Biosynthese von Dimethylallylguanidin aus Guanidinoessigsäure

Biosynthese von Dimethylallylguanidin aus Guanidinoessigsäure

Biochem. Physiol. Pflanzen (BPP), Bd. 166, S. 275-279 (1974) Sektion Biologie der Friedrich-Schiller-Universitat Jena Biosynthese von Dimethylallylg...

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Biochem. Physiol. Pflanzen (BPP), Bd. 166, S. 275-279 (1974)

Sektion Biologie der Friedrich-Schiller-Universitat Jena

Biosynthese von Dimethylallylguanidin aus Guanidinoessigsaure Von JtiRGEN STEINIGER und GERHARD REUTER

Biosynthesis of Dimethylallylguanidine from Guanidinoacetic Acid Key Term Index: galegine, biosynthesis, guanidino acetic acid; Galega officinalis.

Summary Guanidinoacetic acid-1-14 0 and guanidinoacetic acid-2-14 0 were applicated to seedlings of Galega officinalis L. Galegine (dimethyl-allylguanidine) was isolated after 72 h and degraded. The distribution of radioactivity shows that all C-atomes of guanidinoacetic acid were incorporated specifically.

Einleitung

Das konvergente Auftreten von mehr oder weniger kompliziert aufgebauten Naturstoffen in wenig miteinander verwandten Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen hat in zunehmendem Umfang zum Nachdenken tiber eine Theorie der Evolution biologischer Molekiile angeregt (MoTHES 1973). Nicht allein Existenz und Selektionswert einer Verbindung sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung, sondern gleichzeitig neben der Akkumulation bzw. Exkretion die Art der Entstehung: Ahnliche, ja sogar gleiche chemische Struktureinheiten konnen in verschiedenen Lebewesen auf recht unterschiedliche Weise gebildet werden. Sie konnen als liegengebliebene Dissimilate verstanden werden in anderen Organism en hingegen auf rein synthetischem W eg aus klein en Einheiten aufgebaut in Erscheinung treten. Dabei werden bei aller Einheitlichkeit des Stoffwechselgeschehens nicht selten aus unterschiedlichen Bausteinen auf divergierenden Synthesewegen gleiche Stoffgruppen erstellt. So werden Stoffklassen mit Isopren-, Isopentenyl- bzw. Dimethylallyleinheiten in der Regel aus Acetateinheiten tiber Mevalonsaure als Zwischenprodukt aufgebaut. Terpenoide einschlieBlich der Steroide und zahlreiche Alkaloide liefern Beispiele dafiir. Untersuchungen tiber die Biosynthese des Galegins (REUTER 1962, 1963, 1964, 1965; REUTER und BARTHEL 1967) zeigten, da£ dieses in der Fabacee Galega officinalis L. vorkommende Dimethylallylguanidin auf einem anderen Synthesewege gebildet wird: Statt Mevalonsaure, Dimethylallylamin bzw. Leucin wird Guanidinoessigsaure (GE) eingebaut, dessen Amidinogruppe offensichtlich vom Arginin bereitgestellt wird. In der vorliegenden Arbeit wurde GE spezifisch

