Acta histochem. 68, 35-42 (1981)
Institut fill' Pathologie del' Medizinischen Akademie Magdeburg (Direktor: Prof. Dr. se. med. W. KUHNE)
Die Melanosis cerebelli des Menschen: Ein Beitrag zur stofflichen Zusammensetzung des Pig mentes 1. Lichtmikroskopische und histochemische Untersuchungen
Melanosis cerebri of human: A contribution of the pigment composition 1. Light microscopic and histochemical investigations Von KNUT DIETZMANN Mit 4 Abbildungen unLl Tafel III (Eingegangen am 24. April 1980)
Z usammenfassung Es wird uber topochemische Untersuchungen einer seltenen Kleinhirnpigmentation berichtet. Danach hanLlelt es sieh um eine atypische, schollige, extraneuronale Melaninpigmentation des Zahnkernes und del' Kiirnerzellschicht des Cerebellums. Die Pigmentvorstufen sind reich an Chro· molipoiden. Diese werden offen bar durch eine autoxidative Melanisierung in Melanin uberfuhrt. vVeiterfuhrende Vntersuchungen sollen Aufschluf.l uber die stoffliche Zusammensetzung del' Pigmentschollen geben.
Summary The procedure of a topochemical and histological investigation of a rare pigmentation in the cerebellum, especially of the nucleus dentatus cere belli is described. The actual results of the pigment analysis suggest that the pigment may belong to the group of melanin. It occurs as extraneuronal polygonal structur. The prepigments are rich of chromolipoids and will transmit in a melanin with a nonenzymatic oxidation.
In zahlreichen GanglienzeIlgruppen des menschlichen Hirnes finden sich Pigmente, die entweder zu den lipofuscin- odeI' melaninahnlichen lfarbstoffen gerechnet werden (OBERNDORF 1921, CLARA 1965, MOSES et al. 1966, BARDEN 1969, BRAAK 1971, COLCOLO UGH et al. 1972). In den letzten 7 Jahren hat eine relativ unbekannte Pigment art des Nucleus dentatus cerebelli neuropathologisches Interesse erregt (SINGER et al. 1974, GRAND et al. 1977, ULE et al. 1978, FAN et al. 1978, ULE und BERLET 1979), die erstmals von HILLER (1941) und RABL (1955) beschrieben worden war. Bisher wurden 8 FaIle diesel' au13ergewohnlichen Pigmentation in del' Literatur CObersicht s. ULE und BERLET [1979]) mitgeteilt. Durch kombinierte histochemische, elektronenmikroskopische, elektronenstrahlmikroanalytische Untersuchungen sowie Neutronenaktivierungsanalysen soIl ein Bei3*
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trag zur weiteren Kliirung der stofflichen Zusammensetzung der Pigmentschollen versucht werden. In einem erst en Teil wird iiber die histologischen und histochemische Ergebnisse berichteL
Material und Methode Untersucht wurden das fonn alinfixierte Him und das Kleinhim einer neurologisch und psychiatrisch una uffalligen, (l(l ,r ahl'e alten weibliehen L eiche. Das zum 'fade ftihrende Gmlldleiden del' Vel'stol'benen war eine d ekompensierte mikl'Onodulare L ebercirrhose. An den 8 bis 15 {tID dicken Schnitten wurden zur Differentialdiagnose zwischen Lipidpigmenten und Melaninen die Reaktionen n ach v. VOLKMANX (1932), GODOLE'l'Z-UXNA (1902), HUECK (1921), GOMORI (1952), HAMPERL-MASSON (1953) und P e t'Oxidatianpl1 dlll'chgeftihrt. Met a llnachweise fill' Ble i nach FAIRHALL (1940), GEDIGK-Tol'OVIC (1964) . fiir Kupfer na eh OKA;VIOTO-lJTAMURA (1938) und Zink nach MAGER et a1. (1953) wUl'den angewendet,. AuJ3eJ'dem wUl'd en Lipid e. das PAS-Verhalten und einige aromat ische Aminosaul'en iiber priift. Etwa 1 mm" graDe Gt' we bsbWcke wurden in Epon eingebettet und duvan l,lIm di"ke Semidiinnschnitte abgenollllllen.
Befunde Del' Nucleus dcntatus und geringer der Cortex des Kloinhirnes sind bereits ruakroskopisch durch cine schwarze Zeichnung auffallig. Die Fiirbung wird durch grobe, extraneuronale, dunkle Pigmentschollen hervorgerufen die unregelmaBig in diesen Hirnregionen eingestreut li egen (Abb. 2a).
Abb. 1. Schwarze I'igmentierung des Nuel. dentatus cerebelli und geringel' del' Kleinhirnrinde (+ ).
