Betriebsbelastung und Strahlenschutz an zwei benachbarten Linearbeschleunigern; ein Fall aus der Praxis

Betriebsbelastung und Strahlenschutz an zwei benachbarten Linearbeschleunigern; ein Fall aus der Praxis

AUS DER PRAXIS FUR DIE PRAXIS Betriebsbelastung und Strablenschutz an zwei benachbarten Linearbeschleunigern; ein Fall aus der Praxis W. Lehmann, H.-...

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AUS DER PRAXIS FUR DIE PRAXIS

Betriebsbelastung und Strablenschutz an zwei benachbarten Linearbeschleunigern; ein Fall aus der Praxis W. Lehmann, H.-K. Leetz Institut fOr Radiologische Physik, Universitatskliniken, 6650 Homburg

- Eingegangen am 1.10.1990 -

Zusammenfassung An einem Linearbeschleuniger wurde der angrenzende Behandlungsraum eines zweiten Linearbeschleunigers als betrieblicher Uberwachungsbereich eingestuft und umgekehrt. Zuniichst war je Beschleuniger eine Betriebsbelastung von 1000 GylWoche genehmigt worden. Aufgrund von Dosismessungen unter konservativen Bedingungen und nach Wandverstiirkungen durch Bleischichten wurde die Genehmigung auf J500 bzw. 2250 GylWoche bei der hOc/wen Photonenenergie und Richtungs- und Aufenthaltsfaktoren von 1 erweitert. Fur Elektronenbetrieb wurde 1 Gy als Aquivalent zu 1/15 Gy bei PholOnenbetrieb Jestgesetzt. In der Praxis kijnnte bei automatischer Eifassung von Strahlenarl, Energie, Dosisleistung, Strahlzeit und -richtung die tatsachliche Betriebsbelastung errechnet werden.

Abstract For a linear accelerator, the adjacent treatment room oj a second linear accelerator had been categorized as a surveyed area, and vice versa. Originally an operational workload oj 1000 Gylweek hcu:1 been permitted for each accelerator. After a survey of dose measurements under conservative conditions and the addition of layers of lead to the wall separating the treatment rooms, permission was granted for a workload of up 1.0 1500 respectively 2250 Gylweek under worst-case conditions, i.e. with the highest photon energy and with beam direction and occupancy factors equal to 1. For the electron mode, J Gy was set as the equivalent of 1115 Gy in the photon mode. In practice the real workload could be calculated by automatic recording of the radiation type, the energy, the dose rate, Ihe radiation time and direction Key words: Strahlentberapie, LinearbeschJeuniger, Betriebsbelastung, Strahlenschutz

Bevor fUr den Betrieb eines Linearbeschleuniger eine behordliche Umgangsgenehmigung erteilt werden kann, muB eine detaillierte Strahlenschutzberechnung vorliegen und ctie Einhallung der darin an- bzw. vorgegebenen maximalen Ortsdosisleistungen durch Messungeo bestatigt werden. Die Strahlenschutzberechnung wird in der Regel vom HersteJler der Bestrahlung gedite durchgeftinrt. Sie stellt, ausgehend von einer be timmten Betrieb belastung und auf Grund gesetzlicher Vorschriften beztiglich der Jahresgrenzdo en ftir Personen, Anforderungen an Zusammensetzung und Dicken von Wanden, Decken, Ttiren u.a. 1m Falle bereits vorhandener Raumlichkeiten

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wird errechnet, ob der gegebene Strahlenschutz ausreichend ist oder zusatzliche bauseitige Strahlen chutzmaBnahmen ergriffen werden mtis en. Die Ersrellung der Strahlenschutzberechnung geschieht im allgemeinen nach DIN 6847 Teil 2. Vor der reguHiren Inbetriebnahme des BescWeunigers muB neben der Uberprtifung funktions- und sicherheitstechnischer Art die Einhaltung der maximalen Ortsdo islei stungen nach der Strahlenschutzberecnnung durch Messungen vor Ort insbesondere an allen !
notwendige bauliche StrahlenschutzmaBnahmen und beh6rdliche Auflagen am realen Bei piel zweier benachbarter Linearbeschleuniger be chrieben und diskutiert werden . Die Messungen der Photonen-Aqui valentdosisleistungen wurden mit den geeichten MeBgeraten TOLlE (Fa. Berthold, Wildbad) und 6150 AD 2 (Fa. Automess, Ladenburg) durchgeftihrt.

