Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2012) 106, 639—648 Online verfügbar unter www.sciencedirect.com journal homepage: www.journals.elsev...

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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2012) 106, 639—648

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

journal homepage: www.journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren? Eine qualitative Analyse anhand von Fokusgruppeninterviews Deficiencies and barriers of the cooperation between German general practitioners and occupational health physicians? A qualitative content analysis of focus groups Dirk Moßhammer 1,2,∗, Iris Natanzon 2, Ira Manske 1,3, Philipp Grutschkowski 2, Monika A. Rieger 3,4 1

Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universität Tübingen, Tübingen Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Baden-Württemberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 3 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen 4 Kompetenzzentrum für arbeits- und sozialmedizinische Prävention und Frauengesundheit, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen 2

SCHLÜSSELWÖRTER Allgemeinmedizin; Betriebsmedizin; Kooperation; Defizite; Barrieren



Zusammenfassung Hintergrund: Vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz arbeitsbedingter Beschwerden und der Bedeutung arbeitsbedingter Belastungen kommt der Zusammenarbeit von Haus- und Betriebsärzten in der Gesundheitsversorgung eine besondere Rolle zu. Bei der Prävention, Rehabilitation und Wiedereingliederung übernehmen beide Berufsgruppen wichtige Schlüsselfunktionen. Erfahrungsgemäß ist jedoch in Deutschland der Austausch zwischen diesen Berufsgruppen gering. In der vorliegenden Arbeit sollen Gründe für die Defizite und Barrieren dieser Kooperation eruiert werden. Methoden: Drei Fokusgruppeninterviews mit Hausärzten, Betriebsärzten sowie mit haus- und betriebsärztlich tätigen Ärzten. Die Auswertung erfolgte inhaltsanalytisch nach P. Mayring (Qualitative Inhaltsanalyse).

Korrespondenzadresse. Dr. med. MPH Dirk Moßhammer, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Österbergstraße 9, 72074 Tübingen. Tel.: 071/2980255. E-Mail: [email protected] (D. Moßhammer).

1865-9217/$ – see front matter doi:10.1016/j.zefq.2011.09.027

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D. Moßhammer et al. Ergebnisse: Defizite, z. B. Kommunikation (z. B. Möglichkeit zu Telefonaten), Kooperation bei Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung, mangelndes Wissen über die Tätigkeit und Einflussmöglichkeiten des Betriebsarztes sowie über Arbeitsbedingungen. Barrieren, z. B. Vorurteile, Misstrauen, Angst vor negativen Folgen für den Patienten, vor Einmischung oder vor Konkurrenz, fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen oder eingeschränkte Erreichbarkeit. Diskussion und Schlussfolgerung: In allen 3 Fokusgruppen konnten ähnliche Defizite und Barrieren gefunden werden. Die vorliegenden Daten sind hilfreich für das Verständnis der Schnittstelle von Hausärzten und Betriebsärzten. Sie liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung quantitativer Instrumente zur weiteren Analyse der Zusammenarbeit. Diese kann die Grundlage für Kooperationsprojekte darstellen.

KEYWORDS general practice; occupational medicine; cooperation; deficiencies; barriers

Summary Background: Given the high prevalence of work-associated health problems and the significance of work-related stress factors, cooperation between general practitioners (GPs) and occupational health physicians (OPs) is of particular interest to the healthcare system. Both groups of physicians have an important role to play in supporting prevention, rehabilitation and workplace reintegration. In Germany, however, cooperation between GPs and OPs is often lacking or suboptimal. In our study, we assessed relevant deficiencies in and barriers to this cooperation. Methods: Three focus groups were interviewed: GPs, OPs, and medical doctors working in both fields. Data were analysed according to the qualitative content analysis method of P. Mayring. Results: Deficiencies such as lack of communication (e.g., opportunity to make phone calls), insufficient cooperation in regard to sick-leave and professional reintegration, lack of knowledge about the specialty and influence of OPs as well as about patients‘ working conditions in general. Barriers: Prejudices, competition, mistrust, fear of negative consequences for the patients, lack of legal regulations, or limited accessibility. Discussion and conclusions: Similar deficiencies and barriers were mentioned in all three focus groups. The data are helpful in understanding the interface between GPs and OPs in Germany to provide an informative basis for the development of quantitative research instruments for further analysis to improve cooperation. This is the basis for additional cooperation projects.

