Das IQM Peer Review Verfahren – Ergebnisse der Initiative Qualitätsmedizin

Das IQM Peer Review Verfahren – Ergebnisse der Initiative Qualitätsmedizin

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2012) 106, 560—565 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com journal homepage: www.journals.elsev...

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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2012) 106, 560—565

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

journal homepage: www.journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Das IQM Peer Review Verfahren — Ergebnisse der Initiative Qualitätsmedizin The IQM Peer Review procedure — results of the ,,Initiative Qualitätsmedizin‘‘ Oda Rink ∗ IQM FA Peer Review, Initiative Qualitätsmedizin, Berlin

SCHLÜSSELWÖRTER Peer-ReviewVerfahren; Behandlungsqualität in Krankenhäusern; IQM

KEY WORDS peer review process; quality of treatment in hospitals; IQM

Zusammenfassung Zwischen 2009 und 2011 wurden 67 IQM Peer Review Verfahren trägerübergreifend und interdisziplinär durchgeführt. Optimierungspotenzial war mit den Aufgreifkriterien gut zu identifizieren (64%) und die Akzeptanz des Verfahrens hoch. Das Feed back der besuchten Kliniken war positiv und konstruktiv. Allgemeine Handlungsfelder, die überall sehr hohes Optimierungspotenzial beinhalten, betreffen die Dokumentation, Behandlungsprozess zielführend, Behandlung adäquat/zeitgerecht. Verbesserungen in den Kennzahlen der besuchten Kliniken lassen sich bereits nach kurzer Zeit nachweisen. Summary Between 2009 and 2011 67 IQM peer reviews were conducted. In 64 % of the cases potential could be identified for optimising processes and procedures, and the overall acceptance of the tool was high. The feedback from the visited clinics was positive and constructive. The general areas of interest with a very high optimisation potential include: documentation in the records; target-aimed treatment process; treatments being adequate and in time. It will not take long before data show improvement.

Einleitung Seit vielen Jahren wird versucht, mit verschiedenen Projekten Qualität im Krankenhaus zu messen und zu verbessern [1]. Das Problem vieler Qualitätsbemühungen war bisher eine Dokumentationsflut in den Kliniken und das Empfinden der Anwender, dass Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Die Frage wie kann man Qualität ohne



Korrespondenzadresse: Dr. med. Oda Rink, IQM FA Peer Review, Initiative Qualitätsmedizin, Friedrichstrasse 166, 10117 Berlin. Mobil 0173 6078714. E-Mail: [email protected]

1865-9217/$ – see front matter http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2012.08.019

erheblichen Zusatzaufwand messen, scheint inzwischen eindeutig zu Gunsten von Kennzahlensystemen aus Routinedaten geklärt [2]. Diese Daten bieten vor Allem den Vorteil der Vollständigkeit und es handelt sich num Abrechnungsdaten, die vom Kostenträgern (MDK) gut geprüft sind. Bereits seit dem Jahr 2000 haben die HELIOS Kliniken ein Kennzahlensystem entwickelt, das die Grundlage der des heutigen IQM Kennzahlensystems darstellt und parallel zu dem amerikanischen AHQR Daten auf Grundlage der deutschen DRG Systems erarbeitet wurde. (Agency for Health car Quality ans Research (Internet)Rockville MD:AHQR Quality Indicators http://www.qualityindicators.ahqr.gov) Dass Mortalitätsraten durchaus auch Qualität abbilden, wurde viel diskutiert und immer wieder in Frage gestellt [3]. Inzwischen hat sich

