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Der EinfluB des Htihlenklimas auf den jahrlichen Entwicklungsgang von Adoxa moschatellina L. Von F. v. Morton.
1m Verlaufe meiner Untersuchungen iiber die Okologie der assimilierenden Hohlenpflanzen 1) wandte ich mein Augenmerk auch der Frage zu, welchen EinfluB das Hohlenklima auf die Funktionen der Hohlenpflanzen nehme. In der eben zitierten Arbeit ist eine Reihe von Fallen angefiihrt, die den Winterzustand einiger ostalpiner Hohlen beleuchten. Selbst maBig ausgedehnte Hohlen schaffen lokalklimatische Verhliltnisse, die den Algen, Moosen und Farnen (sowie den Moosprotonemata und Farnprothallien) ein ununterbrochenes Wachstum beziehungsweise Vegetieren ermoglichen und es macht auf den Besucher, der aus Schnee und Winterkalte ganz unvermittelt in den Bannkreis einer lauen Treibhausatmosphlire tritt, einen auBerordentlichen Eindruck, wenn er sich vor. iippigen Moosrasen, vor Farnen, ja sogar vor Bliitenpflanzen sieht. Besonders auffallig ist in dieser Beziehung das Verhalten von Ado x a m 0 s c hat e 11 ina, die im Rabenkeller 2), einer am Nordhange des ostalpinen Dachsteinstockes im Dachsteinkalk gelegenen KlufthOhle vorkommt. Wahrend die vorderen zwei Drittel dieser Hohle im Winter von einer bisweilen mehrere Meter hohen Schnee- und Eisschicht bedeckt sind, bleibt die Lehmhalde, die zum riickwartigen Ende der Hohle hinauffiihrt, schnee- und frostfrei. Diese Halde besiedelt (mit Geranium Robertianum, Lamium luteum u. a.) nur Adoxa moschatellina. Sie beginnt (es handelt sich bei den folgenden Angaben natiirlich nur urn Durchschnittswerte) im Marz zu bliihen. Noch Ende Juni konnen Bliiten 1) M 0 r ton, F. und Gam s, H.: Hllhlenpflanzen. (Band V der yom Spelao log. Institut der Bundeshllhlenkommission herausgeg. spelaolog. Monographieh. Wi en 1925.) 2). Die nahere Darstellung dieser Hllhle ist in den "Hllhlenpflanzen", S. 86 bis 95 enthalten.
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F. v. Morton,
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beobachtet werden. Urn diese Zeit sind auch bereits zahlreiche Pflanzen mit 10-12 cm langen neuen Wurzelstocken und 1-3 cm groBen Knospen vorhanden. 1m J uli (Bodentemperatur 11 °-120 C) vertrocknen die Bliiten. Die Blatter verwelken jedoch nichtl), sondern setzen ihre Assimilatiollstatigkeit dauernd bis in den November hinein fort. (Bodentemperatur im November + 5,9 0, Lufttemperatur in Rohe der Assimilationsorgane 6 0- 7,4 0 C). Erst in diesem Monat vergilben die Blatter. Das Wachstum unter der Erde nimmt seinen Fortgang. Die fiir das nachste Jahr bestimmten Sprosse sind anfangs November 4-5 cm hoch und wachsen bis in den Dezember hinein. (Bodentemperatur in Wurzeltiefe+ 1,5 0 bis + 3,6 0 C, Lufttemperatur + 2,4 0 C). Rochst interessant sind die Verhaltnisse im Februar. Bei meinem Besuche des Rabenkellers am 21. Februar 1926 deckte den, der Roble vorgelagerten Almkessel (im Durchschnitt 850 m hoch) eine 50 cm hohe, hartgefrorene Schneedecke. Die vorderen zwei Drittel des Rohlenbodens waren schnee- und eisbedeckt (Tropfwasserl). Auf der nach hinten steil ansteigenden Lehmhalde (Bodentemperatur in Wurzeltiefe der Adoxa+2,5-2,7° C, Lufttemperatur in Rohe der AssimiIationsorgane + 4,5 0 C) waren zahlreiche Pfliinzchen, 1--4 cm hoch, gesproBt mit normal griinen ± entfalteten Blattchen. Eine Reihe von Sprossen war noch unter der Erde, in dem Zustande .und in der GroBe, wie ich sie im November und Dezember angetroffen hatte. Aus dem Gesagten geh t al s 0 al s we s en tlich her v 0 r, daB besonders die Ass i mila t ion s d au e r de r B Ia t t e r de rho hIe n be w 0 h n end en Ado x a eine starke Verlangerung (Februar bis N0vember) erfahrt. Die Untersuchungen von A dam s (1924) bestiitigen, daB eine lang andauernde schwache Beleuchtung eine starke, nur zeitweise wirkende, zu ersetzen vermag. Dieser Vermutung gibt auch Lundegardh (1925) Ausdruck. An Stelle der wechselnden Lichtintensitiiten, wie sie das Leben im Walde (Uferwalder, bewaldete Schluchten) mit sich bringt (Laubwald! Sonnenflecke im belaubten Walde!), kommt Ado x a iibrigens auch an besonnten Stellen vor, haben wie hier eine zwar geringere Lichtintensitat C}O -
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die aber doch viel geringeren Schwankungen
ausgesetzt ist. 1) K Il. s t n e r fand 1911 in Sachsen am 15. Juli vegetierende Pflanzen im Walde.
Der EinfluB des Hilhlenklimas auf Adoxa moschatellina L.
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Die absoluten Lichtmengen, die mangels geeigneter Instrumente nicht gemessen werden konnten, werden ziemlieh geringe sein, da die hohe Bergumrahmung aueh im Freien nul' einen verhaltnismaBig kleinen Himmelsaussehnitt frei laBt. Wesentlieh waren natiirlieh Dauerregistrierungen in sehr kurzen Zeitintervallen unter Beniitzung von Farbenfiltern. Sonnenlieht fehlt vollstandig. Da auBerdem eine gewisse Luftfeuehtigkeit dureh den Hohlenraum als solehen und das Tropfwasser gegeben ist und die Temperatur im Lebensraume del' Wurzeln und Bliitter nie unter 0 0 sinkt, so sind aile Bedingungen gegeben, um im Wege einer langsamen Assimilate-Produktion das notige JahresausmaB zu erzeugen. Es liegt also der Fall einer wesentliehen Lebensverliingerung eines Organs VOl'. In diesem Zusammenhange sei be merkt, daB ieh zur Zeit meines letzten Besuehes (20. 11.1926) Individuen von Geran i um Robertian u III neben Adoxa vorfand, die sieh seit November 1925 aus Keimpflanzen zu 10 em hohen, reiehblatterigen Pflanzen entwiekelt hatten. C h r ys 0splenium aiternifolium, das etwas unterhalb in einem dureh Spritz wasser standig naB erhaltenen Moosrasen siedelt, hatte bereits kraftige Bliitenknospen ausgebildet. Bei Lam i u m I ute u m waren vereinzelte beblatterte Sprosse vom Vorjahre vorhanden, bei Ad e n 0styles glabra 1-2 em hohe, tief violett gefarbte, von Moos und einer diinnen Hohlenlehmsehieht bedeekte Knospen.
Flora, Bd. 120.
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