Hintergrund Hausärzte und Betriebsärzte nehmen wichtige Schlüsselfunktionen bei Prävention, Rehabilitation und Wiedereingliederung ein. Es ist davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil an Erkrankungen und Arbeitsunfähigkeit auf arbeitsbezogene Belastungsfaktoren zurückzuführen ist. Beispielsweise können muskuloskelettale Erkrankungen arbeitsplatzbedingt sein. So berichteten in einer Befragung von mehr als 30.000 Beschäftigten in deutschen Betrieben 47% über unspezifische Rückenschmerzen; diese wurden von den Befragten in überwiegender Mehrheit (76%) in Zusammenhang mit dem Beruf gebracht [1]. Außerdem scheint die Zahl psychischer Erkrankungen zu steigen, die in Zusammenhang mit arbeitsbedingten Stressfaktoren (wie Leistungsdruck oder Mobbing) stehen [2]. Fast jede zehnte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Deutschland geht mittlerweile auf psychische Beschwerden zurück. Die am häufigsten diagnostizierten psychischen Erkrankungen, die zum Arbeitsausfall führen, sind psychosomatische Störungen, Belastungsstörungen (z. B. Burnout-Syndrom) und depressive Episoden [3,4]. Darüber hinaus lassen der demografische Wandel in unserer Gesellschaft und die längere Lebensarbeitszeit erhöhte Arbeitsausfälle erwarten, die vor allem durch chronische Krankheiten ausgelöst werden [5,6]. Insofern kommt der Zusammenarbeit von

Hausärzten und Betriebsärzten in der Gesundheitsversorgung eine besondere Rolle zu [5]. Die Chancen einer verbesserten Kooperation beider Berufsgruppen für den Patienten liegen zum Beispiel in einer Verkürzung krankheitsbedingter Fehlzeiten, einer verbesserten betrieblichen Wiedereingliederung und damit mittelfristig im Erhalt des Arbeitsplatzes bzw. der Beschäftigungsfähigkeit, d. h. der Teilhabe am Erwerbsleben. Hierdurch könnten die Kostenträger entlastet werden. Für die behandelnden bzw. betreuenden Ärzte bietet der Austausch zwischen den beiden Berufsgruppen die Möglichkeit, die Patienten bzw. Beschäftigen umfassender zu betreuen. Diese Hintergründe verdeutlichen die Potenz der Schnittstelle von Hausärzten und Betriebsärzten. Erfahrungsgemäß besteht jedoch in Deutschland ein nur geringer Austausch zwischen den Vertretern dieser Berufsgruppen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, Defizite und Barrieren der Kooperation von Hausärzten und Betriebsärzten zu eruieren.

Methode Studiendesign Für die vorliegende Arbeit wurde ein qualitativer Forschungsansatz mit Fokusgruppeninterviews (FGs) gewählt,

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren? um die Meinungen, Einstellungen und Bedürfnisse der Zielgruppen zu eruieren. FGs sind eine etablierte Forschungsmethode, die flexibel und kosteneffektiv, z. B. bei der Datenerfassung in beruflichen Gruppen, eingesetzt werden. Im Gegensatz zu Einzelinterviews, regen Gruppendiskussionen die Teilnehmenden an, sich durch den Meinungsaustausch mit bestimmten Themen vertieft auseinanderzusetzen und ihre Gedanken zu äußern. Dabei handelt es sich um Gruppendiskussionen mit 4-12 Teilnehmenden [7,8]. Die Schlüsselfragen wurden auf Basis von Literaturrecherche [9] und anhand der so genannten SPSS-Methode (SPSS steht für sammeln, prüfen, sortieren und subsummieren von Fragen [10,11]) zur Erstellung eines Interview-Leitfadens durch ein interdisziplinäres Forscherteam entwickelt. Diesem gehörten ein Allgemeinmediziner, ein sowohl haus- als auch betriebsärztlich tätiger Arzt, ein Arzt in allgemeinmedizinischer Weiterbildung mit gesundheitswissenschaftlicher Qualifikation, eine Arbeitsmedizinerin sowie eine Soziologin an. Der Leitfaden umfasste Fragen zu Erfahrungen, Selbst- und Fremdreflexion sowie zur Kooperation der beteiligten Berufsgruppen. Es galt für den vorliegenden Artikel, die Gründe (Barrieren) und die Erfahrungen (Defizite) der Teilnehmenden zu nicht gelingender Kooperation herauszuarbeiten. Um die Schnittstelle von Hausärzten und Betriebsärzten möglichst umfassend zu beleuchten, wurden drei FGs mit je 8 Teilnehmern mit den folgenden Charakteristika geplant: 1. FG mit Hausärzten (Allgemeinmediziner oder hausärztlich tätige Internisten), 2. FG mit Betriebsärzten (Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin oder Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin), 3. FG mit sowohl haus- als auch betriebsärztlich tätigen Ärzten (Allgemeinmediziner oder hausärztlich tätige Internisten mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin bzw. der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin). Bei der Planung und Durchführung der Studie sowie der Auswertung und Darstellung der Ergebnisse wurde die gängige Methodologie-Literatur berücksichtigt [12—18].