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an C-1 bzw. C-2 radioaktiv markiert und das nach der Biosynthese erhaltene Galegin umfassend abgebaut, urn eine detaillierte Auskunft tiber die Aktivitatsverteilung zu gewinnen. Material und Methodik Synthese von Guanidinoessigsaure-1- 14 C und Guanidinoessigsaure-2- 14 C: Aus dem nach VANINO (1936) hergestellten Cyanamid wurde nach BELLO (1955) 0-Methyl-isouroniumsulfat gebildet, das nach BARTHEL und REUTER (1967) mit Glycin-1-14 C bzw. Glycin-2-14C zur Reaktion gebracht wurde. Es wurden 34 mg Guanidinoessigsaure-1-14C, spezifische Radioaktivitat 1,9 · 109 ipmfmMol und 42 mg Guanidinoessigsaure-2-14 C, spezifische Radioaktivitat 2,2 · 109 ipmfmMol erhalten. Die Praparate zeigten bei papierchromatographischm und autoradiographischer Analyse keine Verunreinigung. Applikation von GE und Isolierung von Galegin: Die Anzucht der Keimpflanzen, die Applikation der radioaktiven Verbindungen und die Isolierung von Galegin erfolgte nach REUTER und BARTHEL (1967) bzw. BARTHEL und REUTER (1968). Galegin wurde dabei durch Ausschiitteln mit Amylalkohol und Chromatographie an der Cellulosesaule als Pikrat gewonnen und bis zur konstanten spezifischen Radioaktivitat umkristallisiert. Abba u von Galegin: Isoliertes radioaktives Galeginpikrat wurde mit inaktivem Galeginpikrat zu 50 mg erganzt, durch Passage eines Anionenaustauschers - Wofatit L 150 (Cl-) in 80%igem Methanol von der Pikrinsaure befreit und die Liisung im Vakuum auf 2 ml konzentriert. N ach Zugabe von 0,4 ml10%iger Schwefelsaure wurden innerhalb 20 min 5 ml einer 1 %igen Kaliumpermanganatliisung zugefiigt. Nach 31 / 2 stiindigem maBigen Schiitteln wurde das Reaktionsgemisch mit BaC03 auf pH 6 gebracht, das gekiihlte Filtrat iiber 50 ml Dowex 50 W x 1, 50-100 mesh (H+) gegeben, das acetonhaltige Eluat quantitativ in 20 ml einer 2,4-Dinitrophenylhydrazinliisung (0,5% in 2n Salzsaure) iibergefiihrt und das entstandene Hydrazon durch 2maliges Ausschiitteln mit je 20 ml Tetrachlorkohlenstoff extrahiert. Die vereinigten Extrakte wurden nochmals kurz mit Wasser ausgeschiittelt. Das vom Liisungsmittel befreite Aceton-2,4-dinitrophenylhydrazon wurde mehrmals aus Athanol umkristallisiert. Die ebenfalls bei der Oxydation entstandene und auf dem Ionenaustauscher zuriickgebliebene GE wurde mit 200 ml 3n Ammoniak eluiert und nach Abdampfen des Ammoniaks als Pikrat gewounen. Nach erfolgter Bestimmung der Radioaktivitat und Erganzung mit inaktivem GE-Pikrat zu 60 mg wurde iiber Anionenaustausch das Hydrochlorid gebildet, das wir in Anlehnung an REUTER (1963) und BARTHEL und REUTER (1968) mit Bariumhydroxid hydrolysierten. AnschlieBend erfolgte die Abtrennung des als Bariumcarbonat im Reaktionsgemisch vorliegenden Kohlenstoffs der Amidingruppe. Das im Filtrat des neutralisierten Reaktionsgemisches verbliebene Glycin wurde iiber 75 ml Dowex 50 W x 1, 50-100 mesh (H+) durch Elution mit 1n Pyridin gewonnen und nach Bestimmung der Radioaktivitat mit Ninhydrin decarboxyliert: Ca. 10 mg Glycin wurden mit 25 mg Citrat-Puffer, pH 2,5 in 1 ml Wasser geliist, von Kohlendioxid befreit und in eingefrorenem Zustand mit 50 mg Ninhydrin versetzt. Der evakuierte Kolben wurde 2 min lang bei 100 oc heftig geschiittelt. Der mit einem Hahn verschlossene Schliffaufsatz des Reaktionskolbens gestattete einen unmittelbaren AnschluB an eine mit 0,42 ml 1n Natronlauge gefiillte, ebenfalls evakuierte und mit Eiswasser gekiihlte Vorlage, die das Destillat aus dem Reaktionskolben aufnahm. Unter AusschluB von FremdKohlendioxid wurde das aus der Carboxylgruppe des Glycins erhaltene Kohlendioxid als Bariumcarbonat (REUTER 1963) gefallt. Der in der Liisung verbliebene Formaldehyd (C-2 des Glycins) wurde durch Einbringen in 5 ml einer 0,4%igen Dimedonliisung gebunden. Durch Ansauern mit 1 %iger Salzsaure (pH 5-6) entstand ein Niederschlag von Methylen-bis-dimethyldihydroresorcin. Die beim Abbau gewonnenen organischen Verbindungen wurden in der Regel bis zur konstanten spezifischen Radioaktivitat umkristallisiert, durch Schmelzpunktbestimmung und Autoradiographie identifiziert und im Methan-DurchfluBzahlrohr des VEB MeBelektronik Dresden gemessen.