Das IQM Peer Review Verfahren — Ergebnisse der Initiative Qualitätsmedizin allerdings die Erkenntnis durchgesetzt, dass die positive Beeinflussung von Mortalitätsraten einer Menge an Details und Einzelmaßnahmen bedarf. Da aus Kennzahlen im Einzelfall nicht auf Qualität im engeren Sinne zu schließen ist, kann das Peer Review Verfahren genau diese Frage klären — nämlich welche Punkte sind im Einzelfall tatsächlich zu optimieren und gibt es bei einer Erkrankung gegebenenfalls einen roten Faden oder Systemfehler in Prozessen oder Behandlung [4—6]. Der Begriff Peer Review wird inzwischen für viele Aktivitäten verwendet und es ist dem Einsatz der BÄK zu verdanken, dass ein Curriculum ärztliches Peer Review entwickelt wurde, in dem festgeschrieben wurde, was für ein solches Verfahren essentiell ist und wie die Peers ausgebildet werden müssen. Für die IQM Peer Schulungen werden aktiv tätige Chefärzte aquiriert. Es wurde ein online Tool zur Vorbereitung entwickelt (8 Stunden), das mit einer Lernerfolgskontrolle abschließt und von einer anderthalb tägigen moderierten Schulung gefolgt wird. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung der Verfahrensregeln und ganz besonders auf der Schulung von Rollenverhalten und Moderation sowie Gesprächsführung. Abgeschlossen wird die Schulung durch die Teilnahme an 2 Peer Review Verfahren unter der Leitung erfahrener Peer’s. Die wichtigsten Punkte, die ein Peer Review von anderen Visitationen und Audits unterscheiden, sind vor allem die kollegiale Diskussion auf Augenhöhe unter Fachkollegen, die selbstkritische Analyse der Fälle und die Erarbeitung von zukunftsorientierten Lösungsansätzen. Außerdem ist Ergebnisqualität zu einem Wettbewerbsparameter geworden, dem sich wohl kaum ein Krankenhaus dauerhaft entziehen kann Die Veröffentlichung von Ergebnissen wird weiter zunehmen und wer sich nicht aktiv beteiligt wird fremdbestimmt. Der Patient ist Leistungsempfänger mit einem hohen Anspruch an Qualität, Transparenz und Vertrauen. In seinen Augen ist grundsätzlich Ergebnisqualität eine abstrakte Zahl, hier ist das konkrete Behandlungsergebnis im Einzelfall die entscheidende Größe [7]. Dieses Behandlungsergebnis ist selbstverständlich von verschiedenen Faktoren beeinflusst, von denen das komplexe System Krankenhaus durchaus viele positiv steuern kann: Dazu gehören Prozessabläufe, interdisziplinäre Strukturen, Leitlinien Implementierung und die Etablierung interner Standards. Hier Optimierungen im Sinne eines gegenseitigen Lernprozesses herbei zu führen und eine offene Fehlerkultur zu etablieren ist das originäre Ziel des IQM Peer Review Verfahrens.

Methodik und Ziele Der gemeinnützige Verein Initiative Qualitätsmedizin wurde 2008 gegründet, um interessierten Klinikträgern ein Management Tool zur Optimierung der Behandlungsqualität zur Verfügung zu stellen, das ohne zusätzlichen Dokumentationsaufwand auskommt. Seit 2008 ist der gemeinnützige Verein Initiative Qualitätsmedizin (IQM) von 84 Krankenhäusern auf inzwischen 218 im Februar 2012 angewachsen. Im Indikatorenset werden inzwischen knapp 3,5 Millionen sationäre Behandlungsfälleabgebildet, das entspricht einem Anteil von 17% aller Fälle in Deutschland. Der Anteil freigemeinnütziger Träger beträgt 11,6% (nach Planbetten), Internationale Träger (Österreich und Schweiz) 14,3%,

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Universitäten 20%, Private Träger 22.9% und die Kommunalen Häuser 31,1%. Das Peer Review Verfahren bei IQM ist essentieller Baustein eines Qualitätsmanagement Systems, das von den Klinikleitungen top down etabliert werden muss. Das Konzept dieses Systems besteht aus drei Säulen: Qualitätsmessung mit Routinedaten, Transparenz durch Veröffentlichung der Ergebnisse pro Klinik im Internet und aktives Qualitätsmanagement mit dem Peer Review Verfahren. Die kontinuierliche künftige Messung aller Kennzahlen lässt Veränderungen sichtbar werden. Ziel des Review Verfahrens ist es zunächst, statistische Auffälligkeiten im Datenpool zu analysieren und im Hinblick auf qualitätsrelevante Fragestellungen zu bewerten bzw. Optimierungspotenzial zu identifizieren. Das IQM Peer Review Verfahren ist klar definiert und umfasst folgende unabdingbare Kriterien: • • • • •

