Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis – ein Beitrag zur Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit

Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis – ein Beitrag zur Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit

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+Model ZEFQ-1245; No. of Pages 12

ARTICLE IN PRESS

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2013) xxx, xxx—xxx

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis — ein Beitrag zur Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit Structured medication management in primary care — a tool to promote medication safety Cornelia Mahler 1,∗, Tobias Freund 1, Annika Baldauf 1, Susanne Jank 2, Sabine Ludt 1, Frank Peters-Klimm 1, Walter Emil Haefeli 2, Joachim Szecsenyi 1 1

Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Klinik, Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie

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Eingegangen/submitted 6. Februar 2013; überarbeitet/revised 15. Juli 2013; akzeptiert/accepted 29. Juli 2013

SCHLÜSSELWÖRTER Arzneimitteltherapiesicherheit; Multimedikation; strukturiertes Medikamentenmanagement; Hausarztpraxis; Medizinische Fachangestellte



Zusammenfassung Patienten mit chronischen Erkrankungen sind auf die Einnahme von meist mehreren Medikamenten angewiesen. Interaktionen, Nebenwirkungen, suboptimale Therapietreue und Selbstmedikation sind Komponenten, die sich auf die Arzneimitteltherapiesicherheit auswirken und für den Patienten schwerwiegende Folgen haben können. Ein regelmäßiger Abgleich der verordneten Medikation mit tatsächlich eingenommenen Medikamenten findet ebenso wie eine strukturierte Erhebung arzneimittelbezogener Probleme in Deutschland bisher nur selten statt. Die in den USA und Großbritannien entwickelten Methoden des ,,Medication reconciliation‘‘ bzw. ,,Medication review‘‘ haben das Ziel durch die strukturierte Erfassung der Medikation die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen und stellen somit ein Instrument der Qualitätsförderung dar.

Korrespondenzadresse: Dr. Cornelia Mahler RbP M.A., Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Vossstr. 2, 69115 Heidelberg. Tel.: +49 6221 56 6264; Fax: +49 6221 56 1972. E-Mails: [email protected] (C. Mahler), [email protected] (T. Freund), [email protected] (A. Baldauf), [email protected] (S. Jank), [email protected] (S. Ludt), [email protected] (F. Peters-Klimm), [email protected] (W.E. Haefeli), [email protected] (J. Szecsenyi).

1865-9217/$ – see front matter http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.07.011

Please cite this article in press as: Mahler C, et al. Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis — ein Beitrag zur Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2013), http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.07.011

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C. Mahler et al. Im Rahmen des Projekts HeiCare® wurde ein strukturiertes Medikamentenmanagement für die Hausarztpraxis entwickelt, in dem Medizinische Fachangestellte (MFA) bei der Umsetzung große Teile übernehmen. Das strukturierte Medikamentenmanagement sowie die dazu entwickelten Instrumente für den Medikamentencheck und das Medikamentengespräch werden hier vorgestellt. Erkenntnisse über Machbarkeit und Akzeptanz aus unterschiedlichen Projekten, mit Erfahrungen aus insgesamt 200 Hausarztpraxen (56 HeiCare® , 29 HiCMan, 115 PraCMan), werden berichtet. Die Ergebnisse wurden anhand von schriftlichen Datenerhebungen und Fokusgruppen gewonnen. Die Einführung des strukturierten Medikamentenmanagements in die tägliche Routine wurde als Herausforderung gesehen. Allerdings werden die Checklisten aufgrund der hohen Relevanz des Medikamentenabgleichs für den klinischen Alltag — einmal erfolgreich eingeführt - auch über die Projektphasen hinaus verwendet. Sie bewirkten eine regelmäßige Überprüfung der Medikation und einen Abgleich der ärztlichen Dokumentation der Medikation (Medikamentenplan) mit der tatsächlich eingenommenen.

KEYWORDS Medication safety; polypharmacy; structured medication management; general practice; medical assistant

Summary Patients with chronic disease usually need to take multiple medications. Drug-related interactions, adverse events, suboptimal adherence, and self-medication are components that can affect medication safety and lead to serious consequences for the patient. At present, regular medication reviews to check what medicines have been the prescribed and what medicines are actually taken by the patient or the structured evaluation of drugrelated problems rarely take place in Germany. The process of ‘‘medication reconciliation’’ or ‘‘medication review’’ as developed in the USA and the UK aim at increasing medication safety and therefore represent an instrument of quality assurance. Within the HeiCare® project a structured medication management was developed for general practice, with medical assistants playing a major role in the implementation of the process. Both the structured medication management and the tools developed for the medication check and medication counselling will be outlined in this article; also, findings on feasibility and acceptance in various projects and experiences from a total of 200 general practices (56 HeiCare® , 29 HiCMan,115 PraCMan) will be described. The results were obtained from questionnaires and focus group discussions. The implementation of a structured medication management intervention into daily routine was seen as a challenge. Due to the high relevance of medication reconciliation for daily clinical practice, however, the checklists — once implemented successfully — have been applied even after the end of the project. They have led to the regular review and reconciliation of the physicians’ documentation of the medicines prescribed (medication chart) with the medicines actually taken by the patient.

