportarten in Deutschland versichert sind, werden bis zu 10% Hand- und Fingerverletzungen registriert. Im Handball betreffen 9,4% aller Verletzungen diese Ko¨rperregion, gefolgt

11.10.2016;

akzeptiert/accepted:

von Basketball mit 6,6% [21]. Die optimale Therapie einer Verletzung setzt voraus, dass man zuna¨chst differenzieren kann, ob es sich um eine Bagatellverletzung oder um einen operationspflichtigen Befund handelt. In erster Linie fu¨r den Athleten und unmittelbar fu¨r die Mannschaft, den Trainer und den Verein ist relevant zu wissen, ob die Verletzung eine (Spiel-)Pause erfordert oder mit stabilisierenden Schutzmaßnahmen wie z.B. Tape-Verba¨nden weiter gespielt werden kann [5]. Die Gesundheit des Sportlers sollte auch hier im Vordergrund stehen, denn Fehlstellungen fu¨hren zu Belastungsschmerzen und zu Funktionseinschra¨nkungen [24].

Endglieder (DIP-Gelenk) Im Bereich der Finger kommt es ha¨ufig aufgrund eines direkten axialen Stauchungstraumas zu Frakturen im Bereich des Endgliedes [8]. Typischerweise kann es dabei zu einer Hyperextensions- oder Hyperflexionsverletzung kommen, die als sogenannte Buschfraktur bezeichnet wird. Hyperextensionsverletzungen ko¨nnen zu gro¨ßeren, gelenkfla¨chenbildenden Abscherfragmenten fu¨hren

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und bedu¨rfen einer operativen Fixation. Da am dorsalen Fragment die Strecksehne ansetzt, sind kno¨cherne Strecksehnenausrisse als Folge von stabileren Flexionsverletzungen schwer abgrenzbar. Klinisch zeigt sich meist ein Streckdefizit mit einem ausgepra¨gten Ha¨matom. Eine Ro¨ntgendiagnostik sollte in jedem Fall erfolgen. Je nach Grad der Dislokation und Gro¨ße des gelenktragenden Fragmentes kann bei kleineren Fragmenten durchaus ein konservativer Ansatz mit 6-wo¨chiger Ruhigstellung z.B. in einer Stack’schen Schiene verfolgt werden. Sind mehr als 30% der Gelenkfla¨che beteiligt und liegt ein gro¨ßerer Spalt oder eine Stufe vor, ist eine operative Versorgung indiziert. Diese kann entweder durch eine direkte Schraubenosteosynthese oder eine indirekte Kirschner-Draht-Fixation erfolgen [9]. Die Verwendung der Hakenplatte, welche in der Vergangenheit propagiert wurde, ist aufgrund der ha¨ufig anzutreffenden Nagelwachstumssto¨rungen postoperativ mittlerweile wenig popula¨r [15]. Die Strecksehne kann bei einem identischen Verletzungsmechanismus ebenfalls subkutan, d.h. im Sehnenbereich, rupturieren. Es handelt sich um einen sogenannten ,,Drop-Finger‘‘, zu erkennen am ha¨ngenden Fingerendglied. Diese Verletzungsentita¨t wird vorwiegend konservativ mittels einer Stack’schen Schiene therapiert. Langfristig verbleibt meist ein Streckdefizit von etwa 108–158. Ist bereits initial ein Streckdefizit von mehr als 458 vorliegend, ist auch hier eine operative Therapie mittels Transfixation zu empfehlen [36]. Ein frustraner konservativer Therapieversuch kann zur sogenannten Schwanenhals-Deformita¨t fu¨hren. Diese entsteh als Folge einer insuffizienten Heilung durch das Ungleichgewicht fehlender Streckfunktion im Endgelenk und einer Hyperextension im Mittelgelenk ohne kno¨cherne Begleitverletzung [23]. K. Fehske et al.