Indikatormessungen aus Routinedaten unabhängige zentrale Fallauswahl retrospektive Aktenanalyse konkreter Behandlungsfälle Kollegiale Diskussion der Fälle auf Augenhöhe Information und Einbindung der Klinikleitung

Das Kernelement ist hier eindeutig die kollegiale Diskussion aller Fälle in vertrauensvoller Atmosphäre des Peer Teams, das aus drei aktiv tätigen Chefärzten besteht, mit den zuständigen Kollegen im besuchten Krankenhaus. Diese gemeinsame Diskussion entscheidet über die Akzeptanz des Verfahrens und die Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Verbesserungsvorschläge. Voraussetzung für ein funktionierendes Veränderungsmanagement ist die uneingeschränkte Unterstützung durch die Geschäftsführung. Es müssen nicht nur zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, sondern gegebenenfalls auch strukturelle Veränderungen vorgenommen werden, Zusätzlich muss klar definiert sein, wer für was in diesem Prozess verantwortlich ist und welcher Zeitrahmen zur Verfügung steht. Die nachfolgenden Indikatormessungen sollten immer wieder zu internen Diskussionen und zum Aktivieren der Veränderungsprozesse genutzt werden. Die Entscheidung, in welcher IQM Klinik ein Peer Review Verfahren durchgeführt wird, fällt der Fachausschuss Peer Review. Im Fachausschuss sind Vertreter aller Träger entsandt, sodass jedes IQM Mitgliedshaus aktiv an der Steuerung des Verfahrens beteiligt ist. Im Fachausschuss wird das gesamte Verfahren weiterentwickelt und verfeinert, Die Kriterien der Auswahl werden jährlich beim Treffen des FA klar definiert und können sich verändern, müssen also nicht prinzipiell immer der Auswahl ,,Kennzahl über dem Erwartungswert‘‘ folgen. In den ersten drei Jahren wurde das Kriterium ,,Kennzahl über dem Erwartungswert mit genügend großer Fallzahl, Fälle aus möglichst einer Abteilung und nur ein Review pro Krankenhaus‘‘ gewählt. Aber es ist das Ziel, voneinander zu lernen und insofern durchaus sinnvoll, auch Kliniken zu besuchen, die in der Messung besonders gut abgeschnitten haben. Die Definition der Fälle, die beim Peer Besuch besprochen werden sollen, wird ebenfalls zentral durchgeführt. Herangezogen wird dazu in der Regel die Altersangabe oder auch die Definition von operativen Verfahren.

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O. Rink

Die Klinik, die besucht wird, hat die Aufgabe, die maximal 20 Fälle aus der generierten Fallliste zu den Krankenaktenakten rückzuverfolgen und jeden Fall retrospektiv nach den IQM Analysekriterien zu bearbeiten und abschließend den Fall zu bewerten. Die Bewertung muss den Fall in eine von drei Kategorien einordnen: 1. Optimierungspotenzial vorhanden, 2. Kodierfehler, 3. optimaler Verlauf. Am Review Tag wird nach der Begrüßung und Vorstellung der Peer’s der Tagesablauf nochmals miteinander verlässlich festgelegt. In der Regel werden für die Aktenanalyse 3 bis 4 Stunden benötigt, die Peers folgen den gleichen Regeln wie die Klinik. Dann lässt sich errechnen, wie hoch in Prozent das Optimierungspotenzial bei den analysierten Fällen war und auch die Übereinstimmung mit der Beurteilung der Kollegen vor Ort pro Fall darstellen. Danach erfolgt nachmittags die gemeinsame kollegiale Diskussion aller Fälle mit den beteiligten Kollegen der Klinik. In dieser Diskussion werden gemeinsam konkrete Maßnahmen erarbeitet, die Optimierungen erwarten lassen. Am Ende werden die wichtigsten Punkte der Klinikleitung vorgestellt, die neben dem Chefarzt für die Umsetzung der benannten Maßnahmen als Kontrollinstanz mit verantwortlich sind. Die Ergebnisse werden in einem standardisierten Protokoll festgehalten und der Klinik zur Verfügung gestellt, die daraus einen internen Maßnahmenplan entwickelt. Insgesamt ist also der Aufwand überschaubar und Kosten fallen lediglich als Reisekosten an, Für die Peer’s gibt es keine Vergütung, da alle Beteiligten im Sinne des Voneinander Lernens profitieren.