Hintergrund Die Arzneimitteltherapie ist eine wichtige Säule bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen. Chronisch kranke Patienten nehmen häufig mehr als 5 Medikamente ein [1] und müssen zur Verordnung bzw. Wiederbeschaffung eines Medikaments mindestens einmal im Quartal zum Arzt [2]. Mit der Zahl der eingenommenen Medikamente nimmt das Risiko von Wechselwirkungen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu [3] wodurch es zu vermeidbaren Krankenhausaufenthalten [4] oder vermeidbaren Todesfällen [5] kommen kann. Angesichts dieser Tatsachen, sollte beim Hausarzt am häufigsten mit dem Patienten über seine Medikamente gesprochen werden. Weiterhin besteht das Problem, dass Hausärzte häufig von mitbehandelnden Ärzten nicht rechtzeitig über neu verschriebene Medikamente informiert werden [6]. Die Allgemeinarztpraxis ist der Dreh- und Angelpunkt der Arzneimittelverordnung, betrachtet man die Tatsache, dass im Jahr 2010 von den knapp 626 Millionen Verordnungen 326 Millionen (52%) Arzneimittelpackungen, und damit der größte Teil, von Allgemeinmedizinern und

praktischen Ärzten verordnet wurden [7]. Allerdings nimmt das Arzneimittelgespräch nur einen sehr kleinen Teil des Arzt-Patienten-Kontakts ein [8—10]. Auch wenn diese Daten nicht aus Deutschland stammen ist zu vermuten, dass dies hier ebenso der Fall ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Arzt-Patienten-Kontakt im Median nur 9,1 Minuten dauert [11]. Unter diesem Zeitdruck ist es nicht erstaunlich, dass die Patienten zusätzlich verordnete Arzneimittel von anderen Ärzten oder Selbstmedikation aus der Apotheke nur selten gegenüber ihrem Hausarzt erwähnen [12,13]. Durch dieses Informationsdefizit, das meist organisatorischer Natur ist [14], kommt es häufig zu Unterschieden zwischen den verordneten Medikamenten und solchen, die die Patienten tatsächlich einnehmen [15,16]. Auch wird im ärztlichen Medikationsgespräch bisher nur wenig Zeit darauf verwendet, klinisch relevante Themen wie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Allergien und Unverträglichkeiten, Folgen der Nichtbeachtung des Behandlungsplans, Einstellungen zur Medikation und Gründe für eine mögliche Nichteinnahme [17—19], zu besprechen, welche alle die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) beeinträchtigen können.

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Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis Der AMTS wird wachsende Beachtung geschenkt und mehrere Initiativen in Deutschland (z.B. ,,Mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie‘‘, KBV 2012) zielen darauf ab, diese durch eine Sensibilisierung von Patienten und Ärzten zu erhöhen. Unter AMTS versteht man ,,die Gesamtheit der Maßnahmen zur Gewährleistung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs eines Arzneimittels. Damit wird eine optimale Organisation des Medikationsprozesses mit dem Ziel angestrebt, unerwünschte Arzneimittelereignisse insbesondere durch Medikationsfehler zu vermeiden und damit das Risiko für den Patienten bei einer Arzneimitteltherapie zu minimieren‘‘ [20,S. 21]. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der AMTS ist der regelmäßige strukturierte Medikamentenabgleich (,,Medication reconcilliation‘‘ oder ,,Medication review‘‘) zwischen Patient und Leistungserbringern. ‘‘Medication Reconciliation’’ wird definiert als ‘‘The formal process of obtaining a complete and accurate list of each patient’s current home medications including name, dosage, frequency, and route of administration, and comparing admission, transfer, and/or discharge medication orders to that list. The reconciliation is done to avoid medication errors.‘‘ Eigene Übersetzung: Der strukturierte Prozess zur Erhaltung einer vollständigen und genauen Liste der aktuellen häuslichen Medikation des Patienten mit Präparatname, Dosis, Dosierungsschema und Applikationsweg um im weiteren Prozess die Einweisungs-, Überweisungs- und/oder Entlassmedikation mit dieser Liste zu vergleichen. Der Medikamentenabgleich wird durchgeführt, um Medikationsfehler zu vermeiden. [‘‘Medication Reconciliation’’ [Mesh] URL: http://www.ncbi.nlm.nih. gov/] Aus Untersuchungen in Krankenhäusern der USA ist bekannt, dass dies zu einer Verbesserung der AMTS führen kann [21,22]. Dabei wird in einem strukturierten Prozess die Arzneimittelanamnese erhoben und diese mit den Medikamenten bei Aufnahme bzw. Entlassung des Patienten abgeglichen. Medikationsbezogene Fehler können dabei entdeckt werden. An diesem Prozess können unterschiedliche Berufsgruppen beteiligt sein [23,24], wobei die Verantwortlichkeiten klar geregelt sein müssen [25]. In der Primärversorgung erfolgte in Deutschland im Projekt AGnES ein Medikamentenabgleich durch geschulte Praxisangestellte/Pflegende in Kooperation mit Hausärzten und Apotheken. Dadurch konnten Neben- und Wechselwirkungen der eingenommenen Medikamente identifiziert werden [26,27]. Patienten empfanden die systematische Überprüfung ihrer Medikation als hilfreich [26]. In einem Krankenhaus konnten aufgrund des Medikamentenabgleichs durch einen Klinischen Pharmazeuten ebenfalls medikamentenbezogene Fehler, wie z.B. Übertragungsfehler entdeckt werden [28]. Die Hausärztliche Leitlinie Multimedikation empfiehlt auf Grund der Studienlage die Durchführung eines strukturierten Medikamentenreviews bei Patienten mit Multimedikation [29]. In Großbritannien wurde im Rahmen des ,,Medicines Partnership Programme‘‘, initiiert vom Department of Health 2002, ebenfalls eine strukturierte Vorgehensweise für den ,,medication review‘‘ in der Primärversorgung, unter Einbeziehung des Patienten, empfohlen, um den eingangs erwähnten Problemen entgegenzuwirken und die AMTS zu gewährleisen [30]. Auch dies erfolgte multidisziplinär durch Hausärzte, Praxismitarbeiter, Pflegende und Apotheker.

