Einfluß des Thiamins auf den Stoffwechsel der Thiamin-autotrophen Serratia marcescens

Einfluß des Thiamins auf den Stoffwechsel der Thiamin-autotrophen Serratia marcescens

Zbl. Bakt. Abt. II, Bd. 130, S. 533-540 (1975) [Aus dem Botanischen Institut der Universitat Miinster] EinfluB des Thiamins auf den Stoffwechsel der...

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Zbl. Bakt. Abt. II, Bd. 130, S. 533-540 (1975)

[Aus dem Botanischen Institut der Universitat Miinster]

EinfluB des Thiamins auf den Stoffwechsel der Thiamin-autotrophen Serratia marcescens The influence of thiamin on the physiology of the thiamin-autotrophic Serratia marcescens

O. R. Schmidt und H. Hagedorn Mit 7 Abbildungen

Summary Serratia mar~8cens was treated with thiamin without any following change of the time of generations, of the dry weight of cells and of the total oontents of carbohydrates and proteins. The contents of neutral fats is decreased about 68 %, the reduction of the only source for oarbon glycerol is inoreased about 40 % and the consumption of oxygen is increased about 60 %. The turnover of pyruvat gets up about 84 % and tha.t of
Zusammenfassung Generationszeit, Zelltrockengewicht, Gehalt an Gesarntkohlenhydrat und -protein verandern sich nach Thiamingaben nicht. Jedoch wird der Gehalt an Neutralfetten urn 68 % reduziert; der Abbau der einzigen C-Quelle Glycerin wird urn ca. 40 %, der Sauerstoffverbrauch urn Oil.. 60 % gefordert. Der Urnsatz von Pyruvat steigt urn 94 %, von
Serratia marcescens kann wie viele andere auxoautotrophe Bakterienspezies das Vitamin Bl aufnehmen, synthetisieren und exkretieren. Die Aufnahme erfolgt bei Bakterien aktiv (NEUJAHR 1966; KAWASKI et al. 1969a, b; KAWASAKI U. ESAKI 1971). An naturlichen Standorten beteiligen sich an der Aufnahme des mikrobiell gebildeten Thiamins Algen (PROV ASOLI 1958; SCHUKERK 1960; DROOP 1957, 1962; V. WITSCH 1963; LEWIN 1963; KAFKA 1964; HAGEDORN 1969a, b; 1971 a, b; SCHWARZ 1972), Pilze (FRIES 1961) und Bodenbakterien (u. a. LOCHEAD u. BURTON 1956). Die Aufnahme erfolgt sehr viel schneller als die Abgabe; 80 werden 103 Molekiile/Zelle/ Minute aufgenommen und nur 25-250 Molekiile/Zelle/Minute abgegeben (SCHMIDT 1973). Das aufgenommene Vitamin fiihrt bei auxoheterotrophen Spezies zu einer Steigerung der physiologischen Aktivitat, die sich als erhOhte Wachstumsrate nachweisen laBt. Fur :mxoautotrophe Bakterienstamme liegen uber den EinfluB des zusatzlich aufgenommenen Tiamins nur vereinzelte Beobachtungen vor, obwohl diE meisten Stamme Vitamin Bl aus dem Medium aufnehmen. Die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen zwei mogliche Reaktionen: L Nur die Thiaminsynthese wird reprimiert oder 2. die physiologische Aktivitat wird stimuliert, so daB der Ertrag ansteigt.

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0. R. SCHMIDT und H. HAGEDORN

Dieser Effekt wurde speziell bei Algen gefunden (V. WITSCH 1963). Abel' auch bei Bakterien wie z. B. Sarcina lutea liellen sich Steigerungen von Wachstumsgeschwindigkeit, Trockengewicht, 02-Verbrauch und Carotinoidsynthese nachweis en (SCHWARZ 1972). Da die Freisetzung von Thiamin in natiirlichen Substraten durch mikrobielle Aktivitat kontinuierlich in einem effektiven Ausmall erfolgt, erschien es sinnvoll, die Auswirkungen des Thiamins auf auxoautotrophe Bakterien zu priifen.