Das Pendant zu der dorsalen Verletzung ist der kno¨cherne Beugesehnenausriss, auch als Jersey-Finger bezeichnet. Als auslo¨send wird generell das Festhalten am Trikot (Jersey) beim Sprint angesehen. Dabei reißt der Ansatz der tiefen Beugesehne kno¨chern oder rein tendino¨s aus dem Endglied heraus. Die einwirkenden Kra¨fte fu¨hren zu einer weit proximalen Dislokation des Fragmentes und des Beugesehnenansatzes, sodass die Beugesehne

bis auf Ho¨he der Hohlhand zuru¨ckrutschen kann. Wie weit die Beugesehne zuru¨ckgleitet, ha¨ngt von der Gro¨ße des Fragmentes und der Ausrisskraft ab. Die Patienten klagen generell u¨ber eine starke Schwellung und Beugeunfa¨higkeit des Fingers. Neben einem Ha¨matom im Bereich des Endgliedes la¨sst sich klinisch meist eine komplette Beugeunfa¨higkeit im Endglied nachweisen. Neben einer Ro¨ntgenuntersuchung kann auch die Ultraschall-

Abbildung 1 €ntgenbild des Zeigefingers der rechten Hand. Ebenfalls achsiales Stauchungstrauma Ro durch Basketball mit Luxation des Fingers im PIP. Nach Reposition zeigt sich ein €cherner Beugesehnenausriss, welcher konservativ mittels Ruhigstellungsschiene bekno handelt werden konnte.

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Untersuchung der Beugesehnenscheide den Verdacht erha¨rten [17,29]. Diese Verletzung stellt prinzipiell immer eine Operationsindikation dar. Eine direkte Schraubenosteosynthese ist bei gro¨ßeren Fragmenten mo¨glich. Meistens kommt eine transossa¨re Auszugsnaht a¨hnlich der ansatznahen Beugesehnendurchtrennung zum Einsatz [12]. Die Verwendung von palmaren Platten im Endgliedbereich ist abzulehnen, da der breitfla¨chige Beugeansatz durch die Platten meist stark komprimiert wird. Fu¨r die Durchblutung der Beugesehne ist dies als bradytrophes Gewebe nachteilig.

Mittelglied (PIP Gelenk) Im Bereich der Mittel- und Grundglieder sind durch Ballsportarten viele, teilweise unterschiedliche Fraktur- und Verletzungstypen anzutreffen. Ein Sturz auf den ausgestreckten Finger kann zu einer Ruptur der palmaren Platte, der Kollateralba¨nder oder des Mittelzu¨gels fu¨hren [17]. Neben den axialen Stauchungstraumata, die meistens gelenknahe Strukturen betreffen, sind auch Spiralfrakturen durch Zugbelastungen ha¨ufiger anzutreffen. Die meisten dieser Frakturen sind instabil. Bei Vorliegen eines Rotationsfehlers ist eine operative Versorgung immer zu empfehlen. Mit Abstand die ha¨ufigste Verletzung stellt die sogenannte ,,Palmar-Lip‘‘-Fraktur dar. Dabei kommt es wa¨hrend einer forcierten U¨berstreckung des PIP-Gelenkes zu einem kno¨chernen Ausriss der palmaren Platte im Bereich der Mittelgliedbasis. Im seitlichen Ro¨ntgenbild ist hier eine Fraktur der Lippe zu sehen (Abbildung 1). In den seltensten Fa¨llen sind diese Frakturen grob disloziert [30,31]. Eine operative Stabilisierung ist nur dann