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Ziel dieses Beitrags ist die Vorstellung eines Konzepts des strukturierten Medikamentenmanagements für die Hausarztpraxis und dessen Anwendung sowie die Darstellung der verwendeten Checklisten. Das Konzept wurde im Rahmen des Projekt HeiCare® entwickelt und teilweise erprobt und in weiteren Projekten pilotiert und angewendet. Erfahrungen aus Projekten, in denen das strukturierte Medikamentenmanagement in Deutschland umgesetzt wurde, werden berichtet.

Das Konzept des strukturierten Medikamentenmanagements Unter strukturiertem Medikamentenmanagement verstehen wir eine festgelegte Vorgehensweise in der Handhabung der Arzneimitteltherapie in der Hausarztpraxis unter Einbeziehung des Patienten mit dem Ziel der Qualitätssicherung und damit auch der Förderung der Arzneimitteltherapietreue. Diese strukturierte Vorgehensweise ist sowohl bei der Erstverordnung von Arzneimitteln, als auch bei der Ausstellung eines Wiederholungsrezepts, der Arzneimittelüberprüfung und dem Arzneimittelgespräch in regelmäßigen Abständen erforderlich, um die Sicherheit und Effektivität der Arzneimitteltherapie zu maximieren. Das strukturierte Medikamentenmanagement besteht aus den im Folgenden dargestellten sechs Schritten, die als ein Qualitätszyklus betrachtet werden können (Abbildung 1). Wesentliches Element des Medikamentenmanagements ist der Medikamentencheck mit dem dazugehörigen Medikamentengespräch, das von der MFA durchgeführt wird. Ein wichtiger Fokus hierbei ist die Überprüfung der richtigen Arzneimittelanwendung und das Verständnis des Patienten für seine Medikamente. Basierend auf den Empfehlungen des Medicine-Partnership-Projekts (2002) [30] wurden hierzu Checklisten entwickelt, die gemeinsam mit dem Patienten ausgefüllt werden. Der Medikamentencheck soll mindestens einmal jährlich durchgeführt werden bei Personen über 75 Jahre, mindestens alle 6 Monate bei Personen die 4 oder mehr verschiedene Medikamente einnehmen sowie nach jedem Krankenhausaufenthalt [30]. Folgende Vorgehensweise wurde hierfür gewählt: 1. Zu Beginn des strukturierten Medikamentenmanagements wird der Patient anhand eines Informationsblatts zu einem Medikamentencheck eingeladen. Hierin wird er über das Ziel des Medikamentenchecks und die dafür benötigte Zeit informiert. Er wird gebeten, zum vereinbarten Termin alle Medikamente in die Hausarztpraxis mitzubringen, die er derzeit einnimmt (Brown-bagReview), damit diese gemeinsam mit der MFA aufgelistet werden können. Weiter wird der Patient aufgefordert, etwaige Fragen oder Bedenken zu seinen Medikamenten im Vorfeld zu notieren, um sie später mit dem Hausarzt zu besprechen. 2. Den Medikamentencheck und das zugehörige Medikamentengespräch führt die MFA mit dem Patienten zum vereinbarten Termin durch. Als Leitlinie verwendet die MFA die Checklisten ,,Medikamentencheck‘‘ (siehe Abbildung 2) und ,,Medikamentengespräch‘‘ (Abbildungen 3a-c):

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C. Mahler et al.

