Flora, Bd. 155, S. 10-29 (1964)
Aus dem Institut flir Botanik der Technischen Hochschule Hannover
Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung und Knospenbildung von Funaria hy grometrica Von HELGA JAHN 1) geb. LOFFLER Mit 10 Abbildungen im Text (Eingegangen am 14. Januar 1964)
1m ersten Teil dieser Untersuchungen (J AHN 1964) wurde der Versuch unternommen, die spezifische Wirkung von Kinetin auf die Knospenbildung am Protonema von Punaria hygrometrica zu analysieren, wobei sich als wesentlicher Gesichtspunkt tlrgab, daB dem Kinetin nicht die Funktion eines Knospenbildungsstoffes oder eines Modellstoffes flir die Knospenbildung zukommt, sondern daB es nur akzessorisch wirkt, indem es vermutlich in den Caulonemazellen Attraktionszentren flir knospenbildende Systeme oder deren Vorstufen schafft. Es ist bekannt, daB Knospen unter normalen Bedingungen nur im Rotlicht .angelegt werden (PRINGSHEIM und PRINGSHEIM 1935, MITRA, ALLSOPP und WAREING 1959). Darum ist verschiedentlich die Meinung vertreten worden, diese Abhangigkeit konne darauf beruhen, daB im Blauen und Grtinen bestimmte Substanzen gebildet werden, die sich durch Kinetin ersetzen lassen (MITRA und ALLSOPP 1959, SZWEYKOWSKA 1963). Diese Annahme besitzt zwar nach Untersuchungen an hoheren Pflanzen (MILLER 1958, POWELL and GRIFFITH 1960 u. a., vgl. KANDEI,ER 1963 zunachst nur wenig Wahrscheinlichkeit, wenn man annimmt, daB es sich bei der Lichtwirkung um das bei grtinen Pflanzen universell verbreitete und auch bei Moosen nachgewiesene (BAUER und MOHR 1959) Hellrot-Dunkelrot-Reaktionssystem handelt. i.Jber die Art und Weise der Lichtabhangigkeit bei der Moosknospenbildung ist jedoch praktisch, auBer der Tatsache, daB nur im Rot Knospen auftreten, nichts bekannt, weshalb sich doch die Notwendigkeit ergibt, Lichtabhangigkeit und Kinetinwirkung in Beziehung zu setzen, zumal bei Moosen recht komplizierte Abhangigkeiten yom Licht vorliegen konnen (STEINER 1963). 1) Zweiter Teil einer Dissertation oor Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultat, Freiburg (Breisgau).
Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung usw.
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Material uud Methoden
Versuchsmaterial, verwendete Chemikalien, Kulturmethoden und die Art der Versuchsauswertung sind im erst en Teil der Arbeit (JAHN 1964) ausfiihrlich beschrieben. Die Versuche wurden wiederum an Funaria hygrometrica durchgefiihrt, die Sporen stammten aus denselben Ernten. Beleuchtung Die Versuche wurden in einer Klimakammer durchgefiihrt bei einer Temperatur von 19,5 ± 0,5 DC und Dauerlicht, Lichtquelle waren 12 Osram-L 65W/15- und 12 Osram-L 65W/ 20-Leuchtstoffrohren. Die Beleuehtungsstiirke sehwankte innerhalb des Raumes zwischen 7500 und 12000 Lux bei neuen und 5000-8000 Lux bei gealterten Rohren. In der Kammer wurden Kiisten von 46 x 56 em aufgestellt, die mit sehwarzem Papier liehtdicht abgeschirmt und mit 3 mm starken Scheiben von farbigem Plexiglas der Firma Rohm & Haas (rot und blau) bedeckt waren. 1m ersten Versuch wurde statt dessen Cellophanpapier (Dupont) in doppelter Schicht verwendet. In Kontrollversuehen dienten Kiisten, bei denen das WeiBlieht durch weiBes Pergamentpapier entsprechend abgefiltert wurde. Die Kiisten wurden, wenn nicht anders angegeben, wiihrend der Versuchsdauer nur im Dunkeln geoffnet. Bei der Verwendung der Plexiglasscheiben ist zu beriieksiehtigen, daB sie bei Dauerstarklieht nach einiger Zeit (8-10 Wochen) ausbleichen. Die Energiemessung erfolgte mit Thermosiiule von Kipp & Zonen mit Wiirmeschutzfilter KG 1 und einem Multiflex-Galvanometer. Die Energiedifferenz zwischen den roten und blauen Feldern wurde durch eine Lage Pergamentpapier ausgeglichen. Danach wurden folgende Ener,gien erreicht: Bei Cellophan: 1000-1200 erg/cm2 Sek. Bei Plexiglas: 700-900 erg/cm2 Sek.
Experimeuteller Teil
1. Wirkung von Rot- und Blaulicht auf die Knospenbildung
Von besonderem Interesse bei der Frage nach den kausalen Zusammenhangen bei der Moosknospenbildung ist die Bedeutung des Lichtes. Un sere Versuche mit Blau- und Rotlicht schlieBen dabei an friihere Arbeiten, vor aHem von MITRA, ALLsopp und WAREING, an. Sie konnten im wesentlichen deren Ergebnisse bestatigen, jedoch erbrachte die Methode des Substratwechsels Resultate, die zu einer veranderten VorsteHung iiber den Wirkungsmechanismus fiihrten. Unter unseren Bedingungen verhalten sich Protonemen, die von der Keimung an unter Rot-, Blau- oder WeiBlicht gehalten wurden, nicht anders, als aus der Beschreibung von MITRA, ALLSOPP und WAREING (1959) hervorgeht: A. Blaulichtprotonemen zeigen eine klare Differenzierung in Chloronema und Caulonema. Die Ausbildung des Chloronemas ist schwacher als in Wei13licht (vgl. Abb.4), dafiir werden sehr rasch weitgestreckte Caulonemen gebildet. Diese wachsen spiralig, besitzen sehr regelmaBig angeordnete Seitenaste (erster Ordnung), deren Seitenaste zweiter Ordnung aber kurz sind, so daB Lnftprotonema fast vollig \
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HELGA JAHN
Abb. 1. 42 Tage altes Protonema von Funaria hygrometrica immer in Blaulicht. Es sind einige Knospen vorhanden.