Material und Methoden A. Mikrobi o logische Methoden Der Stamm Serratia marcescens aus der Sammlung des Botanischen Institutes der Universitiit Munster wurde in einem synthetischen Medium (5,0 g Glycerin; 2,0 g (NH4)2S04; 1,0 g NH,OI; 2,62g KJiP04 x 3~O; O,Olg MgS0 4 x 7H20 ; ad 1 Liter dest. Austauscherwasser; pH 7,4 nach Sterilisation bei 121 °0) aerob ais Batch·Kultur (lOO mI, Schutteln bei 37 °0) oder kontinuierlioh in einem Chemostaten [Eigenbau, V = 460 ml, f = 46 (50) ml, U = 1500fMin. , 02·Siittigung, 30 °C, g = 6,25 (6,93)] angezogen. Die Gesamtkeimzahlen wurden entweder nephelometrisch mit dem Photometer (Eppendorf, 578 nm) oder direkt im Mikroskop (Ziihlkammer nach Thoma) bestimmt. Die Lebendkeimzahlen wurden auf Agarplatten, die Trockengewichte nach Filtration durch Membranfilter (Sartorius) und Trocknung bei 105 °C ermittelt. Der Zella.ufschlu13 eriolgte im Homogenisat or (Fa.. Braun) mit Glasperlen unter CO 2·Kiihlung. Ais Kontrollen galten bei den Batch·Kulturen die vitaminfreien Parallelansiitze und bei der kontinuierlichen Kultur die konstanten Werte einer mindestens ein· tiigigen Kultur ohne Thiamin. B. Chemische Methode n Kohlenhydrate wurden mit der Anthronmethode, Proteine nach LOWRY (1951), Neutralfette, Glycerin und Pyruvat mit den entsprechenden "Biochemica Test·Combinationen" von Boehringer, ~.Ketoglutarat nach BERGMEYER und BERNT (1970), die Transketolase nach BRIN (1970), der geloste Sauerstoff polarographisch mit dem p02·Me13geriit von Eschweiler (Kie1) analysiert. Acetoin wurde photometrisch bei 546 nm nach Reaktion (45 Min.; 25 °0, unter Schutteln) mit ~·Naphthol (5 %in absolut. Athanol) und Dicyandia.mid (0,2 % in 10 n KOH) gemessen. Das Thia.min wurde mikrohiologisch mit Lactobacillus j ermentii bestimmt. AIle verwendeten Ohemikalien hatten den Reinheitsgrad p. A., das zugegebene Thiamin wurde kalt sterilisiert, um Aktivitiitsverluste zu vermeiden. Die statistische Sicherung der Ergebnisse erfolgte mit dem t·Test bei 5 % Signifikanzniveau.

Ergebnisse Die Ergebnisse sind in den Abb. 1-7 graphisch dargestellt. Die dort verwendeten Keimzahlen wurden meistens nach den nephelometrischen MeBwerten berechnet. Die notwendige Eichkurve entstand aus vielen Messungen del' Gesamt- und Lebendkeimzahlen. Die Korrelation del' MeBwerte beider Methoden war in del' log-Phase sehr gut reproduzierbar, jedoch lagen die Lebendkeimzahlen in del' stationaren Phase um ca. 10%, in del' mittleren Absterbephase um ca. 35 % unter den nach del' logPhase berechneten Werten. Von den verwendeten Thiaminkonzentrationen (3 X 10- 8 M = 10 ltg/I, 3 X 10-6 M, 3 X 10- 4 M) entspricht die niedrigste den natiirlichen Verhaltnissen. Die Wachstumskurven (Abb. 1) del' Kulturen mit unterschiedlichen Thiamingaben sind bis zur spaten log-Phase mit del' Kurve del' Kont-rolle identisch. Sie unterscheiden sich abel' im letzten Drittel del' log-Phase, da bei Thiamingaben eine Erhohung del' exponentiellen Wachstumsrate erfolgt, deren Ergebnis ein um ca. 10 % haherer Ertrag ist. Wahrend die Kontrolle nach einer ausgepragten stationaren Phase langsam abfallt, ist in den Kulturen mit Thiamin die stat. Phase st ark reduziert und del' Dbergang zur Absterbephase setzt sofort ein.