Abbildung 1

Abbildung 2

Darstellung der verschiedenen Schritte im Medikamentenmanagement.

Medikamentencheck. Checkliste für die Erfassung aller eingenommenen Medikamente des Patienten.

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Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis Die MFA bittet den Patienten, alle mitgebrachten Medikamente, die er regelmäßig oder ,,bei Bedarf‘‘ einnimmt, auf dem Tisch auszubreiten. Dies schließt auch solche Medikamente ein, die er sich selbst

5 z.B. in der Apotheke oder Drogerie besorgt hat, von einem anderen Arzt verschrieben bzw. verordnet bekommen hat oder über Familienmitglieder oder Bekannte besorgt oder mitgebracht bekommen hat.

Abbildung 3 a Checkliste als Leitlinie für das Medikamentengespräch zwischen Patient und MFA (Seite 1) b Checkliste als Leitlinie für das Medikamentengespräch zwischen Patient und MFA (Seite 2) c Checkliste als Leitlinie für das Medikamentengespräch zwischen Patient und MFA (Seite 3).

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C. Mahler et al. Die MFA geht jedes einzelne Medikament mit dem Patienten durch und trägt es in die Checkliste ,,Medikamentencheck‘‘ ein. Dabei notiert sie, wer das Medikament verordnet hat und die Aussage des Patienten, wie und wann er es einnimmt. Auf der Checkliste werden Handelsname, Wirkstoff, Verabreichungsform, Herkunft (Hausarzt, Facharzt, Selbstmedikation) und

(b)

Einnahmemenge so dokumentiert, wie der Patient sie angibt. Das dazugehörige ,,Medikamentengespräch‘‘ anhand der Checkliste (Abbildungen 3a-c) dient dazu, Schwierigkeiten der Patienten bei der Einnahme ihrer Medikation zu erfassen bzw. Bereiche, bei denen der Patient noch Informationsbedarf durch den Arzt benötigt, zu identifi-

Medikamentengespräch Seite 2 von 3 Fortsetzung:

ja

nein

nicht zutreffend

Saft ausschenken







Verwenden von Augen-, Nasen- oder Ohrentropfen







Insulin spritzen







anderen Gerätschaften (z.B. Sprays, …)







Lesen der Beschriftung der Medikamentenverpackung und des Beipackzettels







ja

nein





2.

Nehmen Sie die Medikamente meistens so ein, wie sie verschrieben sind?

3.

Unter welchen Umständen kann es vorkommen, dass Sie die Einnahme variieren? _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________  oft

4.

Wie häufig vergessen Sie Ihre Medikamente einzunehmen?

5.

Benutzen Sie eine Erinnerungshilfe zur Einnahme Ihrer Medikamente?

 manchmal

 nie

 ja

 nein

Wenn Ja, welcher Art? (Bsp. Medikamentenbox, Dosett, Wecker) ____________________________________________________________________________ Hilft Ihnen das immer? ____________________________________________________________________________ 6. Hilft Ihnen jemand Ihre Medikamente einzunehmen? Wenn ja, wer hilft Ihnen dabei meistens?

 ja

 nein

 Partner  Gemeindeschwester  Familienangehörige  andere: ______________________________

_____________________________________________________________________________________

7. Sind Sie der Ansicht, dass Sie bei der Medikamenteneinnahme Hilfe benötigen?

 ja

 nein

Von wem würden Sie sich diese Unterstützung wünschen? ______________________________________

Version Final 1.0 - 12.07.2013

Wobei helfen Sie Ihnen?

© 2007 Universitätsklinikum Heidelberg | Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung |  06221 56 8322 |  06221 56 197

Abbildung 3

(Fortsetzung)

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Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis zieren, z.B. falls der Patient nicht weiß wofür er ein Medikament einnimmt. Die MFA ermutigt dabei den Patienten, offen die Themen anzusprechen, die ihn bewegen. Sie fordert den Patienten auf, die Handhabung einzelner Medikamente (z.B. Dosieraerosol) zu demonstrieren, um die korrekte Applikationsweise zu überprüfen.

(c)

7 Fragen der Arzneimitteltherapietreue und zum Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des Medikamentenregimes, wie auch bei der Wiederbeschaffung der Medikamente, werden erfasst. Am Ende werden noch offene Fragen von der MFA gestellt, die es dem Patienten ermöglichen, Wünsche und Bedenken zur Medikation zu äußern.

Medikamentengespräch Seite 3 von 3 8. Was machen Sie mit Medikamenten, die Sie nicht mehr benötigen? ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________

Einschätzung der Case Managerin über den Bedarf an Einnahmehilfen: Der Patient benötigt Hilfestellung bei der Medikamenteneinnahme

 ja

 nein

Falls ja, wer könnte einbezogen werden? _______________________________________________________________________________

C: Hilfestellung „Wiederholungsrezept“: „Erzählen Sie mir, wie Sie Ihre Wiederholungsrezepte und Ihre Medikamente besorgen.“

1.

