FussSprungg 2:76–84 (2004) DOI 10.1007/s10302-004-0049-9
D. Sabo M. Buchner
ORIGINALARBEIT
Die Behandlung des Hallux valgus-Syndroms mit Scarf-Osteotomie, Akin-Osteotomie und Weil-Osteotomie
osteotomy, is becoming widely established. This surgery is technically demanding and requires intensive training. Meticulous soft tissue-balancing as well as precise osteotomy techniques are prerequisite for good results with this combined technique. The analysis of 135 scarf osteotomies shows mainly good results with a success rate of 77%.
Eingegangen: 15. April 2003 Akzeptiert: 12. Mai 2003
n Key words Scarf osteotomie – hallux valgus correction – weil-osteotomie – AOFAS score
„harmonisierende“ Vorfußrealignement, bestehend aus ScarfOsteotomie, Akin-Osteotomie und Weil-Osteotomie, etabliert. Die Operationsmethode ist technisch anspruchsvoll und erfordert eine gute chirurgische Operationsschule. Sorgfältiges Weichteilbalancing und präzise Osteotomietechniken sind unabdingbar für den Erfolg dieser kombinierten Korrektur. Die Analyse von 135 Scarf-Osteotomien ergibt ein überwiegend positives Ergebnis mit einer Erfolgsrate von 77%.
PD Dr. med. Desiderius Sabo ()) Dr. med. Matthias Buchner Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg, Germany
n Zusammenfassung Um die häufig komplexe Fußdeformität des sogenannten Hallux valgusSyndroms sicher operativ therapieren zu können, hat sich das
n Schlüsselwörter Scarf Osteotomie – Hallux valgus – Weil-Osteotomie – Akin-Osteotomie – AOFAS Score
The treatment of hallux valgus syndrome with scarf, Akin and Weil osteotomy n Summary For the surgical treatment of the hallux valgus syndrome of the forefoot the “harmonising realignment” which consists of scarf, Akin and Weil
Einleitung
Fuß 049
Die diaphysäre Korrekturosteotomie in Form der Scarf-Osteotomie für das Hallux valgus-Syndrom, die auf die Idee von Meyer [14], zurückgeht, wurde von Weil [17, 18] in Amerika und von Barouk [1–3] in Europa popularisiert. Der Begriff des Hallux valgusSyndroms umfasst dabei den in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden Symptomenkomplex aus Fehlstellung der Großzehe mit Pseudoxostose und Bursabildung, Spreizfuß, Metatarsus primus varus, Dezentrierung von Metatarsale-I-Köpfchen und Sesambeinen, sowie Kleinzehendeformitäten und Metatarsalgien. Um die Komplexität der verschiedenen typischen Vorfußfehlstellungen im Sinne eines Vor-
fußrealignements komplett korrigieren zu können, soll sich nach Barouk die „Harmonisierung“ des Fußes an dem am meisten betroffen Strahl ausrichten und ist im Bedarfsfalle durch ein laterales Weichteilrelease, eine mediale Kapsel-Bandraffung, eine Grundphalanxosteotomie des 1. Strahles und bei Vorliegen von flexiblen Kleinzehendeformitäten oder Metatarsalgien durch korrigierende Osteotomien der Metatarsalia II bis V zu ergänzen [4]. Generell entscheidend für die Stellung einer Operationsindikation ist der sorgfältig zu prüfende Leidensdruck der Patienten, sofern eine klinische und radiologisch feststellbare Pathologie verifiziert ist und konservative Therapieversuche ausgeschöpft wurden.
D. Sabo und M. Buchner Hallux valgus-Syndrom,
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Dieses Konzept der komplexen Vorfußkorrektur wurde in der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg 1998 eingeführt und die nach dieser Methodik operierten Patienten im Rahmen einer prospektiven Studie klinisch erfasst.