Ergebnisse Ergebnisse 2009 2009 wurden 4 Pilot Projekte durchgeführt. Die Kliniken hatten sich freiwillig für ein Peer Review Verfahren zur Verfügung gestellt (Tabelle 1). Das Optimierungspotenzial der analysierten Fälle (maximal 20 pro Review) lag durchschnittlich bei 57% und die Übereinstimmung in der Fallbeurteilung zwischen Klinik und Review Team bei 40%, das heißt, in 40% der Akten war die Beurteilung durch Review Team und die Klinik gleich. Die wichtigsten Erkenntnisse aus den Pilotverfahren waren:

1. Optimierungspotenzial ist nach den Analysekriterien gut zu identifizieren, auch in interdisziplinären Prozessen 2. Die Zusammensetzung der Review Teams ist erfolgsrelevant 3. Die kollegiale Diskussion der Fälle ist entscheidend für den Umgang mit den Ergebnissen und die Akzeptanz des Verfahrens 4. Die Integration der GF und des ÄD ist wichtig für die Umsetzung der Optimierungs-vorschläge vor Ort 5. Nachhaltigkeit der Verbesserungen muss von den Trägern gewährleistet werden (GF / ÄD)

Ergebnisse 2010 2010 wurden die ersten regulären Peer Review Verfahren durchgeführt. Das Aufgreifkriterium für ein Peer Review Verfahren war: Kennzahl über dem Erwartungswert mit genügend großer Fallzahl und Fälle aus einer Fachabteilung. Die Beschränkung auf 21 Verfahren war der noch geringen Anzahl geschulter Peer’s geschuldet. Das Optimierungspotenzial lag 2010 zwischen 20 und 90% (64%) und die Übereinstimmung in der Fallbeurteilung zwischen 10 und 85% (53%) Die Themen, die sich inhaltlich als Handlungsfelder identifizieren ließen waren: • In nur 33% der Reviews war die Dokumentation befriedigend • In nur 43% der Reviews war der Behandlungsprozess hinterfragt • In nur 48% der Reviews war die Diagnostik / Behandlung adäquat und zeitgerecht durchgeführt. Die Rückschlüsse, die aus dem Verfahren 2010 gezogen wurden, waren ähnlich wie 2009: 1. Das Optimierungspotenzial zeigt eine hohe Treffsicherheit in der Auswahl der Review Verfahren an. 2. Bessere Information der Kliniken im Vorfeld des Review Verfahren, Entwicklung von Checklisten und Informationsmaterial 3. Training der Peer‘s mit dem Fokus auf Moderation und Gesprächsführung

Tabelle 1 Auswertung der Pilotprojekte 2009 nach den Analysekriterien pro Indikator Antwortmöglichkeiten: ja — fast immer — häufig nicht — fast nie. Aufgreifkriterium für das Verfahren

Apoplex /Tod

Herzinsuff/Tod

AMI /Tod

Beatmung>24h/Tod

Diagnostik und Behandlung adäquat und zeitgerecht? Behandlungsprozess zielführend und zeitnah kritisch hinterfragt? Indikation zur OP / Intervention / Intensivtherapie angemessen und rechtzeitig Wurden Behandlungsleitlinien und Standards berücksichtigt? War die Dokumentation umfassend und schlüssig? Interdisziplinäre Zusammenarbeit reibungslos? Kontrollen der Behandlungsverläufe?