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die Betriebsärzte, wurde aus der Adressdatei des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (VDBW) rekrutiert. Von den insgesamt 31 kontaktierten Hausärzten, wurden elf nicht erreicht, da entweder die Praxis geschlossen oder die Telefonleitung wiederholt belegt war. Von den 20 telefonisch angesprochenen Ärzten sagten 15 zu. Die Gründe der Nichtteilnahme waren in vier Fällen terminlich bedingt und in einem Fall generelle Zeitnot bzw. Überlastung. Von den 15 telefonisch kontaktierten sowohl haus- als auch betriebsärztlich tätigen Ärzten wurden alle erreicht. Elf davon sagten prinzipiell zu, vier sagten ab (einer krankheitsbedingt, die anderen drei aus zeitlichen Gründen). Von den elf kontaktierten Betriebsärzten wurden zehn telefonisch erreicht, neun davon sagten spontan zu. Zwei Ärztinnen sagten aus terminlichen Gründen die Teilnahme ab, eine davon benannte einen Vertreter. Nach dem Erhalt dieser vorläufigen Zusagen wurden nach dem Prinzip der maximalen strukturellen Variation [19] die Gruppenzusammensetzungen ausgewählt (siehe Tabelle 1). Das Prinzip der maximalen strukturellen Variation beinhaltet die Auswahl möglichst verschiedener Vertreter der jeweiligen Berufsgruppen, um deren Heterogenität abzubilden.

Durchführung der Fokusgruppen Die Termine für die drei FGs lagen im Abstand von je einer Woche im Juli 2009 und dauerten jeweils ca. 90 Minuten. Sie wurden teilstrukturiert, d.h. anhand eines vorher erstellten Leitfadens durchgeführt und vollständig auf Tonband aufgezeichnet. Eine Videodokumentation sollte die eindeutige Zuordnung der gesprochenen Aussagen zu den einzelnen Teilnehmenden im anschließenden Transkriptionsprozess gewährleisten. Entsprechend den Empfehlungen wurden die FGs von einer fachlich unabhängigen, in der Durchführung von FG geschulten und erfahrene Person (IN), moderiert [12,14]. Anhand der offenen Fragestellungen sollten Suggestionseffekte vermieden und die Themenbezogenheit sichergestellt werden. Die Ärzte konnten auf diese Weise offen und präzise antworten. Nur bei Unklarheit wurde nachgehakt.

Ethikvotum Ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen liegt vor.

Rekrutierung der Fokusgruppenteilnehmer Um den Aufwand der Teilnehmenden an der Studie möglichst gering zu halten, wurden nur solche Ärzte telefonisch kontaktiert, deren Arbeitsplatz maximal 50 Kilometer von Tübingen entfernt lag. Für die Rekrutierung der Teilnehmer wurden für die erste und zweite Gruppe Ärzte über die alphabetisch geordnete Liste der Lehrärzte des Lehrbereichs Allgemeinmedizin konsekutiv telefonisch kontaktiert. Für die Rekrutierung der haus- und betriebsärztlich tätigen Ärzte wurde zusätzlich die Ärzteliste der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg herangezogen (KV-Liste, einzusehen unter www.kvbawue.de). Die dritte Gruppe,

Datenanalyse Die transkribierten Daten der FGs wurden systematisch inhaltsanalytisch ausgewertet. Wie empfohlen, erfolgte die Textanalyse zunächst in einem ersten Analyseschritt mit Hilfe der Software Atlas.ti durch zwei neutrale Personen (IM, PG), welche zuvor in Qualitativer Inhaltsanalyse geschult worden waren [12,20]. Sie entwickelten unabhängig voneinander deduktiv (theoriegeleitet anhand der Leitfragen) und induktiv (anhand zusätzlich entstandenen Textmaterials) ein Kategoriensystem aus den Antworten der Ärzte. Im zweiten Analyseschritt erfolgte die Auswertung im interdisziplinären Forscherteam im Konsensverfahren. In der Regel wurde aus allen Antworten einer Kategorie eine prägnante Aussage zur Veranschaulichung ausgewählt.

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Tabelle 1

Charakteristika der Fokusgruppen.

Hausärzte, N = 7 -

Weiblich, n = 2 Berufsjahre* , 23 (Spanne 12-28) Alter* , n. e. Facharzt Innere Medizin, n = 2 Facharzt Allgemeinmedizin, n = 5

- Praxisgröße (Patienten/Quartal) bis 700, n = 1 700 bis 1400, n = 3 >1400, n = 3 - Einzelpraxis, n = 3 - Gemeinschaftspraxis, n = 4 - Praxisort in der Stadt, n = 2 auf dem Land, n = 1 Stadtrand, n = 4 - Im Einzugsbereich eines werksärztliches Dienstes in der Stadt, n = 3 auf dem Land, n = 3 ohne, n = 1

haus- und betriebsärztlich tätige Ärzte, N=8

Betriebsärzte, N = 8

- Weiblich, n = 3 - Berufsjahre* , 27 (Spanne 16-35) - Alter* , n. e. - Freiberuflicher Betriebsarzt n = 7; - Gemeindebetreuung, n = 1 - Gewichtung in % AM/BM 90/10 n = 2 80/20 n = 2 66/33 n = 1 50/50 n=3 - Praxisgröße (Patienten/Quartal) bis 700, n = 2 700 bis 1400, n = 3 >1400, n = 3 - Einzelpraxis, n = 2 - Gemeinschaftspraxis, n = 6 - Praxisort in der Stadt, n = 2 auf dem Land, n = 4 Stadtrand, n = 2

- Weiblich, n = 2 - Berufsjahre* , 26 (Spanne12-33) - Alter* , 54 (41-59) - Facharzt für Arbeitsmedizin, n = 8 - Facharzt für Innere Medizin, n = 5 - Facharzt für Allgemeinmedizin, n = 1 - Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin, n = 1 Umweltmedizin, n = 3 Biochemie, n = 1

D. Moßhammer et al.

KMU — kleine und mittlere Unternehmen, AM/BM — Allgemeinmedizin/Betriebsmedizin, n = Anzahl. * Mittelwert. n. e. — nicht erhoben.