OP-Technik n Scarf-Osteotomie. Das laterale Release erfolgt über einen getrennten Hautschnitt im Intermetatarsalraum MT I und MT II (Abb. 1). Nach Weichteilpräparation erfolgt die Identifikation des Adductor hallucis-Sehnenkomplexes und der kapsulären Verbindung zwischen Metatarsus I und den Sesambeinen. Nach Unterfahren mit einer Kocherrinne wird zunächst das Sesambein durch eine Tenotomie mit einem Stilett released und im Bedarfsfalle der gesamte Adduktorensehnenkomplex tenotomiert. (Abb. 2). Das plantar darunter liegende Ligamentum transversum plantare muss in kontrakten Situationen ebenfalls tenotomiert werden. Mit längsverlaufenden Schnitten erfolgt eine laterale Kapsulotomie des MTP-I-Gelenkes und anschließend eine manuelle Überkorrektur unter Redressement des Metatarsophalangealgelenkes. Ein guter Indikator für ein ausreichend weites manuelles Redressement stellt die Reposition des Metatarsaleköpfchens über die Sesambeine dar. Über einen getrennten medialen Hautschnitt entlang des medialen Aspektes des MT I über der Pseudoexostose erfolgt die sorgfältige Präparation der Kapsel. Ggf. ist eine Bursektomie vorzunehmen. Je nach Ausmaß der Fehlstellung kann eine ovaläre Kapselexzision vorgenommen werden. Unter leichtem axialen Zug kann der Gelenkbinnenraum inspiziert werden. Bedarfsweise ist eine partielle Synovialektomie durchzuführen. Mit einem von distal nach proximal gerichteten Meißelschlag wird die Pseudoexostose abgetragen und mit dem Luer geglättet. Bei Präparation des MT-I-Köpfchens ist der plantare und laterale Übergang zur Metaphyse zu schonen, da die Gefäßversorgung des Köpfchens über den medialen und lateralen Ast der intermetarsal verlaufenden Arterie und der medialen plantaren Arterie erfolgt. Die Präparation entlang des proximal plantaren Anteiles des Metatarsus I dagegen ist eher unkritisch. Zur Markierung der Scarf-Osteotomie erfolgt die Einbringung von zwei parallelen 1,4 mm Kirschnerdrähten in die Diaphyse des Metatarsus. Der distale Draht soll in der Sagittalebene ein Drittel des Metatarsaledurchmessers von der Streckseite aus markieren und der proximale Kirschnerdraht ein Drittel des Metatarsaledurchmessers von plantar aus. Die
Abb. 1 Präoperativer Aspekt bei mittelgradigem Hallux valgus
Abb. 2 Tenotomie der Sehne des Adduktor hallucis
Positionierung der Markierungskirschnerdrähte ist entscheidend, um Eckpunkte für die gewünschte Korrektur vorgeben zu können: Die Drähte sollen in der dorsoplantaren Ebene etwa rechtwinkelig zur Ausrichtung des Metatarsus II in den 1. Strahl eingebracht werden. Die Plantarisierung des distalen MTI-Fragmentes kann durch eine nach plantar gerichtete Kirschnerdrahtmarkierung erreicht werden. Die Verkürzung erfolgt durch die zum lateralen Fußrand gerichtete Position der Kirschnerdrahtspitzen. Unter fortlaufender, jedoch sparsamer Spülung ist mit einer feinen oszillierenden Säge die Z-förmige Osteotomie entlang der K-Draht-Markierung durchzuführen. Insbesondere proximal ist auf eine vollständige Kortikotomie der lateralen MT I-Kortikalis zu achten. Ggf. kann mit einem feinen LambotteMeißel nachgearbeitet werden.