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Einflu13 des Thiamins auf den Stoffwechsel etc.

Wachstum

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20 40 60 80 h

Abb. 1. Batch-Kultur. Wachstumskurven von Kulturen ohne (Kontrolle) und mit Thiamin (3 X 10-4, 10- 6 , 10- 8 M). Thiamin bewirkt eine Verlangerung der log- und Verkurzung der Absterbephase. Abb. 2. Batch-Kultur. Extrazellulares Pyruvat wird nach Thiamingaben nicht angereichert.

Die Trockengewichte der EinzelzelIen, die sich in der log-Phase durch Thiamingaben gegeniiber der Kontrolle (0,489 pg) kaum unterscheiden, werden in der Letalphase eindeutig geringer (0,742 gegen 0,823 pg = KontrolIe), wohl bedingt durch die rascher ablaufende Autolyse der Thiaminzellen. Der Gehalt der Zellen an Kohlenhydraten und Protein veranderte sich nicht durch Thiamingaben, wie die Tabelle 1 zeigt.

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Abb. 3. Batch-Kultur. In der spaten log-Phase setzt nach Thiamingaben ein erhohter Glycerinverbrauch ein. Abb. 4. Batch-Kultur. Der intrazellulare Neutralfettgehalt ist nach Thiamingaben stark reduziert.

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O. R.

SCHMIDT

und H. HAGEDOR~

Tabelle 1 Protein (pg/Zelle)

Kohlenhydrate (pg/Zelle)

VitaminB1

29 Std.

51 Std.

75 Std.

29 Std.

51 Std.

75 Std.

0,051 0,050 0,051 0,051

0.070 0,071 0,071 0,073

0,078 0,078 0,078 0,079

0,60 0,60 0,60 0,61

0,40 0,40 0,40 0,40

0,38 0,37 0,39 0,38

Kontrolle 3.10- 8 M 3.10- 8 M 3· lO-f M

giL

l,a 1,6 3xl
1,4

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1,2

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1,0

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0,6

0.4 0,2 40

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120 160 200 240 h

Abb. 5. Batch·Kultur. Der extrazellu!ii.re Acetoingehalt steigt gleichsinnig zur Thiaminkonzen· tration an.

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Abb.6. Kontinuierliche Kultur. Naeh der Thiamingabe nehmen Pyruvat und Glycerin ab, wahrend 02-Verbrauch und Acetoin zunehmen.

Einflu13 des Thiamins auf den StoffwechseI etc.