Bestrahlungsraume In der Radiologi chen Universitatsklinik Homburg wurde in den letzten Jahren im ehemaligen Betatron-Bestrahlungsraum ein rechnerge teuerter

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Siemens-Linearbeschleuniger Mevatron KD2 und daran angrenzend im vorderen Teil des friiheren BetatronMaschinenraums ein konventioneller Linearbeschleuniger Mevatron MDX installiert (Abb. 1). 1m hinteren Teil muBte aus Platzgriinden die KlimaanJage untergebrachl werden. Die Therapieabteilung befindet sich im UntergeschoB, zwei AuBenwande grenzen an Erdreich und spiel en fUr die Strahlenscbutzberechnungen nur eine untergeordnete Rolle. Beim Mevatron KD2 bestehen die Wande irn Nutzstrahlenbereich aus Barytbeton, beim Mevatron MDX aus einfachem Beton.

Klimaanlage

Strahlenschutz am Mevatron MDX Die Strahlenschutzberechnung des Herstellers beruhte nach DIN 6847 Teil 2 auf einer wochentlichen Betriebsbelastung von 1000 Gy. Die Betriebsbelastung ist gleicb dem Produkt aus der Anzahl der Einzelbestrahlungen und deren mittlerer Energiedosis, bezogen auf 1 m Abstand yom DivergenzpUnkt des Nutzstrahlenblindels, also im Isozentrum, in Wasser im Dosismaximum. Bei der maximalen Dosisleistung bei 6-MV-Photonenstrablung von 2,5 Gy/min entsprechen 1000 Gy einer reinen Strahlzeit von 6,7 Stunden in der Woche. Beim Betrieb des Mevatron MDX sind der Bedienraum und der KD2Raum betrieblicher Uberwachungsbereich. Dort gilt nach § 51 StrlSchV flir nicht berufiich strahlenexponierte Person en ein oberer Grenzwert von 5 mSv/Jahr. Unter Beriicksichtigung der errechneten Strahlstundenzahl darf im betrieblichen Uberwachungsbereich die Ortsdosisleistung von rund 15 j.LSv/h nicht liberschritten werden. Am MeBort 1 wurde in 270· -SteHung des LinearbescWeunigers hinter der 1,5 m dicken Betonwand oboe zuslitzliche Bleiabschirmung eine Dosisleistung von 90 j.LSvlb gemessen. Eine 3,5 cm dicke Bleiwand reduzierte den MeBwert auf 20 j.LSv/h, weitere 2 cm Blei auf 10 j.LSvlh. Die Ortsdosislei-

Sm

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Beton

~ Barytbeton

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Erdreieh

Bleiabsehirmung A1: 5.5 em, A2.: 5.0 em, A3: 5.0 em K1 : Bedienkonsole MDX Obis

8:

K2: Bedienkonsole KD2 *geplant

Messpunkte

Abbildung J Bauzeichnung der Bestrahlungsrtiume

stungen im Bereich der Tlir zum Bestrahlungsraum lagen bei 2 j.LSvlh, an der Bedienkonsole bei weniger als 0,3 j.LSvlh.

Erhohung der Betriebsbelastung am Mevatron MDX 1m einschichtigen Bestrahlungsbe-

trieb wurde nach kuner Anlaufzeit die obere Grenze von 6,7 StrahlslundenIWoche erreichr. Aus der Sichl de Betreibers war es daher wlinschenswen, die zugrundegelegte Betriebsbelastung zu erhohen. Da der MeBwert hinter der 5,5 cm dicken Bleiabschirmung urn 5 j.LSvlh unter dem Grenzwert lag, wurde seilens der Behorde eine Erhohung der Betriebsbelastung urn den Faktor ] 5 :10 auf 1500 GylWoche ge-

nehmigt. Dieser Wert entspricht 10 wochentlichen Strahlstunden . Die Richtungs- und Aufenthaltsfaktoren waren dabei aile gleich 1 gesetzt worden.