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Abb. 3 Durchführung der z-förmigen diaphysären Osteotomie
Abb. 4 Die Osteosynthese erfolgt mittels kanülierten Schrauben mit zwei Gewindesteigungen
Die Länge der Osteotomie sollte etwa 3/4 der gesamten Länge des Metarsus betragen um nach Verschiebung und etwaiger Rotation stabile kortikale und spongiöse Flächen aufeinander stellen zu können. Die ausreichend lange Osteotomie ist ein gutes Präventiv gegen das Risiko des sogenannten „troughing“, dem Eintauchen harter kortikaler Kanten in die weiche Spongiosa [5]. Mit den nun vorliegenden Fragmenten sind weitestgehend alle Korrekturen durchführbar (Abb. 3). In Abhängigkeit von der präoperativ durchzuführenden Analyse der Deformität können folgende Verschiebungen durchgeführt werden: Insbesondere bei milden Fehlstellungen ist die Lateralisation des Fragmentes in der Regel ausreichend. In ausgeprägten Fällen wird das Ausmaß der Verschiebung lediglich von der minimal erforderlichen Kontaktfläche der beiden Metatarsalefragmente limitiert. Die Rotation des distalen Fragmentes zum Ausgleich eines pathologischen DMAA erfolgt durch eine Lateralschwenkung des proximalen Schenkels des gelenktragenden Metarsalefragmentes und ist bis zu einer Korrektur von ca. 208 möglich [6]. Dabei ist zu beachten, dass Rotationskorrektur und Lateralisationskorrektur sich gegenseitig beeinflussen können. Die Plantarisierung des distalen Fragmentes ergibt sich durch die Richtung der horizontalen Sägeschnittführung. In der Regel ist die erreichbare Plantarisierung ausreichend um eine Metatarsalgie des 2 Strahles suffizient behandeln zu können. Eine Elevation wird nur ausnahmsweise bei einer gleichzeitig bestehenden Hohlfuß-Fehlstellung erforderlich sein. Die Verkürzung des ersten Strahles wird durch die Richtung der schrägen transversen Osteotomien
oder durch Resektion einer entsprechenden Knochenscheibe erreicht. Die korrigierende Verschiebung des distalen MTI-Fragmentes erfolgt dosiert manuell, ggf. unter Zuhilfenahme einer Backhaus-Klemme. Die Osteosynthese erfolgt idealerweise mittels kanülierten Schrauben mit zwei Gewindesteigungen, die eine sehr stabile Osteosynthese ermöglichen (Abb. 4). Über Erfolge mit anderen Osteosyntheseformen wie Gewinde-K-Draht-Fixationen oder mit resorbierbaren Implantaten wird gelegentlich berichtet, es liegen jedoch keine Ergebnisse aus der Literatur zu diesen weniger sicheren Osteosyntheseverfahren vor. Der medial bestehende knöcherne Überstand wird mit der oszillierenden Säge geglättet. Die Kapsulodese erfolgt in Korrekturposition mit einem 2,0 er resorbierbaren Faden in Rückstichtechnik. Die korrekte Zugrichtung des M. abductor hallucis muss überprüft werden, ggf. ist eine zusätzliche Raffung erforderlich. Bei der Weichteilversorgung ist peinlichst darauf zu achten den im streckseitigen Aspekt der Wunde verlaufenden sensiblen Nervenast nicht zu schädigen oder mit der Naht zu fassen. n Akin-Osteotomie. Bei Vorliegen eines zusätzlichen Hallux valgus interphalangeus erfolgt eine Erweiterung des Schnittes nach distal über den proximalen Anteil des Grundgliedes. Die suprabasale Osteotomiezone wird sparsam deperiostiert. Ein vollständiges Umfahren mittels Hohmann-Hebeln ist in der Regel nicht notwendig. Mit der feinen oszillierenden Säge wird ein medialbasiger schmaler Keil reseziert. Nach Möglichkeit soll die laterale Kortikalis nicht osteotomiert werden, solange keine ausgeprägte MTI-Verkürzung erforderlich ist. Die Osteosynthese
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kann entweder mit einem zuggurtenden Varisationsstaple oder mit einer schräg eingebrachten Kompressionsschraube erfolgen. n Weil-Osteotomie. Die Weil-Osteotomie der Metatarsalia II–V, die bei ausgeprägter Metatarsalgie oder Subluxation der MTP II- bis V-Gelenke und bei Überlänge der Metatarsalia erforderlich sein kann, kann über einen getrennten Hautschnitt über den Extensorensehnen durchgeführt werden. Die Extensorensehne wird längs durchtrennt. Bei sehr kontrakten Befunden kann eine z-förmige Sehnenverlängerung durchgeführt werden. Die Gelenkkapsel wird präpariert und längs inzidiert. Das Metatarsaleköpfchen wird nach dorsal luxiert, indem die Phalanx manuell nach plantar redressiert wird. Insbesondere bei weit nach dorsal luxierten MTP-Gelenken kann dieses Manöver schwierig sein und ist möglicherweise erst nach ausgeprägtem lateralem Release und Durchtrennung der Kollateralbänder durchführbar. Die Weil-Osteotomie erfolgt parallel zur Planta pedis mit einem feinen oszillierenden Sägeblatt beginnend an der streckseitigen Knorpel Begrenzung des MTKöpfchens. Bei Längendifferenzen > 5 mm muss ein schmaler Keil [4] oder mit einem Parallelsägeblatt eine schmale Scheibe [9] zur Verkürzung reseziert werden. Unmittelbar nach plantarer Kortikotomie reponiert sich das Metatarsaleköpfchen um mehrere Millimeter nach proximal. Die ideale Verkürzung führt zu einem Alignement mit gleicher Länge von MT I und II, und einer weiteren Verkürzung von MT III um 4 mm, von MT IV von 6 mm und MT V von 12 mm (Maestro-Index). Bedarfsweise ist auch ein laterales oder mediales Schwenken des Köpfchenfragmentes bis ca. 20 8 möglich. Die Fixation der
Abb. 6 Osteosynthese nach Proximalisierung des MT-Köpfchens mit twist-off Schraube
Abb. 7 Befund bei Abschluss der Operation
Korrektur erfolgt mit einer von streckseitig proximal nach palmar distal eingebrachten Twist-off-Schraube. Der Kapselverschluss erfolgt mittels feinem resorbierbaren Faden. Eine Adaptation der längs durchtrennten Extensorensehne wird bedarfsweise durchgeführt. Der Hautverschluss erfolgt mit 3,0 oder 4,0 nicht resorbierbarem Fadenmaterial.