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indiziert, wenn mehr als 30% der palmaren Gelenkfla¨che betroffen sind. In diesem Fall liegt eine Luxationstendenz des Mittelgliedes nach dorsal mit resultierender Gelenkinstabilita¨t vor. Ansonsten fu¨hrt die konservative Behandlung durch eine kurzzeitige, etwa 10 Tage dauernde Ruhigstellung, gefolgt von der Mobilisation in einem Zwillingsverband zu guten funktionellen Ergebnissen [4,7,14]. Gelenkluxationen und Kapselrupturen im Bereich des PIP-Gelenkes kommen ha¨ufig durch Sturz oder Traktionsverletzungen vor. Diese za¨hlen zu den wenigen Gelenkluxationen, die bereits am Spielfeldrand zumeist problemlos reponiert werden. Aufgrund mo¨glicher ossa¨rer Begleitverletzungen sollte zwingend ein Ro¨ntgenbild in zwei Ebenen als Repositionskontrolle erfolgen. Außer am Daumen, wo z.B. bei einer ulnaren Kollateralbandruptur ha¨ufig eine operative Rekonstruktion notwendig ist, werden im Gegensatz dazu an den PIP Gelenken der Langfinger nur selten operative Rekonstruktionen notwendig. Physiologisch sind zumeist eine Aufklappbarkeit bis zu 15 oder 208 nachweisbar. Ein fehlender Anschlag in Extension spricht fu¨r eine relevante Instabilita¨t und sollte zur operativen Stabilisierung des Kollateralbandes fu¨hren [10]. Im akuten Fall kann hier eine direkte Bandnaht erfolgen, welche mittels Kirschner-DrahtTransfixation zuna¨chst ruhiggestellt wird (Abbildungen 2 und 3). Die fru¨hfunktionelle Behandlung ist auch eine mo¨gliche Nachbehandlungsalternative. Langfristig ist nach einer Gelenksluxation im Bereich der Finger die ha¨ufig resultierende Gelenkkontraktur mit Bewegungseinschra¨nkung problematisch. Eine Instabilita¨t am PIP-Gelenk ist nur selten zu beobachten. In diesen Fa¨llen sind aufgrund der in der Regel verspa¨teten

Vorstellung bei Arthrosen meist Arthrodesen zum Beispiel mit einer Schraube, eines Kirschnerdrahtes, einer Drahtcerclage oder auch einer Platte indiziert [20]. Gelenkluxationen auf Ho¨he der MCPGelenke sind bei a¨lteren Sportlern sehr selten. Bei jungen Kindern bis zum 14. Lebensjahr kommt es allerdings manchmal aufgrund einer Hyperextensionsverletzung im MCP-Gelenk zu einer Luxation des Grundgliedes nach dorsal. Diese Hyperextensionsverletzungen sind sehr ha¨ufig irreponibel und mu¨ssen operativ reponiert werden. Grundsa¨tzlich ist auch hier die fru¨hfunktionelle Mobilisation anzustreben.

Verletzungen des Daumens In den Mannschaftssportarten mit erheblichem Ko¨rperkontakt kommt es ha¨ufiger zu Rupturen meist des ulnaren Kollateralbandes des Daumens. In der National Football League werden bis zu 1,6 Seitenbandverletzungen pro Saison und Mannschaft geza¨hlt [33]. Nach klinischer und radiologischer Befunderhebung zum Ausschluss einer kno¨chernen Begleitverletzung kann eine moderate Instabilita¨t ohne relevante Aufklappbarkeit des Gelenkes zuna¨chst konservativ zum Beispiel mit Ruhigstellung in einem Tape-Verband oder einer Gipsschiene erfolgen. Chronische Bandinstabilita¨ten sollten operativ stabilisiert werden. Bei kno¨chernen Ausrissen konnte sich die Refixation u¨ber ein Fadenankersystem etablieren. Postoperativ kehren die Athleten nach 4 bis 7 Wochen zuru¨ck und erreichen nahezu vollsta¨ndig ihr vorheriges Leistungsniveau [34]. Bennett Fraktur als intraartikula¨re Luxationsfraktur, intraartikula¨re Tru¨mmerfraktur nach Rolando oder extraartikula¨re Fraktur nach Winterstein sind nicht nur unseren Erfahrungen

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Abbildung 2 Linke Hand eines Basketballspielers nach Sturz auf den ausgestreckten Ringfinger. Deutlich sichtbar die radial betonte Schwellung des PIP.

zufolge eine Seltenheit im Mannschaftssport [26]. Eine Ausnahme stellt Lacrosse dar. Bei dieser Sportart ist der Daumen besonders gegenu¨ber Treffen mit den Schla¨gern exponiert. Bis zu 60% aller Handverletzungen betreffen in dieser Sportart den Daumen, wobei es sich in 50% um Frakturen handelt [3]. Die Empfehlungen gehen bei Frakturen des Daumens zur operativen Therapie [28].

