Biochem. Physiol. Pflanzen 174, 672-677 (1979)
Biologische Aktivitat und Struktur-Aktivitats-Beziehungen von 4-Arylsemicarbaziden in Chlarella vulgaris CLAUS-RUDIGER KRA:;\IER, LOTHAR BECK und HORST ARNDT Sektion Chemie/Biologie der Piidagogischen Hochschule "Wolfgang Ratke", Kathen
Biological Activity and Structnre-Activity Relations of 4-Arylsemicarbazides in Chlorella vulgaris Ke y Ter mIn dex: 4-arylsemic
Summary By means of the efficieney factors of 26 substituted 4-arylsemiearbazides structure-activity rel,ttions of this group of substanees were inyestigated. To test the biologieal ,tctivity of the semic
Einleitung Fur Untersuchungen del' biologischen Aktivitat von homologen bzw. analogen Reihen potentieller Phytoeffektoren eignet sich gut del' Wachstumstest auf del' Grundlage von Chlorella vulgaris. So fan den KRAMER und BORNS (1978) und KRAMER et al. (1979) bei Untersuchungen zur biologischen Aktivitat von Carbonsaurehydraziden typische Abhanglgkeiten del' gezeigten Hemmung im Wachstumstest von del' eingesetzten Konzentration des Effektors. Durchgefuhrte Quantitative-Struktur-AktivitatsBeziehungen ergaben, da.B die Hemmung" auf Chi orella vulgaris durch die elektronischen Verhaltnisse del' Molektile determiniert sind. Gleichzeitig wurden fur die para-, metaund ortho-Derivate getrennte Funktionen getunden. Dieses interessante biologische Verhalten del' Benzhydrazide war fUr uns Anla.B, mit Hilfe von Wachstumstests die biologische Aktivitat der 4-Arylsemicarbazide zu untersuchen, del' en Struktur sich nur durch eine Iminogruppe zwischen den Aryl- und Hydruzidogruppen im Vergleich zu den Benzhydrazidell unterscheidet.
Material und Methode Die untersuchten 4 Arylsemicarbazide (Tabelle 1) lassen sich nach allgemeinen :Jlethoden, die auf Angaben von Kl'RZER (1951) und WHEELER et al. (1951) basieren, synthetisieren und reinigen. Hierbei geht man von kommerziell erhiiltlichen Anilinen aus, die zuniichst mit Salzsaure zu den Anilinhydrochloriden (I) und dann mit l(aliumeyanat zu den entsprechenden Harnstoffen (II) umgesetzt werden. Die Harnstoffe (II) reagieren mit 70 bis 80 %igem Hydrazinhydrat in guten Ausbeuten zu den substituierten 4-Arylsemicarbaziden (III).
Stru ktm- Akti yitii ts- Beziehungen Yon 4- Aryl3emiellrbaziden R
-
~-NH-C:
R
0
4'
'g-NH-C
ff
"
~
ff
I
~
°
R NH2'HCITKOCN_ -/fCI
R
+NHrNH2 · H 2 0 "NH - Nfl3 -H2 0
t
673
0
~,f' 'g-NH-C
"tv!! - N!!z Jl[
statt XH n11!i3 es S H2 heiJ3en
Die Identifikation der Substanzen erful~te dllTeh EJemelltaranaJyse lind Sehmelzpunktbestimmnng :Bowie durch Auswertnng ihrer IR-Spektren. Fiir die Wachstnmstests wnrden von den 4-Arylsemi,t:arbaziden 1 I\I Stammliisungen in Dimethylsulfoxid hergestellt. Die Wachstllmstests wurden mit Suspensionen von Chlorellawlgaris, Stamm DOHM lind DORi'\S 1972/1, die bei 37,0 °c lind einem artspezifisehen Lieht-Dullkel- Wechsel von 8 h Licht und 4 h Dunkell1eit sYlll'hronisiert warden, durchgefiihrt. Das anorganisehe Niihrmedium basiert auf Angaben von KT.:HL et al. (19G4) lind garantiert ein optimales Waehstnm YOn Chiarella vulgaris. Die Kultivierung erfolgte in einer Anznehtsapparatnr na('h Diim! (1970). Als KulturgefiiJ3 fanden serienmiiJ3ig produzierte Reagenzgliiser mit einem FasslIngsYermiigen VOIl 300 ml Yerwendung. Diese warden wiihrend der Tests yon 10 J/h Lnft mit einem CO 2-Anteil Yon :2 Vol.- ~o durchstriimt. Dei den Wachstllmstest wlll'den definiert konzentrierte Slispensionen frisch geschliipfter Autosporen von Chlorella t'ulgaris (7 x 106 Zellen!em") lnit der Wirkprobe, die maximal 3% des Volumens der Suspension betriigt, in abgestnften Konzentrationen konfrontiert nnd parallel mit den unbehan,del ten Kontrollen fiinf Stunden lang beliehtet. Die relatiw Waehstlllllsent\\'ieklung wnrde durch direkte Absorptionsmessung bei G80 nm bestimmt.
