Effizienz und Incentivierung in der stationären Versorgung

Effizienz und Incentivierung in der stationären Versorgung

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Public Health Forum 17 Heft 64 (2009) http://www.elsevier.de/phf

Effizienz und Incentivierung in der stationa¨ren Versorgung Axel Paeger scheint. Obwohl der Untersuchungsraum frei ist, kann nur einer ¨ rzte die freie Zeit zum Diktat der A von Arztbriefen nutzen, weil es nur ¨ rzte beein Diktiergera¨t gibt. Die A antragen deshalb ein zweites Diktiergera¨t fu¨r ihre Station, der Chefarzt unterstu¨tzt den Antrag und zeichnet ihn ab. Es dauert drei Wochen, bis der Antrag beantwortet aus der Verwaltung zuru¨ckkommt: Fu¨r das laufende Jahr sind alle fu¨r ’’ Diktiergera¨te zur Verfu¨gung stehenden Mittel ausgescho¨pft. Ihr Antrag war deshalb ablehnend zu be¨ rzte blockiescheiden . Die drei A ren sich weiterhin gegenseitig das Diktiergera¨t, weil eine Ausgabe in Ho¨he von 80,00 Euro nicht die Genehmigung der Verwaltung fand. Doch in den drei Wochen, in denen der Antrag zur Bearbeitung in der Verwaltung weilte, erfolgten seitens ¨ rzte allein durch die Ander drei A ordnung mehrerer Computertomographien Ausgaben in Ho¨he von u¨ber 5.000,00 Euro. Das einfache Beispiel aus dem Universita¨tsklinikum offenbart die fehlerhafte Konstruktion von Managementorganisation und Entscheidungslinien. Die Verwaltung beha¨lt sich beim Kauf von Bu¨roartikeln wie Bleistiften und Diktiergera¨ten die Zustimmung vor, kann aber medizinische und pflegerische Entscheidungen, die den Hauptanteil der klinischen Kosten darstellen, nicht beeinflussen. Es wird deutlich, dass die praktizierte Dreitei¨ rzteschaft und lung in Verwaltung, A Pflege so keinen Sinn macht. In der Praxis hat fast jede Entscheidung einen inhaltlichen ( medizini’’



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Deutschlands Krankenha¨user befinden sich in einer Dauerfalle. Bis einschließlich 2008 stiegen die Personalkosten in den Salierungstarifen (BAT, TVo¨D, TVL) Jahr fu¨r Jahr sta¨rker als die nahezu um null erho¨hten Erlo¨se. Diese Schere kann nur kompensiert werden, wenn es gelingt, Rationalisierungseffekte zu erzielen. Dazu mu¨ssen die Managementstrukturen in Krankenha¨usern den Marktbedingungen (Paeger, 2001a) Rechnung tragen. Weiter geho¨rt Controlling zu den Werkzeugen jeder erfolgreichen Organisation (Paeger et al., 2002) und ihrer Fu¨hrung (Schwing, 2001a). Doch die Fu¨hrungsfa¨higkeit der meisten deutschen Krankenha¨user leidet an einer althergebrachten Strukturierung (Paeger, 1999). Dies verdeutlicht die folgende kleine (wahre!) Anekdote aus einem deutschen Universita¨tsklinikum: auf einer Station der Zweiten Abteilung fu¨r Innere Medizin (Gastroenterologie, Nephrologie) steht drei Assistenza¨rzten ein kleines, schmales Arztzimmer mit 1,80 m Breite zur Verfu¨gung. Es hat einen langen Schreibtisch, an dem bis zu zwei ¨ rzte beengt Platz nehmen ko¨nnen A und ein Diktiergera¨t, das sich die ¨ rzte teilen. Ein großer Teil drei A der Schreibtischfla¨che ist mit Stapeln von Akten entlassener Patienten belegt, deren Arztbriefe trotz sta¨ndiger Mahnung u.a. aus der Verwaltung noch nicht diktiert sind. ¨ rzte haben ha¨ufig geDie drei A meinsam Leerlauf auf Station, ’’ z.B. wenn sie auf den Chef warten, bis dieser zur Chefarztvisite er-

schen bzw. pflegerischen ) und ’’ finanziellen ( verwalterischen ) As’’ pekt. Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit sind nur durch Chefarzt oder leitende Pflegeperson zu beurteilen. Das bedeutet fu¨r den Chefarzt, dass er o¨konomische Verantwortung u¨bernehmen muss, wenn sinnvolles Wirtschaften im Krankenhaus ermo¨glicht werden soll. Die Grundeinsicht besteht darin, dass letztendlich jede finanziell relevante Entscheidung im klinischen Umfeld eine medizinische oder pflegerische Entscheidung ist. Wo anders als in der medizinischen Fachabteilung selbst kann diese Entscheidung mit ho¨chstmo¨glichem Sachverstand getroffen werden? In der Konsequenz bedeutet das umfangreiche Befugnisse fu¨r leitende ¨ rzte (Schwing, 2001b). Die KehrA seite: Schuld an der Kostenmisere einerseits oder unzureichender medizinischer Ausstattung andererseits kann nicht mehr die Verwaltung sein. Bei Effizienz geht es darum, wie die vorhandenen Mittel eingesetzt werden ko¨nnen, um im Sinne eines optimalen Ressourceneinsatzes die bestmo¨gliche Versorgung aller Patienten zu erreichen. Zugegeben: der leitende Arzt wird dabei ein Stu¨ck zum Manager – aber andererseits, wie schon gesagt – es gibt fu¨r diese wichtigen Entscheidungen keinen besser qualifizierten Manager. Die Deckungsbeitragsrechnung (s. Abb. 1) stellt den Erlo¨sen aus DRGVergu¨tungen (Paeger, 2003) die durch medizinische Leistungen verursachten Kosten entgegen. Ziel des leiten-