Frakturen der Mittelhand (MCP) Meistens nach einem Schlag auf die Hand und seltener durch die Torsionskra¨fte bei einem Sturz kann es gerade im Hand- und Basketball nicht selten zu Frakturen der Mittelhandknochen kommen. Eine Schwellung der Mittelhand nach ada¨quatem Trauma sollte konsequenterweise zur Anfertigung von konventionellen Ro¨ntgenaufnahmen fu¨hren. Zumeist ko¨nnen diese Frakturen konservativ K. Fehske et al.



Abbildung 3 €ntgenbild des gleichen Spielers. Keine oss€ Konventionelles Ro are Pathologie, aber deutlich sichtbare Schwellung radial betont. In Extension war der Finger stark aufklappbar (>208), somit operative Versorgung mittels Bandrekonstruktion.

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Abbildung 4 und 5 €ntgenbild, Ball auf den Zeigefinger, es zeigt sich eine nicht-dislozierte Fraktur des Ko €pfchens von Mittelhandknochen Konventionelles Ro II, welche konservativ behandelt werden konnte.

Handgelenk

Abbildung 6 Schlag auf die Mittelhand durch Gegenspieler beim Handball mit Spiralfraktur von Mittelhandknochen IV. Aufgrund der Rotationsfehlstellung beim Faustschluss Indikation zur operativen Versorgung.

mit einer Ruhigstellung behandelt werden. Eine Rotationsfehlstellung z.B. beim Faustschluss hingegen sollte zur operativen Versorgung

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Abbildung 7 €ntgenbild nach VesorPostoperatives Ro gung mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese. Das Material muss nicht zwangsl€aufig entfernt werden.

fu¨hren. Favorisiert werden hier entweder Zugschrauben- oder (winkelstabile) Plattenosteosynthesen [11]. (vgl. Abben. 4 bis 11)

Die Verletzungen im Bereich des Handgelenkes sind am ehesten auf Sturzverletzungen zuru¨ckzufu¨hren. Wie bei anderen Stu¨rzen auch, kann es hierbei neben einer banalen Distorsion auch zu einer Fraktur des Handeglenkes kommen. Die distalen Unterarmfrakturen (Radiusfraktur, Ulnafraktur) werden in diesem Artikel nicht gesondert beschrieben. Anders als im regula¨ren Alltag passieren Stu¨rze in den Kontaktsportarten meistens aus einer Flugphase heraus, sodass grundsa¨tzlich von einer hohen Energie ausgegangen werden muss [1,35]. Aus diesem Grund kommt es besonders bei jungen Sportlern ha¨ufiger als in der Allgemeinbevo¨lkerung zur Kahnbeinfraktur, der ha¨ufigsten Frakturlokalisation der Handwurzel. Die korrekte und zeitnahe Diagnose dieser Verletzung ist ausschlaggebend fu¨r die anatomisch korrekte Ausheilung. Da die initialen Beschwerden ha¨ufig wenig spezifisch sind und Frakturen

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Abbildung 10 und 11 Postoperative Kontrolle nach minimal-invasiver Schraubenosteosynthese.

Abbildung 8 Schlag auf die Mittelhand beim Handball. €gige Dislokation. Zun€achst geringfu

Abbildung 9 Gleicher Patient. Nach einer Woche Ruhigstellung im Mittelhandcast zeigt sich eine Sekund€ardislokation mit Rotationsfehler. Indikation zum operativen Vorgehen.

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sehr ha¨ufig nur minimal disloziert sind, ko¨nnen diese leicht u¨bersehen werden. Aus diesem Grunde sind bei Schmerzpersistenz bei unauffa¨lligem Ro¨ntgenbild weitere Schnittbildverfahren empfohlen (CT, MRT). Aufgrund der speziellen Durchblutungssituation ist die Ausbildung einer Pseudarthrose bei diesen Frakturen ha¨ufig [2,22]. Bei la¨nger als 14 Tagen persistierenden Schmerzen nach Sturz auf das Handgelenk ist bei einem inkonklusiven Ro¨ntgenbefund eine Schnittbilddiagnostik einzufordern [13]. Bei okkulten Frakturen hilft die MRT-Diagnostik entscheidend weiter [6]. Scaphoidfrakturen im proximalen Drittel sollten immer operativ versorgt werden, da hier die Pseudarthrose-Rate ohne operative Stabilisierung sehr hoch ist. Auch bei Frakturen im mittleren Drittel wird die perkutane Schraubenosteosynthese grundsa¨tzlich bevorzugt, da neben der speziellen, retrograden Durchblutungssituation des Kahnbeins eine Ruhigstellung die sogenannte ,,Mikromotionen‘‘ im Frakturspalt nur inada¨quat unterbinden kann [13]. Lediglich Frakturen im Bereich des distalen Scaphoids ko¨nnen ha¨ufiger konservativ in einer Schiene adressiert werden (Vgl. Abb. 12–15). Klassifikation der Kahnbeinfrakturen nach Herbert [16] Typ A Frische stabile Frakturen A1 Tuberkelfrakturen A2 Undislozierte Rissfrakturen mit querem Verlauf im mittleren oder distalen Drittel

