ARTICLE IN PRESS I. Abhandlungen ¨ 1. Uber Pleuritis neuere Arbeiten und Anschauungen von Prof. Dr. Matthes ¨ in Coln ¨ Ich mochte mit einigen allgemeinen patholo¨ gischen Darlegungen beginnen und zunachst die Frage beantworten: Welche Folgen haben ¨ erhebliche Beschrankungen der respiratori¨ schen Flache etwa durch Ergusse ¨ oder durch einen Pneumothorax fur ¨ die innere Atmung, fur ¨ die Sauerstoffversorgung der Gewebe? ¨ sich bundig Sie laßt ¨ dahingehend beantwor¨ ten, daß mit Ausnahme der extremsten Falle die Kompensationseinrichtungen des Organis¨ mus, d.h. die gesteigerte Tatigkeit der noch ¨ atmungsfahigen Lungenpartien und die Beschleunigung des Blutumlaufs genugen, ¨ um Sauerstoff in ausreichender Menge wenigs¨ tens bei korperlicher Ruhe heranzubringen. ¨ Bei Pneumothorax z.B. bewaltigt die eine noch atmende Lunge dasselbe Luftquantum wie vorher beide. Auch die quantitative Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels hat speziell bei Pleuritis exsudativa vor und ¨ nach der Punktion keine wesentlichen Anderungen des Sauerstoffverbrauchs und der ¨ Kohlensaureproduktion ergeben. Trotzdem ¨ muß man naturlich ¨ bei diesen Zustanden das ¨ arterielle Blut sauerstoffarmer und Kohlen¨ saurereicher als in der Norm finden, denn es stellt eine Mischung aus zwei Blutarten dar. ¨ Ein Teil entstammt den atmungsfahigen und zwar forciert atmenden Lungenteilen, er ist gut arterialisiert; der andere Teil aus den in der Atmung behinderten Abschnitten ist ¨ geblieben. y Fur mehr oder weniger venos ¨ ¨ Operationen, die den Pleuraraum eroffnen, ¨ sind diese Verhaltnisse von besonderer Wichtigkeit geworden. Sauerbruch hat der Ansicht erneut Ausdruck gegeben, daß das Kollabieren der Lunge nicht nur wegen der Be¨ ¨ schrankung der respiratorischen Flache zur ¨ der Atemnot fuhre, ¨ sondern weil die Gefaße kollabierten Lunge weiter seien und deshalb ¨ ¨ starker durchblutet wurden, ¨ wahrend die gesunde Lunge aus demselben Grunde relativ ¨ anamische sei. y Ebenso wichtig wie die Frage nach der ¨ der Sauerstoffversorgung durch die Storung ¨ Erkrankung der Pleura ist die nach der Storung der Zirkulation. y D. Gerhardt konnte die Richtigkeit der alten Lichtheim’schen ge¨ genuber ¨ den Landgraf’schen Einwanden er¨ neut bestatigen, y daß der Blutdruck in den ¨ Korperarterien unbeeinflußt bleibt, selbst wenn man 4/5 der Lunge aus der Zirkulation ausschaltet. y Andererseits konnte aber Ger¨ hardt zeigen, daß schon durch maßige Flussigkeitsmengen ¨ in der Pleura der Druck in ¨ den Korpervenen erheblich ansteigt. Dem¨ nach fuhrt ¨ Gerhardt die Kreislaufstorungen
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bei Pleuraergussen ¨ auf die Steigerung des Thoraxbinnendrucks zuruck. ¨ y ¨ Erwahnt mag endlich werden, daß nach den Lennander’schen Feststellungen die viscerale Pleura ebenso wie das viscerale Blatt des Peritoneum vollkommen empfindungslos ist und namentlich keine Schmerzempfindung besitzt. Die Schmerzen bei Pleuritis sind also ausschließlich durch die Beteiligung des parietalen Blattes bedingt, vielleicht werden sie aber auch zum Teil y durch die fast immer vorhandenen Miterkrankungen der Interkostalmuskulatur hervorgerufen. Nach diesem kurzen allgemein-pathologi¨ ¨ schen Exkurs, mogen nun zunachst einige ¨ Worte uber ¨ die Atiologie der Pleuritis gesagt sein. Durch die großen Statistiken der Jenenser Klinik von Wolfram und Grober ist erwie¨ 50 Proz. der serosen ¨ sen, daß ungefahr und ¨ Natur sind, eitrigen Pleuritiden tuberkuloser 20 Proz. entfallen auf die sog. rheumatischen ¨ sind, bei Formen, die ja wohl sicher infektios denen aber der Nachweis nicht immer gelingt, der Rest kommt auf anderweitige Infektionen. y Man sieht ab und zu Typhuspleuritiden y. Die Pleuritis bei Diphtherie. Influenza, Scharlach und Masern sind meist durch Mischinfektionen mit Strepto- oder Staphylokokken hervorgerufen. Gegenuber ¨ diesen in¨ ¨ fektiosen Formen treten die nichtinfektiosen ganz zuruck. ¨ Sie kommen bekanntlich bei Nephritiden vor, bei denen Pleuratranssudate gern einen entzundlichen ¨ Charakter annehmen, ferner bei gewissen chronischen Herzmuskelinsuffizienzen. Die letztere Form, auf die zuerst D. Gerhardt aufmerksam gemacht ¨ hat, ist klinisch wichtig. Es findet sich bei alte¨ ein rechtsseitiren Leuten mit Herzschwache ¨ ¨ ger außerst hartnackiger Erguß, der in seinem Charakter zwischen Transsudat und Exsudat ¨ y Esser hat neulich auf Grund die Mitte halt. einiger Sektionsbefunde y versucht, diese stets rechtsseitige Lokalisation durch eine Be¨ ¨ eintrachtigung des Lymphabflusses zu erkla¨ ren. y Die leukamischen Ergusse ¨ sollen, wie Funk behauptet, dieselben pathologischen Leukozytenformen aufweisen, wie das Blut. y Inwieweit es sich bei einem Teil dieser nichtin¨ ¨ fektiosen Ergusse ¨ etwa um Sekundarinfektionen handelt, ist nicht sicher zu sagen; jedenfalls sind sie meist steril, aber das ist eine Eigenschaft, die sie mit den meisten rheuma¨ Urtischen Ergussen ¨ teilen, deren infektioser sprung einem Zweifel kaum unterliegen kann. y Der Zusammenhang der Pleuritis mit den Anginen fuhrt ¨ uns zu den neueren Anschauungen uber ¨ die Infektionswege der Pleura. y ¨ Schon langere Zeit war bekannt, daß die Pleura auf dem Wege der Lymphbahn infiziert werden kann. Das typische Beispiel ist das metapneumonische Empyem. Bekannt sind auch die Durchwanderungspleuritiden von ¨ entzundlichen ¨ Erkrankungen der Bauchhohle aus. y Daß sie auf dem Wege der Lymphbahn entstehen, haben Kuttner’s Untersuchungen sichergestellt. y Den Infektionsweg von den Tonsillen her klar gestellt zu haben,
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ARTICLE IN PRESS ist das Verdienst der Grober’schen Arbeit. Er fuhrt ¨ von den Tonsillen uber ¨ die Halsdrusen ¨ zur Pleurakuppe und wird sowohl bei den rheumatischen als bei einer Reihe der tuber¨ kulosen Formen betreten. Es scheint nach den bisherigen Feststellungen die Pleura sogar fast ausschließlich auf dem Lymphweg infiziert zu werden. y Fur ¨ die Diagnose der speziellen Art der Infektion genugt ¨ die ubliche ¨ bakteriologische Untersuchung nur zum Nachweis der Pneumokokken, Strepto- und Staphylokokken sowie der Typhusbazillen. Finden sich Streptokokken ¨ in einem serosen Erguß, so kann man fast mit Sicherheit voraussagen, daß er bald eitrig werden wird, und deswegen ist bei diesem ¨ Befund die moglichst fruhzeitige ¨ Thorako¨ aber die tomie gerechtfertigt. Vielmals laßt bakteriologische Untersuchung besonders bei ¨ serosen Ergussen ¨ im Stich. y Die Keimfreiheit eines Ergusses galt