FussSprungg 3:164–171 (2005) DOI 10.1007/s10302-005-0105-0
C. Güsgen M. Walther R. Wölfel J. L. Vispo-Seara
The distal chevron osteotomy for hallux valgus: A medium-term retrospective clinical, radiographic and pedographic analysis n Summary Intention Aim of this study is to analyze the clinical, radiological and pedographic medium-term results of the chevron osteotomy for the correction of hallux valgus deformity. Material and methods We retrospec-
Eingegangen: 3. November 2003 Akzeptiert: 1. März 2004
Dr. C. Güsgen ()) Bundeswehrkrankenhaus Ulm Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm Abt. Chirurgie Oberer Eselsberg 40 89081 Ulm, Germany E-Mail:
[email protected] PD Dr. M. Walther Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg Brettreichstraße 11 97074 Würzburg, Germany PD Dr. R. Wölfel Klinikum Garmisch Auenstraße 6 82467 Garmisch-Partenkirchen, Gemany
Die distale Chevron-Osteotomie zur Hallux valgus-Korrektur: Analyse einer mittelfristigen klinischen, radiologischen und pedographischen Studie
tively reviewed the results of using the distal chevron osteotomy on 60 patients (66 feet) with an average age of 35 years. The average follow-up was 3 years (range 13 to 68 months). The preoperative diagnosis was symptomatic hallux valgus with an average preoperative metatarsophalangeal angle (hallux valgus angle) of 318 (range 14 to 608) and an average intermetatarsal 1–2 angle of 12.58 (range 4 to 238). The pedographic EMED® System was used for an objective functional evaluation of plantar foot pressures. Fixation of the osteotomy was performed with K-wire or PDS-threads. Results The average improvement of the metatarsophalangeal angle was 138 (31 to 188) and the intermetatarsal angle was reduced on average from 12.5 to 78. Lateral moving of the metatarsal head had significant influence on the magnitude of the postoperative hallux valgus angle. The average American Orthopedic Foot and Ankle Society Hallux Metatarsophalangeal-Interphalangeal Clinical Rating Score (AOFAS-Score) was 83.2. We could demonstrate the postoperatively good function of the big toe, no significant shortening of the first metatarsal and the decrease of the deformity. A loss of correction was observed in 21% of the patients. In these cases the
preoperative metatarsophalangeal (MP) and the intermetatarsal (IM) angle was significantly higher than the average pre- and postoperative angles. Conclusion The results confirm the indication of chevron osteotomy to mild and moderate hallux valgus deformities and demonstrate the limits in severe hallux valgus deformity. n Key words Hallux valgus – chevron osteotomy – metatarsophalangeal angle – intermetatarsal angle – AOFAS score n Zusammenfassung Einleitung Ziel der vorliegenden Studie war es, die Chevron-Osteotomie als operatives Korrekturverfahren der Hallux valgus-Deformität klinisch, radiologisch und pedographisch auf ihren Stellenwert in der Hallux valgus-Chirurgie zu prüfen. Material und Methode Retrospektiv untersuchten wir 66 Füße in einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 3 Jahren (13 bis 68 Monate). Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug 35 Jahre. Die pedographischen Untersuchungen wurden mit Hilfe des EMED®Systems durchgeführt. Ergebnisse Der Metatarsophalangealwinkel wurde um 138 (von 31 auf 188), der Intermetatarsalwinkel um 5,58 (von 12,5 auf 68) korrigiert. Im klinischen Ergebnis (AOFAS-
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Dr. J. L. Vispo-Seara Clinical Ibermutuamur Avda Juan Carlos 30100 Espinardo Murcia, Spain
ORIGINALARBEIT
C. Güsgen et al. „Mittelfristige Ergebnisse der Hallux valgus-Korrektur durch die Chevron-Osteotomie“
Score) erreichten die Patienten durchschnittlich 83 von 100 Punkten. In 78% der Fälle erreichten sie exzellente und gute Ergebnisse, wobei die Patienten selbst in 82% der Fälle zufrieden bzw. sehr zufrieden waren. 70% der Patienten waren nach der Korrektur vollständig schmerzfrei, weitere 26% berichteten nahezu schmerzfrei zu sein. Die durch-
schnittliche Verkürzung des Metatarsale I lag bei 1,7 mm ± 1,9 mm. In 21% entstand ein postoperativer Korrekturverlust. Dieser korrelierte eng mit überdurchschnittlichen Fehlstellungen. Schlussfolgerung Die Daten können die in der Literatur beschriebenen, überwiegend guten und sehr guten Ergebnisse bei Anwendung der Chevron-Osteotomie zur Korrektur
Einleitung Im Hallux abducto valgus finden wir die am häufigsten anzutreffende Deformität des Vorfußes. Die distale „V“-förmige Verschiebeosteotomie des Metatarsale I-Köpfchens, die sog. Chevron-Osteotomie, wird zur Therapie der milden bis moderaten Hallux valgus-Deformität ohne arthrotische Veränderungen des Metatarsophalangealgelenks (MTP-Gelenks) eingesetzt und kann gegebenenfalls mit weiteren Verfahren – wie distalen Weichteileingriffen, Basisosteotomien oder Keilosteotomien der Grundphalanx – kombiniert werden. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die klinischen, radiologischen und pedographischen Ergebnisse der operativen Behandlung des Hallux valgus durch die Chevron-Osteotomie über einen mittelfristigen Zeitraum zu untersuchen.