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Abbildung 1. Deckungsbeitragsrechnung (Profit Center-Modell) am Beispiel einer Abteilung fu¨r Gyna¨kologie und Geburtshilfe.

den Arztes muss es sein, in seinem ‘‘Profit Center’’ einen zuvor definierten Erlo¨su¨berschuss – Deckungsbeitrag genannt – zu erwirtschaften, der beno¨tigt wird, um Kosten zu decken, die außerhalb seines Entscheidungsund Verantwortungsbereiches liegen (Gemeinkosten der Verwaltung und ¨ hnliches). Auch im nicht gewinnA orientierten Krankenhaus ist der ‘‘Profit Contribution’’ (Deckungsbeitrag) notwendig, um u¨ber- oder nebengeordnete Bereiche zu finanzieren (Paeger, 1998). Ein Chefarzt hat dabei die Mo¨glichkeit, seine o¨konomische Verantwor-

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tung an leitende Obera¨rzte weiter zu delegieren. In Abbildung 1 wird dies am Beispiel einer Abteilung fu¨r Gyna¨kologie und Geburtshilfe verdeutlicht. Der Gesamt-Erlo¨s und Gesamt-Deckungsbeitrag aus den DRG-Vergu¨tungen (Diagnosebezogene Fallgruppen – Vergu¨tung) setzt sich aus den Teil-Erlo¨sen und Teil-Deckungsbeitra¨gen der geburtshilflichen sowie der gyna¨kologischen Stationen zusammen. Nicht erst am Jahresende, sondern regelma¨ßig im Verlaufszeitraum sollten Beurteilungsgespra¨che zwischen den Beteiligten stattfinden.



Abweichungen des Ist vom Soll (Paeger, 2001b) bedu¨rfen der Analyse und Ursachenforschung. Allfa¨llig werden Maßnahmen zur Gegensteuerung eingeleitet, wie z.B. die Verminderung von doppelt angeforderten Laboruntersuchungen durch bessere Organisation der Patientenakte. Das Qualita¨tsmanagement hilft bei der Optimierung der kritischen Prozesse (Paeger, 1997) und fu¨hrt gleichzeitig zur Steigerung der Arbeits- und der Patientenzufriedenheit (Schneeweiss et al., 2000).



Literatur siehe Literatur zum Schwer- punktthema. www.elsevier.de/phf-literatur doi:10.1016/j.phf.2009.06.010 Dr. Axel Paeger AMEOS AG Bahnhofplatz 14 CH-8021 Zu¨rich [email protected]

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Einleitung Deutschlands Krankenha¨user befinden sich in einer Dauerfalle. Bis einschliesslich 2008 stiegen die Personalkosten in den Salierungstarifen (BAT, TVo¨D, TVL) Jahr fu¨r Jahr sta¨rker als die nahezu um null erho¨hten Erlo¨se. Diese Schere kann nur kompensiert werden, wenn es gelingt, Rationalisierungseffekte zu erzielen. Dazu mu¨ssen die Managementstrukturen in Krankenha¨usern den Marktbedingungen (Paeger, 2001a) Rechnung tragen. Weiters geho¨rt Controlling zu den Werkzeugen jeder erfolgreichen Organisation (Paeger et al., 2002) und ihrer Fu¨hrung (Schwing, 2001a).

Paeger A. Quality improvement in Germany. Jt Comm J Qual Improv 1997;23:39–46. Paeger A. Managed care aus Sicht der Leistungsanbieter. In: von Haake D, Kugler J, Lippert H, Herausgeber. Der leitende Arzt in der Krankenhausorganisation. Balingen: Spitta Verlag; 1998. Paeger A. Auswirkungen von Managed-CareAnsa¨tzen auf Krankenha¨user in Deutschland. In: Braun v. GE, Herausgeber. Handbuch Krankenhausmanagement – Bausteine fu¨r eine moderne Krankenhausfu¨hrung. Unter Mitwirkung zahlreicher Perso¨nlichkeiten aus Wissenschaft und Praxis. Stuttgart: Scha¨ffer Poeschel Verlag; 1999. S. 131–144, ISBN 3-7910-1303-3. Paeger A. Netzwerkorientierte Versorgungssysteme in der Schweiz. In:Hellmann v.W, Herausgeber. Management von Gesund-

heitsnetzen – Theoretische und praktische Grundlagen fu¨r ein neues Berufsfeld 2.7. Stuttgart: Kohlhammer Verlag; 2001a. S. 217–223, ISBN 3-17-016557-7. Paeger A. Im Crosswalk von EFQM zu KTQ und QMK – Vergleichende Erfahrungen mit fu¨hrenden Bewertungsmodellen. In: von Hindringer B, Rothballer W, Tho- mann HJ, Herausgeber. Qualita¨tsmanage- ment im Gesundheitswesen, 16. Aktualisie- ¨ V- rung/Erg.-Lieferung 06310. Ko¨ln: TU Verlag; 2001b. Paeger A, Zimmer O, Budde A. Implementie- rung von Indikationspfaden in deutschen Krankenha¨usern – Zielsetzungen, prakti- sche Erarbeitung, Ergebnisse. In: Hellmann v.W, Herausgeber. Klinische Pfade – Kon- zepte, Umsetzung, Erfahrungen. Lands- berg/Lech: ecomed Verlag; 2002. S. 130–160, ISBN 3-609-16094-2.

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Literaturverzeichnis

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