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Der Gehalt an Neutralfetten wird dagegen durch 3 X 10-4 M Thiamin erheblich beeinfluBt, und liegt, beginnend mit der spaten log-Phase, urn 68 % unterhalb der Kontrolle (Abb. 4). 60 % der einzigen C-Quelle Glycerin werden innerhalb der ersten 20 Std. unbeeinfluBt yom Thiamin verbraucht (Abb. 3). Intrazellular sind nur Spuren nachweisbar. Mit Beginn der spaten log-Phase setzt bei den mit 3 X 10-4 M Thiamin behandelten Bakterien ein um 40 % erh6hter Verbrauch ein. Dieser Mehrverbrauch von ca. 800 mg Glycerin durch Thiaminga ben ist eindeutig, da zu dies em Zeitpunkt die Gesa-mt. keimzahlen in den beiden Vergleichskulturen gleich groB sind. Ahnlich verlaufen die Kurven des extrazellularen Pyruvats (Abb. 2), das in der Kontrolle sich gegen Ende der log-Phase im Medium anreichert (max. 92 mg/l), wahrend nach Thiamingaben nur 5 mg/l gefunden werden. Das intrazellulare Pyruvat wird dagegen wenig beeinfluBt. Das Hauptfermentations. produkt Acetoin wird in Dbereinstimmung mit Wachstum, Pyruvat und Glycerinverbrauch auch erst gegen Ende der log-Phase synthetisiert und exkretiert. Die gefundenen Mengen entsprechen den gebotenen Thiaminkonzentrationen, z. B. nach 90 Std.: Kontrolle = 0,9 g; 3 X 10- 8 M = 1,38 g; 3 X 10-6 M = 1,86; und 3 X 10-4 M = 1,9 gil (Abb. 5). Diese Untersuchungsbefunde von Batch-Kulturen werden gestiitzt und beziiglich del' Kinetik erweitert durch die Untersuchungen an kontinuierlichen Kulturen. Die meisten Reaktionen der Zellen auf die Thiaminzugabe setzen dort nnerhalb weniger Minuten ein. So steigt der 02-Verbrauch innerhalb einer Stunde um 60 % gegeniiber der Kontrolle an (Abb. 6). Die intra- und extrazellularen IX-Ketoglutaratkonzentrationen sinken sofort ab und erreichen eine Abnahme von 70 % (intrazell.) (Abb. 7). Dasselbe gilt fiir den Glycerinverbrauch und fUr die Exkretion des extrazellularen Pyruvats. Das Pyruvat nimmt innerhalb von 18 Std. um 80 % ab (Abb. 6); es muG von den Zellen assimiliert worden sein. Die Steigerung der Volumenaktivitat der Transketolase setzt erst 4 Std. nach der Thiamingabe ein. Sie wachst von 122 U II auf 178 U 11 Suspension = 46 %. Auch

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0,8 0,6 0,4 0,2

15 h

Abb. 7. Kontinuierliche Kultur. Nach der Thia,mingabe steigt die Aktivitat der Tra,nsketola,se an. Das Ketogluta,ra,t nimmt a,b, intra,zellular starker als extrazellular. 36

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SCHMIDT

und H.

HAGEDORN

Acetoin benotigt zur Synthese eine Anlaufzeit von 6 Std, der dann eine rasche Produktion folgt (945 % Zuwachs). Del' VerIauf der Kurven spricht fUr die schnelle Aufnahme des Thiamins und seine unmittelbar erfolgende Verwendung.