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milder bis mittlerer Hallux valgusDeformitäten bestätigen, zeigen aber auch die Grenzen der Methode bei hochgradigen Fehlstellungen. n Schlüsselwörter Hallux valgus – Chevron-Osteotomie – Metatarsophalangealwinkel – Intermetatarsalwinkel – AOFAS-Score
schnittliche Patientenalter lag bei 35,2 Jahren. In sämtlichen Fällen wurde ein laterales Release durchgeführt. Die Operation erfolgte entsprechend den Vorgaben von Resch [18]. Der Osteotomiewinkel betrug etwa 608, die Stabilisierung wurde mit einem von proximal dorsal nach distal plantar eingebrachten Kirschnerdraht durchgeführt, wobei die Drahtspitze etwas proximal der plantaren Gelenkfläche zu liegen kam. Postoperativ wurden ein redressierender Kramerverband angelegt. Nach 1–3-tägiger Immobilisierung des Vorfußes in einer wurden die Patienten sobald als möglich mit Unterarmgehstützen unter Verwendung eines Vorfußentlastungsschuhs, welcher insgesamt sechs Wochen getragen wurde, mobilisiert und krankengymnastisch beübt. Sechs Wochen postoperativ erfolgte die ambulante Wiedervorstellung, bei der die knöcherne Konsolidierung anhand einer Röntgenkontrolle beurteilt wurde. In Abhängigkeit des Befundes erfolgte dann der Übergang zur Vollbelastung.
Material und Methoden n Patientenkollektiv und Indikation Zwischen 1993 und 1998 wurden an der Orthopädischen Universitätsklinik Würzburg 60 Patienten (66 Füße) nach der Chevron-Methode operiert. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 35 Monate (13 bis 68 Monate). Neben prä- und postoperativen Röntgenbildern des Vorfußes unter Belastung wurden postoperativ eine ausführliche Befragung und klinische Untersuchung sowie eine Pedographie durchgeführt. Die Indikation zur Chevron-Osteotomie bestand bei Patienten mit symptomatischem Hallux valgus und einem Metatarsophalangealwinkel (Hallux valgus-Winkel, HVW) bis 408 sowie einem Intermetatarsalwinkel (IMW) von bis zu 168. Ausgenommen waren Patienten mit stärkeren Deformitäten oder beginnender Arthrose. Operiert wurden 56 (85%) weibliche und zehn männliche Füße. Das durch-
n Radiologische Parameter Die Röntgenaufnahmen wurden präoperativ, sechs Wochen postoperativ und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung im ap- und seitlichen Strahlengang durchgeführt. Die Bestimmung des HVW und des IMW erfolgte auf den dorsal-pantar-Aufnahmen durch die sog. „centre-of-head-method“ [12]. Die Beurteilung des Sesambeinkomplexes erfolgte nach der Appel Klassifikation [1] (Abb. 1). Die präund postoperative Länge des Metatarsale-I wurde nach den Richtlinien der AOFAS errechnet und verglichen [21]. Die Lateralverschiebung des Metatarsale I-Köpfchens wurde am lateralen Rand in mm gemessen und im Verhältnis zur Schaftbreite auf Osteotomiehöhe als Prozentwert ausgedrückt. Weiterhin wurden auf der dorsal-plantar-Aufnahme der distale Metatarsalgelenkflächenwinkel (DMAA) bestimmt und auf dem seitlichen Bild (prä- und postoperativ) die Elevation des MT I-Köpfchens überprüft.