Ergebnisse nnd Diskussion
Die Unt{']'suchungen ergaben. daB allp eingesetzten Deriyate der Stoffgruppe der 4-Arylsemicarbazide das Warhstum yon Chlorella. vulga.tis beim Wachstumstest hemmten. Die g('zeigte H(,J1lJ1lwirkung war in allen Fallen pine Funktion der eingesetzten Wil'kkonzentration del' Effektor(,ll. B('i Auftragungen der entspl'echenden Hemmwerte in Prozent in Abhiingigkeit yon d('n Logarithl11en der nngewendeten Konzentration der Arylsemiearbazide wurden t~'pisch(' Dosis- Wirkungs-Kuryen el'halten (Abb. 1). Die Dosis-,Yirkungs- Kurnn, die gut reproduzierbnr und in Form und Anstieg ahnlich sind, halwn im Bel'eieh yon R::!15 % bis R::!85 % Hel1lnmng einen linearen Teil. Aus diesem linearpn Teil ,,"nrd('n die Logal'ithl11en der isoaktiyen Konzentrationen, die 50 % Heml1lung Yl'rursachen. pntllOl11l1len. Die yon uns bestil1lmtell -lg C50~~: Werte einiger 4-Al'~-lsl'mieal'bizid(' sind in Tab. 1 zusaml11('ngestellt. Zwischen d('n isoaktinn Konz('ntrationen del' 4-Arylsemicarbazide bestehen nur relatiy kleinl' lintersehi('de. Sip yariieren im BNeich yon 10-3 bis 6,3 x 10-5 M und liegen somit im gleichen GriH3enbereich wie die yon nns (KRAl\IER et al. 1979) bestimmten isoaktiven KOllz('ntrationen der B('nzh~·drazide.
C.-R.
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KRAMER,
L.
BECK
und H.
ARNDT
100 90 80 70 60
'" E 0
~
50
"-
40
:I:
30 20 10
0
-2,2
-2.5 _~--
Igc
Abb.1. Dosis-Wirkungs-!{un;en einiger -!-AryZsemicarbazide Die Dosis-Wil'kungs- Kurven zeigen die relative Hemmwil'kung des W,tchstums del' ChZorellaKulturell in Abhiingigkeit yon den Logal'ithmen del' Konzentration del' getesteten -!-Arylsemiearbazide. Aus den linem'en Teilen lassen sieh gut die Logarithmen der isoaktiven KOllzentrationen, die eine 50 %ige lIcmmung vel'ursar hen, entnehmen. p-COOH = -!-[p-C
Auftragungen del' -lg C50~o -Werte als Funktion verscluedener Serien von hydrophoben Substituentenkonstalltell ergabell in allen Fallelllineare Beziehungen. Die besten Ergebnisse wurden bei Korrelationen del' -lg Cwo;, -Werte in Abhangigkeit del' n-KOllstanten nach HANseR et al. (1973) erhalten (Abb. 2). Hierbei lassen sich die .k\rylsemicarbazide in 2 Grupprn einteilen. Eine geschlossclle Gruppe bilden die meta- undpam-Derivate, und einc zweite geschlossene Gruppe bildcn die ortho-Derh-ate. In beiden Fallen liegrn lineare Funktionell VOl', die durch die Gleichungen (1) und (2) beschreibbar sind.
meta, para: -lg C50~~ = 0,635n + 3,47 n = Ifl, r = 0,996, s = 0,098
(1)
ortho: -lg C50 % = 0,590n + 3,225 n = 7, r = 0,998, s = 0,365
(2)
Die hohen Korrelationskoeffizienten in den Beziehungen (1) und (2) zeigen an, daB ein Verteilungslllodell bzw. eill Proteinbindungsmodell nach FRANKE (1970) bei den
Struktur-Aktivitii ts- Beziehungen von 4-Arylsemicarb;tziden
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T,tbelle 1. Logarilhli/en deT isoakti~'en llollZenirationen ly14C50~of()n 4-Arylsemicarbaziden der allgemeinen Form RC6 H4 -SHCO-NH-NHa und hydrophobe Substituelltenkonstanten n (nach H,\)iSCH eta!. 1973) Die -lg C50%- Werte wurden durch Interpolation aus den entsprechenden Dosis-Wirkungs-Knrven(Abb. 1) entnommen. Die in der Tabelle 1 enthaltenen Daten wurden fur die Korrelation (1) und (2) benutzt
Verb.-Xr.
