Für Sie gelesen
65
Die europäische SPICE-Studie: Crataegus-Extrakt WS®1442 bestätigt Wirksamkeit im empfohlenen Anwendungsgebiet der Kommission E Für Sie gelesen Holubarsch CJF, Colzcci WS, Meinertz T et al. Survival and prognosis investigation of Crataegus-Extrakt WS®1442 in CHF. The first mortality and morbidity trial with a herbal medicinal product. American College of Cardiology Annual Meeting, New Orleans, 27. March 2007.
SPICE-Studie Die SPICE-Studie (Survival and Prognosis Investigation of Crataegus-Extract) zählt zu den anspruchsvollsten klinischen Prüfungen, die jemals mit einem pflanzlichen Arzneimittel durchgeführt worden sind. Die Planungsphase der Studie liegt mehr als zehn Jahre zurück. Ein wissenschaftlicher Beirat mit elf hochrangigen Spezialisten hat strenge Rahmenbedingungen vorgegeben. Der erste Patient wurde im Oktober 1998 eingeschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie wurden anlässlich des 56. Jahreskongresses der Amerikanischen Kardiologen-Gesellschaft am 27. März 2007 in New Orleans der Öffentlichkeit vorgestellt.
Fragestellungen Reduziert die zusätzliche Therapie mit Crataegus-Extrakt WS®1442 bei Patienten mit Herzmuskelschwäche die Zahl und gegebenenfalls den Schweregrad der durch die Herzkrankheit verursachten Folge-Ereignisse, einschließlich der Todesfälle?
Studie Die randomisierte Doppelblindstudie war geplant für etwa 2.300 Patienten, die aus etwa 120 Fachzentren aus verschiedenen europäischen Ländern rekrutiert werden sollten. Die kardiologisch zu sichernde Diagnose der Patienten im Alter über 18 Jahren sollte lauten: symptomatische chronische Herzinsuffizienz
der Stadien II oder III nach NYHA. Die mittels zweidimensionaler transthorakaler Echokardiographie nachzuweisende Auswurf-Fraktion der linken Herzkammer (LVEF) musste auf Werte unter 35% des enddiastolischen Kammervolumens abgesunken sein. Die Patienten sollten für den Zeitraum von zwei Jahren zusätzlich zur „konventionellen Standard-Therapie“ täglich 2-mal 450 mg WS®1442 (Handelspräparat Crataegutt® novo 450) oder ein entsprechendes Placebo einnehmen [1].
Zielgrößen Die primären Wirksamkeitskriterien waren die kardiale Gesamtmortalität (plötzlicher Herztod, Tod durch Progression der Herzinsuffizienz, tödlicher Herzinfarkt) sowie das zeitliche Intervall und die Häufigkeit aller kardialen Ereignisse. Weitere Zielgrößen waren unter anderem die Fälle von plötzlichem Herztod sowie eine umfassende Bewertung von Sicherheitsparametern.
Ergebnisse Die in New Orleans präsentierten Daten basierten auf insgesamt 2.681 Patienten-
Protokollen (1.338 WS®1442, 1.343 Placebo) von 156 Zentren aus 13 europäischen Ländern. Rund 84% der Patienten waren Männer. 56% der Patienten wurden der NYHA-Klasse II, 44% der NYHAKlasse III zugeordnet. Alle Patienten nahmen zusätzliche Kardiaka ein, fast 90% der Patienten nahm drei oder mehr synthetische Wirkstoffe gleichzeitig. Folgende Stoffgruppen wurden anteilig von den Patienten am meisten eingenommen: Diuretika (85%), ACE-Hemmer (83%), ßBlocker (64%), Herzglykoside (57%) und Nitrate (56%). Die kardial bedingte Gesamtsterblichkeit wurde durch die Zusatztherapie mit WS ®1442 bei den Kontrollzeitpunkten nach 6 und nach 18 Monaten signifi kant, bei den Zeitpunkten nach 12 und nach 24 Monaten tendenziell verringert. Die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes wurde bei Patienten mit einer LVEF von mehr als 25% signifi kant gegenüber der Kontrollgruppe reduziert. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse war unter WS®1442 niedriger als unter Placebo.