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Abb. 1 Lage der Sesambeine gemäß der Einteilung nach Appel (1996) [1]
n Klinische Nachuntersuchung Klinisch wurden die Operationsergebnisse nach dem Hallux Metatarsophalangeal-Interphalangeal Score (AOFAS-Score) eingestuft [10]. Außerdem wurden die Patienten nach ihrer eigenen Einschätzung zum Operationsergebnis befragt.
n Pedographie Die pedographische Untersuchung wurde postoperativ unter Zuhilfenahme des EMED®-Systems (Fa. Novel, München) durchgeführt [16]. Die Messplatte des Systems war fest in einer Laufstrecke von 6 m installiert. Bei jedem Patienten wurde eine dynamische Fußdruckmessung an beiden Füßen durchgeführt, auf eine statische Messung wurde verzichtet. Vor Beginn jeder Messung wurde das Gerät elektronisch geeicht. Um ein möglichst natürliches Abrollverhalten zu erhalten, wurde jeder Patient gebeten, fünfmal über die Messplatte zu laufen, um die Werte mitteln zu können. Das vollständige Pedogramm liefert unter anderem die jeweiligen Maximaldruckverteilungen und in der gemittelte Ganglinie Hinweise zum Abrollverhalten des Fußes.
n Statistische Auswertung Zur Statistischen Analyse wurde nach Überprüfung der Normalverteilung der t-Test für abhängige und unabhängige Stichproben verwendet.
Ergebnisse n Klinische Analyse In 70% der Fälle (46 Füße) gaben die Patienten im Rahmen der Nachuntersuchung vollständige Beschwerdefreiheit an, 26% (17 Füße) hatten milde, gelegentliche Schmerzen. Drei Patienten (4%) berichteten lediglich nach stärkerer Belastung noch Beschwerden zu haben, tägliche oder dauerhafte Schmerzen lagen bei keinem der Patienten vor. Keinerlei Funktionsbeeinträchtigungen zeigten sich bei 68% der Fälle (45 Füße), während bei 21% (14 Füße) Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten im Freizeitbereich, insbesondere bei Sportarten mit Sprungbelastungen (Volleyball, Basketball) oder auch beim Laufsport vorlagen. Bei sieben Patienten lagen sowohl im Freizeitbereich als auch im beruflichen Alltag – meistens durch längeres Stehen, beispielsweise als Verkäufer – leichte Einschränkungen vor. Starke Funktionsbeeinträchtigungen wurden von keinem Patienten angegeben. Im direkten Vergleich der prä- und postoperativen Schuhgewohnheiten fiel auf, dass sich diese postoperativ nur geringfügig geändert hatten. Präoperativ bevorzugtes Schuhwerk war in 30 Fällen (45,5%) der modische, konventionelle Schuh ohne eine Einlagenversorgung, in 50% der Fälle wurde nach eigener Aussage hauptsächlich weites, bequemes Schuhwerk – häufig auch mit Einlagen – getragen. Lediglich drei Fälle wurden notiert, in denen Patienten orthopädisch abgeänderte Schuhe benötigten, deren Notwendigkeit nicht im direkten Zusammenhang mit der Großzehendeformität stand. Nur ein Patient war nach der Operation von weitem, bequemen Schuhwerk zu modisch konventionellem Schuhwerk übergegangen, die übrigen Patienten blieben bei ihrer präoperativen Schuhwahl. 25 Patienten (38%) wiesen postoperativ im Bereich des Großzehengrundgelenks einen Bewegungs-
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umfang von über 758 auf, bei 40 Patienten (61%) lag der Bewegungsumfang zwischen 30 und 748. Eine schwere Einschränkung gemäß AOFAS-Score (unter 308 Restbeweglichkeit) fand sich bei einem Patienten. Die mittlere präoperative Plantarflexion wurde mit 88, die postoperative Flexion mit 78 gemessen, die durchschnittliche Dorsalextension lag präoperativ bei 638, postoperativ bei 608. Eine Instabilität lag in keinem Fall vor. In 53% (n = 35) der Fälle war eine kosmetisch sehr gute und gute Ausrichtung der Großzehe im Rahmen der Nachuntersuchung festzustellen. Eine mittelmäßige Abweichung, die jedoch keine Beschwerden verursachte, fand sich in 26% (n = 17) der Fälle, während in 21% (n = 14) der Fälle eine schlechte und symptomatische Ausrichtung der Großzehe bestand. Basierend auf dem AOFAS-Score erreichten die Patienten von 100 erreichbaren Punkten eine durchschnittliche Punktzahl von 83,2. Damit wurde in 77% (51 Fälle) ein exzellentes bzw. gutes klinisches Operationsergebnis erreicht. Die Patienten selbst beurteilten das operative Ergebnis mit durchschnittlich 82% (54 Fälle) sehr gutem bzw. gutem Ergebnis noch etwas besser (Abb. 2). Der Hauptgrund, der zur Unzufriedenheit führte, war der Eindruck des postoperativen Korrekturverlustes, der in 14 (21%) Fällen von Patienten genannt wurde. In drei Fällen (5%) empfanden die Patienten die Korrektur der valgisierten Fehlstellung bereits unmittelbar postoperativ als zu gering, während in drei weiteren Fällen Schmerzen als Grund für die Unzufriedenheit angegeben wurden.