Nachbehandlung
Abb. 5 Durchführung der Weil-Osteotomie parallel zur Planta pedis
Zum Abschluss der Operation wird ein Redressionsverband angelegt und in Abhängigkeit von der Compliancefähigkeit des Patienten ggf. eine Unterschenkelschale zum Weichteilschutz angepasst. Am 1. oder
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Material und Methode
Abb. 8 Klinisches Ergebnis 1 Jahr nach Korrektur einer milden Hallux valgus-Deformität rechts. Präoperativer Befund wie auf der noch nicht korrigierten linken Seite
Von den über 200 im Zeitraum 1998–2002 in unserer Klinik operierten Patienten mit Scarf-Osteotomien konnten 135 Patienten mit einem follow-up von mindestens 12 Monaten in diese Studie aufgenommen werden. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit beträgt 18 Monate. Bei 52 dieser 135 Patienten ist zweizeitig bilateral operiert worden. Indikationsstellung zur Scarf-Osteotomie in unserer Klinik sind ein Hallux valgus-Winkel (HVA) von bis zu 458 und ein Intermetatarsalewinkel (IMA) von bis zu 228. Ausschlusskriterien sind eine fortgeschrittene Arthrose im MTP-1-Gelenk mit entsprechender schmerzhafter Bewegungseinschränkung sowie Hypermobilität oder Arthrose im Metatarso-cuneiforme-Gelenk. Bei den Patienten handelt es sich um 88 Frauen und 47 Männer, das Durchschnittsalter zur Zeit der Operation betrug 46 Jahre (22–78 Jahre). 12 Patienten wiesen eine rheumatoide Arthritis oder eine andere Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis auf. Bei 7 Patienten bestand ein behandlungsbedürftiger Diabetes mellitus. Als zusätzliche knöcherne Operation wurde in 78 Fällen bei bestehendem Hallux valgus interphalangeus eine Akin-Osteotomie der Großzehengrundphalanx durchgeführt, in 74 Fällen erfolgte eine subkapitale Osteotomie nach Weil der entsprechenden Metatarsalia. Alle in diese Studie aufgenommenen Patienten wurden prospektiv erfasst und einer klinischen und radiologischen Nachuntersuchung unterzogen.
n Subjektive Erfassung
Abb. 9 Klinisches Ergebnis 1 Jahr nach Vorfußkorrektur mittels Scarf-Osteotomie
2. postoperativen Tag erfolgt ein Verbandswechsel auf einen Pflasterverband und die Anlage der Hallux valgus-Nachtlagerungsschiene. In Abhängigkeit vom Schwellungszustand erfolgt die Mobilisation mit Hilfe eines Vorfußentlastungsschuhs, der ebenso wie die Hallux valgus-Schiene für 4 Wochen getragen werden soll. Physiotherapie erfolgt geführt aktiv-assistiv ab dem 2. postoperativen Tag bis zu Abschulung der Hallux valgus-Schiene. Alle Patienten erhalten eine antiphlogistische und analgetische Standardtherapie sowie eine low-dose Heparinisierung für 1 Woche. Die weitere Medikation erfolgt bedarfsadaptiert.