fehlt. Der Protonemadurchmesser ist in Blaulicht sehr viel groI3er als bei gleichaltrigen WeiBlichtkontrollen. Knospen treten nahezu keine auf (Abb. 1). Wenn an einigen Protonemen nach langerer Kulturdauer (28-56 Tage) wenige Knospen entstehen, so mag dies auf einem geringen Anteil des langwelligen Lichtes beruhen, das sich bei der hohen Lichtintensitat des Dauerlichtes und der lang en Versuchsdauer doch zu einem merklichen Anteil summieren kann. Eine weitere Erklarungsmoglichkeit soIl spater gegeben werden. Wir versuchten, diese Fehlerquelle durch Verwendung einer schwacheren Lichtintensitat auszuschalten, dies war jedoch nicht moglich, da die Protomenen dann regulare Etiolementerscheinungen zeigen, so daB Knospenbildung sowieso nicht Zll erwarten ist (vgl. Bopp 1959a). B. Rotlichtprotonemen Protonemen, die im Rotlicht aufwachsen, verhalten sich im Prinzip wie solche aus WeiBlicht, sie differenzieren sich normal zu Chloronema, Caulonema und Stammchen aus, machen aber einen nicht ganz so "gesunden", d. h. regelmaBig gewachsenen Eindruck wie diejenigen im WeiBlicht. Allgemein wird eine starke Bildung von Kugelzellen im Rotlicht beschrieben (MITRA, ALLSOPP und WAREING 1959, Bopp 1959b).
Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung usw.
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die auch hier beobachtet werden konnte. Urn diese Wirkung des Rotlichtes zu verstehen, ist es nun wichtig zu wissen, wahrend welcher Periode der Protonemaentwicklung das Rotlicht im Hinblick auf die Knospenbildung ma13geblich beteiligt ist. C. Zeitweilige Wirkung von Rotlicht Kulturen, die nach dem Impfen bis zu 8 Tage im Rot- bzw. WeiBlicht gelassen und dann ins Blaue gebracht worden sind, sind von der Blaukontrolle nicht zu unterseheiden. Sind sie nach dem Impfen langer als 8 Tage dem Rot bzw. Wei13 ausgesetzt, so entstehen an knapp 4 Wochen alten Protonemen auch im Blaulicht Knospen, diese Knospenbildung la13t aber bald nach und erreicht nicht die Menge der dauernd im WeiBen befindlichen Pflanzen. Es wurde nun eine kurzfristige Rotlichtbehandlung in die Kultur unter Blaulicht eingeschaltet, und zwar in folgender Weise: 14 und 21 Tage alte Blaulichtprotonemen wurden 5 Tage mit Rotlicht behandelt. Protonemen, die 14 Tage alt waren, als die Rotlichtbehandlung begann, bildeten, nachdem sie nach 19 Tagen ins Blaulicht zurtickversetzt wurden, sehr wenig Knospen. Diejenigen, die 21 Tage alt waren, bildeten etwa 8 Tage nach Beginn der Rotgabe, also nachdem sie bereits wieder 3 Tage im Blauen waren, zunaehst normal viele Knospen. Die weitere Knospenbildung im Blaulicht ist aber auch danach stark eingeschrankt. Das Rotlicht bringt also keine grundsatzliche Umorientierung des Protonemas flir die Knospenbildung zustande, seine Wirkung au13ert sich vielmehr nur wahrend bzw. unmittelbar nach seiner Einwirkungszeit. Weiterhin wurden die Blaulichtpflanzen nach 14 und 21 Tagen jeweils 30 Min. einer Rot- bzw. Taglichtbehandlung unterzogen. Diese Protonemen zeigen in keinem FaIle eine Wirkung hinsichtlich der Knospenbildung, was mit der vorherigen Beobaehtung in Einklang steht. Methodisch ist die Beobachtung deshalb von Bedeutung, weil es dadurch moglich ist, solche Kulturen als Kontrolle ftir andere Versuche zu benutzen, in denen eine kurzzeitige Manipulation unter abgewandelten Lichtbedingungen notwendig ist. D. Lichtwechsel wahrend der Entwicklung nach Blaulichtvorkultur Weitgehende knospenfreie Blaulichtkulturen wurden 14, 21, 28 und 42 Tage nach dem Impfen von Blau- in WeiBlicht gestellt. Nach 1-2 Tagen kann man bereits beobachten, daB die Verzweigung des Caulonemas "btiseheliger", d. h. dichter und normaler wird. Au13erdem entstehen mehr Luftprotonemen. Spater wird diese Reaktion noeh deutlicher. Die 14 und 21 Tage alten Protonemen bilden bei Ubertragung in WeiBlicht stark verzogert Knospen. Der "Hexenring" ist ziemlich eng, da hier zn Beginn der Wei13lichtbehandlung noeh ziemlich weit inn en liegende Caulonemazellen reaktionsfahig sind. 28 Tage alte Protonemen bilden im Wei13licht sogar erst nach 10 weiteren Tagen Knospen, und zwar in normaler Zahl in einem Hexenring
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HELGA JAHX
Abb.2. 42 Tage altes Protonema von Funaria hygrometrica: 28 Tage Kultur in Blaulicht, dann in WeiBlicht iibertragen ohne Substratwechsel. Die Knospenbildung tritt verziigert ein.