fruher ¨ als tuberku¨ lose-verdachtig, es werden aber, wie schon ¨ erwahnt, doch auch oft rheumatische Ergusse ¨ keimfrei befunden. In jungster ¨ Zeit hat nun zwar Velten ein Verfahren angegeben, nach welchem es meist gelingen soll, Tuberkelbazillen aus dem Exsudat zu zuchten; ¨ viel sicherer scheint aber der Impfversuch. y Unbequem ist dabei nur, daß man das Resultat erst in ¨ 4–5 Wochen erfahrt. Es ist deswegen die Methode der Cytodiagnostik – die Diagnose aus der Art der Leukozyten des Ergusses – vielfach geubt. ¨ Leider sind die Resultate der Cytodiagnostik keine absolut eindeutigen. Nur ¨ sich sagen, daß akute Entzunsoviel laßt ¨ ¨ dungen durch das Uberwiegen der polynu¨ klearen Leukozyten y charakterisiert sind. y Im ubrigen ¨ ergibt die mikroskopische Durchmusterung des sedimentierten Punktates bekanntlich nur selten bestimmte Anhaltspunkte fur ¨ die Diagnose, namentlich ist davor ¨ zu warnen, aus dem Befund veranderter Endothelzellen die Diagnose einer Geschwulstbildung zu stellen, nur der Nachweis wohl ausge¨ ab uns an eine bildeter Krebszellennester laßt Diagnose in dieser Richtung zu. An die Bespre¨ chung der Cytodiagnostik mogen gleich die Resultate der Blutuntersuchung angeschlossen ¨ Pleuritiden nicht tuberwerden. y Serose ¨ kulosen Ursprungs beeinflussen, auch wenn Fieber vorhanden und das Exsudat reichlich ist, die Leukozytenzahlen nicht (6–12.000). Tuber¨ Pleuritiden lassen oft hohere ¨ kulose Werte finden (15–20.000), die aber von der Grundkrank¨ heit abhangig sind. Empyeme zeigen re¨ hohe Werte (uber gelmaßig ¨ 20.000). y Rothschild hat sogar versucht y die Indikation zur Punktion zu begrunden, ¨ indem er nur die seiner Meinung nach einer Resorption ¨ nicht fahigen hypertonischen Exsudate zu enleeren riet. Man kann sich kaum ein typische¨ res Beispiel von unerlaubter Ubertragung an sich richtiger theoretischer Befunde auf die Praxis denken, als diesen Vorschlag. In der Tat konnten dann Meyer y und His selber zeigen, wie falsch diese Auffassungen sind. Die Entstehung und das Vergehen eines ent-
zundlichen ¨ Exsudates ist eben kein Diffusionsoder osmotischer Vorgang allein, sondern ein vitales Geschehen. y Im Einzelfall liegen je¨ denfalls die Verhaltnisse sehr kompliziert, und therapeutische Indikationen daraus zu be¨ grunden ¨ ist unmoglich. y Fur ¨ die Kenntnis der Resorption von der Pleura aus mag noch ¨ kurz erwahnt werden, daß alle neueren Arbeiten ubereinstimmend ¨ angeben, daß die entzundete ¨ Pleura schlechter resorbiere als die gesunde. y Wenn ich nunmehr auf die physikalischen Untersuchungsbefunde kurz eingehen darf, ¨ ¨ so mochte ich zunachst betonen, daß man ¨ sich haufig auf Grund des Perkussionsbefundes die wirklich vorhandenen Flussigkeitsmen¨ ¨ gen als zu gering vorstellt. y Ich mochte auch daran erinnern, daß man kleinere Ergusse ¨ nicht etwa aus dem Auftreten einer ¨ wirklichen Dampfung sondern aus der Unverschieblichkeit der unteren Lungengrenzen diagnostiziert. Eine Bereicherung unserer Perkussionsbefunde scheint mir die Feststellung des Grocco’schen Symptoms der paraverte¨ bralen dreieckigen Dampfung bei Pleuritis exsudativa zu bedeuten. y Es findet sich auf ¨ der gesunden Seite y eine Dampfung in Dreiecksform, dessen eine Seite der Wirbel¨ entspricht und sie also