Die Patienten wurden nach ihrer Zufriedenheit mit der Operation gefragt („Würden Sie sich der gleichen Operation noch einmal unterziehen?“). Des Weiteren wurde das Schmerzausmaß der Patienten präoperativ und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung anhand der visuellen Analogskala (VAS) von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster Schmerz) erfasst.
n Klinische Untersuchung Die klinische Untersuchung erfolgte präoperativ und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung anhand des Hallux Metatarsophalangeal Interphalangeal Scores der American Orthopaedic Foot and Ankle Society (AOFAS) in Anlehnung nach Kitaoka [12]. Hierbei wird neben dem Schmerz der Patienten die Funktion (Aktivität, Schuhwerk, Beweglichkeit im MTP- und IP-Gelenk, Stabilität in diesen Gelenken, Kallusbildung) und das Vorfußalignement beurteilt (Maximale Gesamtpunktzahl 100 Punkte).
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Abb. 10 Radiologisches Ergebnis prä- und 1 Jahr postoperativ. Korrektur durch Scarf- und Weil-Osteotomie DII und DIII. Rezentrierung der Sesambeine
Abb. 11 Korrektur des DMAA durch proximales Schwenken des distalen Fragmentes
n Radiologische Diagnostik
n Pedobarographie
Die radiologische Diagnostik erfolgte präoperativ und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung anhand eines Röntgenbildes des Vor- und Mittelfußes in zwei Ebenen im Stehen. Gemessen wurden der Hallux valgus-Winkel (HVA) und der Intermetatarsalewinkel (IMA). Die Position des medialen Sesambeins wurde anhand der Kriterien von Hardy und Clapham beurteilt [10]. Alle präoperativen Daten wurden mit den Daten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung anhand des Student t-Tests (95% Konfidenzintervall, p < 0,05) miteinander verglichen.
Bei 30 Patienten wurde präoperativ und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung zusätzlich eine pedobarographische Messung durchgeführt. Hierbei wurde die Druckverteilung im Vorfußbereich anhand kapazitiver Messungen durch spezielle Druckaufnehmersohlen ermittelt (pedar c-standard, Fa. Novel, München). Die Aufteilung erfolgte in 6 Messfelder, jeweils auf Höhe des MTP-1-Köpfchens, der Metatarsale 2–3- sowie der MT 4–5-Köpfchen und der korrespondierenden Regionen im Phalangenbereich. Die entsprechenden Druckwerte prä- und postoperativ wurden quantitativ miteinander verglichen.
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Abb. 12 Gute Rezentrierung der Sesambeine nach follow-up von 12 Monaten
Ergebnisse
Tab. 1 Klinische und radiologische Auswertung. AOFAS Score, Beweglichkeit und radiologischer Verlauf
n Subjektive Ergebnisse
Präoperativ
Nachuntersuchung
104 von 135 Patienten (77%) würden sich derselben Operation noch einmal unterziehen. Das Schmerzausmaß der Patienten verbesserte sich auf der VAS von durchschnittlich 6,7 (3–9) präoperativ auf einen Durchschnittswert von 3,6 (0–8) zur Zeit der Nachuntersuchung. 114 Patienten (84%) bezeichneten das postoperative Ergebnis als „kosmetisch zufriedenstellend“.
AOFAS Score (in Punkten) Gesamt (100) Schmerz (40) Funktion (45) Alignement (15)
44 (16–75) 17 (0–30) 25 (9–35) 3 (0–8)
76 28 35 13
Bewegungsausmaß MTP-1-Gelenk > 708 30–748 < 308
19% (n = 26) 71% (n = 96) 10% (n = 13)
24% (n = 32) p > 0,05 69% (n = 93) p > 0,05 7% (n = 10) p < 0,05
n Klinische und radiologische Ergebnisse
Radiologische Auswertung Hallux valgus-Winkel Intermetatarsale-Winkel
348 (17–45) 178 (10–22)
178 (–4–30) 108 (4–17)
Das klinische Ergebnis im AOFAS Score verbesserte sich von einem Durchschnittswert von 44 (16–75) Punkten präoperativ auf einen Durchschnittswert von 76 (32–95) Punkten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung. Die Aufteilung der klinischen Einzelkategorien und der Auswertung der radiologischen Winkel zeigt Tabelle 1. Die Position des medialen Sesambeins nach der Auswertung von Hardy und Clapham [10] verbesserte sich von der Durchschnittsposition 5,3 (2–7) präoperativ auf die Position 2,8 (1–5) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung.