mit gro13em Durchmesser, weil hier nur die jtingsten Caulonemazellen, d. h. die zuletzt im Elau und die neu im Wei13 gebildeten Knospen hervorbringen (Abb. 2). 42 Tage alte und altere Protonemen wachsen, wenn sie in Wei13licht kommen, nur noch sehr wenig. Die Knospenbildung ist ebenfalls sehr gering. Diese Protonemen sind offenbar zu einer Reaktion tiberhaupt zu alt. Die vorstehenden Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Sie stehen mit allen bisherigen Resultaten im Einklang Tabelle 1 Dauer der Blaulichtvorbehandlung
Knospenzahl zu Beginn des WeiBlichtversuches
nach 10tagiger Kultur spateres Verhalten im Wei Ben
1. dauernd im WeiBlicht
(nach 28 Tagen) 120-150 keine keine 0-10
ungefahr 200-250
2. 14 Tage 3. 21 Tage 4. 28 Tage 5 42 Tage
0-10
ungefahr 200-250 ungefahr 200-250 200-250
Zahl andert sich kaum mehr ungefiihr 50, Knospen Zahl andert sich kaum mehr kiimmerlich
Die Wirkung von Blaulieht und Kinetin auf die Protonemaentwieklung usw.
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und kiinnen zunachst damit interpretiert werden, da13 im Blaulicht der flir den morphogenetischen Schritt der Knospenbildung notwendige Zustand nicht erreicht wird, eine nachtragliche Kultur im Wei13- oder Rotlicht dagegen zur Knospenbildung befahigt. Auffallend ist allerdings die lange Zeit, die notwendig ist, um an den mit Blaulicht vorbehandelten Protonemen nach dem Umsetzen die Knospen hervorzurufen. Dieses sowie die geringer werdende Knospenzahl im Blaulicht nach einer vorhergehenden Rotlichtbehandlung weisen darauf hin, da13 das Blaulicht auch antagonistisch wirken kiinnte. 2. Blaulichtversuche mit Substratwechsel Um die am Ende des vorigen Absatzes gemachte Vermutung weiter zu unterbauen, stellten wir folgende Versuche an: Funaria-Sporen wurden auf Knop-Agar geimpft und im Blaulicht kultiviert. 14, 21 und 28 Tage alte Protonemen wurden dann auf frischen Knop-Agar umgepflanzt und im Blaulicht weitergezogen bzw. gleichzeitig mit dem Umpflanzen in Wei13licht iibertragen. Das Umpflanzen geschah erstens nach der Cellophanmethode, zweitens dadurch, da13 kleine Agarbliickchen mit den daraufsitzenden Proton em en iibertragen wurden. Nachdem sich gezeigt hatte, da13 die Unterschiede zwischen beiden Methoden nur unwesentlich sind, wurde hauptsachlich die einfachere und exakter durchzuflihrende Cellophanmethode angewendet. Wiihrend des Umpflanzens bekamen alle Protonemen, auch die nicht umgepflanzten Kontrollen, etwa 30 Min. Wei13licht. Wie bereits im vorigen Abschnitt beschrieben, hatte diese kurzfristige Wei13lichtgabe keinen Einflu13 auf die Knospenbildung. Die Ergebnisse lassen sich entsprechend Tabene 2 zusammenfassen (vgL Abb.3a): Tabelle 2 Alter der Protonemen zur Zeit der U mpflanzung
Reaktion naeh dem Umpflanzen
14 Tage
keine Knospen, es ist kein Untersehied zu nieht umgepflanzten Blauliehtprotonemen zu sehen 3-5 Tage naeh Umpflanzen werden Knospen gebildet. AuBer diesen entstehen keine weiteren Knospen mehr
21 Tage und 28 Tage
In einem weiteren Versuch wurden die auf frisches Medium verpflanzten Kulturen im Wei13licht weiterkultiviert, 28 und 42 Tage alte Blaulichtprotonemen bilden unter diesen Umstanden schon nach 3-4 Tagen etwa 200---250 Knospen (Abb. 3b).
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Abb. 3a. 42 Tage altes Protonema von Funaria hygrometrica. Nach 28 Tagen Substratwechsel ohne Lichtwechsel. Die Knospenzahl ist wesentlich vermehrt.
Abb. 3b. 42 Tage altes Protonema von Funaria hygrometrica. N ach 28 Tagen Wechsel in WeiBlicht und Snbstratwechsel. Rasche und regelmiiBige Knospenbildung.
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.. Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung usw.
