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Von G. GRELL
Bemerkungen zu den chinesischen Pulsen Übersetzung von Dr. G. BACHMANN (München) Als ich noch ein junger Medizinstudent war, legten meine Lehrer der Semiotik eine große Bedeutung bei, um dann zu einer klinischen Diagnose zu kommen, die sie durch Laboratoriumsbefunde stützten, soweit sie dies für nötig hielten. Man sah auch für gewöhnlich einen Lehrer langsam den „Puls“ eines Kranken nehmen. Wenn er mit Bestimmtheit erklärte, dabei den linken Puls palpierend, daß der Puls von bestimmter Beschaffenheit sei, wagten wir als Anfänger, indem wir die rechte Arterie palpierten, nicht zu sagen, daß wir nicht immer derselben Ansicht seien. Als Anfänger glaubten wir, daß unsere Fehldeutungen auf einem Mangel an Erfahrung beruhten und daß wir in Zukunft unseren Lehrer verstehen würden. Leider habe ich ihn während meiner Studien nie verstanden. Sehr viel später habe ich im Jahre 1934 – nach dem Erscheinen von dem Büchlein „Precis de la vraie acupuncture chinoise“ von SOULIE DE MORANT – die Kenntnis über die chinesischen Pulse erhalten. Das Asthma ist ein Symptom und keine Krankheit, ausgenommen das essentielle Asthma. Ebensowenig hat man trotz spezifisch wirksamer Mittel seinen wahren Grund bis heute erkannt. Man ist ebenso klug, wie MOLIERE mit seiner einschläfernden Wirkung des Opium. Durch den Pulsbefund hat man oft ein ergänzendes diagnostisches Mittel, das auch unentbehrlich sein kann, um den wahren Grund der Erkrankung und eine entsprechende gezielte Therapie daraus abzuleiten. Die Pulsdiagnose ist zweifelsohne der Grund der therapeutischen Erfolge der Akupunktur, besonders in der Asthmabehandlung. Dies steht im Widerspruch zu den Lehren von den Allergien, die unsere Kollegen zu testen veranlassen, indem sie
die Asthmakranken durch intradermale Injektion verschiedener Allergene, wie Pollen, Federn etc. zu desensibilisieren versuchen. Ist die Allergie nicht auch nur ein Symptom? Die Desensibilisation kann durch verschiedenste Lösungen bestimmter Allergene den tieferen Grund des Asthma ändern oder auch für mehr oder wenig lange Zeit beseitigen. Durch die Nadelbehandlung erlebt man oft schnellere Erfolge. Eine Behandlungsart schließt die andere nicht aus, die Verbindung bringt bei gewissen Kranken schnelle und langanhaltende Erfolge.
Alles, was bisher über das Asthma gesagt wurde, gilt auch für das Ekzem. Es ist mir nicht bekannt, ob in Frankreich dieselben Verhältnisse wie in Algier gelten, aber bei 8-9 unter 10 Kindern, die an Asthma leiden, ist der Leberpuls weich und schwach. Es handelt sich hierbei um Leberstörungen, in Verbindung mit asthmatischen Anfällen. Die Funktion der Leber in bezug auf Entfernung der Antitoxine ist schwach oder ungenügend. Die Kranken versuchen durch vertiefte Atmung und ein Mehrangebot von Sauerstoff ihre Toxine abzubauen (wenn die Toxine in den Gelenken sich sammeln, entwickeln sich die „Rheumatiker“). Zwei oder drei Behandlungen unter Benutzung des tonifizierenden Punktes TSIOU-TSIUANN (Le 8) genügen oft, um bei Kindern einen Normalzustand zu erreichen, und die Familie spricht von einer Wunderheilung, bei der so schnell ein Asthma geheilt wurde. Vor einigen Jahren kam ein 4jähriger Knabe zu mir, der wegen seiner Asthmaanfälle täglich mit Theophyllin-Suppositorien behandelt wurde. Wie ich dies oft bei Kindern machte (den Punktometer gab es damals noch nicht), behandelte ich ihn mit Druck des
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Fingernagels auf den TSIOU-TSIUANN mit dem Erfolg einer augenblicklichen Reaktion. Das Kind war trotz seines Asthmas recht kräftig, abgesehen von der Leber, die Pulse fühlten sich normal an. ch gab weiterhin Chelidonium und Lycopodium in homöopathischen Dosen und machte einen nochmaligen Behandlungsterrnin nach 4 Wochen aus, in Anbetracht der außerordentlichen Reaktion. Das Kind stellte sich nach dieser Zeit wieder vor, befand sich in einem guten Zustand und hatte weder bei Tag noch bei Nacht irgendwelche Anfälle. Bei den Patienten, die gleichzeitig an Leber- und Gallestörungen leiden und bei denen der Puls dieselbe Abweichung zeigt, wählte ich folgende 3 Punkte, die bei hypotonischen Zuständen tonifiziert werden: SIE-TSRI (G 43) SING-TSIENN (Le 2) TRAE-TCHRONG (Le 3)
Bei Hypertonikern werden dieselben drei Punkte sediert. Es scheint nicht konsequent zu sein, wenn man einen Sedationspunkt tonifiziert und umgekehrt einen Tonifikationspunkt sediert. Aber die Erfahrungen mehrerer Jahre zeigen ausgezeichnete Erfolge durch obige Kombination. In den Wintern 1957/58 und 1958/59 beobachtete man eine Grippeepidemie, die als asiatische Grippe bezeichnet wurde. Die Symptome bestanden in Fieber mit Erkrankungen der oberen Luftwege in Form von Rhinopharyngitis, Tracheitis. Die Erkrankung zeichnete sich vorzeitig durch einen charakteristischen Pulsbefund aus. Wenn man einen Kranken vor Erscheinung der klinischen Symptome untersuchte, konnte man
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Akupunktur Deutsche Zeitschrift für
ihm eine Grippe voraussagen. Alle Pulse waren hart und gespannt, außer denen der Lunge und des Dickdarmes, die weich waren, manchmal schwach und kaum fühlbar, je nach dem Stadium der Infektion. Wenn der Puls fast nicht fühlbar war, hatte der Patient Schüttelfrost und fühlte sich recht elend. Die Behandlung bestand darin, daß ich während einiger Minuten den TRAE-JUANN und RO-KOU tonifizierte. Das Aussehen des Patienten änderte sich augenblicklich. Die Atmung vertiefte sich und wurde langsamer, die Nase trokkener, der Schüttelfrost verschwand. Wenn die Pulse nach 2 Minuten sich normalisierten, konnte man damit rechnen, daß die Grippe verschwand. Wenn nicht, war ein leichterer Verlauf zu erwarten. Falls eine Sinusitis frontalis oder maxillaris die Grippe begleitete, dispergierte ich mit dem Punktometer von BRUNET und GRENIER auf die Dauer von 2 Sekunden folgende Punkte: INN-TRANG (zwischen den Augenbrauen) IANG-PAE (G 14) SE-PAE (M 5) TSINN-TSIAO (M 6) TI-TSRANG (M 7) Letzteren nur bei Sinusitis maxillaris.
Die Dispersion ist auch mit Silbernadeln möglich, aber die Erfolge mit dem Punktometer treten schneller ein. Auch akute und chronische Sinusitiden reagieren günstig auf diese Behandlung. (Anschr. d. Verf.: Dr. G. Grell, El-Biar [Algerien], Av. des Bois)