Kommentar Der Ausgang dieser hochrangigen Studie überrascht weniger dadurch, dass bei den primären Endpunkten die statistische Signifikanz in Bezug auf das Gesamtkollektiv knapp verfehlt wurde. Bemerkenswerter ist die durchgehend bei nahezu allen Zielgrößen zu erkennende tendenzielle Überlegenheit der Gruppe mit WS®1442-Zusatztherapie. Die NYHAZuordnung weist nämlich nur in etwas mehr als der Hälfte der Fälle eine Herzinsuffizienz Schweregrad NYHA II aus, wie er der 1994 von der Kommission E verabschiedeten Monographie Crataegi folium cum flore entspricht, für die übrigen Fälle ein Stadium III. Die LVEF (normal bei Gesunden mehr als 55%) wurde für Patienten mit Herzinsuffizienz der Stadien II und III nach NYHA von anderen Autoren in Bereichen von etwa 30–45% angegeben [2]. Das ursprüngliche Einschlusskriterium im Sin-
66
Für Sie gelesen
ne einer LVEF <35% scheint mit dieser Spanne zu korrespondieren. Der Umfang der Co-Medikation deutet ebenfalls darauf hin, dass es sich mehrheitlich um Patienten gehandelt hat, deren Schweregrad der Herzinsuffizienz deutlich über den von der Kommission E gesetzten Rahmen hinausgeht.
Umso höher zu werten ist die Tatsache, dass dennoch tendenzielle und in wichtigen Teilbereichen sogar signifikante Überlegenheiten der Zusatztherapie mit WS®1442 belegt werden konnten. Besondere Aufmerksamkeit verdient außerdem der bisher nur summarisch mitgeteilte Befund, dass unter WS®1442 offenbar keine zusätzlichen unerwünschten Ereignisse zu verzeichnen waren. Die umfängliche Co-Medikation in dieser Studie umfasste alle wichtigen kardiologischen Wirkstoffe. Eine von Interaktionen freie zweijährige Zusatz-Therapie mit WS®1442 bei repräsentativer Zahl von 1.338 Patienten könnte für die Frage der Eignung dieses Extraktes für die Selbstmedikation von besonderer Bedeutung sein. dcs
Überarbeiteter Nachdruck aus: Z Phytother 2007;28:170-171
Prof. Dr. med. Volker Schulz Arzt für Innere Medizin Präsident der Gesellschaft für Phytotherapie Oranienburger Chaussee 25 13465 Berlin Tel.: (0 30) 4 01 26 89
[email protected]
Ergänzende Literatur [1] Holubarsch CJF, Colucci WS, Meinertz T et al. Survival and prognosis: Investigation of Crataegus extract WS®1442 in congestive heart failure (SPICE) – rationale, study design and study protocol. European Journal of Heart Failure 2000;2:431-7. [2] Dahm JB, Hummel A, Kuon E et al. Doppler echocardiography in dilated cardiomyopathy: diastolic and combined systolic/diastolic parameters offer more information on left ventricular global dysfunction than systolic parameters. Journal of clinical and basic Cardiology 2002;5:189-92.
Gegendarstellung zum Artikel „Anthroposophiche Arzneimitteltherapie“ von Dr. med. Friedemann Schad (Komplementäre und Integrative Medizin, Ausgabe 09/08, S. 38–40) Die Darstellungen des Verfassers zur Verordnungsfähigkeit von anthroposophischen Mistelpräparaten geben die Auffassung der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland wieder. Die bestehende Rechtslage wird dort nicht zutreffend dargestellt. Die Frage Verordnungsfähigkeit von anthroposophischen Mistelpräparaten außerhalb der palliativen Therapie bleibt weiterhin umstritten. Es fehlt an höchstrichterlicher Rechtssprechung zur Auslegung der Arzneimittel-Richtlinien in dieser Frage.
Die vereinzelt positiv entschiedenen Sozialgerichtsurteile, nach denen Patienten anthroposophische Mistelpräparate auch für die adjuvante Therapie erstattet bekamen, gelten nur in den entschiedenen Einzelfällen. Eine Verallgemeinerung dieser Entscheidungen im Sinne einer uneingeschränkten Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen, wie offenbar in der o. g. Darstellung intendiert, ist unzulässig. Ärzte, die anthroposophische Mistelpräparate zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen auch außerhalb der pal-
liativen Therapie verordnen, müssen mit Regressanträgen der Krankenkassen, langwierigen Prüf- und Gerichtsverfahren bei ungewissem Ausgang rechnen. Freilich weisen wir anfragende Ärzte auch auf die stattgebenden Urteile der Sozialgerichte hin. An den bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken für unsere Mitglieder vermögen diese jedoch nichts zu ändern. Simone Schächterle Apothekerin KV Bayerns