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Unter dies en Versuchsbedingungen konnten auch 42 Tage alte Protonemen Knospen hervorbringen, im Gegensatz zu Kulturen, bei denen mit dem Lichtwechsel das Substrat nieht gewechselt wurde (\rgl. S. 13). AuI3erdem erfolgte hier unabhiingig yom Alter der umgepflanzten Protonemen die Bildung cler Knospen stets nach 3 bis 5 Tagen, also nach einer wesentlich kiirzeren Zeit, als wenn lediglich ein Lichtwechsel und nicht gleichzeitig damit verbunden ein Substratwechsel erfolgt! Die Knospenzahlen nach 42 Tagen stimmen bei Lichtwechsel nach 28 Tagen bei umgepflanzten und nicht umgepflanzten Protonemen etwa iiberein (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3 Versuchsanstellung nach 28 Tagen Vor berei tung
Beginn der Knospenbildung Tage nach dem Umpflanzen
Substratwechsel immer im Blaulicht 3-5 Kein Substratwechsel von Blau10 nach WeiBlicht Substratwechsel von Blau- nach 3-5 WeiBlicht
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Abb. 4. Protonema von Funaria hygrometrica aus WeiBlicht, das nach 21, 28 und 42 Tagen auf frisches Substrat iibertragen wurde. Es sind deutlich 2-3 Hexenringe ausgebildet. 2
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Knospenzahl nach 42 Tagen gering groB groB
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Erganzend ist noch zur Kontrolle zu sagen, daB auch im WeiBlicht bei Dbertragung auf frisches Substrat die Protonemen zunachst eine erhOhte Anzahl Knospen bilden. Bei mehrfacher Dbertragung auf frisches Substrat kommen auf diese Weise mehrere konzentrische Hexenringe zustande (vgl. Abb. 4). Diese Erscheinung ist auf eine im WeiBlicht eintretende Hemmung der Knospenbildung yom Substrat her zuriickzufiihren (vgl. u. a. Bopp und KLEIN 1963). Tage nach Impfen 11 18 Versuch 1 Nr I ' I 1 ------------~-----~----~ I normal x : Z I 4
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Kulfur in /JIQulicht Kulfur in Rot-oder WeifJlich/ Beginn der KnospenbHdung
Subs/ra/ -und lich/wechsel 30 l1in_ WeiBlich/ @) Jubslralwechsel bei 30 l1in. Wei8/icht x laM der Knospen
o
Abb. 5. Schema der Lichtversuche.
Die Ergebnisse der vorstehenden Lichtversuche sind im folgenden Schema (Abb. [) in iibersichtlicher Weise zusammengestellt und konnen zu folgender Interpretation herangezogen werden: 1m Blaulicht ist die Knospenhemmung wesentlich starker als im WeiBen; diese Knospenhemmung wirkt durch Substanzen, die von Protonemen in das Substrat gelangen und von dort aus wirken. Die Dbertragung auf ein neues Substrat bedingt ein voriibergehendes Fehlen der Hemmung, das aber durch die weitere Kultur im Blaulicht wieder aufgehoben wird. Darum konnen beim Umpflanzen auf neues Substrat unmittelbar nach diesem Umpflanzen Knospen gebildet werden. Wenn die Pflanzen dagegen nur im WeiBlicht iibertragen werden und nicht gleichzeitig auf neues Substrat, so dauert es langere Zeit, bis die vom Substrat ausgehende Blaulichthemmung aufgehoben wird.
Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwieklung usw.
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3. Versuche mit Kinetin in Blaulicht A. Beobachtungen mit verschiedenen Kinetinkonzentrationen Da MITRA und ALLSOPP (1959) aus ihren Kinetinversuchen den SchluB ziehen, daB zwischen der Lichtwirkung und der Kinetinwirkung irgendeine direkte Beziehung bestehen konnte, priiften wir die Wirkung einer Kombination der beiden Faktoren, was bisher noch nicht sorgfaltig genug geschehen ist. Wenn Funaria-Protonemen seit ihrer Entwicklung aus der Spore mit 5 mg/l und weniger Kinetin behandelt werden, bilden sie im Blaulicht entsprechend der kinetinfreien Kontrolle keine Knospen (Abb. 6). Bei einer Konzentration von 10 mgjl entstehen Knospen in einem sehr ausgepragten Hexenring von durchschnittlich 10 mm Durchmesser (im WeiBlicht betragt er bei 10 mgjl ungefahr 4 mm) (vgl. JAHN 1964, Tabelle 1). Die Knospen haben wohlausgebildete Blatter. Die Anzahl der Knospen ist sehr viel geringer als bei gleichkonzentrierten Kinetinkontrollen im WeiBen und auch geringer als bei den kinetinfreien Protonemen im WeiBlicht. Bei 20 mgjl Kinetin entstehen noch mehr Knospen in einem entsprechenden Hexenring, wobei jedoch die einzelnen Knospen nicht normal wachsen und kaum
Abb. 6. 35 Tage altes Protonema von Funaria hygrometrica in Blaulieht mit 5 mg/l Kinetin (vgl. dazu JAHN 1964, Abb. Ie).
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BH1ttchen bilden. Die Hemmung der Blattausbildung an den Knospen trat im Durchschnitt im Blaulicht jedoch erst bei einer hOheren Konzentration von Kinetin auf. Wahrend im Wei13licht die Knospen schon bei 5 mg/l gestOrt sind, ist dies im Dauerblaulicht erst bei 20 mg/l der Fall. Dies kann als weiterer Hinweis auf die Korrelation zwischen der Knospenzahl und der Art ihrer Ausbildung dienen, da sonst zu erwarten ware, daB gleiche Kinetinkonzentrationen auf die vorhandenen Knospen gleich wirken. Bei einer Kinetinkonzentration von 40 mg/l ist dann allerdings die Knospenzahl wieder vermindert, ohne daB die Knospenform v611ig normal ware. In Tabelle 4 sind die vorstehenden Ergebnisse zusammengefaBt. Tabelle 4
Knospen
Kinetinkonzentration
Lichtbedingung
21 Tage
28 Tage
35 Tage
42 Tage
Ausbildung der Knospen
ohne 5 mg!! 10 mg!!
Blaulicht Blaulicht Blaulicht
keine keine keine
keine keine 50-100
0- 10 0- 10 50-100
normal normal fast normal
20 mg!!