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n Komplikationen In der vorliegenden Studie war es in keinem Fall zu Anzeichen einer Nekrose, zystischen Veränderungen des Metatarsaleköpfchens (MT-Köpfchens) oder Pseudarthrosenbildung gekommen. Hypästhesien im Wundbzw. Narbengebiet wurden postoperativ von 48% der Patienten angegeben. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren diskrete Hypästhesien an der dorsomedialen Großzehe noch bei 15% der Patienten vorhanden, drei Patienten empfanden sie als störend.
n Radiologische Befunde Der durchschnittliche HVW konnte im Mittel um 138 von präoperativ 318 SD ± 88 auf postoperativ 188 SD ± 88 korrigiert werden. Der IMW wurde von 12,58 SD ± 3,78 auf 78 SD ± 38 reduziert, was einer Reduktion um durchschnittliche 5,58 entspricht. Der distale Metatarsalegelenkflächenwinkel (DMAA) lag präoperativ im Mittel bei 108 SD ± 58 und wurde durch den Eingriff auf durchschnittlich 88 SD ± 68 reduziert. Eine postoperative Elevation des Metatarsale-I-Köpfchens wurde nicht festgestellt (Abb. 3). Die Position der Sesambeine hatte sich zwar bei einigen Patienten unmittelbar postoperativ verbessert, eine signifikante Rezentrierung des MetatarsaleI-Köpfchens über dem Sesambeinkomplex konnte bei der Nachuntersuchung jedoch nicht festgestellt werden. Die Länge des ersten Metatarsale verkürzte sich um durchschnittlich 1,7 SD ± 1,9 mm. Die mittlere Lateralverschiebung des osteotomierten MetatarsaleI-Köpfchens betrug 24% SD ± 13.
n Pedographische Ergebnisse
Abb. 2 Präoperativ klinischer Befund einer 42-jährigen Patientin und postoperative Kontrolle sechs Wochen nach Chevron-Osteotomie
Bei der Auswertung der postoperativen Pedographien fand sich bei Hallux valgus-Fehlstellung ein Anstieg der maximalen Druckwerte unter dem Metatarsale II und III, also eine Verlagerung des Drucks nach lateral. Im Mittel lag der Maximaldruck postoperativ bei 67,44 N/cm2. Patienten, deren postoperativer HVW unter 208 gemessen wurde, wiesen hier Maximaldruckwerte von 59,61 N/cm2 auf. Die höchsten Drücke wurden bei den Patienten gemessen, deren postoperative HVW über 208 lagen, sie betrugen durchschnittlich 75,26 N/cm2. Der physiologische Abrollprozess war bei diesen Patienten ebenfalls gestört. So rollten Patienten mit HVW unter 208 in 53% der Fälle physiologisch über die Großzehe ab, während dies bei Patienten, deren HVW postoperativ noch über 208 lag, nur in 39% der Fall war. 56% dieser Patienten rollten dagegen
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Abb. 3 Prä- und postoperativer radiologischer Befund bei Chevron-Osteotomie. Der Hallux valgus-Winkel wurde um 188 (von 368 auf 188), der Intermetatarsalwinkel um 88 (von 14 auf 68) korrigiert
über den zweiten Strahl ab, im Gegensatz zu denjenigen, deren postoperative HVW unter 208 gemessen wurde und bei denen dies lediglich in 34% der Fälle nachgewiesen werden konnte.