Diskussion Eine Wirkung von Thiamin auf den thiaminautotrophen Stamm Serratia marcescens laLlt sich mit den iiblich verwendeten Parametern (Wachstum, Trockengewicht, Proteingehalt) nicht nachweisen. Erst in del' spaten log-Phase erweist sich die Thiaminkultur als "physiologisch jiinger" (v. WITSCH 1963), da die stationare Phase spater einsetzt. In diesel' Phase treten auch erst die groBen Veranderungen del' Stoffwechselleistungenauf. In der kontinuierlichen Kultur laBt sich dagegen zeigen, daB der EinfluB des zugegebenen Thiamins innerhalb kurzer Zeit manifest wird. Die Wirksamkeit des Thiamins hangt demnach yom physiologischen Zustand der Zellen ab o Dieselben Erfahrungen sind uns von Experimenten mit einzelligen Griinalgen bekannt. Bei dem zum Aerobakter-Typ gehorenden Stamm Serratia marcescens wirddurch Thiamingaben die Pyruvatsynthese fast verdoppelt. Dieser wichtige Metabolit flieLlt abel' nicht in den Zitronensaurecyklus, sondern wird zur Acetoinsynthese verwendet. Da Serratia keine Pyruvat-Decarboxylase besitzt, wird kein Acetaldehyd gebildet, sondern zwei MolekUle Pyruvat bilden IX-Acetolactat unter Einwirkung del' IX-Acetolactatsynthetase. Dazu wird ein Molekiil decarboxyliert, das mit TPP zusammen zum Hydroxyathylthiaminpyrophosphat wird (DOLIN u. GUNSALUS 1951, JUNI 1952). Diese Reaktion erfolgt leicht und kann auch extrazellular unter bestimmten Bedingungen ablaufen CObersicht bei KAMPRITZ 1969). Das gebildete IXAcetolactat wird dann von einer spezifischen Decarboxylase in Acetoin iiberfiihrt. Dieser Schritt erfordert kein TPP (SOKATCH 1969). Acetoin kann durch NADPH 2 zum Butandiol reduziert oder durch O2 zum Diacetyl oxydiert werden. Der erste Teil diesel' Reaktionen verlauft fast quantitativ, so wurden in kontinuierlicher Kultur 95 % des Pyruvats in Acetoin transformiert und nul' 3 % als IX-Ketoglutarat im Zitronensaurecyklus wiedergefunden. In einer batch-Kultur wurden an zusatzlicher Synthese gemessen: Pyruvat 8 X 106 , Acetoin 3 X 106 Molekiile/Zelle/Minute. Das entspricht einem Mehrumsatz von 75 %. Die Thiamingabe betrug 10 /-lg/Liter. Del' rasche AbfluB des Pyruvats erfordert eine entsprechende Erhohung der Pyruvatsynthese aus Glycerin. Wi e gezeigt wurde, koinzidieren auch Acetoinsynthese und Glycerinverbrauch. Viele Enterobakterioaceae konnen Glycerin anaerob und aerob vergaren, wobei als Endprodukte Alkohole, Sauren, CO 2 entstehen. Nach HUNTER (1953) solI auch Pyruvat gebildet werden konnen oder Glycerinaldehyd und Dioxyaceton. Der bei der Glycerintransformation gefundene Sauerstoffkoeffizient von 1,5 M 02/M Glycerin stimmt mit Erfahrungen an Mycobacterien iiberein (THIMANN 1964). Es ist denkbar, daB die erhOhte Glyceringarung nur von der gesteigerten Aktivitat del' TPP-abhangigen Acetolactatsynthetase abhangt. Das Ergebnis dieser gesteigerten Aktivitaten ist nul' die Verlangerung del' log-Phase, abel' keine Anderung des Wachstums odeI' spezieller Synthesen. Eine weitere Folge ist die Verkiirzung der stationaren und del' negativen log-Phase. Die erhOhte Aktivitat der TPP-abhangigen Enzyme veranlaLlt nach El'schopfung del' Substrate vermutlich die beschleunigte Autolyse. Die Reduktion des Zellfettgehaltes nach Thiamingaben konnto zwei Gl'iinde habe n: 1. DaR Pyruvat wird bevorzugt von dec Acetolactatsynthetase umgesetzt, so daB weniger Acetyl-Co-A entst eht, und 2. das zur F ettsauresynthese benot.igtc N ADPH 2 wird zur Reduktion des Acetoins aufgefangen.

Einfluf3 des Thiamins a uf den Stoffwechsel etc.

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Offen bleibt, ob durch das Thiamin bereits vorhandene Apoenzyme aktiviert werden, oder ob sie de novo entstehen. WITT u. HEILMEYER (1966), WITT u. NEUFANG (1970) wiesen fur die Pyruvatdecarboxylase bei Hefe eine Induktion durch Thiamin nach, fur die Transketolase von Hefen und Lactobacillen wurden jedoch Aktivierungsprozesse angenommen, indem durch zugefugtes TPP eine Vervollstandigung der Holoenzyme erfolgt (WITT u. NEUFANG 1970, BOHM et a1. 1973). Fur Serratia marcescens konnen auf Grund der in der kontinuierlichen Kultur sofort einsetzenden Reaktionen Aktivierunger angenommen werden. Das gilt speziell fur die Acetolactatsynthetase, wah rend fur die Transketolase eine Induktion angenommen werden kann. Die AktivitatserhOhung dieses Enzyms wurde nicht naher analysiert.

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