Blaulicht
keine
sehr viele
sehr viele
ohne
WeiBlicht
20 mg!l
WeiBlicht
ungefahr bis 250 bis 00
ungefahr bis 250 bis 00
geringer Anstieg geringer Anstieg
0-10 0-10 keine weiteren keine weiteren geringer Anstieg geringer Anstieg
gestort
gestiirt
Diese Versuche zeigen also, daB die im Blaulicht notwendige Kinetinkonzentration, urn iiberhaupt einen Effekt hervorzurufen, h6her liegt als im WeiBen. In jedem FaIle wirkt das Kinetin jedoch so, daB die unter den gegebenen Bedingungen normale Knospenzahl in Abhangigkeit von der Kinetinkonzentration erh6ht wird. Eine erganzende Beobachtung vermagdiese SchluBfolgerung wesentlich zu stiitzen: Bei Kulturen, die von Pilzen infiziert wurden (verschiedene nicht weiter gepriifte Pilzarten sind wirksam), entstanden auch'im Blaulicht bei Protonemen, die nicht mit Kinetin behandelt waren, Knospen; ihre Anzahl wird bereits durch 5 mg/l Kinetin ganz enorm gesteigert. Gerade dieses zunachst nur zufiiJIige Resultat zeigt, daB das Kinetin nur die an und fiir sich im Blaulicht vorhandenen M6glichkeiten fUr die Knospenbildung besser auszuniitzen erlaubt. Die Pilze hingegen verschaffen dem Protonema direkt die Moglichkeit zur Knospenbildung, wie es SIRONVAL (1947) schon fUr kiinstliches WeiBlicht gezeigt hat. Die Frage nach der Wirkungsweise der Pilze muB allerdings vorlaufig unbeantwortet bleiben; es ist nicht bekannt, ob sie einen fiir die Knospenbildung notwendigen Stoff liefern oder - wie es unsere neueren
r
Die Wirkung von BlauIicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung usw.
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Versuehe durehaus aueh anzunehmen gestatten - eine die Knospenbildung hemmende: Komponente (die, wie bekannt, aueh im WeiJ3lieht existiert) entfernen. B. Umpflanzversuehe Aueh im Blaulieht solI die Wirkung des Kinetin auf die versehiedenen Entwicklungsstadien des Protonemas beobaehtet werden. Die Protonemenwurden dazu nach bestimmter Zeit auf frisehes kinetinhaltiges Substrat verpflanzt. 21 oder 28 Tage alte Protonemen, die auf 5 mg/l kinetinhaltiges Substrat im Blaulicht herangezogen und dort keine Knospen gebildet hatten, produzierten, naehdem sie auf frisehes kinetinhaltiges (5 mg/l) Medium kamen, im Blaulicht innerhalb von 3 Tagen zahlreiche, an den Caulonemen dieht gedrangte typisehe Kinetinknospen (Abb. 7). Entspreehend reagieren gleiehaltrige Protonemen, die zuvor im Blaulieht auf kinetinfreiem Substrat gewaehsen waren. Aueh sie bilden unmittelbar nach dem Umpflanzen auf frisehen Agar, der 5 mg/l Kinetin enthalt, an der Peripherie zahlreiche Kinetinknospen. Es zeigt sieh damit, daB die gleiehe Kinetinkonzentration wesentlieh wirksamer ist, wenn die Substanz erst zu einem spateren Entwieklungsstadium zugeftigt wird. Diese Erseheinung stimmt mit den WeiBliehtversuehen insofern uberein, als wir auch
Abb. 7. 42 Tage altes Protonema aus Blaulicht. 21 Tage auf Knop + 5 mg/l Kinetin, nach 21 Tagen auf frischesSubstrat (Knop + 5 mg/l Kinetin) ohne Lichtwechsel.
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dort eine besonders hohe Wirksamkeit des Kinetins erzielten, wenn es erst zu einem Zeitpunkt zugegeben wurde, zu dem das Protonema bereits reaktionsfiihige Zellen besitzt. Da aber in den vorhergehenden Abschnitten gezeigt wurde, daB auch schon ein Umsetzen auf kinetinfreien Agar im Blaulicht die Knospenbildung zuHiBt, woraus wir auf die Existenz einer hemmenden Komponente geschlossen haben, konnen uns diese Versuche allerdings keine eindeutige Auskunft tiber spater zugeftihrtes Kinetin allein geben, da die gefundene Reaktion sich aus Entfernung der Hemmung einerseits und Forderung durch Kinetin andererseits zusammensetzt. Urn diese beiden Komponenten zu trennen, fiihrten wir folgende weitere Versuche durch. C. Nachtragliche Kinetinbehandlung ohne Substratwechsel Protonemen, die 4 Wochen auf Knop-Agar im Blaulicht herangewachsen waren, wurden so mit Kinetin betropft, daB pro Petrischale 0,01; 0,02; 0,03; 0,04; 0,08; 0,12 mg Kinetin vorhanden waren. In den sonstigen Versuchen lagen die
Abb.8. 42 Tage altes Protonema in Blaulicht. Nach 35 Tagen mit 3 cm 3 Kinetin (40 mg/l) bespriiht. Es entstehen weniger Knospen als bei Substratwechsel (vgl. Abb. 6).
Die Wirkung von Blaulicht und Kinetin auf die Protonemaentwicklung usw.