Häufig nicht

Häufig nicht

ja

Fast immer

Fast immer

Häufig nicht

Häufig nicht

Fast nie

Fast immer

Häufig nicht

Häufig nicht

Fast immer

Häufig nicht

Häufig nicht

Fast immer

Fast immer

Häufig nicht ja ja

Häufig nicht ja Fast immer

Häufig nicht ja Fast nie

Fast nie Fast immer Fast nie

Das IQM Peer Review Verfahren — Ergebnisse der Initiative Qualitätsmedizin

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Ratingergebnis Protokoll (Punkte 0 bis 21)

20

15

10

5

0 1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

8,00

9,00

10,00

Zufriedenheit der Klinik mit dem Review (Skala 1 bis 10)

Abbildung 1

Korrelation von Bewertung und Feed back.

Das Feed back, das von den besuchten Kliniken eingefordert wurde, zeigte eine durchschnittlich hohe Zufriedenheit mit dem Verfahren. Es wurde auch der Frage nachgegangen, ob eine eher kritische Bewertung des Review Teams zu einer schlechten Bewertung im Feed back Fragebogen führt. Diese Hypothese konnte nicht bestätigt werden, auch bei hohem Optimierungspotenzial waren die besuchten Kliniken mit dem Verfahren in der Regel sehr zufrieden. Die Unzufriedenheit von zwei besuchten Kliniken war verknüpft mit einer atmosphärischen Störung bei den Gesprächen. (Abb. 1) Die Verfahrensbegleitung durch die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern hat zu einer gemeinsamen Entwicklung des Curriculums ,,Ärztliches Peer Review Verfahren‘‘ geführt und zu einer deutlichen Optimierung des IQM Verfahrens beigetragen. Besonders profitiert hat die deutlich professionellere Schulung der Peers, die neben der Vermittlung von Verfahrensregeln den eindeutigen Schwerpunkt auf Moderation und Gesprächsführung legt.

Ergebnisse 2011 2011 wurde die Anzahl der Review Verfahren auf 42 erhöht. Auch in diesem Jahr war das Aufgreifkriterium für die Peer Review Verfahren: Kennzahl über dem Erwartungswert mit genügend großer Fallzahl und Fälle aus einer Fachabteilung und kein Review in der gleichen Klinik bei der gleichen Kennzahl. Es sollten alle Trägergruppen berücksichtigt werden und neue Kennzahlen als Aufgreifkriterium für das Verfahren ausprobiert werden. Neue Fachgebiete kamen hinzu, in der Gefäßchirurgie und der Herzchirurgie wurden Peer Review Verfahren durchgeführt. Das Optimierungspotenzial lag wie im Vorjahr bei 64% und die Übereinstimmung in der Beurteilung der Fälle bei 59% (gegenüber 53% 2010). Die Handlungsfelder, die wir 2011 gefunden haben, waren: • Dokumentation (40% befriedigend) • Kontrollen der Behandlungsverläufe (44% befriedigend) • Behandlungsprozess ziel führend und zeitnah kritisch hinterfragt (50% befriedigend) • Diagnostik / Behandlung adäquat und zeitgerecht (65% befriedigend)

Die Rückmeldungen der besuchten Kliniken zu den Peer Review Verfahren wurden anhand der Feed back Fragebögen analysiert. Insgesamt zeigte die Auswertung der Fragebögen 2011 ein besseres Ergebnis als 2010. Die Gesamtnote auf einer Skala von 1 bis 10 lag 2010 bei 2,3 und 2011 bei 1,7. (Tab. 2)