unten breit ist. saule Das Ende der Spitze entspricht nach Rauch¨ des Ergusses. y Die Dampfuß der Hohe ¨ fungsfigur ist namentlich fur ¨ die Erkennung von Exsudaten bei Kindern wichtig. y Be¨ Kindern eine massive steht bei jungeren ¨ Dampfung, so handelt es sich y fast immer um einen Erguss, selbst wenn das Bronchialatmen laut keuchend und auch der Stimm¨ fremitus deutlich ist. y Ich mochte jedenfalls dringen raten, bei Kindern im Zweifelsfall die Probepunktion nicht zu unterlassen. Es kommen freilich gerade bei Kindern auch Empyeme vor, die in außerordentlich dunner ¨ ¨ die ich sah, waSchicht stehen. y Die Falle, ren Pneumikokkeninfektionen. Man hat neuerdings dieses Krankheitsbild als Polyserositis purulenta beschrieben. y ¨ nun denken konnen, ¨ Man hatte daß fur ¨ die ¨ Diagnose der Pleuritis uns das Rontgenbild leicht Klarheit bringen mußte. ¨ y Gewiß sieht man die obere Grenze des Exsudates und auch ihre Bewegung bei der Atmung. y Das ¨ Rontgenbild gibt eben uber ¨ die Dicke der Ex¨ sudatschicht nur beschrankte Auskunft, und dunne ¨ Schichten, uber ¨ denen die Perkussion schon wieder Lungenschall oder wenigstens ¨ tympanitischen Klang ergibt, pragen sich im ¨ Rontgenbild noch ausy Sehr wichtig ist die ¨ Rontgenuntersuchung zur Erkennung der so schwierig zu diagnostizierenden, meist meta¨ pneumonischen, interlobaren Empyeme, weil man wenigstens den Herd sieht, ohne allerdings damit uber ¨ seine Natur Auskunft zu erhalteny. Perkutorisch und auskultatorisch ¨ negativ sein. y kann aber der Befund vollig Differentialdiagnostisch wichtig gegenuber ¨ dem Lungeabszeß ist, daß kein Sputum oder jedenfalls kein Abszeßsputum mit elastischen
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Fasern vorhanden ist y. Ebenso wie fur ¨ das ¨ Empyem kann die Rontgenunter¨ interlobare suchung bei dem Basisempyem diagnostisch von Vorteil sein. y Kurz seien auch noch die Empyeme uber ¨ dem rechten Mittellappen ¨ erwahnt, die man als metapneumonisch ab und zu sieht und die wegen der Form der ¨ Dampfung, die sich nur auf die Vorderseite ¨ des Thorax beschrankt, leicht diagnostische Schwierigkeiten macht. y Einige diagnostische Schwierigkeiten kann ein Pyopneumo¨ Kommunikation mit der thorax ohne primare Lunge machen, wenn sich ein Empyem ansammelt, das gasbildenden Bakterien seine Entstehung verdankt. y ¨ Einige Worte endlich mochte ich noch uber ¨ die Therapie anfugen, ¨ obwohl gerade dar¨ y. Es uber ¨ sich wenig Neues sagen laßt ¨ steht durch altere Untersuchungen sicher y, daß man die Pleura durch auf die Brusthaut ¨ und Warme ¨ gebrachte Kalte gut erreichen kann. y Ebenso sicher ist, wenigstens nach Klapp’s Untersuchungen am Peritoneum, daß ¨ ¨ ¨ Warme die Resorption in der serosen Hohle ¨ sie hemmt. y Allein so unbesteigert, Kalte stritten der schmerzstillende Effekt des Eisbeutels bei frischer Pleuritis klinisch ist, so wenig habe ich mich je davon uberzeugen ¨ ¨ konnen, daß Hitze an einer an einer frisch ¨ entzundeten ¨ Pleura die Resorption fordert. Ich habe erst vor kurzem ganz systematisch exsudative, rheumatische Pleuritiden mit ¨ Bier’schen Heißluftbadern y behandelt und habe nie einen deutlichen Erfolg gesehen. ¨ sich eine entzundete Augenscheinlich verhalt ¨ ¨ Pleura der Warme gegenuber ¨ anders als eine