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Ergebnisse und Diskussion

10,1 mg GE-P4 C bzw.10,2 mg GE-2-14C wurden an je 200 7 Tage alte Keimpflanzen von Galega officinalis L. appliziert. Die Ernte erfolgte nach 72 h; das Galegin wurde als Pikrat mit konstanter spezifischer Radioaktivitat gewonnen. Dabei erzielte GE-1-14 C eine spezifische Einbaurate von 0,32 %, GE-2-14C lediglich 0,05%- Wir haben fur diese bereits in vorausgegangenen Versuchen festgestellten gro13en Unterschiede in den Einbauraten keine beweisbare Erklarung. Sie mi:igen darauf hinweisen, da13 nicht konstant gehaltene Faktoren wie Licht und Temperatur Einflu13 nehmen ki:innen. Urn so bedeutsamer erschien es uns, die Verteilung der Radioaktivitat in den gewonnenen Verbindungen zu ermitteln. Die Ergebnisse des in drei Stufen vorgenommenen Abbaus sind in Tabelle 1 aufgefiihrt: Tabelle 1

Verteilung der Radioaktivitiit in den Anbauprodukten des Galegins

nach Applikation von GE-1· 14 C

nach Applikation von GE-2-14 C

ipmjmMol

%

ipm/mMol

1,57 . 103 6,39. 105

0,4 99,6

5,60. 103 1,58. 10 5

3,4 96,6

2,11. 104 1,28. 10 5

14,2 85,8

1,18. 103 5,13. 104

2,2 97,8

6,82. 104 7,13. 103

90,5 9,5

3,31. 103 4,27. 104

7 ') 92,8

O'

lo

Oxydation von Galegin: 1. Aceton- Hydrazon 2. GE-Pikrat Hydrolyse von GE: 2.1. Bariumcarbonat 2.2. Glycin Decarboxylierung von Glycin: 2.2.1. Bariumcarbonat 2.2.2. Formaldehyd-D.

·-

Die mit inaktivem Galegin verdtinnten Praparate wurden durch KMn0 4 -0xydation an der Doppelbindung gespalten. Nahezu die gesamte Radioaktivitat enthielt die aus dem Reaktionsgemisch isolierte Guanidinoessigsaure. Das als 2,4-Dinitrophenylhydrazon isolierte Aceton, das den C-Atomen 3, 4 und 5 des 3-Methyl-but-2-enylguanidins entspricht, zeigte eine fiir den weiteren Abbau nicht ausreichende Radioaktivitat. Die Guanidinoessigsaure hingegen wurde durch alkalische Hydrolyse in Glycin umgewandelt, das wiederum den gri:i13ten Teil der Radioaktivitat enthielt. Das C-Atom der Amidinogruppe wurde als Bariumcarbonat isoliert. Es enthielt bei Applikation von GE-P 4 C wesentlich mehr Radioaktivitat als bei Fiitterung von GE-2-14C. Offensichtlich wird ein Teil der von den Pflanzen aufgenommenen GE abgebaut, wobei das aus der Carboxylgruppe freigesetzte C0 2 wahrscheinlich bevorzugt als Carbamylphosphat gebunden wird und via Citrullin und Arginin nach Transamidinierung in die Galegin19