Auswirkungen auf die Kennzahlen in den besuchten Kliniken Am Review Tag wird in der gemeinsamen Falldiskussion des Peer Teams mit den Ärzten der besuchten Klinik eine konkrete Arbeitsliste erstellt, die mit Zuständigkeiten und Zeitplan versehen wird. Diese Punkte sollen in den Kliniken zu einem Maßnahmenplan entwickelt werden, der in das interne Qualitätsmanagement integriert ist und zeitnah abgearbeitet wird. Diese Veränderungen führen zu Optimierungen, die nach einiger Zeit in den Ergebniskennzahlen sichtbar werden. In einer Klinik lag die Todesfallrate bei Herzinfarkt 2008 bei 12,2%. Die Kennzahl fiel nach einem Peer Review Verfahren 2009 auf 6,2% in 2010 und weiter auf 5,3% in 2011 und liegt damit unter dem Erwartungswert von 8,6%.(Abb. 2) Der Erwartungswert ist die Alters- und Geschlechtsspezifisch adjustierte Sterblichkeit der Klinik, die sich aus den Bundesdurchschnittswerten pro Klinik errechnen lässt. Das bedeutet, dass in 2010 und 2011 der tatsächliche Wert in der Klinik niedriger lag, als nach der Alters und Geschlechtsverteilung zu erwarten gewesen wäre. Dieser Effekt hat nach dem Review 2009 angehalten, da die Optimierungsvorschläge konsequent umgesetzt wurden.

Tabelle 2 2011.

Auswertung der Feed back Fragebögen 2010 und

Organisation Abschlussgespräch Atmosphäre Ergebnis Gesamt

2010

2011

2,0 2,2 1,9 3,2 2,3

1,6 1,6 1,4 2,3 1,7

564

O. Rink Herzinfarkt und Tod

14 12

%

10 8 6 4 2 0 2007

2008

2009 Rate

Abbildung 2

2010

2011

Erw.

Kennzahl Herzinfarkt und Tod.

In einer weiteren Klinik wurde das Thema Herzinsuffizienz und Tod 2009 analysiert. Die Todesfallrate sank nachfolgend von 19,8% vor dem Review auf 10,5% in 2010 und 11,7% in 2011. Dabei sind in diesem Falle die Schwankungen auch auf kleine Fallzahlen zurück zu führen. Das Thema Schlaganfall und Tod wurde ebenfalls 2009 in einer Klinik als Pilotprojekt untersucht. Hier samk die Todesfallrate von 15,8% in 2008 auf 14,2% in 2010 und 9,1% in 2011. Das Pilotprojekt ,,Beatmung >24h und Tod in der Unfallchirurgie‘‘ entspricht keiner offiziellen Kennzahl in unserem System, sodass hier keine Vergleichsdaten der Folgejahre vorliegen.

Diskussion Die Frage wie kann man Qualität im Krankenhaus messen und positiv beeinflussen steht seit vielen Jahren im Fokus [4,5,8]. Dazu wurden in der Regel Daten erhoben und ausgewertet wie zum Beispiel im Rahmen der BQS oder bei vielen Zertifizierungsprojekten [1]. Die Datenpools waren hier nie annährend vollständig und die Dokumentationsarbeit im Krankenhaus zum Teil massiv. Dadurch war auch die Akzeptanz eher mäßig. In den letzten Jahren hat sich die Kennzahlenmessung auf der Grundlage von Routinedaten immer mehr durchgesetzt, da in einem solchen System eben gerade keine zusätzliche Dokumentation notwendig ist und die Datenpools weitestgehend vollständig sind [2]. Im IQM Kennzahlensystem können sich Kliniken am Bundesdurchschnitt messen oder auch mit Kliniken ähnlicher Struktur intern vergleichen. Statistische Auffälligkeiten bei einzelnen Kennzahlen werden schnell deutlich und können dann durch das Peer Review Verfahren weiter analysiert werden. Das Kernstück des Peer Review Verfahrens ist die ärztliche kollegiale Falldiskussion, die zu einer breiten Akzeptanz geführt hat. Dies lässt sich eindeutig aus der hohen Zufriedenheit mit dem Verfahren auch in Korrelation mit den Bewertungen der Peers ableiten. Die Diskussion auf Augenhöhe und die gemeinsame Entwicklung von Lösungen führt zu einer zeitnahen Umsetzung der besprochenen Themen. Veränderungen lassen sich damit deutlich schneller erzielen als in anderen Systemen und werden in den Kennzahlen deutlich [6]. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Auswahlkriterien für die Peer Review Verfahren gut geeignet waren, Optimierungspotenzial zu identifizieren, es lag jeweils bei 64% der Fälle. Die hohe Übereinstimmung in der