Denken Sie rechtzeitig daran das Wiederholungsrezept zu bestellen?







2.

Denken Sie rechtzeitig daran das Rezept abzuholen?







3.

Versäumen Sie Ihre Medikamente einzunehmen, aufgrund von Schwierigkeiten bei der Beschaffung?







4.

Welche Vereinbarungen haben Sie getroffen? z.B. Verwandtschaft besorgt Medikamente ____________________________________________________________________________________

Einschätzung der Case Managerin zur Thematik „Wiederholungsrezept“:  ja

Der Patient benötigt Hilfestellung bei Wiederholungsrezepten?

 nein

Falls ja, wer könnte einbezogen werden? _______________________________________________________________________________

D: Offene Fragen: „Haben Sie noch Fragen zu Ihren Medikamenten?“

_________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________________________ Durchführung und Weitergabe des

Vom Arzt entgegen- und zur Kenntnis genommen:

Medikamentengespräch an den Arzt: __________________________________ Datum/Unterschrift MFA

____________________________________ Datum/Unterschrift Arzt

Version Final 1.0 - 12.07.2013

_________________________________________________________________________________________

© 2007 Universitätsklinikum Heidelberg | Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung |  06221 56 8322 |  06221 56 197

Abbildung 3

(Fortsetzung)

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C. Mahler et al.

3. Die von der MFA erhobenen Informationen und Checklisten (Medikamentencheck und Medikamentengespräch) werden danach an den Hausarzt weitergeleitet. 4. Anschließend kann (sollte) die Medikation auf Wechselwirkungen und Interaktionen anhand einer Software (z.B. AiDPraxis, www.aidpraxis.de) überprüft werden (Qualitätsüberprüfung). Die eingenommen Medikamente werden dabei mit den in der Praxis-Software dokumentierten Medikamenten abgeglichen. Mögliche Diskrepanzen werden festgehalten. 5. Im Anschluss an die Qualitätsüberprüfung findet ein Medikamentengespräch zwischen Hausarzt und Patient statt. Der Hausarzt bespricht die Medikation und geht auf die Fragen des Patienten und seine Bedenken ein. Bei komplexen Medikamentenregimen kann in Abstimmung mit dem Patienten eine Überprüfung und Anpassung der Medikation (z.B. Priscus-Liste — siehe Hausärztliche Leitlinie Multimedikation) vorgenommen und gemeinsam mit dem Patienten das weitere Vorgehen (inkl. Termin für den nächsten Medikamentencheck) festgelegt werden. 6. Die mit dem Patienten vereinbarten Ziele und Inhalte des Gesprächs werden in der Patientenakte dokumentiert. Nun beginnt der Qualitätszyklus mit den einzelnen sechs Schritten von neuem: Je nach Alter des Patienten, Krankenhausaufenthalt bzw. Neuverordnung wird der Patient zum vereinbarten Zeitraum erneut zu einem Medikamentencheck eingeladen. In diesem erneuten Medikamentencheck können MFA, Hausarzt und Patient die vereinbarten Ziele/Veränderungen nachverfolgen (Monitoring). Das vorgestellte Vorgehen im strukturieren Medikamentenmanagement bietet dem Patienten Raum, seine Ängste, Befürchtungen sowie Schwierigkeiten im Umgang mit seinen Medikamenten zu äußern. Dies entspricht dem Wunsch vieler Patienten, da sie das Gefühl haben, wenig Gelegenheit zu haben mit ihrem Arzt ihre Bedenken zu teilen und über zu erwartende Nebenwirkungen ihrer Medikamente zu sprechen [31]. Da Patienten häufig eine kritischere Einstellung zu ihren Medikamenten haben, als Ärzte dies vermuten [32], ist es wichtig diese Einstellung zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren, um darauf eingehen zu können und entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der AMTS mit dem Patienten zu vereinbaren. Gleichzeitig können bei einem strukturierten Medikamentenmanagement Diskrepanzen zwischen Verordnung und Einnahme festgestellt und deren mögliche Ursachen sowie resultierende potentielle Wechselwirkungen und Nebenwirkungen identifiziert werden.

Aufgabenverteilung im strukturierten Medikamentenmanagement Das strukturierte Medikamentenmanagement mit seinen sechs Schritten benötigt Zeit. Um die einzelnen Schritte durchführen und die zeitliche Beanspruchung im Praxisalltag optimieren zu können, sind, wie bei der ,,Medication reconciliation‘‘ oder ,,Medication review‘‘, die einzelnen Schritte auf unterschiedliche in der Hausarztpraxis am Medikationsprozess beteiligten Berufsgruppen aufgeteilt worden.