- Fest im Betrieb angestellt, n = 3 - Im überbetrieblichen Dienst (Betreuung von einem Betrieb oder weniger Betriebe), n = 1 - Im überbetrieblichen Dienst (Betreuung mehrerer Betriebe/ KMU-Betreuung), n = 1 - Angestellt mit zusätzlicher personalärztlicher Funktion n=1 - In eigener Praxis tätig n=2

Defizite (D) und Barrieren (B) in der Kooperation aus Sicht der Hausärzte.

Hauptkategorie

Unterkategorie

Ankerzitat

Mangelnde Kommunikation

- bei chronisch Kranken (D)

,,Was chronisch Kranke anbelangt, haben wir (. . .) null Austausch mit Betriebsärzten, also ich zumindest nicht.‘‘ (HA3) ,,[...] dass ein Betriebsarzt anrief, das ist praktisch nur, wenn es sich um einen allgemeinärztlichen Kollegen mit Zusatzqualifikation [handelt], aus der Gegend.‘‘ (HA2)

- telefonisch (D)

Mangelndes Wissen

- über Einflussmöglichkeiten des Betriebsarztes (B)

Angst

- vor Einmischung (B) - vor negativen Folgen für Patient (B)

Mangelnde Kooperation

- bei Arbeitsunfähigkeit (D)

- vergebliche Kooperation (D)

- Mangelnder Handlungsspielraum des Betriebsarztes (B) - Hinterfragen der Notwendigkeit der Optimierung (B) Misstrauen

- gegenüber Betriebsärzten (B)

- kein Vertrauen der Betriebsärzte zum Hausarzt (B) Kompetenzen des Hausarztes eingeschränkt

- Hausarzt fühlt sich nicht ernst genommen (B)

,,Was ich nicht genau weiß, weil ich keinen Betriebsarzt gut kenne, ist: Wie groß sind seine Einflüsse, im Betrieb etwas zu ändern?‘‘ (HÄ3) ,,Mich stört, dass die [Betriebsärzte] im Prinzip sich auch in Sachen einmischen, die eigentlich nichts mit ihrer Tätigkeit zu tun hätten.‘‘ (HÄ1) ,,Meine Bedenken: Diese kleinen Firmen, wenn ich denen das [Drogenabusus des Patienten] mitteile, dann ist der seinen Job los, sehr oft.‘‘ (HA2) ,,Man ist [. . .] in der Situation, die [...] Arbeitsunfähigkeit zu verlängern, [. . .] mit besserer Kooperation über [. . .] Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzwechsel wäre das vielleicht besser gelöst, das Problem oft.‘‘ (HÄ3) ,,Wenn wir [. . .] sagen: ,Ja, wir sind der Meinung, dass der den Arbeitsplatz nicht ausüben kann‘, dann sagt der Betriebsarzt: ,Ja, da haben Sie recht, [. . .], aber der Betrieb hat keinen Platz.‘ Man muss doch auch über die Konsequenzen im Klaren sein: Wenn ich nur etwas mache, damit es gemacht ist, und es kommt nichts dabei heraus, dann kann ich es auch lassen.‘‘ (HA1) ,,Der [BA] kann nur beratend tätig sein, kann keinen anderen Arbeitsplatz, wenn es keinen gibt, für den Angestellten erzwingen oder bereitstellen.‘‘ (HA1) ,,Die Frage ist, ob man die [Kooperation] überhaupt verbessern muss.‘‘ (HA1) ,,[...] ich habe das Gefühl, die [Betriebsärzte] gehören zum Controlling [...], insofern scheue ich die Kooperation [...]. Ich traue denen nicht ganz.‘‘ (HA2) ,,[. . .], man wirft uns vor, wir würden die Leute krank schreiben nur um den [Betrieb X] zu ärgern. Wir machen das Gegenteil, wir schicken die Leute zur Arbeit und sagen: ,Jetzt probiere es mal wieder‘.‘‘ (HA1) ,,[...] ich finde es wäre wichtig,[...] dass die Betriebsärzte uns in unserer allgemeinmedizinischen Kompetenz insgesamt vielleicht mehr wahrnehmen, vielleicht auch mehr ernst nehmen.‘‘ (HÄ2)

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?

Tabelle 2

HA — Hausarzt, HÄ — Hausärztin, BA — Betriebsarzt, arabische Ziffern kennzeichnen die Pseudonymisierungsziffer der Fokusgruppenteilnehmer.

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Tabelle 3

Defizite (D) und Barrieren (B) in der Kooperation aus Sicht der Betriebsärzte.