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Die Melanosis eerebelli des Menschen
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Abb, 2, a ) Pigmentsehollen des Zahukt.'I'nes. Serniciiinllsehnitt. Toillidinblau. 800: 1. b) Unge· farbte Schitt. 150: 1.
Die mittIcrc GroBe der Pigmcntkorpuskeldurchmesser in der Kornerzellschicht des Kleinhirn s betragt 20 ± 7,TJ/hm, Dabei kommen bis ZlI 45/hm groBe Partikel vor. In einer Flache von 0,168 1ll11l2 wurden abschnittsweise TJ5 Pigmcntschollen gezahlt. 1m Zahnkern stellen sich 2 Arten von krcisfoJ'llligen Partikeln riar. Man findet bis 65,um groBc homogene, eosinophile K6rper, die kein oder nul' wen ig Pigment t.ragen.
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Abb.3. Gliazellsaum um pigmentarme Schollen im Nucleus dentatus cerebelli. HE. 800: l. Abb.4. Pigmentschollen inmitten eines Gliazellgl'snuloms. Nissl. 750: l.
Einige dieser Schollen sind in Abb. 2b durch die unterschiedliche Lichtabsorption in einem ungefarbten Schnitt sichtbar. Dicht danaben liegen die in GroBe und Form variierenden schwarzen Pigmentpartikel, die teilweise ha ufenformig gelagert sind und zu konfluieren scheinen. Die GroBe des Farbkorperdiameters im Zahnkern differiert von 7,2 bis 74,2/lm. In einer Ji'Iache von 0,168 mm2 liegen im Mittel (n = 15) 1041 Schollen. Abhangige Lagerungen zu den Gefa/.lal'parat des Kleinhirns sind nicht erkennbar. Vereinzelt finden sich zellige Reaktionen um die unpigmentierten Korper. In einem Abschnitt wul'de sogar ein Gliazellgranulom urn ein solches Pal'tikel gefunden (Abb. 3 und 4). In dem ulllgebenden Kleinhirnmark zeigen sich ein zelne mobile gliose FettkornchenzeJlen perivasal. In den Gl'enzflachen des Cerebellum Jiegen lllassenhaft die Corpora alllylacea. Anliegen del' histochemischen Untersuchungen war die Klarung der vorliegenden Pigmel1tart ul1d der stoffliche Aufbau dieser Schollen. Die dul'chgefUhrtel1 Reaktiol1en sind tabellarisch zusammel1gefallt. Die dichte schwarze Eigemabe der Pigmentpartikel bereitete bei der Auswertung einiger topochelllischer Untersuchungen Schwierigkeiten. Mit Sichel'heit ist jedoch erkennbar (s. Tabelle 1 und Tafel III), daB es sich bei del' Verfarbung del' Schollen um eine Melaninart handeln mu B. Der Metallnachweis nach TIMM wurde mit und ohne Lipidextraktion durchgefii hrt. Interessant erscheint uns die Beobachtung, daB del' Bleichungseffekt nach ca. 4 Wochen aufgehoben ist bzw. di e schwarze Eigenfarbe im eingedeckten Schnitt in zahlreichen Pigmentkorpern wieder auftritt.
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Die Melanosis cere belli des Menschen Tabelle 1. Histoehemischc Reaktionen del' Pigmentpartikel und ihrer Vorstufen
1. Pigmentdifferentialdiagllose v. VOLKMA};N (Chromolipoide) GODOLE.TZ- UNJ'
Pigment del' Ganglienzcllen
malaninarme Pigmentvorstufen
+
einige
,
T
+
+
braun
+
+ +
extraneul'onalc Pigmentschollen
+
+
+
schwarz
+
+
einige einige + wenige +
+
wenige blau
+
+
+ +
einige
2. Lipidreaktionen BAKER Suel,ll1l'Ot IV
+
+
3. Metallnachweise Tnmsehe Heaktion FAIRHALL (Blei) GEllLGK-ToTOVIC (Blei) Dithizon (Zink) OKA:\IOTO-UTAlVIURA (Kupfer) 4. Aminosauren Tryptophan Tyrosin Zeiehenel'klarung:
schwach
o o + positiveI' Nachweis,
+
schwach
+ +
- negativer Ausfall del' Reaktion,
+
+ 0
nicht untersucht
Diskussion Bei del' Diffel'entialdiagnose del' l'igmentarten spielen Bleichungsreaktionen eine bedeutende Rolle. Die topoehemisehe Unterscheidung zwischen Lipidpigmenten und Melaninen ist ohne die Pel'oxidntion ni"ht lIIiiglir·h. Del' dureh Wasserstoffperoxid hervorgerufene Bleichungseffekt winl illl wesentli(·hen dUl'eh dip Losung der' MelaninpolYlllere aus dem Verband de,. Pyrrolcarboxylsaure dureh Spaltung del' o-Quinonbindungen hervOl'gerufen (MASON 1959). Aueh bei unseren Analysen wurde die Pigmentdiagnose im wesentliehen yom Bleichungsverhalten des Pigmentes abhangig gemacht. Aus den histoehemischen Untersuchungen geht hen'or, daB sie eosinophilen Schollen noch typische Merkmale des Lipofuscins tragen, wenngleieh auch deutliche Unterschiede zu den Chromolipoiden zu beobachten waren. Diese Differenzen zeigen sich besondcrs bei den Bleiehungsl'eaktionen und den angeschlossenen fluoreszenzmikroskopisehen Beurteilungen. Mit zunehmender Belarlung der Schollen mit Melanin verblassen die Chromolipoidreaktionen.