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Kinetinmengen pro Petrischale zwischen 0,25 und 2 mg. Del' Agar wurde dabei nicht geandert. Nach 3-4 Tagen anschlieBender Kultur weiterhin im Blaulicht traten bei allen Konzentrationen Kinetinknospen auf. Sie waren in einem sehr groBen Hexenring angeordnet, da sich nul' die jiingsten Caulonemazellen - in dies em FaIle sogar nul' die allerjiingsten - an del' Knospenbildung beteiligten. Bei del' niedrigsten Kinetinkonzentration war die Reaktion etwas verziigert. Zahl und Art del' Ausbildung entsprechen del' gegebenen Konzentration. Durch Abb. 8 und 9 wird die Wirkung del' hiichRten und niedrigsten Kinetinkonzentration veranschaulirht. Die dazwischenliegenden Konzentrationen erbrachten entsprechende abgestufte Bilder. Diese Versuche zeigen nun eindeutig, daB die Wirkung von Kinetin auch im Blaulicht griiBer ist, wenn es erst zugegeben wird, wenn reaktionsfiihige Zellen vorhanden sind. Sie entsprechen damit vollstandig den WeiBlichtergebnissen (vgl. JAHN 1964). Im Blaulicht geniigt etwa del' 50. Teil del' Konzentration, um denselben Effekt zu erzielen, den man erhiilt, wenn man bereits Sporen auf kinetinhaltigen Agar impft. Die im Abschnitt B und C dargestellten Resultate stimmen vollstandig iibel'ein; del' Untel'schied in del' Reaktionsstal'ke (vgl. Abb. 7 und 8) ist befl'iedigend dul'ch
Abb. 9. 42 Tage altes Protonema in Blaulicht. Nach 35 Tagen mit 1 cma Kinetin (10 mg/Z) bespriiht. (Die Kinetinkonzentration betragt dann ein Zwolftel der Abb. 8.) Der kinetinbedingte griine Protonemakranz ist deutlich sichtbar.
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die Hemmung des nicht ausgewechselten Substrates erkliirbar, so daB damit die Hemmhypothese eine weitere Sttitze erfiihrt. D. Wirkung von WeiBlicht auf Blaulichtkinetinkulturen Die folgenden Versuche wurden angestellt, urn die quantitative Wirkung des Kinetins unter Blau- und WeiBlichtverhaltnissen genauer zu erfassen. FnnariaSporen wurden auf Knop-Agar + Kinetin verschiedener Konzentrationen geimpft und 28 bzw. 25 und 42 Tage im Blaulicht kultiviert. Danach wurden sie im WeiBlicht weitergezogen. Die Protonemen reagieren sehr schnell auf die Lichtanderung und bildeten nach 2--3 Tagen Knospen. Ihre Zahl war urn so groBer, je hoher die Kinetinkonzentration war. Abb. 10 zeigt ein 8 Wochen altes Protonema (6 Wochen im Blaulicht und 2 Wochen im WeiJ3licht), auf Knop + 20 mg/l Kinetin kultiviert. Der innere, schwiicher besetzte Hexenring ist nach ungefiihr 4 Wochen im Blau entstanden, der auBere, sehr viel dichtere Hexenring ist wiihrend der WeiBlichtbehandlung gebildet worden, teilweise an Zellen, die im Blau schon vorhanden waren, teilweise an neu hinzugekommenen Zellen. Es war also im Blauen nach dem Abklingen der Knospenbildung noch Kinetin vorhanden, das aber nicht mehr dort, sondern erst unter den Bedingungen des anschlieBenden WeiJ3lichtes zur Wirkung
Abb. 10. 56 Tage altes Protonema auf 20 mg/l Kinetin 42 Tage in Blaulicht, danach in WeiBlicht kultiviert. Es wurde kein Kinetin frisch zugefiihrt. Der innere Hexenring entstand in Blaulicht, der auBere in WeiBlicht (vgl. auch JAHN 1964, Abb. 1a).
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gelangen konnte. Bei Anwendung geringerer Kinetinkonzentrationen als 5 mg/l yom Zeitpunkt des Impfens an treten auch nach dem Ubertragen im WeiBen keine Kinetinknospen auf. Die Protonemen reagieren dann so, wie normale Knopprotonemen ohne Kinetin, weil das wenig vorhandene Kinetin in Zellen festliegt, die keine Knospen bilden konnen. Bei Kontrollen, die wahrend der ganzen Zeit im Blauen verblieben, fehlte der auBere Hexenring. Vollig analoge Resultate lieBen sich erzielen, wenn nachtraglich im Blaulicht behandelte oder umgepflanzte Protonemen spater im WeiBlicht aufgestellt wurden. In jedem FaIle zeigt das Kinetin bei anschlieBender Kultur im WeiBlicht eine Wirksamkeit, obwohl vorher im Blauen die Knospenbildung eingestellt worden war. Durch den Verbrauch des Kinetins hat sich also im Blaulicht die Konzentration so verandert, daB sie nicht mehr gentigt, um im Blauen Knospen zu bilden. 1m WeiBlicht genii.gt diese Konzentration jedoch noch. Auch ist dies mit der angenommenen Hemmstoffhypothese vereinbar, die zu tiberwindende Hemmung ist im Blauen groBer, was eine hohere Kinetinkonzentration erfordert. Wenn im WeiBlicht der Hemmstoff zerstort worden ist, gentigt dieselbe Kinetinmenge jedoch, nm die Knospenforderung zu verursachen." Um eine sichere Aussage tiber diesen Zusammenhang machen zu konnen, ware natiirlich eine genauere Kenntnis des Blanlichthemmstoffes wtinschenswert. 4. Versnche mit im Blaulicht benntztem Agar Aile bisher geschilderten Lichtversuche sind am besten interpretierbar, wenn man annimmt, daB im Blaulicht eine stoffliche Komponente vorhanden ist, die das Protonema an der Bildung der Knospen hindert. Man miiBte also an WeiBlichtprotonemen, die gerade vor der Knospenbildung stehen, diese Knospenbildung unterbinden konnen, wenn man sie auf Agar, dey vorher im Blaulicht verwendet worden ist, weiterkultiviert. Derartige Versuche ergaben tatsachlich eine starke Herabsetzung der Knospenbildung. Die Knospen traten auch erst 14 Tage nach dem Umpflanzen auf. Da aber der Gesamteindruck der Protonemen auf dem benutzten Blaulichtsubstrat auBerordentlich schlecht war, kann man die geringe Knospenzahl und die verzogerte Bildung auch auf das schlechte Protonemawachstum zUIiickfiihren, so daB diese Experimente noch keine endgiiltige Auskunft iiber einen spezifisch die Knospenbildung betreffenden Hemmstoff im Blauen geben konnen.