Diskussion Die Chevron-Osteotomie hat sich heute als eine der gebräuchlichsten Methoden zur Korrektur des Hallux valgus bewiesen und etabliert. Ihre Indikation wird in der Korrektur milder bis moderater Hallux valgus-Deformitäten mit kongruentem oder inkongruentem MTP-Gelenk gesehen [4]. Coughlin sieht die Indikation für Patienten mit HVW unter 308 und IMW von weniger als 138 [5]. Schwerere Deformitäten, ein kongruentes Gelenk mit vergrößertem distalem Gelenkwinkel (DMAA) von über 158 und eine fortgeschrittene Arthrose werden als Kontraindikationen angesehen. Der im Mittel erreichte Punktwert des AOFASScores betrug 83,2 Punkte. In acht als klinisch schlecht eingestuften Fällen lag eine schlechte Ausrichtung der Großzehe vor. Drei Patienten hatten Schmerzen sowohl nach beruflichen als auch nach freizeitlichen Betätigungen, außerdem beklagten sie einen postoperativen Korrekturverlust. Die Beweglichkeit des MTP-Gelenks verringerte sich postoperativ minimal von durchschnittlich 71 auf 678. Die Ergebnisse ähneln damit denen von Rossi und Ferreira [19], die in über 90% ihrer 168 Fälle keine und in den übrigen Fällen eine geringe postoperative Abnahme der MTP-Beweglichkeit feststellten. Ein Patient der vorliegenden Untersuchung hatte eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk (unter 308). Bei diesem Patienten lag
ein Hallux valgus interphalangeus vor, der sich zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung von 20 auf 268 verschlechtert hatte. Sein AOFAS-Score Ergebnis betrug 82 Punkte. Andere Autoren haben anhand des Scores noch bessere Ergebnisse feststellen können (Abb. 4) [4, 14, 15, 22]. 70% unserer Patienten waren schmerzfrei, 26% nahezu schmerzfrei. Die Ergebnisse sind mit der aktuellen Literatur vergleichbar [4, 8, 12, 20, 23], wie auch die Einschätzung des klinischen und kosmetischen Ergebnisses durch die Patienten selbst (Abb. 5) [4, 12, 14, 23]. Die Operationsergebnisse, welche aufgrund symptomatischer Rezidive und mäßiger klinischer Abweichung nicht als gut bzw. sehr gut eingeschätzt werden konnten, müssen in Hinblick auf den Operationszeitpunkt diskutiert werden. Nach Einteilung aller durchgeführten Operationen in zwei Gruppen (erste und zweite Hälfte des Operationszeitraums) zeigten die „frühen“ Osteotomien bei identischen Operateuren signifikant schlechtere Ergebnisse.
Abb. 4 Klinische Ergebnisse nach Chevron-Osteotomie nach AOFAS-Score im Literaturvergleich
C. Güsgen et al. „Mittelfristige Ergebnisse der Hallux valgus-Korrektur durch die Chevron-Osteotomie“
Abb. 5 Einschätzung des klinischen und kosmetischen Ergebnisses durch den Patienten als „zufrieden“ im Literaturvergleich
Der objektive Erfolg der operativen Hallux valgusTherapie ist eng mit der Reduktion des HVW bzw. IMW verbunden [12, 14, 15, 22, 23]. Der mittlere Korrekturgewinn des HVW lag in unserer Studie bei 138 (318 prä- zu 188 postoperativ). Es zeigte sich hierbei, dass auch hohe präoperative HVW (> 358) postoperativ durchschnittliche AOFAS-Score Punktwerte erreichten. Die Größe des postoperativen HVW hingegen stieg im Mittel von 16,58 bei den exzellenten und guten klinischen Ergebnissen nach AOFAS-Score, auf 188 bei den befriedigenden und auf 218 bei den schlechten Ergebnissen an. Allerdings lagen die präoperativen HVW bei den Patienten, die aufgrund des postoperativen Korrekturverlustes unzufrieden waren, im Mittel bei 398, also 98 über dem Durchschnitt. Auch die präoperativen IMW waren überdurchschnittlich (15 statt 12,58). Der Korrekturgewinn lag für den HVW in diesem Kollektiv mit 108 zwar nur 38 unter dem Durchschnitt, der postoperative HVW – und damit die Restdeformität – betrug jedoch mit 288 etwa 108 mehr als der Durchschnitt. Bei den im AOFAS-Score schlechten Fällen war der postoperative IMW mit 108 signifikant (p < 0,05) größer als bei den befriedigenden, guten und sehr guten Ergebnissen, wo er im Mittel lediglich 78 betrug (Abb. 6). Bei der Winkelbestimmung ist jedoch zu beachten, dass nach Mann und Donatto [12] verschiedene Methoden zur Bestimmung des Gelenkwinkels existieren. Sie berichten, dass sowohl der HVW als auch der IMW korrekter bestimmt werde, wenn man nach Hardy und Clapham [7] die Linien zur Winkelbestimmung nicht durch die Mitte des Köpfchens und der Basis des Metatarsale I Lege, sondern statt dessen die Schafthalbierende des Knochens zur Messung nutze. Die gemessene Korrektur fiele damit wesentlich geringer aus, denn durch die Verschiebung des Metatarsale-I-Köpfchens werde die funktionelle Achse, nicht aber die Lage des Metatarsaleknochens verändert. Die in der Literatur beschriebenen Korrekturwerte des HVW und des IMW werden in Abbildung 7 wiedergegeben [12, 14, 15, 22, 23].