Typ B Frische instabile Frakturen B1 Schra¨gfrakturen B2 Dislozierte oder klaffende Frakturen B3 Frakturen des proximalen Drittels B4 Transskaphoidale periluna¨re Luxationsfraktur C Verzo¨gerte Knochenheilung D Non-union D1 Fibro¨se Non-union D2 Sklerotische Non-union (Pseudarthrose) Stabile Frakturen des Scaphoids (Kategorie A) werden in erster Linie konservativ behandelt. Bei Instabilen Frakturen wird meistens die Indikation zur operativen Stabilisierung gesehen (vgl. Krimmer et al.). Bandrupturen der Handwurzel sind ebenso schwer zu diagnostizieren, da im anfa¨nglichen Ro¨ntgenbild keine Hinweise zu finden sind. Das am ha¨ufigsten betroffene SLBand – zwischen Kahnbein (= Scaphoid) und Mondbein (Lunatum) – bedarf besonderer Aufmerksamkeit und zuna¨chst einer gehaltenen Ro¨ntgenaufnahme z.B. unter Durchleuchtung. Eine Beschwerdepersistenz sollte die MRT Diagnostik und ggf. eine Arthroskopie nach sich ziehen, um die Diagnose zu sichern. Eine unbehandelte SLBand La¨sion fu¨hrt oftmals zu Langzeitscha¨den. Bandna¨hte, Bandplastiken mit voru¨bergehender Drahtstabilisierung und eine Ruhigstellung von mindestens 8 Wochen sind einzukalkulieren.

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Abbildung 12 und 13 €ntgenbild des rechten Handgelenkes und Scaphoidzielaufnahme bei persistierenden Beschwerden 10 Tage nach Sturz Konventionelles Ro €cherne Verletzung. aus ca. 2 m nach Dunking. Die initiale Aufnahme zeigte keine frische kno

TFCC L€ asion (Triangularer FibroCartilagin€ arer Complex = Discus) Die Verletzung des TFCC stellt per se eine schwere Verletzung der intrinsischen Ba¨nder des handgelenksnahen

Abbildung 14 €ntgenkontrolle direkt im Postoperative Ro Anschluss an die Versorgung der Scaphoidfraktur mittels Twinfix-Schraube.

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Abbildung 15 €ntgenkontrolle 6 Wochen Postoperative Ro nach Schraubenosteosynthese. Das Scaphoid zeigt sich vollst€ andig durchbaut.

Kompartimentes dar. Bei bestehender U¨berla¨nge der Ulna sind Sportler bei axialen Stauchungstraumen des supprimierten Handgelenkes besonders gefa¨hrdet. Meistens werden ulnokarpale, panglobale Handgelenksbeschwerden beklagt. Besonders Supination und Extension des Handgelenkes sowie Ulnarduktion ko¨nnen schmerzhaft sein [25]. Neben der klinischen Untersuchung ist eine MRT hilfreich. Zur genauen Diagnose dieser sehr vielfa¨ltigen Verletzungen ist eine Arthroskopie notwendig [32]. Verletzungen, welche die Stabilita¨t des distalen Radioulnargelenkes kompromittieren, sollten zeitnah versorgt werden. Chronische Beschwerden bei degenerativen Vera¨nderungen bedu¨rfen besonders bei jungen Patienten deutlich invasiverer Maßnahmen wie z.B. der Ulnaverku¨rzungsosteotomie. Bei diesen Eingriffen ist mit einem la¨ngeren Ausfall fu¨r