Hauptkategorie

Unterkategorie

Ankerzitat

Mangelnde Kooperation

- bei Arbeitsunfähigkeit (D)

,,Bei Erkrankungen, wo ich absehe: das geht jetzt über Wochen [. . .], dann ist [...] dem Betrieb enorm geholfen, wenn eine längere Krankschreibung kommt. Weil ich dann vielleicht die Möglichkeit habe, den Arbeitsplatz mit einem Springer [...] zu besetzen. Das ist ein enormes Problem, [. . .] das [mit dem HA] hin zu bekommen.‘‘ (BÄ1) ,,[. . .] den Wiedereingliederungsprozess ins Berufsleben betrachtet, ist es [...] skandalös, dass in [...] über 70% der Fälle, die Arbeitsmediziner, deren Fachgebiet das wäre, [. . .] gar nicht beteiligt sind.‘‘ (BA3) ,,Manche von uns sind ja unterwegs, an jedem Tag woanders, und gar nicht so einfach zu erreichen.[...] Es ist auch eine Barriere, denke ich, uns zu erreichen.’’ (BA1)

- bei Wiedereingliederung (D, B)

- eingeschränkte Erreichbarkeit der Betriebsärzte (D, B)

Sorge des Hausarztes

- Betriebsmediziner habe nicht nur das Patientenwohl im Blick (B)

,,Eine andere Barriere wäre,[...] dass der Hausarzt [. . .] Informationen hat, von denen er glaubt, dass sie am besten bei ihm aufgehoben sind und dass er sie nicht teilen darf [. . .] speziell mit einem Betriebsarzt, der immer so im Verdacht steht [. . .] nicht auch als Agent für den Patienten, für den Mitarbeiter zu agieren. Wohl auch zu Recht, weil er ist [...] auch der Agent der Firma.‘‘ (BA1)

Vorurteile der Hausärzte

- gegenüber Betriebsmedizinern (B)

,,Also, ein Grund [für mangelnde Kooperation] ist auch, die Arbeitsmediziner früher, waren diejenigen, entweder die Frauen in Teilzeit oder stundenweise, oder die Niedergelassenen hatten den Eindruck: ,Der hat sein Studium kaum geschafft, jetzt wird er Arbeitsmediziner.‘ So war der Blick und [. . .], so ist man auch behandelt worden: ,Jetzt erzähle ich Ihnen erstmal was Sache ist, und Sie haben ja sowieso keine Ahnung‘.‘‘ (BÄ1)

Kompetenzen des Hausarztes eingeschränkt

- Hausarzt fühlt sich bevormundet (B)

,,[. . .], dass wir dann sagen: ,Wir möchten gerne Befunde, die zu der

Fehlen gesetzlicher Regelungen

- bei Wiedereingliederung (D, B)

Einschätzung führen, aber nicht das Ergebnis.‘ Also, da merkt man dann schon manchmal, dass sich Hausärzte ein Stück weit [. . .] schwer tun, oder auch in ihrer Kompetenz eingeschränkt fühlen.‘‘ (BÄ2)

BA — Betriebsarzt, BÄ — Betriebsärztin, arabische Ziffern kennzeichnen die Pseudonymisierungsziffer der Fokusgruppenteilnehmer.

D. Moßhammer et al.

- nicht vergüteter Aufwand für Hausärzte (B)

,,[. . .] den Wiedereingliederungsprozess ins Berufsleben betrachtet, [. . .] dass [. . .] die Arbeitsmediziner [. . .] bei dieser Wiedereingliederung gar nicht beteiligt sind und dass der Prozess, so wie er geplant wird, das auch nicht zwingend vorsieht. [...] Das, denke ich, ist eine große Hürde, also, eine strukturelle.‘‘ (BA1) ,,Und dann kriegen sie [die Hausärzte] dafür kein Geld für den Aufwand [telefonische Kontaktaufnahme]. Da gibt es ja keine richtige Abrechnungsziffer für den Hausarzt, soweit ich weiß.’’ (BA1)

Defizite (D) und Barrieren (B) in der Kooperation aus Sicht der haus- und betriebsärztlich tätigen Ärzte.

Hauptkategorie

Unterkategorie

Ankerzitat

Mangelnde Kommunikation

- telefonisch (D, B)

,,[...] Hausärzte machen das [Anrufen] nicht und Betriebsärzte machen das zum Teil auch nicht. [. . .] Stichwort: Kommunikation. Ich denke, das ist das alles Entscheidende.‘‘ (HBA3) ,,Ich arbeite [als BA] ganz viel mit handschriftlichen Kurzbriefen [. . .]. Wenn irgendein auffälliger Befund ist, kriegt der Proband das mit [...]: ,Das und das war auffällig, bitte suchen Sie ihren Hausarzt auf‘. Und allein, also, so etwas habe ich [als Hausarzt] noch nie von einem Betriebsarzt gekriegt.‘‘ (HBÄ1)

- bezüglich auffälliger Befunde (D)

Mangelndes Wissen

- der Hausärzte über Arbeits- und Betriebsmedizin (B)

Angst

- der Hausärzte vor Einmischung (B)