So können die Schritte 1 bis 3 im strukturierten Medikamentenmanagement in der Arztpraxis durch eine geschulte MFA erfolgen, die Schritte 4 bis 6 durch den Hausarzt. Die Eingabe der Medikamente zur Qualitätsüberprüfung anhand einer geeigneten Software (Schritt 4) kann ebenfalls durch eine entsprechend qualifizierte MFA durchgeführt werden, solange klare Regelungen vorhanden sind, wie die Ergebnisse an den Hausarzt weitergeleitet werden.

Einführung eines strukturierten Medikamentenmanagements Folgende Hilfestellungen erleichtern die Einführung eines strukturierten Medikamentenmanagements in der Hausarztpraxis und wurden in den unterschiedlichen Projekten eingesetzt. Zum einen wurden begleitende Trainingsmodule für Ärzte und MFA angeboten; zum anderen Hinweise zur Aufgabenverteilung und zur Einbettung des Medikamentenmanagements in den Praxisalltag, wie zum Beispiel die Einbindung des Medikamentenchecks in die DMP-Sprechstunde. Für die Ärzte waren bei den Trainingsmodulen Hintergründe und Informationen zur Arzneimitteltherapietreue wie auch zu den Konsequenzen von Arzneimittelinteraktionen relevant; für die MFA waren z.B. Rollenspiele zur Durchführung eines Medikamentenchecks sinnvoll. Außerdem war es hilfreich, der MFA einen begleitenden Leitfaden zum strukturierten Medikamentenmanagement und Medikamentencheck an die Hand zu geben, wie er für die nachfolgend beschriebenen Projekte entwickelt wurde. Darin kann die MFA Hintergründe zu den gestellten Fragen nachlesen und sich auf ihre Aufgaben im Rahmen des Medikamentenchecks vorbereiten. So enthält der Leitfaden Hinweise zur Terminfindung, zur Information des Patienten wie auch zu förderlichen Rahmenbedingungen bei der Durchführung des Medikamentenchecks.

Erfahrungen mit dem strukturierten Arzneimittelmanagement aus HeiCare® und anderen hausarztbasierten Projekten: Das HeiCare® -Projekt hatte zum Ziel, Kommunikationslücken zwischen Hausärzten, Klinikärzten und Patienten zu schließen sowie Qualität und Sicherheit der Arzneimitteltherapie durch einen internetbasierten Interaktionscheck der Medikation zu verbessern [33]. Erste Erfahrungen mit der Einführung des strukturierten Arzneimittelmanagements wurden dabei gesammelt. Die Einführung des strukturierten Medikamentenmanagements erfolgte in den Praxen, die am HeiCare® -Projekt teilgenommen haben nach den individuellen Möglichkeiten und Ressourcen der einzelnen Praxen. Insgesamt haben sich 56 Praxen am HeiCare® Projekt beteiligt und 1003 Patienten in das Projekt eingeschrieben. Ärzte und MFA nahmen an den Trainingsmodulen teil. Bei wie vielen Patienten das strukturierte Medikamentenmanagement durchgeführt wurde, ist nicht bekannt. Bei einer schriftlichen Erhebung der Praxisdaten aller HeiCare® Praxen im Sommer 2007 wurden auch Fragen zur Handhabung unterschiedlicher Aufgaben im Medikamentenmanagement gestellt. 44 HeiCare® -Praxen (79%) haben ihren Fragebogen zurückgesendet. Es zeigte sich,

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Das strukturierte Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis

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N

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10

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2

0 Wer stellt das Wiederholungsrezept aus (n=44)

Wer befragt die Patienten zur Wer befragt die Patienten zur Wer überprüft das Rezept auf Wer überprüft die Medikamentenhandhabung Selbstmedikation (n=43) Medikation anderer Fachärzte Plausibilität (n=43) (n=44) bei Patienten (n=43)

Arzt

Abbildung 4 pen.

MFA

Arzt und MFA

Aufgabenverteilung des Medikamentenmanagements in HeiCare® -Arztpraxen. Aufgabenverteilung nach Berufsgrup-

dass das Medikamentenmanagement sehr unterschiedlich durchgeführt wurde. Dies wurde in der Aufgabenverteilung im Rahmen des Medikamentenmanagements sichtbar. Der Arzt übernahm meist noch selbst die Überprüfung der Handhabung der Medikation oder die Befragung der Patienten zur Einnahme weiterer Medikamente (Selbstmedikation oder Medikation von anderen Fachärzten) (Abbildung 4). Als Möglichkeit der Einbindung des Medikamentenchecks und -gesprächs in den Praxisalltag wurde den Praxen die Einbindung in die DMP-Sprechstunde vorgeschlagen. Dies wurde nur von etwa der Hälfte der HeiCare®- Praxen ,,ganz‘‘ oder ,,zum Teil‘‘ umgesetzt. Die MFA haben in den Trainingsmodulen signalisiert, dass trotz der hohen Relevanz des Medikamentenchecks oft nicht genügend Zeit im Praxisalltag zur Verfügung steht, um eine strukturierte Erhebung der Medikation gemeinsam mit dem Patienten vorzunehmen.

Erfahrungen im Projekt ,,Heidelberger Integriertes Case Management für Patienten mit Herzinsuffizienz‘‘ (HICMan) Im Rahmen der randomisiert kontrollierten Studie ,,Heidelberger Integriertes Case Management für Patienten mit Herzinsuffizienz (HICMan)‘‘ wurde das strukturierte Medikamentenmanagement als ein Baustein des Monitorings von Patienten im Rahmen eines praxisbasierten Case Managements eingesetzt [34,35]. HICMan hatte zum Ziel die Effektivität eines von MFA und Hausärzten durchgeführten praxisbasierten Case Management bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu untersuchen. In der Interventionsgruppe führten die zuvor geschulten MFA bei 88 Patienten (5 Patienten verstorben bzw. 6 Patienten Abbruch der Intervention) im Rahmen eines geplanten Hausbesuchs ca. 4 Monate nach Eingangsassesment einen Medikamentencheck durch. Der Medikamentencheck wurde wie oben beschrieben

durchgeführt, allerdings ohne Qualitätsüberprüfung anhand einer Software (Schritt 4). Wichtig waren die klare Aufteilung der Aufgaben und die Definition der Schnittstellen (Weitergabe der Informationen) zwischen Arzt und MFA. Der gesamte Hausbesuch dauerte im Mittel 53 Minuten [34], wobei der Medikamentencheck in etwa 1/3 der Zeit (ca. 10 — 20 Minuten) beanspruchte. Die Auswertung der Checkliste für das Medikamentengespräch zeigte, dass aufgrund des Medikamentenchecks ein weiterer Informationsbedarf zur Medikation bei 20 Patienten (23%) identifiziert wurde, bei 16 Patienten (18%) ein Bedarf an Informationen zur Arzneimittelanwendung bzw. Einnahmehilfe notwendig war, 11 Patienten (13%) Hilfestellung zur Ausstellung eines Wiederholungsrezepts benötigten und 2 Patienten noch andere offene Fragen hatten. Als Konsequenz erfolgte aus dem Medikamentencheck in 9 Fällen ein zusätzlicher Arztkontakt zur Medikationsänderung, in 9 Fällen (10%) zur weiteren nicht-medikamentösen Therapie. Bei 14 der 88 Patienten (16%) erfolgte daraufhin ein zusätzliches Beratungsgespräch zum Thema Medikation. Im Rahmen der qualitativen Begleitevaluation wurde die Durchführung der einzelnen Interventionsschritte anhand von Fokusgruppen mit 24 Ärzten und 27 MFA des Projekts analysiert. Alle teilnehmenden Ärzte empfanden den Medikamentencheck als hilfreich, nützlich und auch umsetzbar [36]. Ärzte berichteten über durch den Check neu aufgedeckte Medikamente-Verordnungen anderer Ärzte und Selbstmedikationen nicht verschreibungspflichtiger Medikamente. In acht Praxen wurde gemäß Aussage der Ärzte das Medikamentenmanagement über das HICMan-Projekt hinaus weitergeführt. Die MFA empfanden ihre neue Rolle in der Erfassung der Medikamente als sinnvoll, fühlten sich ausreichend geschult und sahen keine inhaltlichen Umsetzungsprobleme. Die zeitliche Einbindung des gesamten Monitoringsprozesses der Studie in die Praxisroutine

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10 stellte aber auch für einige Praxen eine Herausforderung dar [37].

Erfahrungen im Projekt ,,Hausarztpraxis-basiertes Case Management für chronisch kranke Patienten‘‘ (PraCMan) Auch in der cluster-randomisiert kontrollierten Studie ,,Hausarztpraxis-basiertes Case Management für chronisch kranke Patienten‘‘ (PraCMan) wurde das strukturierte Medikamentenmanagement (ohne Schritt 4) als wesentlicher Bestandteil des umfassenden Assessments zu Beginn des Case Managements eingesetzt [38]. Der Medikamentencheck war integraler Bestandteil des Assessments, für den die MFA im Mittel ca. 35 Minuten benötigte. Im Projekt PraCMan wurde in der Interventionsgruppe in 58 Praxen und bei insgesamt 1.093 Patienten im Rahmen des Assessments ein Medikamentencheck durchgeführt. Aktuell wird in dieser Studie evaluiert, welche Auswirkungen die Durchführung des Medikamentenchecks auf die ärztliche Handlungsweise hat. PraCMan adressiert multimorbide Patienten mit einem hohen statistischen Risiko für zukünftige Krankenhausaufenthalte. Gerade in dieser Population besteht die Gefahr von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Medikamenteninteraktionen oder fehlender Therapietreue [39]. Erste Erfahrungen aus dem Projekt bestätigen eine große Wertschätzung des Medikamentenchecks als Instrument zur Erhöhung der AMTS durch die Erfassung von allen eingenommen Medikamenten und deren Anwendung.