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Anwendung

TFCC La¨sionen

Klasse I A B C D

traumatisch Perforation oder Riss radiusnah Abriss am Processus styloideus ulnae - ohne Fraktur - mit Fraktur Abriss am Lunatum, Triquetrum Abriss am Radius - ohne Fraktur - mt Fraktur

Klasse II A B

degenerativ Ho¨henminderung des ulnocarpalen Komplexes Ho¨henminderung des ulnocarpalen Komplexes und Chondromalazie des Lunatum/Ulnakopfes Perforation des Discus triangularis und Chondromalazie des Lunatum/ Ulnakopfes Perforation des Discus triangularis, Chondromalazie des Lunatum/ Ulnakopfes und Perforation des Lig. lunotriquetrum Perforation des Discus triangularis, Chondromalazie des Lunatum/ Ulnakopfes und Perforation des Lig. lunotriquetrum mit lunokarpaler Arthrose

C D E

Belastungs- intensive Kontaktsportarten zu rechnen [18]. Palmer Klassifikation [27] Unserer Auffassung nach besteht in der Behandlung von Profi-Sportlern und Freizeitsportlern weitestgehend kein Unterschied. Auch ein Freizeitsportler ist in seinem (Haupt-)Beruf sowie Alltagsleben auf eine einwandfreie Funktion der Hand angewiesen. Ein ,,Vorteil‘‘ der Berufssportler ist wahrscheinlich die schnellere Verfu¨gbarkeit von weiterfu¨hrender Diagnostik bzw. dass die Indikation zur Durchfu¨hrung eines Schichtbildverfahrens großzu¨giger gestellt wird.

€ck zum Sport? Wann zuru Die Ru¨ckkehr zum Wettkampfsport ist abha¨ngig von Art und Schwere der Verletzung. Bei vielen der kleineren Verletzungen kann eine sofortige Wiederaufnahme des Training und des Spielbetriebes durchaus zu vertreten sein. Bei Verletzungen, welche operativ versorgt werden mu¨ssen, ist in der Regel von einem Ausfall des sportspezifischen TraiK. Fehske et al.



nings von mindestens 8 Wochen auszugehen, bei Scaphoidfrakturen sollte durchaus bis zur kompletten kno¨chernen Konsolidierung nach etwa 3 Monaten gewartet werden bevor der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird [11]. Dies kann leider manchmal das Ende der Saison bedeuten. Grundsa¨tzlich sind allerdings Handund Finger-Verletzungen besonders bei Ballsportarten nicht zu bagatellisieren, da selbst durch kleinere verbleibende Bewegungsdefizite deutliche Vera¨nderungen in der Propriozeption des Fingers und somit der Wahrnehmung der dreidimensionalen Stellung im Raum resultieren ko¨nnen [19]. Trotz intensivierter physiotherapeutischer Maßnahmen und Ausscho¨pfen aller konservativen Mo¨glichkeiten besteht fu¨r Profisportler per se keine schnellere Genesung als beim Freizeit- und Breitensportler. Handverletzungen bei Ballsportarten sind aufgrund des Einsatzes der Ha¨nde ha¨ufig. Aufgrund der komplexen Anatomie fu¨hren u¨bersehene Verletzungen ha¨ufig zum Funktionsdefizit. Daher muss immer auf eine mo¨glichst genaue und fru¨h-

zeitige Abkla¨rung dieser Verletzungen gedra¨ngt werden. Viele dieser Verletzungen ko¨nnen konservativ zu einer guten Ausheilung gebracht werden, allerdings verlangen einige ballsportspezifische Verletzungsarten ein zeitnahes operatives Vorgehen. Ziel dieser Eingriffe ist der Funktionserhalt sowie die Abwendung von langfristigen Scha¨den wie Arthrosebildung.

Interessenkonflikt Es besteht kein Interessenkonflikt.

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K. Fehske et al.



€ Ubersichtsarbeit Diagnostik und Therapie von Handverletzungen in Mannschaftssportarten