,,Und genau das ist der Punkt. Dass [...] bei Hausärzten Information fehlt: ‘Was macht ein Betriebsarzt, wer ist das?‘.‘‘ (HBÄ1) - Moderator: ,,Also, da ist noch mehr Aufklärung gefragt, was der Betriebsarzt überhaupt macht.‘‘ - ,,Das ist schon so, ja.‘‘ (HBÄ3) ,,Ich spüre oft, wenn ich anrufe, jetzt als Betriebsarzt (. . .), eine gewisse Scheu in der

- vor Konkurrenz (B)

Kommunikation. Eine ganz starke Zurückhaltung (. . .) Kontrollangst vielleicht.‘‘ (HBA4) ,,Eine Einmischung.‘‘ (HBA2) - ,,[...] in das Arzt-Patienten-Verhältnis, ja.‘‘ (HBA4) ,,Das ist das therapeutische Schlachtfeld und das Impfschlachtfeld. Das gibt es noch. Weil die Eifersucht und die Angst, dass der eine dem anderen etwas wegnimmt, da gibt es [...] ja fast Kriege.‘‘ (HBA4)

Mangelnde Anerkennung

- Betriebsarzt wird vom Hausarzt nicht anerkannt (B)

,,[Betriebsärztin über ihren Versuch der Kontaktaufnahme mit einem Hausarzt:] Und der [Hausarzt] hat zu mir gesagt: ,Als Betriebsarzt existieren Sie für mich nicht‘.‘‘ (HBÄ3)

Betriebsarzt unbekannt

- Betriebsarzt dem Patienten nicht bekannt (B) ,,[...] wenn man den Patienten dann fragt: [. . .] ,Haben Sie sich mit dem [Betriebsarzt] besprochen?‘, dann habe ich schon nicht so selten gehört: ,Ja, der Betriebsarzt war noch nie in unserem Betrieb. Den kenne ich gar nicht‘.‘‘ (HBA3) — ,,Ja, oder: ,Wir haben keinen‘.‘‘ (HBÄ3)

Mangelnde Kritikfähigkeit der Hausärzte

- Hausarzt fühlt sich schnell kritisiert (B)

,,Wenn Sie [als BA] einen Patienten zu seinem Hausarzt schicken und der hat einen schlechten Blutdruck [...], dann ist der verschnupft. Der [...] fühlt sich kritisiert, der hat seinen Patienten schlecht betreut. Das ist unterschwellig schnell erreicht.‘‘ (HBA4)

HBA — haus- und betriebsärztlich tätiger Arzt, HBÄ — haus- und betriebsärztlich tätige Ärztin, BA — Betriebsarzt, HA — Hausarzt, arabische Ziffern kennzeichnen die Pseudonymisierungsziffer der Fokusgruppenteilnehmer.

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren?

Tabelle 4

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Ergebnisse Die genannten Barrieren und Defizite werden anhand von Haupt- und Unterkategorien und durch ausgewählte Ankerbeispiele in Tabelle 2 bis 4 veranschaulicht und im Fließtext kommentiert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Ergebnisse der drei FGs getrennt tabellarisch dargestellt.

Hausärzte In dieser Gruppe wurden Defizite in Bezug auf die Kommunikation und Kooperation (z. B. bei der Betreuung chronisch Kranker, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Telefonate) geäußert. Als Barrieren wurden unter anderem Unkenntnis über die Einflussmöglichkeiten der Betriebsärzte oder ein eingeschränkter Handlungsspielraum der Betriebsärzte genannt. Außerdem wurden Angst vor Einmischung und Misstrauen geäußert. Weitere Details finden sich in Tabelle 2.

Betriebsärzte Auch in dieser Gruppe wurden Defizite in der Kooperation bei Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung zur Sprache gebracht. Als Barriere wurde das Fehlen gesetzlicher Regelungen gesehen. Außerdem wurden fehlende Vergütungsmöglichkeiten für die Hausärzte und Vorurteile von Hausärzten benannt. Details und weitere Defizite und Barrieren sind Tabelle 3 zu entnehmen.

Haus- und betriebsärztlich Tätige In dieser Gruppe wurde ebenfalls mangelnde Kommunikation (z. B. bezüglich telefonischer Kontaktaufnahme, auffälliger Befunde) als Defizit benannt. Barrieren waren unter anderem Unkenntnis der Hausärzte über die Tätigkeit der Betriebsärzte und Angst der Hausärzte vor Einmischung und Konkurrenz. Weiteres siehe Tabelle 4.