n Pedobarographie Es zeigte sich in den pedobarographischen Messungen im Vergleich präoperativ und zum Zeitpunkt der
(32–95) (0–40) (15–40) (0–15)
(p < 0,001) (p < 0,001) (p < 0,001) (p < 0,001)
(p < 0,001) (p < 0,001)
Nachuntersuchung eine Lastverteilung mit einer signifikanten postoperativen Lastaufnahme unter dem medialen Vorfußballen (MTP-1-Köpfchen) (Tab. 2).
n Komplikationen Die operative Revisionsrate lag bei 4%. Bei 2 Patienten musste ein postoperativer Wundinfekt operativ revidiert werden, bei 2 Patienten wurde eine Schraubenentfernung aufgrund persistierender mechanischer Beschwerden durchgeführt. In 1 Fall erfolgte eine Reosteosynthese nach Osteosynthesedislokation nach Akin- Osteotomie. In 7 Fällen kam es auf der Medialseite zu einer vorübergehenden Neuralgie, die sich aber in allen Fällen innerhalb des ersten Jahres
D. Sabo und M. Buchner Hallux valgus-Syndrom, Scarf, Akin und Weil Tab. 2 Pedobarographie nach Vorfußkorrektur. Vergleich Präoperativ/Zeitpunkt der Nachuntersuchung
deutlich besserte. Eine Fraktur des distalen Fragmentes trat in 2 Patienten auf, in beiden Fällen konnte die Fraktur konservativ durch verlängerte Entlastung zur Ausheilung gebracht werden. Ein Hallux limitus im Sinne einer postoperativen Verschlechterung der Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk ergab sich in 12 Fällen (9%), wie auch aus Tabelle 1 ersichtlich. Vom Patienten beklagte Bewegungseinschränkungen nach Weil-Osteotomien waren in 31 der 135 Fälle festzuhalten, die sorgfältige klinische Nachuntersuchung ergab jedoch bei 62 Fällen (46%) eine auf eine Arthrofibrose zurückzuführende Bewegungseinschränkung der operierten MTP-Gelenke. Eine Überkorrektur im Sinne eines Hallux varus (HVA –48) war ebensowenig zu verzeichnen wie eine Köpfchennekrose. Ein Hallux valgus-Rezidiv, definiert als Hallux valgus-Winkel über 208 und/oder eines Intermetatarsalewinkels über 158, trat in 7% der Patienten (n = 9) auf (3 Patienten mit rheumatoider Arthritis).
Diskussion Die Scarf-Osteotomie ist ein zunehmend beliebtes Operationsverfahren in der Hallux valgus-Chirurgie. Es stellt ein technisch anspruchsvolles OP-Verfahren mit einer gewissen learning curve dar, wie es von vielen Autoren betont wird [3, 8, 18]. Wir stellen die Indikation zur Scarf-Osteotomie großzügig und auch bei schwereren Hallux valgus-Deformitäten, das heißt bei Hallux valgus-Winkeln bis zu 458 und Intermetatarsalewinkeln bis zu 228, da sich durch die Variabilität der Osteotomie eine große und flexibel handhabbare und auch bei größeren Deformitäten ausreichende Korrektur möglichkeit ergibt. Als Kontraindikationen sehen wir die fortgeschrittene Arthrose im MTP-1-Gelenk mit entsprechend schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit, die eine Arthro-
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dese als OP-Technik im Vorteil sieht, sowie die Hypermobilität oder auch die Arthrose im MetatarsoCuneiforme-Gelenk. In letzterem Fall sehen auch andere Autoren [18] die Lapidus-Arthrodese als das bevorzugtere OP-Verfahren. Technisch schwierig wird die Scarf-Osteotomie bei sehr schmalen Metatarsalia. Hier kann die Osteosynthese Probleme bereiten und die ansonsten frühfunktionelle Nachbehandlung mit zügiger Teillastaufnahme gefährden. Dennoch stellt die Scarf-Osteotomie nur einen Teil der suffizienten Hallux valgus-Chirurgie dar. Barouk zählt hierzu nach seiner Philosophie [3] vier Operationsschritte, die nur in ihrer Kombination ein sicheres und gutes Korrekturergebnis gewährleisten. Hierzu gehört neben der Osteotomie das laterale MTP-Weichteil-Release, das in unserer Klinik immer von einem