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Aufgrund del' Konversion del' zunachst positiven Chromolipoidnachweise in den melaninarmen Pal'tikeln in positive Melaninreaktionen del' Pigmenttl'agel' und del' engen N achbarschaft von melaninarmen, eosinophilen und melaninl'eiehen sehwarzen Pigmentschollen im Zahnkerngewebe, mochte man die eosinophilen Schollen als Vorstufen del' .. reiren" Pigmentkol'per bezeichnen. Man konnte annehmen, daJ3 in Anlehnung an GOLD FISCHER et al. zuniichst ein lipofuscinahnliches Chromolipoid in einem el'sten Schritt extnmeuronal in den Astrocyten (ULE und BERLET 1979) gebildet wird. In einelll 2. Schl'itt oder gleichzeitig ansteigend, wiirde die Melaninproduktion in den astrocytiil'en Partikeln beginnen und bis zul' dichten Melaninbepackung andauern. Nach GOLDFISCHER et al. (1966) sollen die melanisiel'ten menschlichen Lebel'lipofuscingranula auf del' Basis einer metallkatalysierten Pseudoperoxidation von Katecholaminderiva1en entstehen. Wiirde man einen gleichal'tigen Bildungspl'ozeJ3 fUr diese Pigmentation annehmen, so konnte man das spontane Auftreten des Melanins in den astrocytaren Partikeln nach del' Bleichung erklal'en. Es diil'fte sich in dem formalinfixierten Gewebe nul' um protein- und enzymunabhangige Prozesse handeln. Daml' spriiche aueh bei Albinismus mit Tyrosinasedefekt die TYl'osinase-unabhangige Neuromelaninbildung und die im Hirn biochemisch unbekannte Tyrosinase nach BARDEN (1969). Fiir einen enzyrnunabhangigen, autoxidativen Melaninbildungsprozef3 sprache del' positive Metallnachweis im Dunkelfeld nach TIMYr. Del' fiir das Neuromelanin erhiihte Kupfergehalt gelang mit dem angewendeten topoehemischen Naehweismethoden nicht (WARREN et al. 1960, BARDE~ 1979, DAs et al. 1971\). Das konnte jedoch an del' mangelnden Empfindlichkeit del' Reaktion gelegen haben. Bei fast allen publizierten Fallen (s. ULE und BERLETT [1979]) diesel' abartigen Kleinhirnpigmentation spielte eli" Vel'andcrung die Holle cines Nebenbefundes. Aueh bei un serer Frau waren zu Lebzeiten neurologische odeI' psychiatrisehe Auffalligkeiten nicht beobaehtet worden. Trotzdem wurclen insbesondere die melaninannen Vorstufen nicht reaktionslos abgelagert, sondern mit Granulomen und gliazelliger ~Iarkiel'lmg beantwortet. Offen bar lauft diesel' Prozef3 so untel'sehwellig ab, daf3 es zu keinef Kleinhirnsymptornatik gekommen ist. Die ilbl'igen histologischen Vpriinderllngen sehen wi,. im Zllsanllnenh,mg mit einer fortgeschr'ittenen Alters"trophie des Gesamthirnes und det' Gnmdel'kl'ankung Leberzirrhose. Del' positive, nieht, P1HIgiiltig abgekliit'te Metallnaehweis und das Spontanauft.'eten del' schwarzen Pigmentation einigp Zeit na('h det' Bleiehllng am formalinfixierten Sehnitt bewog, weitel'e ultratllikroskopist'he unti mikl'Ol'hemisehe Analysen dul'ehzufiihren. Die Ergebnisse diesel' Untel'sudlUngPll werden in eine.' wpiter'en ~Iittpilllng pnbliziert.
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TafelerkHirung 'fafel III Abb. 1. Fixation nach BAKER. Piglllt'ntschollen. 200: 1. Abb.2. PAS. Pigmentsehollen. 125: 1. Abb. 3. v. VOLKMAxNsche PigmentdHl'stellung. 200: 1. Abb. 4. HUEcKsche Pigmelltdarstelluog. 200: 1 FilmmHterial:
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