normale Serosa. y Dagegen beschleunigt meiner Erfahrung nach bei den rheumatischen Formen Salizyl die Resorption ganz erheblich. y ¨ ¨ Kurz erwahnen mochte ich die sogenannte Autoserotherapie, die erhofft, durch subkutane Einfuhrung ¨ frisch punktierter Exsudatflussigkeit ¨ im Blut Heilstoffe zu erzeugen. Ich habe nie die geringste Wirkung davon gesehen. y Im ubrigen ¨ herrscht ja uber ¨ die Be¨ handlung der Pleuritis Ubereinstimmung. y Die trockene Pleuritis behandelt man mit Ruhigstellung der befallenen Seite, mit schmerzstillenden Mitteln, wie Morphium, Eisbeutel und Rubefazientien, wie Jodpinselungen, mit ¨ feuchten Umschlagen.. Die Ergusse ¨ wird man im allgemeinen, wenn sie sich nicht auf Salizyl rasch resorbieren, y fruhzeitig ¨ punktie¨ ¨ ren. y Erwahnen mochte ich auch, daß man nicht uber ¨ zwei Liter ablassen soll, wegen der Gefahr einer Lungenembolie und des Eintre¨ tens von Lungenodem. y Anzuraten ist, von ¨ der Probepunktion recht haufig Gebrauch zu machen. y Die Probepunktion ist ganz ¨ ungefahrlich, selbst wenn man in die Lunge ¨ sticht, sie sollte in Praxi viel haufiger ausgefuhrt ¨ werden und auch viel fruher ¨ als dies jetzt noch vielfach geschieht. y Die Bulau’sche ¨ Heberdrainage will ich nur im Vor¨ beigehen erwahnen, sie ist namentlich fur ¨ das metapneumonische Empyem geeignet,
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ARTICLE IN PRESS
Eine Arbeit uber ein Gebiet, das uns in der in¨ neren Medizin unverandert ¨ beschaftigt. ¨ Das Studium solcher Veroffentlichungen ¨ bereitet
aber immer wieder Vergnugen, obgleich es ¨ uns verdeutlicht, wie viel wir in den vergangenen reichlich 100 Jahren gewonnen, aber auch verloren haben. Gewonnen haben wir durch die enorm verbesserte bildgebende Diagnostik vom Ultraschall uber das konven¨ tionelle Rontgen ¨ bis zur MRT. Eine Diagnostik ohne ein leistungsfahiges ¨ Labor und gar ohne Immunologie kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Verloren haben wir die Kunst einer subtilen, die eigenen 5 Sinne anstren-
Paper of the Month #14 – Patientensicherheitschweiz
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berucksichtigt. ¨ Die berichteten Fehler wurden ¨ nicht validiert, und es wurden keine zusatzlichen Informationen eingeholt. Die Studie gibt ¨ Aufschluss uber also primar ¨ die Fehler, an die ¨ sich die teilnehmenden Arzte erinnerten, die sie bereit waren zu berichten und fur ¨ die sie die geforderten Angaben machen konnten. Die Studie zeigt jedoch deutlich, wie sich kognitive und systembezogene diagnostische Fehler in unterschiedlichen Prozessschritten zu Mustern oder Clustern zusammenfugen ¨ ¨ und erganzen. Diagnostische Fehler stellen ein erhebliches Risiko fur ¨ die Patientensicher¨ heit dar. Durch Arzte selbst-berichtete Erfahrungen mit diagnostischen Fehlern stellen ein ¨ wichtiges Potential dar und sollten verstarkt genutzt werden, um aus diesen Ereignissen zu lernen. PD Dr. D. Schwappach, MPH, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung fur ¨ Patientensicherheit. ¨ Dozent am Institut fur ¨ Sozial- und Praventiv¨ Bern. medizin (ISPM), Universitat Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih. ¨ gov/pubmed/19901140 (Den Volltext konnen ¨ leider nicht mit wir aus Copyright Grunden drucken).