Diskussion Das strukturierte Medikamentenmanagement in der hier vorgestellten Form wurde im Rahmen des HeiCare® -Projekts entwickelt und in zwei weiteren Projekten Hausarztpraxisbasierten Versorgungsmanagements erfolgreich eingesetzt. Die Einführung in die tägliche Routine wurde als Herausforderung gesehen, da Strukturen und Zuständigkeiten im Praxisablauf geändert werden müssen und zeitliche Ressourcen nur bedingt zur Verfügung stehen. Dies wird sichtbar in der Durchführung einzelner Aufgaben im Medikamentenmanagement durch Ärzte statt durch MFA. Bei entsprechender Qualifikation können einige dieser Aufgaben jedoch durch die MFA geleistet werden und somit Ärzte potentiell im Versorgungsalltag entlasten [33]. Eine Möglichkeit zur optimierten Umsetzung des Medikamentenmanagement könnte in der Integration in bereits bestehende Praxisstrukturen wie einer DMP-Sprechstunde liegen. Es wird als wichtig erachtet, nicht nur potentielle Wechsel- und Nebenwirkungen im Rahmen des Medikamentenchecks zu erfassen, sondern insbesondere auch die Bedürfnisse der Patienten in Bezug auf ihre Medikation zu erfragen und darauf einzugehen. Diese liefern auch Hinweise darauf, ob Patienten in der Lage sind, ihre häufig komplexen Medikamentenregime im Alltag zu bewältigen und damit ,therapietreu‘ zu sein [40]. Auch wenn in den beiden Versorgungsmanagementprojekten HICMan und PraCMan keine Qualitätsprüfung anhand einer Software stattfand, stellte alleine schon die

C. Mahler et al. strukturierte und regelmäßige Erhebung der Medikation eine Qualitätsverbesserung aus Sicht der Ärzte dar. Sie bewirkte eine regelmäßige Überprüfung der Medikation und einen Abgleich der ärztlichen Dokumentation der Medikation (Medikamentenplan) mit der tatsächlich eingenommenen. Es hat sich herausgestellt, dass dies insbesondere auch bei der Dauermedikation notwendig ist, da nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass Patienten noch alle für die korrekte Einnahme notwendigen Informationen kennen [41]. Oftmals können darüber hinaus subjektive Vorstellungen der Patienten durch Angehörige und Medien die Einstellung und das Wissen zur Medikation im Laufe der Zeit verzerren und deren Einnahmetreue beeinflussen [42]. Subjektive Vorstellungen zur Multimorbidität haben ebenfalls Auswirkungen auf die Last, die Patienten durch die Medikamenteneinnahme empfinden [43].

Limitationen Die Einführung des Medikamentenmanagements erfolgte in den einzelnen Projekten jeweils als Teil einer komplexen Intervention, die eine systematische Erfassung und Auswertung der einzelnen Schritte des Medikamentenmanagements nicht beinhaltete. Die Auswirkungen der Erfassung sämtlicher Medikamente auf klinische Patientenoutcomes sind bisher nicht erfolgt. Die Tatsache, dass aufgrund des Vorgehens bei fast einem Viertel der Patienten ein zusätzlicher Arzt-Patienten-Kontakt zur Abklärung von medikationsbezogenen Fragestellungen initiiert wurde, kann als Hinweis für die Relevanz des Vorgehens angesehen werden.

Schlussfolgerung Die hausärztliche Leitlinie ,,Multimedikation‘‘ weist darauf hin, dass ein regelmäßiges strukturiertes Medikamentenmanagement in der Hausarztpraxis durchgeführt werden sollte, um die AMTS zu erhöhen. Erste Erfahrungen aus nationalen Projekten liefern Hinweise, dass dies von den meisten Beteiligten als umsetzbar und sinnvoll erachtet wird. Weitere Schritte, welche die AMTS und die fortlaufende Aktualisierung der Gesamtmedikation erleichtern, sind die elektronische Erfassung der Medikation mittels Barcoden und der im Rahmen des Aktionsbündnisses AMTS entwickelte Medikamentenplan, den es nun auch mit präparate-spezifischen Anwendungshinweisen gibt [44]. Damit das strukturierte Medikamentenmanagement wirksam werden kann ist die weitere Qualifikation undEinbindung der MFA in das Medikamentenmanagement notwendig. Schulungen hierzu könnten als Teil der VERAH bzw. HzV Schulungen angeboten werden. Darüber hinaus muss eine sinnvolle Eingliederung des Medikamentenchecks in den Praxisalltag vorgenommen werden. Das vorgestellte strukturierte Medikamentenmanagement mit den entwickelten Checklisten kann dazu als Instrument der Qualitätsförderung und zur Patientensicherheit genutzt werden.

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