Beurteilung der einzelnen Fälle zwischen der Klinik und dem Peer Team von 53% und 59% zeigt eine hohe Akzeptanz der Analysekriterien und mit dem Verfahrensablauf. Weiterhin deutet auch die Auswertung der Feedback Fragebögen auf eine zunehmend breite Akzeptanz des Verfahrens — die Bewertung verbesserte sich von 2,4 auf 1,7.(Tab. 2) Offensichtlich ist es gelungen zu vermitteln, dass das Verfahren Vertrauen schafft durch gemeinsame Suche nach zukunftsorientierten Lösungen und auf Schuldzuweisungen jeglicher Art verzichtet. Die selbstbestimmte gemeinsame ärztliche Untersuchung von Problemfällen führt zu einer kollegialen Diskussion mit einer zunehmend offenen Fehlerkultur. Es entstehen trägerübergreifende Netzwerke, die zu gegenseitiger Konsultation und Hilfe genutzt werden. Das ist zwanglos aus den schriftlichen Rückmeldungen abzuleiten. Aus den 67 Verfahren von 2009 bis 2011 lassen sich einige Handlungsfelder ableiten, in denen offensichtlich ganz allgemein hohes Optimierungspotenzial besteht — vermutlich nicht nur in den besuchten Kliniken. An erster Stelle ist hier die Dokumentation in den Krankenakten zu nennen, die besonders von ärztlicher Seite oft beklagenswert erscheint — in 33% und 40% gut oder befriedigend. Die Frage, ob der Behandlungsprozess ziel führend und zeitnah kritisch hinterfragt wurde, ist ebenfalls nur in 43% und 50% positiv beurteilt worden. Das bedeutet, dass die Verifizierung oder der Ausschluss von Arbeits- oder Differentialdiagnosen oftmals nicht inhaltlich nachvollziehbar aus dem Diagnostik- und Behandlungsverlauf ablesbar war. Insofern hat dies auch nur sehr bedingt mit Dokumentation zu tun. In 48% und 65% der Fälle war der gesamte Behandlungsverlauf inhaltlich adäquat und zeitgerecht abgelaufen. Bei diesem Punkt finden sich häufige Schnittstellenprobleme wie zum Beispiel nicht zeitgerechte Verlegung des Patienten auf eine Intensivstation. Diese Handlungsfelder sollen alle Kliniken intern bei sich überprüfen, da davon aus zu gehen ist, dass sich hier fast überall etwas verbessern lässt. Seitdem mit Kennzahlensystemen gearbeitet wird, ist bekannt, dass allein deren interne Veröffentlichung in einer Klinik geeignet ist, positive Veränderungen herbei zu führen [2]. Ein Effekt betrifft erfahrungsgemäß die Kodierqualität in den Kliniken, die sich erheblich verbessert, so zu sagen ein Nebeneffekt, der die künftigen Messungen beeinflusst. Vergleicht man also in der Folgezeit die Kennzahlen einer Klinik, in der ein Peer Review Verfahren durchgeführt wurde, ist deren Optimierung als Summe mehrerer Faktoren anzusehen. Welche Faktoren bei der Verbesserung der Messergebnisse exakt welchen Anteil haben muss in Zukunft weiter untersucht werden. Sicher erscheint allerdings, dass

