Osteopathische Medizin
IONRSI PG I RNAT A LIIOAN
Die Palpation des Mu Torsten Liem
Man muss Ohren haben / Ohren zum Berührenlassen / Wenn man nur Ohren hat / Nur Ohren fürs Geschwätz und Geprahle / Wessen Gehör ist dann noch empfänglich / Offen für die „Ich bin viele“ / Und die Pausen dazwischen? Man muss Augen haben / Augen zum Fühlen / Wenn man nur Augen hat / Nur Augen für grelle Spiegelbilder / Fürs blendend Offensichtliche / Wie nur / Wie nur schult sich der Blick für das eigentlich so Unsichtbare?
Man muss eine Nase haben / Eine Nase haben für den Ekel / Für‘s Tatsächliche / Für Kein-Blatt-passtmehr-zwischen-Dir-und-MirErfahrenszauber / Wenn man nur eine Nase hat fürs Hochnäsige / Zum Parfümieren des anderen – wer / Ja, wer erfährt dann noch die Sinnlichkeit der leisen Gerüche?
Man muss Hände haben zum Sehen / Zum Hören / Riechen / Schmecken / Wenn man nur Hände hat zum Zugreifen / Wo / Wo bleibt dann / Sag mir, wo bleibt dann die Schönheit / Die Zartheit des Augenblicks / Das Erleben des anderen? Wo bleibt das Mu?
Man muss eine Zunge haben / Eine Zunge die Tonalität zu erspüren / Wenn sich Geschmack im Wiederkäuen von Pareidolien erschöpft / Im Blendwerk nahrungsähnlicher Substanzen / Wann / Wann ist die Zeit, noch etwas auf der Zunge zergehen zu lassen?
Osteopathische Medizin
L I T E R AT U R
Der Weihnachtstipp Hat Sie unser oben abgedruckter kleiner Ausflug zum „Mu“ nachdenklich gemacht?! Was wäre, wenn man Hände hätte, die nicht nur sehen, hören, riechen, schmecken und zugreifen könnten – sondern Hände, die auch noch genial abbilden könnten, was man häufig mit Worten nicht umschreiben kann; Hände, die das Unsichtbare darstellen könnten; Hände, die mittels gezielter Striche auf Papier mehr lehren könnten als so mancher Fachartikel – solche Hände möchten wir Ihnen mit unserem Weihnachtsbuchtipp vorstellen: Igor Litvinov hat Hände, die in „osteopathischen Skizzen“ nicht nur Fachkompetenz und Witz vereinen, sondern uns einen erheiternden Blick
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auf die osteopathische Welt mit all ihren Begriffen, Bereichen und Visionen schenken. Auf der nächsten Seite erfahren Sie mehr dazu. Nachfolgend erwarten Sie Rezensionen zum Faszienbuch von Jean-Claude Guimberteau und zur neuen Auflage von „Kiefer-, Gesichts- und Zervikalregion“ von Harry von Piekartz. Viel Recherche steckt wieder in der sich anschließenden Neuerscheinungsliste. Die dort unter „Interessante Fundstücke“ diesmal sehr zahlreichen Buchtitel sind nicht unbedingt immer aktuell erschienen, aber gerade zur Weihnachtszeit durchaus empfehlenswert. Denn wann sonst haben wir einmal Zeit, uns etwas „auf der Zunge zer-
gehen zu lassen“, wie es im obigen Artikel zum „Mu“ angesprochen wird? Allen eine besinnliche Weihnachtszeit und viel Spaß beim Stöbern!
Kerstin Schmidt, Rubrikleitung Korrespondenzadresse: Kerstin Schmidt kerstinschmidtosteopathie@ t-online.de
17. Jahrg., Heft 4/2016, S. 36–41, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed