ARTICLE IN PRESS II. Aus Wissenschaft und Praxis Fortschritte auf einzelnen Sondergebieten 1. Aus der inneren Medizin von H. Rosin Berlin Das epidemische Aufflackern der Cerebrospinalmeningitis oder, wie es in den Berichten der Tagespresse zum Schaden vieler auffa¨llig an Steifhals Leidender heißt, der Genickstarre, muß zurzeit dem praktischen Arzte mit Recht ein Gegenstand der Sorge sein. Zuna¨chst ist die Meldepflicht verscha¨rft worden, und da fu¨r uns A¨rzte kein Zweifel daru¨ber bestehen kann, daß ein nicht unbetra¨chtlicher Teil der auftretenden Fa¨lle gar nicht zur epidemischen Form geho¨rt, sondern zu den sporadischen Fa¨llen oder zu den sekunda¨ren oder tuberkulo¨sen zu rechnen ist, so erwa¨chst daraus dem Arzte eine in der Praxis oft schwer zu erfu¨llende Aufgabe, noch bei Lebzeiten sich mit Bestimmtheit zu entscheiden, ob eine polizeiliche Meldung und damit eine Desinfektion und Abschließung der Familienmitglieder und der Behausung no¨tig ist, oder nicht. Was die Ausbreitung der Epidemie anbelangt, so scheint sie bis jetzt durchaus keinen pandemischen Charakter angenommen zu haben. y Die Fa¨lle, u¨ber die sonst aus Deutschland berichtet wird, sind bis jetzt sporadisch geblieben; man darf a¨rztlicherseits nicht vergessen, daß reine, idiopathische Meningitiden jahraus jahrein vorgekommen sind, und daß nur durch die versta¨rkte Meldepflicht und durch die Teilnahme der Presse zurzeit mehr davon in der O¨ffentlichkeit verlautet. y Mit Sorge muß es uns A¨rzte ferner erfu¨llen, daß wir u¨ber die A¨tiologie der Krankheit vo¨llig im Dunkeln sind. Freilich wissen wir, daß der Menigokokkus (Weichselbaum) als Krankheitsbegleiter in der Cerebrospinalflu¨ssigkeit gefunden wird. Allein, wir wissen ebenfalls, daß dieser Mikroorganismus ubiquita¨r ist, daß man ihn im Munde und Nasenschleim finden kann. Es fehlt eben ein Hauptfaktor fu¨r die Erkla¨rung des epidemischen Auftretens. Gerade bei dieser Infektionskrankheit wird uns so recht klar, daß die Bakterieninvasion mit einem an Wichtigkeit ebenbu¨rtigen Moment verknu¨pft ist, dessen Kenntnis uns verschleiert ist. y Wir sind auch im Unklaren, ob die Krankheit von Person zu Person u¨bertragbar ist. Auch hat sie bis jetzt, trotz der wa¨rmeren Jahreszeit, nicht nachgelassen, wie urspru¨nglich erwartet wurde und noch erhofft wird. So muß es ganz besonders den behandelnden A¨rzten am Herzen liegen, durch scharfe Beobachtung dazu beizutragen, die a¨tiologischen Verha¨ltnisse aufzukla¨ren, um vielleicht noch geeignetere Maßregeln zu treffen, als sie auf Grund der vorhandenen Kenntnisse mo¨glich und durchfu¨hrbar sind. Es mehren sich die Empfehlungen der Haferkur bei Diabetes, die vor einiger Zeit von
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v. Noorden eingefu¨hrt worden ist. Sie gilt bekanntlich fu¨r solche Fa¨lle von Diabetes, bei welchen nicht nur eine Intoleranz der Kohlenhydrate besteht, sondern auch noch jene andere ho¨chst bedenkliche Stoffwechselerkrankung, die wir als Acidose bezeichnen, hinzukommt. Es ist bekannt, daß u¨ber den Ursprung der Acidose die Meinung noch geteilt sind. Sie dokumentiert sich bekanntlich durch das Vorkommen jener toxisch wirkenden Fettsa¨ure im Stoffwechsel, im Blut und im Urin, die sich als b-Oxybuttersa¨ure charakterisieren la¨ßt, und deren na¨chste Abbaustufen die im Harn nachweisbaren beiden Ko¨rper Diacetatessigsa¨ure und Aceton sind. Man erkannte urspru¨nglich als Ursache der Acidose den Kohlenhydrate-Hunger, resp. die reine Eiweißkost an, gewichtige Stimmen traten dann fu¨r das Nahrungs- oder fu¨r das Organfett als Ausgangsstellen ein, und vereinzelt endlich wurde sogar die Sa¨urebildung mit der absoluten Unfa¨higkeit, die Kohlenhydrate festzuhalten, in Zusammenhang gebracht. y Was aber noch außerdem bei der Kur u¨berraschenderweise sich zeigt, ist o¨fters ein Ru¨ckgang der Zuckerausscheidung trotz der Mehldarreichung. Mohr y ru¨hmt neuerdings diese sichtbaren Erfolge der Haferkur. Merkwu¨rdigerweise haben andere Kohlenhydrate nicht den gleichen starken Effekt. Nach M. braucht man sich nicht strikte an die v. Noorden’schen Zahlen zu halten, es handelt sich um das individuelle Verhalten des Kranken, um seine Gro¨ße, sein Gewicht und sein Nahrungsbedu¨rfnis. Bei einem 60 kg schweren Zuckerkranken, der etwa 60 g Zucker ta¨glich verliert und leicht arbeitet, wird ta¨glich 1/2 Pfund Hafermehl neben 200 g Butter y und 100 g. Roborat als Eiweiß (Pflanzeneiweiß) zu bewilligen sein. Hat man Erfolg mit dieser Dia¨t, so la¨sst man sie, solange der Patient sie ausha¨lt, durchfu¨hren, vielleicht 2 bis 3 Wochen. y v. Noorden hat ju¨ngst auch die Behandlung der Fettleibigkeit in einem klinischen Vortrag eingehend besprochen. Es stehen uns bekanntlich eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Beka¨mpfung zur Verfu¨gung, die man je nach den obwaltenden Verha¨ltnissen, und je nach der Ausbreitung der Krankheit und ihren Komplikationen mit anderen Erkrankungen, im ganzen oder nur teilweise anzuwenden hat. Als solche Maßnahmen fu¨hrt v. Noorden eine Reihe an, die sich auf Beschra¨nkung der Nahrungszufuhr und Erho¨hung der Ausgaben verteilt. Zu der ersten Gruppe geho¨rt die dia¨tetische Behandlung. Hier gilt, daß man Eiweißzufuhr nicht einzuschra¨nken hat, daß vielmehr die stickstoffreien Na¨hrsubstanzen, Fett, Kohlenhydrate, Alkohol zu vermindern sind. Welche von diesen letzteren Gruppen am meisten fernzuhalten ist, daru¨ber entscheidet ganz die Individualita¨t. Man fa¨hrt, nach v. Noorden, im allgemeinen besser y, wenn man vor allem Fett und Alkohol entzieht. Die Kohlenhydrate, soweit es sich nicht um Mehl, sondern um Gemu¨se, Obst und derbes Brot handelt,
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 102 (2008) 329–343 www.elsevier.de/zefq
ARTICLE IN PRESS
Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen 102 (2008) 329–343 www.elsevier.de/zefq
Geidel (Dresden)
Literatur und Rezensionen Reaktion, Evaluation). Fu¨r jeden Schritt werden praktische Anleitungen, Instrumente und Maßnahmen vermittelt. Die Schriftenreihe Sturzpra¨vention ist in ’’ zwei Sprachen (deutsch und franzo¨sisch) fu¨r je 29.- CHF bei der Stiftung fu¨r Patientensicherheit erha¨ltlich. Sie kann u¨ber http://www.patientensicherheit.ch/de/kontakt/ index_bestellung_schriftenreihe_nr.2_sturz.html in beliebiger Anzahl bestellt werden. ’’
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beinhaltet. Sie vermittelt A¨rzten, Pflegenden und weiteren Fachleuten in Spita¨lern, Einrichtungen der Langzeitbetreuung und im ha¨uslichen Umfeld in komprimierter Form Fachwissen zur Einscha¨tzung und Abkla¨rung von Sturzrisiken und Sturzursachen sowie zur Planung und Durchfu¨hrung von pra¨ventiven und therapeutischen Interventionen. Die Schriftenreihe liefert eine praktische und wissenschaftlich fundierte Orientierungshilfe. Sie basiert auf dem Risikomanagementprozess (Risikoerkennung, Abkla¨rung, Pra¨vention,
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In der Schweiz stu¨rzen etwa ein Drittel der 65-ja¨hrigen und a¨lteren Menschen mindestens einmal im Jahr. 1000 Personen davon sterben an den Folgen dieses Sturzes. Stu¨rze kommen nicht nur ha¨ufig vor, sondern haben oft auch schwere Verletzungen zur Folge. Die Stiftung fu¨r Patientensicherheit hat in Zusammenarbeit mit dem Institut fu¨r Pflegewissenschaft der Universita¨t Basel und namhaften Experten auf dem Gebiet der Sturzpra¨vention eine Schriftenreihe entwickelt, die die wichtigsten Aspekte bei der Sturzpra¨vention
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Die Schriftenreihe Sturzpra¨vention ist erha¨ltlich ’’
in bezug auf den Energieumsatz weit weniger wirksam, als im allgemeinen angenommen wird. Ho¨henluft steigert den Energieumsatz nur etwas, noch weniger das Seeklima. y Im voranstehenden sind die Prinzipien der Entfettungskuren kurz skizziert. Man darf nicht vergessen, daß ein großer Prozentsatz der Fettleibigen an komplizierten Erkrankungen leidet, von denen vor allem die Herzschwa¨che maßgebend ist fu¨r gewisse Einschra¨nkungen und fu¨r eine gewisse Auswahl unter den vorhandenen Methoden. Namentlich werden die Maßnahmen zu Erho¨hung des Energieumsatzes hier einzuschra¨nken sein, und der Schwerpunkt wird auf die Dia¨tetik fallen mu¨ssen. y Im Abschnitt Aus Wissenschaft und Praxis ’’ werden Arbeiten und Vortra¨ge referiert, die dem Redakteur besonders wichtig erschienen. Mit Erstaunen lesen wir, daß bereits vor 100 Jahren die Bu¨rokratie zunehmend die Zeit der Hausa¨rzte in Anspruch nahm. Beim Weiterlesen ko¨nnen wir es uns heute kaum vorstellen, mit welch begrenzten diagnostischen und therapeutischen Mo¨glichkeiten unserer Vorga¨nger ihre Patienten versorgt haben. Bewundernd stellen wir fest, wie viel 5-Sinne-Medizin in den Arbeiten v. Noordens ’’ zu erkennen ist. Er leistet sie auch ohne ein großes Labor oder die umfangreiche Palette unserer Therapeutika. Aber wir nehmen auch zur Kenntnis, daß es damals bereits Ebm ’’ gab, allerdings Eminenz based medicin ! ’’ ’’
Lebens sind sie verboten. Aber sie sind vor allem no¨tig bei energielosen Individuen, die, zum Teil auch wegen mangelhafter Anleitung, zuvor, die leichteren Verordnungen nicht mit Konsequenz durchgefu¨hrt haben. Die Wasserentziehung wirkt zweifellos entfettend y V. Noorden glaubt, daß die Patienten bei der Trockenkost den Appetit verlieren und so die Nahrungsbeschra¨nkungen weniger bitter empfinden. y Doch meint er nicht, daß Wasserbeschra¨nkung der Fettverbrennung direkt Vorschub leiste. y Alkoholische Getra¨nke sind zu meiden, nicht nur wegen der Wasserzufuhr, sondern auch weil z. B. ein Liter Bier schon allein 350 Kalorien liefert. Die Erho¨hung des Energieumsatzes geschieht im wesentlichen durch Muskelarbeit. Der Fettleibige, der starke Muskeln und ein starkes Herz hat, bedarf in keiner Weise der Schonung. y Im u¨brigen aber soll man durch Gymnastik, vor allem durch Steigarbeit y und durch Rudern in ergiebigem Maße die Muskelta¨tigkeit hervorrufen. y Bei Radfahren ist große Vorsicht am Platze. Was die Heilgymnastik anbelangt, so wird dem Geist der Zeit entsprechend, ihr Einfluß beim Gesunden u¨berscha¨tzt; wer wandern und bergsteigen kann, soll sich nicht an die minimalwirkenden Apparate schmieden lassen. Noch ungu¨nstiger, wenigstens zu diesem Zwecke, lautet das Urteil u¨ber Massagen. – Was die Schilddru¨senTherapie anbelangt, so treibt sie den Energieumsatz na¨chst der Muskelarbeit am sta¨rksten in die Ho¨he, doch ist sie wegen der gleichzeitigen Giftwirkung absolut zu verwerfen. Die klimatischen Faktoren und die Badeorte sind
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haben einen geringen Na¨hrwert (Kalorienwert), und sa¨ttigen trotzdem, bieten auch viel Abwechslung, wa¨hrend Fettzufuhr in der Regel auf Appetit und Wohlbefinden nachteilig wirkt; die hierdurch erzielte Verminderung der Nahrungsaufnahme ist meist eine Folge von U¨berdruß. Im einzelnen unterscheidet v. Noorden drei Grade der Entfettungsdia¨t. Die Erhaltungskost eines fettleibigen Mannes von mittlerer Gro¨ße, ohne anstrengende Muskelarbeit betra¨gt etwa 2500 Kalorien, bei Frauen etwa 300 Kalorien weniger. Beim ersten Grad der Entfettungsdia¨t werden etwa 2000 Kalorien gegeben; gleichzeitig mu¨ssen energische ko¨rperliche U¨bungen vorgenommen werden. Die Kur ist fu¨r leichte Grade der Fettsucht bei ru¨stigen Leuten geeignet. Man erzielt dann anfangs eine Gewichtsabnahme von 3–4 Pfd., spa¨ter von 2–3 Pfd. im Monat. Beim zweiten Grad gibt es nur etwa 1500 Kalorien. Die Erfolge sind hier je nach der gleichzeitigen ko¨rperlichen Arbeit, zwischen 5–7 oder 2–4 Pfd. pro Monat schwankend. Die Dia¨t kann lange beibehalten werden; auch geschwa¨chte Fettleibige ko¨nnen sie, natu¨rlich ohne ko¨rperliche Anstrengung, la¨ngere Zeit brauchen. Beim dritten Grad gibt man zwischen 1000 und 1500 Kalorien. Diese Dia¨t la¨sst sich einige Wochen lang durchfu¨hren, allerdings nur unter sorgfa¨ltiger Beobachtung, am besten im Sanatorien. Man kann, je nach der ko¨rperlichen Arbeit, unter Heranziehung anderer Maßnahmen 6–12, aber auch 20–30 Pfd. im Monat zu Verlust bringen. Bei diesen dia¨tetischen Schnellkuren ist die gro¨ßte Vorsicht am Platze, in der Arbeit des ta¨glichen
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