Strahlenschutz am Mevatron KD2 Auch bei def Strahlenschutzberechnung fur das Mevatron KD2 war def Hersteller von einer wochentlichen Betriebsbelastung von 1000 Gy ausgegangen . Bei def energiereichsten Photonenstrahlung von 23 MY und der hochsten Dosisleistung von 3 Gy/min entspricht dieser Wert 5,6 Strahlstunden in def Woche. Flir den Betrieb des Mevatron KD2 gilt im Bedienraum und im MDX-Raum als betrieblichem Uberwachungsbereich fUr nicht beruflich strahJenexponierte Per onen ein

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AUS DER PRAXIS FUR DIE PRAXIS Grenzwert von 5 mSv/Jahr. Auf Grund der maximalen Strahlstundenzahl bedeutet die, eine hochste zula sige art dosisieistung von rund 17 /-LSvlh. Unkritisch ist der MeBpunkt 4; in 90·Stellung des Linearbeschleunigers liegt der Wert hinter einer 5 cm dicken Bleiabschirrnung unter 0,3 flSvlh. Eine deutlich hohere Dosislei tung von 8 /-LSvlh wird am art 5 ohne Bleiabschirmung - diese ist geplant - gemessen. 1m Bereich der Tilr miBt man 5, an der Bedienkon ole 0,4 /-LSvlh.

Erhohung der Betriebsbelastung am Mevatron KD2 Aufgrund des MeBwertes am Punkt 5 wurde eine Erhohung der Betrieb belastung auf 2250 Gy/Wocbe, d.h. 12,5 Strahl tun den genehmigt. Auch in diesem Fall waren die Richtung - und Aufenthaltsfaktoren aile zu I geseLZt worden. Am Punkt 5 wird wegen cine zur Zeit im angrenzenden Raum im Aufbau befindlichen drillen Linearbeschleunigers eb nfalls eine 5 cm dicke Bleiabschirmung montiert werden , so daB sich die Ortsdosisleistung dort deutlich emiedrigen wird. Dann begrenzt allerdings der MeBwert am Punkt 6 von 5 /-LSvlh die zulassige Betriebsbelastung.

Diskussion Die in der Strahlenscbutzberechnung angenommene Betriebsbelastung von 1000 GyIWoche im lsozentrum wird in DfN 6847 Teil 2 mit 250 Bestrahlungen pro Woche bei 4 Gy Einzeldo is verdeutlicht. Beide ZahJen entprechen nicht den tatsachlichen Gegebenheiten. Zurn eineo wird eine Einzeldosis von 4 Gy im Isozeotrum im Patienten lrn Dosismaximum nur in Au nahmefaIlen appLiziert. Ebenso ist die ZahL von 250 wochentlichen, al 0 50 ttiglichen Bestrahlungen zu niedrig angesetzt. Doch elb t bei einer EinzeLdosis von 2 Gy werden 500 Bestrahlungen pro Woche, eotsprechend 1000 Gy, al 0 100 Einzelbestrahlungen am Tag, meist deutlich iiberschritten. Hinzu kommen noch die Strahlzeiten