R
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
H o-CH3 m-CH a
Ii)
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
P-CH 3 0-OCH3 m-OCH 3
P- OCH 3 p-OC2 H5 o-Cl III-Cl
p-CI 3,4-CI2 :2,5-CI2 o-Br m-Br p-Br p-I
o-OH m-OH
p-OH 0-:'10 2 111-:'10 2 ])-:'10 2 p-COOH m-COOH jJ-COOH
IgI/C50~~
3,50 3,51 3,80 3,83 3,:20 3,41 3,4:2 ;),71 .'3,68 :3,92 3,93 4,38 4,0 :3,64 .'3,95 4,0:2 4,20 4,45 :3,07 .'3,00 3,01 :3,2G 3,:31 :'l,0.) 8,:28 3,83
n
0 0,50 0,56 0,56 -0,0:2 -0,0:2 -0,0:2 0,38 0,71 0,71 0,71 1,4:2 1,4:2 0,80 0,80 0,86 1,12 -O.G7 -0,67 -0,G7 -0,28 -0,:28 -0,28 -0,82 -0,8:2 -0,32
gefundenen quanti1ativen Struktnr-Aktivitats-Beziehungen angenommen werden kann. ~\us den Anstiegen - d 19 C50 o)dn = 0,685 bzw. 0,59 in den Beziehungen (1) und (2) kann man nach diespn Modellen ableiten, daB die WirkstoffmolekUle nur zum Teil in das Innere del' bindenden h~-drophoben Region der Zellen uberfuhrt worden sind. Zu ahnlichpn Ergebnissen kamen wir (KRA~IIER et al. 19(9) bei den Benzhydraziden, wenn man die Xitro-Derivate unberucksichtigt liil3t. Hier lagen vergleichbare Anstiege - d 19 C50o)d log P bei 0,38 fur die para-Derivate und bei 0,21 fUr die meta-Derivate. Die ingpsa,mt geringere Wirkung der ortho-Derivate der 4-Arylsemicarbazide und die geringere Empfindlichkeit del' Sllbstituenten dieser Stoffgruppe auf die Wirksamkeit lassen sich durch einen allgemeinen ortho- Effekt, der hauptsachlich auf sterische Besonderheiten der Molekiilstruktur zuriickzufUhren ist, erklaren. Eine Ausnahme bildet das 4-[0-Hydroxyphenyl]-semicarbazid, das die beste Wirksamkeit zeigt. Dieses ortho-
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C.-R. KRAMER, L. BECK und H. ARNDT -4.5
r--~-----:--=,.,---,------,---,---,-----,---,---,----,--,.---,
I
I Oo-OH
I
-4.01-----+--+---+-----+-
...
ug
-3,5
t-----+--+------+
E
-3,0 f-----Y'i =--->.-.+---¥J.o-NO.-t----+----+---t----t----+---+----i
'------"'--__u _ _~_ !
-1.0
.
I
-0,5
0.5
1,0
1.5
7[---
Abb. 2. 8truklur-Aktiriliils-BeziellulIg filr die Hemm!cirkung von 4-Arylse1llicarbaziden auf Chlorella vulgaris Aufgetragen sind die Logarithmen der isoaktiven Konzentrationen - 19 C50 % fiir die Hemmnng von Chlorella vulgaris im Waehstnmstest als Funktion der hydrophoben Substituentenkonstanten n naeh HANSCH et a1. (1973) [so dazu Gleichungen (1) und (2)]. 0- = orillo, ))/- = mela, p- = para; H = 4-[Phenyl]-, CH 3 = 4-[Tolyl]-semicarbazid; OCH 3 = 4-[Methoxy-, OC 2 H 5 = 4-[Ethoxy-, Cl = 4-[ChlorBr = 4-[Brom-, I = J-[Jod-, OH = J-[Hydroxy-, N0 2 = 4-[Nitro-. COOH = 4-[Carboxyphenyl]-semicarbazid
Derivat nimmt eine ahnliche Sonderstellung innerhalb del' Gruppe der Arylsemicarbazide wie das yon uns untel'suchte (KRA.:IIER und BORNS 1978) O1'tho- Hydroxybenzhydrazid bei den Benzhydraziden ein. Dieses spezifische Verhalten del' o-Hydroxy-Deriva1e ist auf ahnliche strukturelle Besonderheiten im Molekiilbau dieser Verbindungen zurtickzuftihren. Auch beim 4-[ o-Hydrox~-phenyl]-semicarbazid kann man vermuten, daB die bessere Wirksamkeit durch yorhandene intramolekulare IVasserstoffbrtickenbindungen zwischen dem ,Vassel'stoffatom der Hydroxygruppe und dem Sauerstoffatom der Carbon~-Igruppe determiniert ist. Uber den eigentlichen Wirkmechanismus konnen keine naheren Angaben gemacht worden, sie waren nicht das Ziel der Untersuchungen. Aus Vergleichen von C50% - IV erten, die durch Absorptions- und Trtibungsmessungen bei Wachstumstests und HeterotrophTests erhalten wurden, laBt sich ableiten, daB die Chlorophyllbildung starker gehemmt zu sein scheint als die Volumenzunahme und daB dIe 4-Ar~-lsemicarbazide tiber die Photosynthese das ,rachstum drr Chlorella-Kultur beeinflussen.
LMMX£
Struktur-Aktivitiits-Beziehungen
YOll
4-Arylsemi carbazidcn
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Eingegangen am 7. Miirz 1979. Adresse der Autoren: CLAUS-RuDIGER KRAMER, LOTHAR BECK und HORST ARNDT, Padagogische Hochschule "Wolfgang Ratke" K6then, Sektion Chemie/Biologie, DDR-437 K6then, LohmannstmBe 23.
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