Gesundheitsthemen im Internet — neue Kurzinformation erschienen neben Kodiereffekten auch die Optimierung interner Prozesse eine größere Rolle spielt [6]. Das ist bereits jetzt an konkreten Beispielen nachweisbar. (Abb. 2) Um längerfristig die Nachhaltigkeit der Veränderungen beurteilen zu können, wird man die Entwicklung weiter beobachten müssen. Die Industrie arbeitet seit langem an ausgefeilten Sicherheitsstrategien, die immer wieder Vorbild für Qualitätsprojekte in der Medizin waren. So wurden vor Jahren die Fehlerbearbeitung und Checklisten aus der Flugsicherung an medizinische Prozesse adaptiert. Kürzlich wurde vorgeschlagen, Sicherheitsstrategien aus der Atomindustrie für die Medizin anzupassen. Hier insbesondere der prospektive Peer Review Ansatz, der in der Atomindustrie in Lage ist, latente Fehlerpotenziale aufzudecken und zu minimieren. Die Hauptfaktoren für den Erfolg eines solchen Ansatzes wären: ein klar definiertes System mit klaren Regeln, interdisziplinäre externe Peer Teams, Benefit für Peers und besuchte Klinik, keine Repressalien für die besuchte Klinik [9]. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass ein solches System nur in einer Atmosphäre von Offenheit, Vertrauen und kritischer Selbsteinschätzung wachsen kann. Weiterhin werden Peers gebraucht, die einerseits fachlich unantastbar sind aber auch integrativ wirken, ihre Rolle verstehen und in Gesprächsführung trainiert sind [9]. Diese Kernpunkte wurden bereits bei der Gründung von IQM 2008 in dem Handlungskonsens festgeschrieben: offene Information für alle Mitglieder, Transparenz der Ergebnisse und aktives Qualitätsmanagement mit dem Peer Review Verfahren.

Literatur [1] BQS-Institut. ,,Strukturierter Dialog‘‘ - Wie wird der Strukturierte Dialog durchgeführt? Available from: http://www.bqsinstitut.de/innovationen/strukturierter-dialog.html (Last visited: 2011 JAN 11); 2011. [2] Mansky T. The use of administrative data for measuring medical outcome-perspectives. Dtsch Med Wochenschr 2008;133:S135. [3] Shackford SR, Hyman N, Ben-Jacob T, Ratliff J. Is risk-adjusted mortality an indicator of quality of care in general surgery? A comparison of risk adjustment to peer review. Ann Surg 2010;252:452—9. [4] Grol R, Lawrence M. Quality improvement by peer review. Oxford: Oxford University Press; 1995. [5] Hayward RA, Hofer TP. Estimating hospital deaths due to medical errors. Preventability is in the eye of the reviewer. JAMA 2001;286:415—20. [6] Krahwinkel W. 10 Jahre Peer Review — Verbesserung der medizinischen Behandlung durch Qualitätsindikatoren aus Routinedaten. Dtsch Med Wochenschr 2011;136:2083—8. [7] Kiefe CI, Allison JJ, Williams OD, Person SD, Weaver MT, Weissmann NW. Improving quality improvement using achievable benchmarks for physician feedback. A randomized conrolled trial. JAMA 2001;285:2871—9. [8] HELIOS Kliniken Gruppe. Ergebnisqualität sicher messen und aktiv verbessern — Medizinische Jahresberichte 2000-2007 der HELIOS Kliniken Gruppe. Available from: http://www.helios-kliniken.de (Last visited: 2010 JUN 16). [9] Hudson DW. Toward Improving Patient Safety Through Voluntary Peer-to-Peer Assessment. American Journal of Medical Quality 2011;XX(X):1—9.

Gesundheitsthemen im Internet — neue Kurzinformation erschienen Unter der Überschrift ,,Gute Informationen im Netz finden‘‘ hat das ÄZQ Tipps zusammengestellt, mit deren Hilfe Patienten gute und vertrauenswürdige medizinische Internetseiten besser erkennen können. Die Reihe ,,Kurzinformationen für Patienten (KiP)‘‘ entwickelt das ÄZQ im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der

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