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fUr Routinemessungen im Rahmen der sicherheits- und strahlenschutztechnischen Uberwachung des Beschleunigers u.a. In diesem Sinne wird in der genannten Norm besonders darauf hingewiesen, daB bei Vorliegen hoherer Betriebsbelastungen die Strahlenschutzabchirmungen auf die e neuen Werte orm abgestellt sein mil en. Die laBt also hohere BelJieb belastungen ausdriicklich zu und betrachret 0 gesehen 1000 GyIWoche al Untergrenze. Die von der Behorde festgesetzten maximalen Strahlstunden pro Woche basieren ausschlieBlich auf gemessenen Ortsdosisleistungen unter extremen Bedingungen. Dazu wurde die utz trahlung mit hochster Energie und Dosisleitung ohne Ab orber im Strahlengang bei groBtem Be trahlung feld direkl auf die enrsprechende Wand gerichtet. Bei beiden Beschleuuigern konnten nach der orm durchaus Richtungsund Aufenthaltsfaktoren kleiner i angenornmen werden. Danach kann z.B. der Richtungsfaktor zu 0, 1 gesetzt werden, wenn das Nutzstrahlenbundel in hoch ten 10 % der zugrundegelegten Betrieb belastung auf den zu cbiitzenden Platz gerichtet wird. 1m Rahmen der Patientenbestrah1ung kann durchaus fUr die 90' - bzw. 270·Einstellung des Linearbeschleunigers ein Richtungsfaktor von hochstens 0,5 als realistisch angeseben werden, wobei zu atzlich tets ein Absorber, namlich der Patient im Strahlengang liegt. AIlein dadurch ware eine doppeit 0 groBe Betriebsleistung moglich. Nach DIN 6847 Teil 2 kann der Aufenthalt faktor zu 0,1 gesetzt werden fUr Platze auBerhalb von Kontrollbereichen aber innerhalb des Strahlenbetriebe , an denen sichergestellt ist, daB sicb dort niemand Langer als 1/10 dec Betriebszeit des Elektronenbescbleuniger aufhalt, wie z.B. Patientenwarteraume, Flure und Treppen. Dazu diiIfte auch der MeBort .1 zahlen. Wie erhalt man nlln die tatsachlicbe Betriebsleistung? Obg\eich die wochentlichen Strahl tllnden einfach an der entsprechenden Zahleinrichtung am Beschleuuiger abgele en werden konnen , muB man zur Erminlung der tat-

sachlichen BerriebsbeJastung noch die antei\ igen Strahlenarten, -energien und Dosisleistungen kennen. Am KD2 beispielsweise erh1ilt man die hochsten art do isleistungen in den angrenzenden Raumen bei 23-MV-Photonenstrahlung und einer Do isleistung von 3 Gy/min im Isozentrum. Beim alleinigen Betrieb mil der niedrigsten Dosi lei tung von 0 5 Gy/min oder bei 6MV-Photonen diirfte die Anzahl Strahlstunden dagegen hoher ein. D urlich geringer fallen die MeBwerte b i Elektronenstrahlung aus. Sie betragen bei 21 MeV und 9 Gy/min \ediglich 1115 der Photonenwerte. Auf Grund de en wurden von seiten der Behorde bei reinem Elektronenbetrieb 15-fach langere Strahlzeiten bzw. 15 Elektronen-Gray pro gespartem 1 Photonen-Gray zugelanden. In def Praxi miissen al 0 fortwah rend die aktuellen Strahlzeiten bzw. die Monitoreinbeiten pro Strahlenart und -energie notiert summiert und unter Berucksichtigung der gewahlten Dosisleistung und Strahlrichtung miL dem maximal zulassigen Wert verglichen werden. Diese Berechnungen sind, wenn man sie rnanuell ausfiihrl, sehr zeitraubend und leicht mit Fehlern behafL 1. E ware daher wiin chenswert sie generell im Rahmen der vom Her teller angebotenen Dokumentationssysteme, wo ohnehin aile notwendigen Ein tell daten vorhanden sind automatisch au fii.hren zu lassen. Zumindest aber sollte def Betreiber auf die gespeicherten Daten zugreifen konnen, um mit eigenen Programmen die tatsachliche Betriebsbelastung zu errechnen.

Literatur [ I) DIN 6847 Teil 2, Medizini che Elektronenbeschleuniger-Anlagen . Strahlen churzregeln fUr die Errichrung. Beulh Verlag GmbH. Berlin (t990) [2J Verordnung tiber den SchULZ vor Schiiden durch ionisierende Slrahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSch V), R. Konig VerlagsGmbH Miinchen (1989) Dipl.-Phys. Dr. rer. nar. W. Lehmann und Dipl.-Phys. Prof. Dr. rer. nat. H.-K. Leetz Tn. litut fUr Radiotogische Phys ik Universil.atskliniken de Saarlandes 6650 Homburg