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Abb. 6 Prä- und postoperativer IMW-Winkel in Bezug auf das klinische Gesamtergebnis nach AOFAS-Score
Abb. 7 Gegenüberstellung der HVW- und IMW-Korrektur nach Chevron-Osteotomie im Literaturüberblick
In der Literatur lassen sich verschiedenste Klassifizierungen für die Lage der Sesambeine finden [1, 7, 11]. Appel et al. [1], deren Klassifikation wir in unserer Studie verwendeten, fanden 1996 in ihrer Studie eine hohe Signifikanz hinsichtlich der Subluxation des MTP-Gelenks und der Lage der Sesambeine. Sie betonten die Relevanz der operativen Rezentrierung des Metatarsale-I-Köpfchens über den Sesambeinkomplex. Verschiedene Autoren weisen darauf hin, dass sich die Chevron-Osteotomie zur Rezentrierung der Sesambeine gar nicht oder nur bedingt eignet [8, 14], andere Autoren beschreiben eine postoperative Verbesserung der Sesambeinlage [15, 19, 21]. Appel et al. [1] erachten die isolierte Verschiebung des Metatarsaleköpfchens zur Rezentrierung lediglich bei geringen Graden der Luxation für sinnvoll, Wolke und Sparmann [23] beschreiben eine bessere Rezentrierung durch eine proximale Osteotomie des Metatarsale. Im Rahmen unserer Studie konnte zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung keine signifikante Lageverbesserung des Metatarsaleköpfchens über dem Sesambeinkomplex festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen der Lage der Sesambeine und dem klinischen Ergebnis des AOFAS-Score wurde nicht nachwiesen. Signifikant (p < 0,05, Spearman Rho) war je-
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doch die Korrelation zwischen der postoperativen Position des Sesambeinkomplexes und dem Korrekturverlust (Hallux valgus-Rezidiv). Bei den neun Fällen, in denen sich die Lagebeziehungen verschlechtert hatte, zeigte sich siebenmal ein Korrekturverlust des HVW. Als mögliche Ursache kann eine zu geringe Lateralverschiebung des MT-Köpfchens diskutiert werden. Die durchschnittliche Lateralverschiebung des MT-Köpfchens bei den Patienten, deren Sesambeinposition sich postoperativ verbessert hatte betrug 24%. In den Fällen, in denen sich die Relation zwischen MT-Köpfchen und Sesambeinen verschlechtert hatte, lag die Lateralverschiebung bei 32%, während sie in den unveränderten Fällen mit 23% gemessen wurde. Unabhängig davon stellt das mediale Abgleiten des MT-Köpfchens einen Indikator für die (Sub)-Luxation des Gelenks dar, und Ziel jeder operativen Hallux valgus-Korrektur sollte auch sein, die räumliche Relation zwischen Sesambeinen und Metatarsalekopf wiederherzustellen oder ihre Position zumindest zu verbessern. Die durchschnittliche Lateralverschiebung des MT-Köpfchens lag in unserer Studie bei 24 ± 13%. Der postoperative HVW und der IMW korrelierten signifikant mit dem Ausmaß der Lateralverschiebung des MT-Köpfchens. So reduzierten sich die postoperativen HVW und IMW mit stärkerer Lateralverschiebung, ein Zusammenhang mit dem klinischen Ergebnis im AOFAS-Score konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Die Möglichkeit, den IMW durch verstärkte Lateralverschiebung (bis über 40% Lateralisierung) zu reduzieren, ist auch von anderen Autoren beschrieben worden [2, 20, 22]. Als maximale Lateralverschiebung werden von Badwey und Dutkowsky [2] 6 mm, von Johnson [8] nur 2–4 mm und von Blum [3] ein