Besprechung der Ergebnisse
1. Lichtabhiingigkeit der Knospenbildung Die Bedeutung des Lichtes ist eine der am hiiufigsten untersuchten Fragen hinsichtlich der Entwicklung der Moosknospen, ohne daB es bisher gelungen ist, eine abschlieBende Aussage dartiber zu machen. Zum Teil wirkt es sicher tiber die Photosynthese und steuert dadurch die Differenzierung des Protonemas, wodnrch die Vorallssetzungen fUr die Knospenbildung geschaffen werden (Literaturangaben bei Bopp 1961, vgl. dazu STEI:.'-
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auf eine direkte morphogenetische Wirkung. PRlNGSHEIlVI und PRINGSHEIM (1935) fan den bei ihren Versuchen, daB rotes Licht fiir die Knospenbildung geniigt, im blauen und griinen dagegen keine Pflanzchen entstehen. Sie vermuteten zum erstenmal, daB dieser Befund auf einen photomorphotischen Reiz hinweist, den blaue und griine Strahlung nicht auszulOsen vermag. Die genannt.en Autoren schrankten ihre Aussage allerdings dadurch ein, daB sie es nicht fiir ausgeschlossen halten, daB im Blauen und Grunen die Intensitat zu gering gewesen sein konnte, da auch im schwaaber auch kein chen WeiBlicht selbst nach langer Kulturzeit keine Knospen Caulonema (Bopp 1959a) - entsteht. MITRA, ALLSOPP und WAREING (1959) priiften nun die Wirkung energiegleichen Lichtes verschiedener Wellenlange. Auch bei Ihnen 1St die Knospenbildung auBer im WeiBlicht nur im Roten (580-700 nm) moglich, wahrend im Blauen (400-530 nm) und im Griinen (460-600 nm) keine derartigen Reaktionen erfolgten. Die Frage nach dem Photoakzeptorsystem ist damit jedoch nicht beantwortet, wenn auch BAUER und MOHR (1959) fiir die Sporenkeimung von Laubmoosen das reversible Hellrot-Dunkelrot- Reaktionssystem nachgewiesen haben. Aus den vorstehenden Versuchen kann man zunachst das gleiche Ergebnis ersehen, wenn die Kulturen nach dem Impfen unverandert im Blaulicht bleiben. Zu einer anderen Interpretation ist man jedoch gezwungen, wenn man die Ergebnisse aus den Versuchen betrachtet, die nach 21 bzw. 28 Tagen Blaulicht auf neues Substrat iibertragen werden. Dann entstehen auch im Blaulicht Knospen. Dieser Effekt ist dann verstandlich, wenn man annimmt, daB im Blaulicht eine stoffliche Komponente ins Substrat abgegeben wird, die die Moose an der Ausbildung von Pflanzchen hindert. Fallt durch Substratwechsel der Hemmstoff fort, so konnen auch im Blaulicht Knospen gebildet werden, und zwar so lange, bis sich wieder geniigend Hemmstoff im neuen Substrat angereichert hat. In der Tat wird die Knospenbildung schon sehr bald wieder eingestellt. Fiir das Vorhandensein hemmender Faktoren in Blaulichtkulturen spricht ferner die Tatsache, daB Protonemen, wenn sie nach 28tagiger Kultur yom Blaulicht ohne Substratwechsel ins WeiBlicht gebracht werden, erst nach etwa 10 Tagen 1ntensiv Knospen bilden, bei gleichzeitigem Substratwechsel aber schon nach 3 Tagen. Diese Verzogerung kann also nicht darauf beruhen, daB im Blaulicht eine zu schwache Induktion die stets vorhandene Hemmung (vgl. Abb. 4) iiberwindet. Auch die Fahigkeit von Blattregeneraten, im Blaulicht Knospen zu bilden (LOFFLER 1962), konnte man so deuten, daB hier die Knospenbildung beginnt, bevor sich hemmende StoUe im Agar angereichert haben. DaB das Substrat in Abhangigkeit von der Wellenlange verandert werden kann, geht auch aus Versuchen von BERGFELD (1963) hervor, bei dem sich im Blaulicht innerhalb von 28 Tagen der pH-Wert des Substrates von Farnprothallinmkulturen derart verandert hat, daB die Versuche zu diesem Zeitpunkt eingestellt wurden, wahrend im Rot eine solche pH-Anderung nicht auftrat. Auch hier ist die Veranderung
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jm Substrat hochstwahrscheinlich durch einen gleichzeitig zu beobachtenden abweichenden Stoffwechsel der Pflanzen im Blaulicht bedingt, der dazu fiihrt, daB bei gleicher Gesamtstoffproduktion im Blaulicht der Proteinspiegel, im Rotlicht dagegen der Kohlenhydratspiegel hoher liegt (OHLENROTH und MOHR 1963, PmsoN und KOWALLIK 1960, KOWALLIK 1962, TREGUSNA, KROTKOV und NELSON 1962, HAUSCHILD, NELSON und KROTKOV 1962, CLAUS 1963). Eine weitere Stiitze erhalt unsere Annahme dadurch, daB auch im WeiBlicht die Protonemen das Substrat wesentlich zu andern vermogen, was dort auf einem .auffangbaren Hemm- bzw. Forderstoff beruht (vgl. Bopp und KLEIN 1963), def auch die Knospenbildung beeinfluBt (Bopp 1963). Offenbar herrschen in Rot- und WeiBlicht im Substrat Bedingungen, die eine Knospenbildung erlauben, wahrend im Blauen die hemmenden Faktoren iiberwiegen, so daB es nicht zur