zweiten dorsalen Schnitt durchgeführt wird. Schmerzhafte Neuralgien intermetatarsal, wie von anderen Autoren beschrieben [6], lassen sich durch schonende Präparation vermeiden und wurden (im Gegensatz zu den allerdings auch seltenen aufgetretenen medialen Neuralgien) in unserem Patientengut nicht beobachtet. Neben der medialen Kapselraffung ist bei gleichzeitigem Vorliegen eines Hallux valgus interphalangeus die Korrekturosteotomie der proximalen Phalanx (Akin) indiziert. Zusätzlich kann in einer Sitzung je nach klinischem und radiologisch korrelierendem Befund die subkapitale Verkürzungsosteotomie der übrigen Metatarsalia (nach Weil) erfolgen, wie in unserem Patientengut in 55% der Fälle in einer Sitzung durchgeführt. Eine einzeitig bilaterale Korrektur führen wir bei diesem auch schon einseitig ausgedehnten Eingriff nicht durch. Unsere guten subjektiven, klinischen und radiologischen Ergebnisse decken sich mit den meisten Studien aus der Literatur [3, 7, 8, 11, 15, 17] mit größtenteils überzeugenden Korrekturergebnissen, wobei die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit von 18 Monaten hier keinen Aufschluss über Langzeitresultate zulässt. Wichtig ist bei der Durchführung dieser Operationstechnik vor allem die Plantarisierung des MT-1-Köpfchens, die – wie auch pedobarographisch verifiziert – zur Lastaufnahme des ersten Strahls führt. Problematisch ist unserer Meinung nach die Balancierung der medialen Kapselraffung. Hier führt eine zu starke Spannung sowie eine postoperative Narbenbildung gelegentlich zu einem Hallux limitus mit teilweise schlechterer Beweglichkeit als präoperativ, wie auch in 16% unseres Patientengutes und in der Literatur als eines der Nachteile der Scarf-Osteotomie beschrieben [5, 7]. Crevoisier und Mitarbeiter [7] empfehlen hiergegen neben der erwähnten Plantarisierung des Metatarsaleköpfchens die schonende Präparierung desselben zur Vermeidung der unerwünschten Narbenbildung sowie eine frühzeitige postopera-
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tive passive Beübung im Grundgelenk. Der in einem großen Anteil der Fälle feststellbaren Bewegungseinschränkung nach Weil-Osteotomie begegnen wir durch eine Intensivierung und früheren Beginn der Physiotherpiebehandlung und sorgfältige Einhaltung der OP-Vorschriften. Osteosyntheseversager sind unter dieser Modifikation der Nachbehandlung bisher nicht zu verzeichnen gewesen. Eine Überkorrektur im Sinne eines Hallux varus sowie die Nekrose des Metatarsaleköpfchens als postoperative Komplikation, wie teilweise in Diskussionsrunden erwähnt, traten in unserem Kollektiv nicht auf. Letztere Komplikation lässt sich zudem durch schonende OP-Technik und Präparation bei Kenntnis der Gefäßversorgung fast immer vermeiden [8]. Die teilweise schlechten Korrekturergebnisse und der sogenannte Dachrinnneneffekt („troughing“), wie in neueren Publikationen beschrieben [6], sind durch eine ausreichend lange Osteotomiestrecke zu vermeiden.
Fazit Die Korrektur des Hallux valgus-Syndroms mittels Scarf-Osteotomie, Akin und Weil-Osteotomie stellte eine sichere, breit anwendbare Operationstechnik dar. Aufgrund der anspruchsvollen Osteotomietechnik und aufgrund des erforderlichen sorgfältigen Weichteilbalancings ist eine gute Operationsausbildung erforderlich. Wenn man die subjektive Erfolgsbeurteilung des Patienten selbst als die kritischste Form der Ergebnisbeurteilung ansieht („Würden Sie sich der gleichen Operation noch einmal unterziehen?“), ist bei Einhaltung der oben beschriebenen Therapieschritte eine Erfolgsrate von 77% erreichbar.
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