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biosynthese eingeht. Die vormals in zellfreien Galega-Extrakten nachgewiesene hohe Ornithin-Carbamyltransferase-Aktivitat und die Bereitstellung der Galegin-Amidinogruppe durch Arginin (REUTER 1963) sprechen fiir diesen Stoffwechselweg; desgleichen die Markierung von Arginin nach Applikation von GE-Amidin-14C (REUTER, BARTHEL, STEINIGER 1969). Die sehr geringe Radioaktivitat in den C-Atomen 3, 4 und 5 erlaubt hingegen nicht, von einer allgemeinen Verschmierung der aus der Carboxylgruppe stammenden Radioaktivitat zu sprechen. Glycin als Trager der wesentlichen Radioaktivitat wurde durch Ninhydrin decarboxyliert, seine Carboxylgruppe (C-2 des Galegins) in Bariumcarbonat tibergeftihrt, seine Methylengruppe (C-1 des Galegins) als Formaldehyd nach Bindung von Dimedon isoliert. Das Ergebnis ist eindeutig. Applikation von GE-1-14C liefert Glycin mit mehr als 90% der Radioaktivitat in der Carboxylgruppe, GE-2-14C die entsprechend hohe Radioaktivitat in der Methylengruppe. Im Formelschema wird die prozentuale Radioaktivitatsverteilung auf die C-Atome des Galegins nach Applikation von GE zum Ausdruck gebracht: nach Applikation von GE-1-140-+

0,4

77,3

8,1

14,2

nach Applikation von GE-2-14C -+

3,4

6,8

87,6

2,2

Die Ergebnisse zeigen, da13 sowohl die Methylengruppe als auch die Carboxylgruppe der GE spezifisch in Galegin eingebaut werden kann. Die Befunde stehen im Einklang mit unseren frtiheren Ergebnissen (REUTER, BARTHEL, STEINIGER 1969): Nach Applikation von GE-2-14C-Amidin-14C an Galega officinalis wurde Galegin gebildet, das nach oxydativem Abbau ebenfalls nahezu keine Radioaktivitat im Acetonanteil enthielt. Der gewonnene GE-Anteil zeigte jedoch nach alkalischer Hydrolyse zu Glycin und C0 2 , dal3 neben der Methylengruppe auch die Amidinogruppe der applizierten GE in Galegin eingebaut wird. Das Einbauverhaltnis von 2-14C/ Amidin-14C sprach daftir, da13 wesentliche Anteile der GE ohne vorherigen Verlust der Amidinogruppe in Galegin eingebaut werden. Zusammenfassung An Keimpflanzen von Galega officinalis L. wurde Guanidinoessigsaure-1-14 0 und Guanidinoessigsaure-2-140 appliziert. Das nach 72 h isolierte Galegin (Dimethylallylguanidin) wurde abgebaut. Die Radioaktivitatsverteilung zeigt, daB alle 0-Atome der Guanidinoessigsaure spezifisch eingebaut werden.

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Literatur BARTHEL, A., und REUTER, G., Z. Chern. 7, 427 (1967). - - Die Pharmazie 23, 26 (1968). BELLO, J., Biochim. Biophys. Acta 18, 448 (1955). MoTHES, K., Sonderheft zu Sb. Abt. I, 181 (1972) der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. REUTER, G., Phytochemistry 1, 63 (1962). Archiv der Pharmazie 296, 516 (1963). Flora 104, 136 (1964). Abh. der dtsch. Akad. Wiss. Berlin, Kl. Chern., Geol., Biol. 1966, 617. und BARTHEL, A., Die Pharmazie 22, 261 (1967). - und STEINIGER, J., Die Pharmazie 24, 358 (1969). VANINO, L., Praparative Chemie, Bd. II, Stuttgart 1936. Manuskripteingang: 18. Marz 1974. Anschrift des Verfassers: Dr. JuRGEN STEINIGER und Prof. Dr. GERHARD REUTER, Sektion Biologie der Friedrich-Schiller-Universitat Jena, 69 Jena, Wiillnitzer Stra.Be 7.

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