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Jeder therapeutischen Massnahme geht ein diagnostischer Prozess voraus, der den weiteren Verlauf der Patientenversorgung bestimmt. ¨ Diagnostische Fehler konnen schwerwiegende ¨ Kaskaden auslosen, die im schlimmsten Fall zu falschen oder unterlassenen Therapien fuhren. ¨ Fehler in der medizinischen Diagnose wurden bislang in der Patientensicherheit im Vergleich zu anderen Bereichen (z.B. Medikationsfehler) noch wenig untersucht. Dies ist ¨ auch dadurch zu erklaren, dass die Diagnostik ¨ ein grundsatzlich mit Unsicherheit und Limitationen verbundener Prozess ist (Varianz in der ¨ Prasentation von Erkrankungen, Begrenztheit der Aussagekraft klinischer Untersuchungen, etc.). Schiff et al. untersuchten in ihrer Studie ¨ diagnostische Fehler, die als solche von Arzten ¨ berichtet wurden. Dazu zahlten Fehler innerhalb des diagnostischen Prozesses, die zu einer falschen Diagnose, einer fehlenden oder ¨ ¨ einer verzogerten Diagnose fuhrten. ¨ Arzte ¨ verschiedener Krankenhauser in den USA waren aufgefordert, in einem Fragebogen drei klinisch relevante diagnostische Fehler zu beschreiben, die sie beobachtet haben oder an denen sie selber beteiligt waren. Zu jedem Fehler wurden verschiedene Angaben erfragt, zum Beispiel zu den Ursachen, zu den Folgen ¨ und zur Haufigkeit. Die Berichte der Teilneh-
mer wurden durch zwei Kliniker beurteilt und ¨ ausgeschlossen, bei denen es sich ofalle Falle fensichtlich nicht um diagnostische Fehler han¨ wurden in delte. Die eingeschlossenen Falle einem zweistufigen Verfahren anhand einer publizierten Klassifikation fur ¨ diagnostische Fehler (DEER) eingeordnet. Insgesamt wurden ¨ von 283 teilnehmenden Arzten aus 22 Insti¨ in die Studie eingeschlostutionen 583 Falle sen. In 28% der berichteten Fehler wurden ihre Folgen als schwerwiegend (Tod, blei¨ bende Schadigung, lebensbedrohliches Ereignis) beurteilt. 8% der diagnostischen Fehler ¨ wurden durch die berichtenden Arzte als ¨ ¨ im Monat gesehen), haufig (mehrere Falle ’’ ¨ im Jahr 35% als gelegentlich (einige Falle ’’ gesehen), 26% als selten (ein Fall innerhalb ’’ einiger Jahre gesehen) und 27% als verein’’ ¨ insgesamt gesehen) zelt (ein oder zwei Falle ¨ ¨ eingeschatzt. Unter den berichteten Fallen waren die nicht diagnostizierte Lungenembolie (4,5%) und nicht diagnostizierte Arzneimittelreaktionen und -uberdosierungen ¨ ¨ (4,5%) besonders haufig. 20% aller Fehler betrafen die Diagnose von Krebserkrankungen. Die Hauptprozessschritte, in denen es zu Fehlern kam, waren diagnostische Verfahren (Labor, radiologische Untersuchungen) mit ¨ und die klinische Beurteilung 44% aller Falle des Patienten (32%). In der ersten Gruppe ¨ waren Ausbleiben/Verzogerung bei der An’’ forderung von diagnostischen Untersuchungen sowie die fehlerhafte Interpretation ’’ ¨ von Befunden besonders haufig. Im Rahmen der klinischen Beurteilung des Patienten wa¨ ren Ausbleiben/Verzogerung der Diagnose’’ stellung (Hypothesengenerierung) und die ¨ Uberbewertung konkurrierender oder ko’’ ¨ existierender Diagnose besonders haufige Fehler. Die Autoren beschreiben auch interessante Kombinationen von Fehlern an ver¨ mitschiedenen Prozessschritten, die gehauft einander auftraten. Die wichtigste Limitation der Studie ist, dass sie ausschliesslich die ¨ Selbstangaben der teilnehmenden Arzte ’’
¨ Thema: Merkmale selbst-berichteter arztlicher Fehler in der Diagnostik
Geidel (Dresden)
Patientensicherheit
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Schiff GD, Hasan O, Seijeoung K et al.: Diagnostic error in medicine. Analysis of 583 Physician-Reported Errors Archives of Internal Medicine 2009;169:1881–1887
genden Untersuchungstechnik, einen wertvollen Teil arztlicher ¨ Zuwendung. – Zwar ist so die Diagnostik schneller und besser geworden. Ist aber damit das Verhaltnis ¨ zwischen Arzt und Patient die arztliche ¨ Kunst besser ’’ geworden? Teurer wurde sie auf alle Falle. ¨ ’’
¨ ¨ sich aber, da sie eine gute Uberwachung laßt erfordert, eigentlich nur im Krankenhaus durchfuhren ¨ y. Wenn man die Nachbehandlung konsequent ¨ durchfuhrt, ¨ wird man oft die Spatpunktionen vermeiden und der Schwartenentwicklung ¨ vorbeugen konnen.
Korrespondenzadresse: PD Dr. David Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter/Scientific Head Stiftung fur ¨ Patientensicherheit/Patient Safety Foundation Asylstraße 77 CH-8032 Zurich ¨ Tel.: þ41 (0)43 243 76 21 Fax: þ41 (0)43 243 76 71 E-Mail:
[email protected] www.patientensicherheit.ch
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