D. Moßhammer et al. wurde. In welchem Umfang Zeitmangel eine Rolle in allen Gruppen spielt, bleibt offen. Unter den Barrieren wurden Angst und Misstrauen (und zwar bezüglich Einmischung der Betriebsärzte in die Patientenversorgung und negativen Folgen für Patienten z. B. durch Schweigepflichtverletzungen) geäußert: Diese wurden in der Gruppe der Hausärzte explizit genannt (siehe Tabelle 2) und zugleich (einschließlich der Angst vor Konkurrenz) in den anderen beiden Gruppen als Attribut für die Hausärzte beschrieben. Als weitere Barriere wurde die fachliche Kompetenz angesprochen: Die Gruppe der Hausärzte äußerte, zu wenig wahrgenommen bzw. ernst genommen zu werden. In den beiden anderen Gruppen wurde entsprechend beschrieben, dass sich Hausärzte minderwertig behandelt fühlten und mangelnd kritikfähig seien. Sie benannten darüber hinaus, als Betriebsarzt vom Hausarzt nicht anerkannt zu sein. Diese Zusammenschau macht deutlich, dass in allen drei Gruppen Empfindlichkeiten und Vorurteile als Barrieren für die Kooperation bestehen. Auch das mangelnde Wissen über die Tätigkeit der anderen Berufsgruppe konnte als Barriere herausgearbeitet werden. Dieses wurde den Hausärzten zugesprochen, aber auch von den Hausärzten selbst benannt (z. B. im Hinblick auf Einflussmöglichkeiten und den Handlungsspielraum von Betriebsärzten). Hier scheinen Selbst- und Fremdsicht übereinzustimmen. Barrieren im Bereich der Wiedereingliederung wurden ausschließlich in der Gruppe der Betriebsärzte thematisiert. Sie benannten strukturelle Maßnahmen für eine stärkere Einbeziehung ihrer Berufsgruppe (z. B. rechtliche Rahmenbedingungen). Der Struktur-Aspekt einer fehlenden Vergütungsmöglichkeit für Hausärzte wurde nur von den Betriebsärzten geäußert. Es scheint so, dass Betriebsärzte mit dieser systemischen Sicht eine Sonderstellung einnehmen. Die in den Fokusgruppen genannten Punkte scheinen zentral und plausibel zu sein für die erfahrungsgemäß dürftige und häufig erschwerte Kooperation von Hausärzten und Betriebsärzten.

Diskussion Da bislang keine vergleichbaren Arbeiten vorliegen, sollen zuerst die Aussagen-Kategorien der Teilnehmenden diskutiert und soweit möglich diese dann im Vergleich zur Literatur dargestellt werden.

Defizite und Barrieren In jeder der drei FGs wurde als Defizit ein bestehender Mangel an Kooperation geäußert (und zwar bei der Betreuung chronisch Kranker, bei Arbeitsunfähigkeit/Wiedereingliederung und im Falle von auffälligen Befunden). So machten beispielsweise zum Thema Arbeitsunfähigkeit sowohl die Betriebsärzte als auch die Hausärzte deutlich, dass sie auf gegenseitige Information angewiesen seien. Beide scheinen hierbei das Bedürfnis für vorausschauende Planung zu haben. Alle drei Gruppen sprachen als weiteres Defizit die fehlende Kontaktaufnahme an, wobei von betriebsärztlicher Seite eine generell schlechte Erreichbarkeit eingeräumt

Literaturvergleich Nachfolgend werden die Defizite und Barrieren diskutiert, die bereits Eingang in die Literatur gefunden haben. Hierbei handelt es sich um eine qualitative deutsche Studie zur Sicht von Hausärzten (n = 30) auf die Kooperation mit Spezialisten [21], zwei qualitative niederländische Arbeiten zu Motiven und Präferenzen von Hausärzten (n = 21) und unterschiedlichen Spezialisten (n = 19) für die Zusammenarbeit [22,23], eine quantitative Befragung von niederländischen Hausärzten und Betriebsärzten (n = 243 bzw. n = 232) zur ihrer Kooperation [24] sowie eine standardisierte deutsche Befragung von Betriebsärzten (n = 24) zur Vernetzung mit niedergelassenen Ärzten [25]. In den genannten qualitativen Studien wurden unter anderem Aspekte zur Infrastruktur (z. B. telefonischer Kontakt), gegenseitiges Bekanntsein (einschließlich Kenntnis des Tätigkeitsfeldes) und gegenseitiger Respekt als Voraussetzung für gute Kooperation genannt. Zeitmangel und fehlende finanzielle Kompensation erwiesen sich unter