Knospenbildung kommt. Wieweit es sich dabei um einen ganz spezifischen Hemmfaktor handelt oder um "Abfallprodukte" aus dem umgesteuerten Stoffwechsel, wissen wir nicht. Diese bisherigen Versuche geben danach keine stichhaltigen Hinweise auf die Beteiligung eines bestimmten photomorphotischen Systems an der Knospenbildung, sie schlieBen ein solches aber auch nicht von vornherein aus, da z. B. das HellrotDunkelrot-Reaktionssystem durch geringe Storstrahlung infolge der langen Versuchszeit durchaus saturiert werden konnte. Nach den neuesten Untersuchungen von STEINER (1963b) ist fiir die Photomorphogenese des Lebermooses Sphaerocarpus in erster Linie das Hellrot verantwortlich, sobald die Photosynthese nicht mehr als begrenzender Faktor wirkt. Es ist darum noch nicht zu entscheiden, ob nicht 2 verschiedene photomorphogenetische Systeme auf vollig getrennten Wegen die Knospenbildung antogonistisch beeinflussen. Das Fehlen von Knospen in volliger Dunkelheit (z. B. SZWEYKOWSKA 1963) kann jedenfalls nicht als Beweis fiir das Vorhandensein einer Photomorphogenese gewertet werden. Weil also iiber die Beteiligung des Lichtes bei der "Knospeninduktion" nichts Sicheres bekannt ist, kann natiirlich auch nichts iiber die Beziehung der Hemmung zur Knospeninduktion in ihrer Abhangigkeit yom Licht gesagt werden. 2. Versuche mit Blaulicht und Kinetin Kinetin verstarkt nur in hOheren Konzentrationen die Knospenbildung im Blauen. Schwachere Konzentrationen vermogen die Knospenbildung nur zu fordern, wenn sie zugegeben werden, nachdem das Protonema bereits eine bestimmte GroBe erreicht hat, d. h. reaktionsfahige Zellen vorhanden sind. Kinetinkonzentrationen, die im Blaulicht nicht mehr zu einer Erhohung der Knospenbildung fiihren, konnen bei einer anschlieBenden Dberfiihrung in weiBes Licht die Knospenbildung wieder entscheidend fordern.
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Unsere Versuche demonstrieren also, daB das Kinetin zwar im Blaulicht zu einer Knospenbildung fUhren kann, aber auch hier offenbar nur einen zusatzlichen Effekt hat. Besonders deutlich zeigen dies Kulturen, die mit Pilzen infiziert sind und bei denen dann, wenn der Pilzbefall eine "normale", Knospenbildung zulaBt, auch schwache Kinetinkonzentrationen die Zahl in derselben Weise erhOhen, wie das sonst nur im weiBen Licht der Fall ist. Dies beweist, daB auch hier das Kinetin die normalerweise gegebenen Moglichkeiten zur Knospenbildung nur vermehrt. Da im Blaulicht bis zu einem gewissen Grad (namlich bei schwacherer Hemmung) ebenfalls die Fahigkeit zur Knospenbildung vorhanden ist, so kann dementsprechend das Kinetin auch dort die Knospenanlagen vermehren, was mitunter den Eindruck erweckt, als wiirde es sie erst ermoglichen. Nach unseren Ergebnissen iiber die Knospenhemmung im Blaulicht ist nicht zu erwarten, daB Kinetin einen im "Dunkeln oder im Blaulicht fehlenden Faktor" ersetzt. Auf der anderen Seite sprechen gerade diese Kinetinversuche auch fUr eine erhohte Hemmung durch das Substrat im Blaulicht und nicht fUr eine geringere Fahigkeit des Protonemas zur Knospenbildung, weil ja die Behandlung mit Kinetin zeigt, daB eine erhohte Potenz zur Knospenbildung durchaus vorhanden ist. Zusammenfassung 1. 1m Blaulicht erfolgt Differenzierung in Chloronema und Caulonema. Luftprotonemen fehlen. Die Protonemen sind vergroBert. Die Knospenbildung ist ganz oder nahezu vollstandig eingestellt. 2. Yom Blaulicht in WeiB oder Rot iibertragene Protonemen produzieren nach etwa 10 Tagen Knospen. 1st der Belichtungswechsel mit einem Substratwechsel verbunden, so treten diese schon nach 3 Tagen auf. 3. Nach 8 Tagen von Rot- oder WeiBlicht in Blau iibertragene Protonemen verhalten sich nicht anders als solche, die von Anfang an im Blaulicht kultiviert werden. 30 Min. Rotlichtgabe ist ohne Effekt. Werden die knospenreifen Protonemen fiir 5 Tage in Rotlicht iibertragen, so entstehen nach etwa 8 Tagen, d. h. im anschlieBenden Blau, Knospen. 4. Pflanzt man 21 oder 28 alte Blaulichtprotonemen auf frisches Nahrmedium und kultiviert weiter im Blauen, so werden dort Knospen gebildet. Nach einiger Zeit hurt die Knospen· bihlung wieder auf. Kultiviert man in WeiBlicht weiter, so entstehen normal viele Knospen. 5. Blattregenerate im Blaulicht bilden im Gegensatz zu Sporenprotonemen einige Knospen. 6. AIle Versuche deuten auf das Vorhandensein einer ins Substrat abgegebenen stofflichen Komponente hin, die im Blaulicht die Knospenbildung verhindert, im WeiBlicht aber kompensiert wird.
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