Drittel der MT-Köpfchenbreite angegeben. Andere Autoren sagen eine Korrektur des IMW von 18 mit jedem Millimeter Lateralverschiebung des Köpfchens voraus [22]. Einerseits mag es auf der Hand liegen, dass der Korrekturerfolg nicht zuletzt vom Ausmaß der Lateralverschiebung abhängt, andererseits sollte das Risiko einer postoperativen Instabilität der Osteotomie nicht unterschätzt werden. Badwey und Dutkowsky [2] untersuchten 144 anatomische Präparate und definierten eine Verschiebung zwischen 3 mm und 5 mm als maximal mögliche Korrektur, bei der die Stabilität des Metatarsale optimal gewährleistet bleibe. Einen Vorteil der Chevron-Osteotomie stellt die geringe postoperative Verkürzung des Metatarsale dar. In der vorliegenden Studie betrug die durchschnittliche Verkürzung 1,7 mm, ähnlich den Ergebnissen anderer Autoren [11, 19]. Bei anderen vergleichbaren Osteotomien wie beispielsweise der Mitchell-Osteotomie werden Verkürzungen von 3,2 bis zu 7,2 mm beschrieben [3, 13].
Die Ergebnisse der postoperativ durchgeführten Pedographie zeigten deutlich erhöhte Maximaldruckwerte [Pmax] unter dem MT II und MT III im Vergleich zu den von Greiner et al. [6] angegebenen Normalwerten. Sie verglichen die Maximaldruckwerte Pmax von gesunden Probanden mit denen von Patienten, die einen Metatarsus primus varus aufwiesen und fanden im Mittel Pmax-Werte von 45,4 N/cm2 im Normalkollektiv und durchschnittliche 76,6 N/cm2 beim Spreizfußkollektiv. Auch bei unseren Patienten fanden sich die höchsten Druckwerte bei den Patienten, deren HVW noch über 208 lagen. Die veränderten Maximaldruckwerte werden daher primär in Zusammenhang mit der Spreizfuß-Deformität der Patienten gebracht und weniger als OPFolge angesehen, da sich eine postoperative Elevation des MT-Köpfchens nicht nachweisen ließ. Die Ergebnisse zeigen aber, wie wichtig die Verringerung des HVW bzw. des IMW auch im Hinblick auf die Verringerung der Maximaldrücke im Vorfußbereich ist, um die damit verbundenen möglichen Komplikationen wie Metatarsalgien zu verhindern. In der Literatur wird 12 Monate nach durchgeführter ChevronOsteotomie über eine deutliche Reduzierung der Maximaldrücke im mittleren Vorfußbereich berichtet [9, 17].
Schlussfolgerung Unsere Ergebnisse bestätigen, dass die Chevron-Osteotomie zur Korrektur der milden bis mittleren Hallux valgus-Deformität (HVW ≤ 408/IMW ≤ 168) gut geeignet ist. Die postoperative gute Funktion des MTP-Gelenks und eine nur minimale Verkürzung des Metatarsale I sprechen ebenfalls für dieses Verfahren. Die Nachteile der Osteotomie liegen in der Möglichkeit des Korrekturverlustes, insbesondere bei Patienten mit schwereren Deformitäten. Hierbei muss auf die enge Korrelation zwischen der Position des Sesambeinkomplexes und dem Korrekturverlust des HVW (Hallux valgus-Rezidiv) hingewiesen werden. Die pedographischen Ergebnisse lassen vermuten, dass eine suffiziente Verbesserung der Maximaldrücke und ihre Verteilung umso besser gelingt, je effektiver die Korrektur des HVW (möglichst unter 208) gelingt. Unter Berücksichtigung der „learning curve“ rechtfertigen schlussendlich auch die geringe Komplikationsrate und die hohe Patientenzufriedenheit den bevorzugten Einsatz der Chevron-Osteotomie zur Korrektur der milden bis mittleren Hallux valgus-Deformität.
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