Die Kooperation zwischen Haus- und Betriebsärzten in Deutschland: Wo befinden sich Defizite und Barrieren? anderen als Gründe gegen eine Kooperation. Insgesamt werden die vorliegend geäußerten Defizite und Barrieren in den zitierten Studien bestätigt. Jedoch wird die von den niederländischen Spezialisten für sich selbst geforderte finanzielle Kompensation in der hier vorliegenden Arbeit von den Betriebsärzten für die Hausärzte als notwendig erachtet. Zur Sichtweise von Betriebsärzten zur Kooperation mit Hausärzten finden sich in der Literatur keine qualitativen Daten. In der quantitativen niederländischen Befragung [24] waren die abgefragten Gründe der Betriebsärzte für eine schlechte Kooperation mit den häufigsten Nennungen: fehlende Kenntnis der Hausärzte über die betriebsärztliche Tätigkeit (57%), fehlende Kenntnis der Hausärzte darüber, was sie von Betriebsärzten erwarten können (54%) und fehlende Einbeziehung der Arbeitstätigkeit ihrer Patienten durch die Hausärzte (52%). Die Hausärzte wichteten die Antwortmöglichkeiten wie folgt: Unklarheit darüber, wie die Betriebsärzte die ihnen von den Hausärzten mitgeteilte Information benutzen (58%), Vermutung, dass Betriebsärzte eher zum Wohl des Arbeitgebers als des Arbeitnehmers tätig werden (48%) und fehlende Kenntnis der Hausärzte darüber, was sie von Betriebsärzten erwarten können (39%). In dieser niederländischen Befragung wurden somit ähnliche Themen abgebildet, wie sie von den Ärztinnen und Ärzten in der vorliegenden qualitativen Untersuchung genannt wurden. Eine vergleichbare quantitative Befragung von Hausärzten und Betriebsärzten in Deutschland liegt nicht vor. Weder in den obigen Arbeiten noch in der bisher einzigen veröffentlichten standardisierten Befragung von deutschen Betriebsärzten zur Kooperation mit Hausärzten [25] wird das in den FGs angesprochene Thema ,,Angst vor Konkurrenz‘‘ der Hausärzte erwähnt. Neben inhaltlichen Aspekten (Arzt-Patient-Beziehung, Therapieplanung) könnten monetäre Gründe für ,,Angst vor Konkurrenz‘‘ verantwortlich sein. Denn im Vergütungssystem der kassenärztlichen Versorgung in Deutschland werden präventive Leistungen (z. B. Checkup, Früherkennung, Impfungen) für den Hausarzt extrabudgetär vergütet. Diese Leistungen können auch von Betriebsärzten auf Kosten des Arbeitgebers erbracht werden. Von betriebsärztlicher Seite wird die vermehrte Einbindung von Betriebsärzten in die Gesundheitsversorgung angeregt [5]. Bislang ist jedoch nur ein Projekt zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Hausärzten und Betriebsärzten in der Literatur dokumentiert [26]. In dieser niederländischen Studie fand die Behandlung von Patienten entlang einer Leitlinie für ,,sozialmedizinische Begleitung von Fehlzeiten‘‘ statt. Im Hinblick auf die in der Leitlinie empfohlene Kooperation konnte die Häufigkeit der Kontaktaufnahmen von Hausärzten und Betriebsärzten gesteigert werden. Dieses Projekt zeigt, dass durch eine Intervention der in der obig zitierten Literatur und in den FGs als bedeutsam benannte gegenseitige Kontakt verbessert werden kann. Darüber hinaus ergeben sich aus den hier erhobenen Defiziten und Barrieren weitere Ansatzpunkte für die Verbesserung der Kooperation.

Stärken und Schwächen Die vorliegende Studie präsentiert erstmalig systematisch erhobene Daten zu Kooperationsdefiziten und Barrieren von

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Haus- und Betriebsärzten in Deutschland. Die Heterogenität, welche durch drei FGs und deren Zusammensetzungen gesichert wurde, gewährleistete eine detaillierte Eruierung der Defizite und Barrieren dieser Schnittstelle. Die Planung und Durchführung der Studie sowie die Analyse der Transkripte geschah im interdisziplinären Forscherteam, womit einer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit Rechnung getragen wurde. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Ergebnisse und deren Interpretation limitiert sind durch die Rekrutierung regionaler Fokusgruppenteilnehmer. Es ist zu beachten, dass die Gruppenteilnehmer hauptsächlich langjährige Berufserfahrung aufwiesen. Ob die Meinungen Jüngerer sich von den hier dargestellten Ergebnissen unterscheiden, bleibt offen. Die Nichtteilnahme an den Fokusgruppen wurde in allen Arztgruppen überwiegend zeitlich begründet. Ein gewisser Selektionsbias kann also insofern vorliegen, dass die Antworten der stärker belasteten Ärzte nicht abgebildet sind.

Schlussfolgerung In allen drei Fokusgruppen konnten inhaltsanalytisch ähnliche Defizite und Barrieren gefunden werden. Diesen scheinen allerdings unterschiedliche Motivationen und Sichtweisen zu Grunde zu liegen. Die Ergebnisse sind hilfreich für das Verständnis der Schnittstelle von Hausärzten und Betriebsärzten und liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung quantitativer Instrumente. Mithilfe quantitativer Studien können die Gewichtung und die Relevanz der präsentierten Kategorien erfasst werden. Unter Berücksichtigung jener Ergebnisse sollten dann Ansätze zur Aufhebung der Defizite und Barrieren formuliert und in entsprechenden Kooperationsprojekten (z. B. gemeinsame Fortbildungen, Aufbau von Netzwerken, Entwicklung von Betreuungspfaden) umgesetzt werden.

Danksagung Die Autorinnen und Autoren danken allen an den Fokusgruppen teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten. Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin wird finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall). Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen dieser Förderung sowie aus Eigenmitteln des Lehrbereichs Allgemeinmedizin, und der beiden Kompetenzzentren für Allgemeinmedizin bzw. arbeits- und sozialmedizinische Prävention und Frauengesundheit Baden-Württemberg finanziert durchgeführt.

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ADKA wird neues Fördermitglied im DNEbM

Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e. V. ist dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. als

Fördermitglied beigetreten. Weitere Informationen: http://www.adka.de/

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